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Das Buch

Das mächtige Elfenvolk der Sylvermyst ist seit Jahrhunderten mit den Vampiren verfeindet, aber nun braucht der Elfenprinz Ariyal die Hilfe der Vampirin und Jägerin Jaelyn. Doch diese hat den Auftrag, den Sylvermist an die mächtige Kommission auszuliefern. Um dies zu verhindern, entführt Ariyal die Vampirin kurzerhand. Denn er hat eine wichtige Aufgabe zu erfüllen: Er muss einen abtrünnigen Clanbruder finden, der zusammen mit dem Zauberer Sergei den Fürsten der Finsternis wiederauferstehen lassen und damit die dunklen Mächte in die Dämonenwelt zurückholen will. Die Lage, in die Jaelyn gerät, erweist sich als besonders gefährlich für sie, denn sie kann ihre Leidenschaft für Ariyal nur schwer kontrollieren: Sie ist eine Jägerin und darf unter keinen Umständen ihren Gefühlen nachgeben – andernfalls droht ihr eine schreckliche Strafe. Als ein mächtiges Orakel ihr den Auftrag gibt, Ariyal trotzdem zur Seite zu stehen, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Und es steht mehr auf dem Spiel als ein einzelnes Leben: Können Jaelyn und Ariyal die Welt vor dem Untergang bewahren?

Die Autorin

Unter dem Pseudonym Alexandra Ivy veröffentlicht die bekannte Regency-Liebesroman-Autorin Deborah Raleigh ihre Vampirromane. Der Dunkelheit versprochen ist der achte Band ihrer international erfolgreichen Guardians of Eternity-Reihe, mit der die Autorin regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste vertreten ist. Im Diana Verlag sind bisher erschienen: Der Nacht ergeben, Der Kuss des Blutes, Nur ein einziger Biss, Im Bann der Nacht, Im Rausch der Dunkelheit, Wächterin des Blutes sowie Fesseln der Finsternis. Alexandra Ivy ist Mutter von zwei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Missouri.

Alexandra Ivy

DER DUNKELHEIT

VERSPROCHEN

Roman

Aus dem Englischen von Kim Kerry

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Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel

Bound By Darkness (Guardians of Eternity, Book VIII)

bei ZEBRA Books, Kensington Publishing Corp., New York

Deutsche Erstausgabe 01/2013

Copyright © 2011 by Debbie Raleigh

Published by arrangement with Kensington Publishing Corp.,

New York, NY, USA

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013 by Diana Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Redaktion | Vera Serafin

Umschlaggestaltung | t.mutzenbach design, München

unter Verwendung eines Motivs von © shutterstock

Herstellung | Helga Schörnig

Satz | Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich

Alle Rechte vorbehalten

978-3-641-08625-1
V003

www.diana-verlag.de

»Fleisch von Fleisch, Blut von Blut, gebunden in Finsternis.

Alpha und Omega sollen auseinandergerissen

und durch den Nebel wieder vereint werden.

Wege, die verborgen waren, werden gefunden werden,

und der Schleier für die Gläubigen geteilt.

Die Zwillinge werden aufsteigen, und

das Chaos wird bis in alle Ewigkeit herrschen.«

Prophezeiung der Sylvermyst

KAPITEL 1

Santiagos Club, auf dem Mississippi gelegen,

genau in der Mitte zwischen Chicago und St. Louis

Es war niemals von Mutter Natur vorgesehen, dass Vampire und Werwölfe in Frieden miteinander leben. Und man konnte verdammt sicher davon ausgehen, dass sie niemals den Plan verfolgt hatte, die beiden eine Art Du-bist-mein-bester-Kumpel-Männerfreundschaft genießen zu lassen, wie sie im Augenblick bei den Menschen so hoch im Kurs war. Das war auch verdammt gut so, wenn man bedachte, dass die beiden räuberischen Spezies dazu neigten, schon in mörderischen Zorn zu geraten, selbst wenn sie sich einfach nur in demselben Territorium aufhielten.

Doch das drohende Ende der Welt sorgte wahrhaftig für seltsame Bündnisse. Angesichts der möglichen Rückkehr des Fürsten der Finsternis aus der Höllendimension, wohin er vor Jahrhunderten verbannt worden war, blieb weder dem Anasso der Vampire noch dem König der Werwölfe eine andere Wahl, als wenigstens versuchsweise zusammenzuarbeiten.

Nun, der Ausdruck »zusammenarbeiten« war wohl doch eine sehr wohlwollende Beschreibung ihres unsicheren Waffenstillstandes, dachte Styx. Seine zwei Meter hohe Gestalt lehnte am Schreibtisch aus Walnussholz, der in dem Büro seines Vampirkameraden Santiago stand. Er trug sein übliches Ensemble aus schwarzer Lederhose, Springerstiefeln und einem Seidenhemd, das über seinen gewaltigen Schultern spannte. Seine äußere Erscheinung wies ihn als genau das aus, was er auch war: den harten Anführer der Vampirclans. Aber es waren die grimmige Macht, die in der aztekischen Schönheit seines Gesichtes lag, und die unbarmherzige Intelligenz in seinen dunklen Augen, die erfahrene Dämonen dazu brachte, vor Furcht zu erschauern. Styx war mehr als ein überdimensionaler Tyrann. Er war gleichzeitig gerissen, geduldig und imstande, Kompromisse einzugehen, falls es notwendig war.

Und das war auch der einzige Grund, weshalb er sich im gleichen Raum mit einem Hund aufhielt.

Der zierliche Türkisschmuck, welcher in seinen beinahe bis zu den Kniekehlen reichenden Zopf eingeflochten war, klimperte, als er trübselig den Kopf schüttelte, während er den anderen Mann nicht aus den Augen ließ.

So ungern er es sich auch eingestand, Salvatore passte weitaus besser in das elegante Büro – mit dem schiefergrauen Teppich und den museumsreifen Gemälden französischer Impressionisten, die an den getäfelten Wänden hingen und sorgfältig durch gläserne Schaukästen geschützt wurden – als er selbst.

Diesem Bastard gelang es doch stets, vom Scheitel bis zur Sohle wie ein König auszusehen, mit dem dunklen zum Zopf gefassten Haar und dem muskulösen Körper, der in einem schwarzgrauen Anzug steckte, welcher zweifelsohne mehr gekostet hatte, als das Bruttonationaleinkommen mehrerer kleiner Länder betrug. Und trotzdem lag, wie auch bei Styx, in Salvatores dunklen, lateinamerikanischen Gesichtszügen und seinen goldenen Augen eine unverkennbare, schonungslose Autorität.

Er herrschte über eine wilde Rasse, die einen schwachen König im wahrsten Sinne des Wortes zerfetzen und auffressen würde.

Der Werwolf hielt inne, um die Reihe der Hightechmonitore und die beeindruckende Überwachungsausrüstung zu studieren. Sein Blick ruhte auf dem Monitor, auf dem ein Paar beinahe identisch aussehender Werwölfinnen mit blondem Haar und grünen Augen zu sehen war, die mehrere Stockwerke unter ihnen an einem Tisch saßen.

»Seid Ihr wirklich sicher, dass dieser Ort genügend Sicherheit bietet?«

Styx schnaubte. Die Tatsache, dass er mit der Werwolfschwester von Salvatores Gefährtin verbunden war, trug nicht gerade dazu bei, die Anspannung zu verringern, die zwischen ihm und Salvatore herrschte. Nicht, nachdem dieser Bastard alles darangesetzt hatte, um Darcy aus Styx’ Obhut zu entführen.

Allerdings konnte er Salvatores Notlage in einem geringen – einem sehr geringen – Maße nachfühlen. Damals waren seine Werwölfe vom Aussterben bedroht, und er hatte beim Versuch, sein Volk zu retten, vier weibliche Werwolfwelpen genetisch verändert. Nachdem diese geraubt worden waren, hatte der König sich geschworen, sie zurückzuholen. Wie sein Unglück es jedoch wollte, entschieden sich sowohl Darcy als auch Regan, sich mit Vampiren zu verbinden. Aber seine Frustration und sein Zorn hatten nachgelassen, als er die dritte Schwester gefunden hatte, Harley. Dieser war es gelungen, die uralten Paarungstriebe zurückzubringen, die den Werwölfen seit Jahrhunderten versagt gewesen waren.

»Ihr könnt Euch glücklich schätzen, dass Santiago sich nicht in der Nähe aufhält«, entgegnete er warnend. Obgleich dieser Club, der auf die Dämonen abzielte, die über die ländliche Gegend von Illinois verstreut waren, eigentlich Viper gehörte, dem Clanchef von Chicago, war er Santiagos ganzer Stolz. »Er würde Euren Mangel an Vertrauen in seine Sicherheitsmaßnahmen als persönliche Kränkung auffassen. Und ein unglücklicher Vampir bedeutet niemals etwas Gutes.«

»Ich könnte dasselbe über einen glücklichen Vampir behaupten«, erwiderte Salvatore gedehnt und wandte sich um, um Styx ein spöttisches Lächeln zuzuwerfen.

»Ihr wart derjenige, der um diese Zusammenkunft gebeten hat.«

Der Hund zuckte mit den Achseln. »Harley vermisst ihre Schwester.«

Styx glaubte ihm aufs Wort. Obgleich nur drei Wochen vergangen waren, seit Salvatore und Harley Chicago verlassen hatten und nach St. Louis abgereist waren, war das Band zwischen den beiden Schwestern sehr eng geworden, seit sie wieder vereint waren. Aber er war sich auch sicher, dass er nicht aufgrund seiner sprühenden Persönlichkeit hergebeten worden war.

»Und die Wiedervereinigung unserer Gefährtinnen bietet uns die Möglichkeit, uns zu besprechen, ohne die gesamte Welt auf unsere Zusammenkunft aufmerksam zu machen?«

Salvatore zuckte mit den Schultern. »Ich ziehe es vor, keine lästige Neugierde zu wecken.«

»Ihr habt Neuigkeiten?«

»Nein, ich habe lediglich einige Fragen.«

»Verdammt.« Styx verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ich befürchtete bereits, dass Ihr das sagen würdet. Was wollt Ihr wissen?«

»Ist es Euren Raben gelungen, Caine und Kassandra aufzuspüren?«

Styx’ Körper spannte sich an, als er die unerwartete Frage vernahm. Es war kein Geheimnis, dass es sich bei Kassandra um die letzte der vermissten Werwolfschwestern handelte, die unerwarteterweise in den Höhlen eines Dämonenlords aufgespürt worden war. Sie befand sich nun mit einer männlichen Wolfstöle auf der Flucht, die bei der Rettung der Frau auf magische Weise in einen reinblütigen Werwolf verwandelt worden war. Die Handlungen seiner persönlichen Leibwache jedoch waren geheim.

»Was lässt Euch annehmen, dass ich nach ihnen suche?«

Salvatore zog spöttisch eine Augenbraue hoch. »Dass ich gut aussehe, bedeutet nicht, dass ich dumm bin.«

»Allerdings bedeutet es, dass Ihr eine Nervensäge seid.«

»Seid Ihr neidisch?«

Styx zog die Lippen zurück, wodurch seine riesigen Fangzähne sichtbar wurden. »Eher zunehmend hungrig.«

Gefahr lag prickelnd in der Luft, als die Macht der beiden Alphatiere erwachte. Der eisige Luftstoß des Vampirs prallte gegen die rohe Hitze des Werwolfes. Falls die Macht beider Männer freigesetzt würde, hätte dies eine heftige Explosion zur Folge.

Dann bändigte Salvatore mit einem leisen Knurren seinen inneren Wolf und zeigte erneut sein spöttisches Lächeln.

»Ich weiß, dass Darcy ungeduldig darauf wartet, ihre verschollene Schwester kennenzulernen, und da die Dämonenwelt sehr wohl weiß, dass sie Euch mit Leichtigkeit um den Finger wickeln kann, ging ich logischerweise davon aus, dass Ihr Eure Schläger auf die Suche nach ihr ausgesandt hättet.«

Styx nickte nachdenklich und nahm zugunsten von Salvatore an, dass dieser lediglich eine berechtigte Vermutung ausgesprochen hatte. Er war zwar bereit, mit den Werwölfen zu kooperieren, um das Ende der Welt zu verhindern, doch er wollte verdammt sein, wenn diese verlausten Bastarde Spione in sein Lager schickten.

»Ebenso, wie Ihr Eure Hunde freigelassen habt?«, verlangte er zu wissen.

Eine kurze Pause trat ein, bevor Salvatore widerwillig mit dem Kopf nickte. Er war ebenso wenig glücklich darüber wie Styx, persönliche Informationen preisgeben zu müssen.

»Ich gebe zu, dass ich Fess und einige meiner bewährtesten Leute zu einer Unterredung mit Caine ausgeschickt habe.«

»Und?«

»Und sie behaupten, er und Kassandra hätten sich in Luft aufgelöst.« Das schmale Gesicht verhärtete sich. »Wenn ich nicht wüsste, dass es sich bei ihnen um die besten Spurenleser handelt, die es gibt, hätte ich sie häuten lassen – dafür, dass sie entweder inkompetent sind oder lügen.«

»Und Ihr wollt wissen, ob meine Raben mehr Erfolg hatten?«

»Ja.«

»Fess spricht die Wahrheit«, räumte Styx ein, womit er sich auf den Mann bezog, der als Salvatores rechte Hand fungierte. »Jagr war imstande, Caine bis zu einem Versteck außerhalb Chicagos zu verfolgen. Obgleich er das Haus aufgrund der Zauber nicht betreten konnte, mit denen die Wolfstöle das Gelände schützen ließ, deuten sämtliche Zeichen darauf, dass sie einfach verschwunden sind.«

Salvatore fluchte. Er machte sich nicht die Mühe, Styx mit dummen Fragen zu behelligen. Jagr war Styx’ bester Rabe, und wenn dieser behauptet hatte, dass die Spur dort endete, dann endete sie tatsächlich dort.

»Magie?«, fragte er stattdessen.

»Die Spur war zu kalt, als dass man das mit Sicherheit sagen könnte.«

Salvatore begann erneut, das Zimmer mit großen Schritten zu durchqueren. »Verdammt.«

»Ich nehme an, dass Harley über diese Neuigkeit nicht erfreut sein wird«, meinte Styx spöttisch. Er freute sich, Salvatore spüren lassen zu können, dass dieser der Gnade seiner Gefährtin ebenso ausgeliefert war wie er selbst.

»Nicht erfreuter als Darcy.« Der Werwolf schüttelte den Kopf. Sein Körper war angespannt. »Aber es geht nicht nur darum, Kassandra zu ihren Schwestern zurückzubringen. Oder auch darum, was in drei Teufels Namen Caine von einer räudigen Wolfstöle in einen Rassewolf verwandelt hat.«

»Was beunruhigt Euch denn?«

»Was sollte mich nicht beunruhigen?« Salvatores humorloses Lachen hallte durch das Büro. »Scheußliche Kreaturen, von denen wir annahmen, dass sie auf ewig aus der Welt verschwunden sein würden, kriechen nun aus ihren Löchern.« Der Werwolf funkelte Styx wütend an, als sei es einzig und allein dessen Schuld, dass die Straßen plötzlich von Dämonen wimmelten, die eigentlich verbannt sein sollten. Einschließlich der verdammten Sylvermyst, der bösartigen Verwandten des Feenvolkes, die ihren großen Auftritt erst vor wenigen Wochen gehabt und prompt dafür gesorgt hatten, dass die Rettung von Laylah und ihrem Kind durch Tane misslungen war. »Und es scheint, als gebe es jede Woche einen neuen Plan, den Fürsten der Finsternis zurückzubringen.«

Styx stieß sich vom Schreibtisch ab. Wilder Zorn durchfuhr ihn. »Manch einer kommt seinem Ziel gefährlich nahe.«

»Ganz genau.« Salvatore gestikulierte mit seiner schlanken Hand. »Und wir haben die Säuglinge, die angeblich irgendeine dumme mysteriöse Prophezeiung erfüllen.«

Der Wortlaut der Vorhersage kam Styx in den Sinn. Er hatte die vergangenen Wochen damit verbracht, alles, was nur irgend möglich war, über diese Prophezeiung herauszufinden. Und vor allem hatte er versucht herauszufinden, was zum Teufel sie wohl bedeuten mochte.

»Seid nicht so geringschätzig, Werwolf«, knurrte er. »Ich bin alt genug, um die Gefahren zu kennen, wenn derart eindringliche Warnungen ignoriert werden.«

»Glaubt mir, Blutsauger, ich bin nicht geringschätzig.« In den goldenen Augen glühte mit einem Mal Salvatores innerer Wolf. »Nicht, nachdem es diesem Dämonenlord beinahe gelungen wäre, mein Volk zu vernichten. Sämtliche Omen deuten darauf hin, dass die Barriere zwischen den Dimensionen abnimmt. Und genau das ist der Grund, weshalb ich so besorgt um Kassandra bin.«

Styx verzog die Lippen, als ihm bewusst wurde, dass Salvatores Gedanken den gleichen Gang nahmen wie seine eigenen. Und dass sie die Werwölfin aus demselben Grund verfolgten.

Ein Werwolf mit Verstand. Zum Teufel, die Welt verfiel wahrhaft dem Irrsinn.

»Da sie eine Prophetin ist.« Das war eine Aussage, keine Frage.

Salvatore neigte zustimmend den Kopf. »Die erste wahrhaftige Prophetin seit Jahrhunderten. Ihr Verschwinden zu dieser Zeit kann kein Zufall sein.«

»Nein.« Styx ballte seine Hände zu Fäusten. Die Auswirkungen ihrer Abwesenheit verursachten ihm bereits Albträume. »Sie wäre eine unbezahlbare Waffe für jeden, der Zugang zu ihren Kräften hätte.«

»Wir benötigen Eure Jägerin. Sie ist die Einzige, die über die Fähigkeiten verfügt, Kassandra zu finden.«

Styx fauchte bei der Erwähnung der verschollenen Vampirin. Trotz ihrer Jugend war Jaelyn die beste Jägerin, die im vergangenen Jahrhundert ausgebildet worden war. Unglücklicherweise war sie vor drei Wochen von Ariyal entführt worden, einem Sylvermyst-Prinzen.

Verdammt sollte sein schwarzes Herz sein.

»Jaelyn ist noch immer verschwunden.«

»Der Sylvermyst?«

»Das ist unsere Vermutung, doch wir wissen es nicht mit Sicherheit.«

Beide schwiegen und fanden sich im Stillen mit der Möglichkeit ab, dass Jaelyn tot war. Nur ein weiterer Todesfall in dem immer gefährlicher werdenden Krieg.

Salvatore trat auf Styx zu. Seine Züge waren ganz hart vor Sorge.

»Etwas Gefährliches kommt auf uns zu, Vampir«, sagte er warnend, »und wir sollten besser darauf vorbereitet sein.«

Styx nickte. Im Augenblick waren sie ausnahmsweise einmal vollkommen einer Meinung.

»Ja.«

Morgana le Fay mochte tot sein, aber ihr luxuriöser Palast auf der Insel Avalon war noch immer unversehrt.

Na ja, nicht ganz unversehrt.

Mehr als ein Raum war vollkommen ruiniert. Und der große Thronsaal war völlig zerstört worden, doch die riesigen Harems waren während Morganas letzter großer Schlacht zum großen Teil unbeschädigt geblieben.

Es war eine verdammte Schande.

Nicht nur, weil die riesigen Räume, die mit Mosaikfliesen, Marmorbrunnen und Kuppeldächern ausgestattet waren, wirkten, als wären sie aus einem schlechten »1001 Nacht«-Film entsprungen, sondern auch, weil Ariyal so viele Jahrhunderte als Sklave in dem Harem verbracht hatte, dass er sich eigentlich nicht daran erinnern wollte, wie viele das genau waren.

Es war ein gut gehütetes Geheimnis gewesen, dass eine Handvoll Sylvermyst, die bösen Verwandten des Feenvolkes, sich von ihrem Herrn und Meister, dem Fürsten der Finsternis, abgewandt hatten. Sie hatten mit Morgana le Fay ausgehandelt, dass diese sie inmitten der Nebel von Avalon versteckte. Als Gegenleistung mussten sie ihre unersättliche Gier nach Männern und Schmerzen befriedigen.

Nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge.

Unglücklicherweise war Ariyal ein Liebling des sadistischen Miststücks gewesen.

Sie war von dem metallischen Glanz seiner Bronzeaugen und seinem langen, kastanienbraunen Haar fasziniert gewesen. Aber es waren die schlanken, fein gemeißelten Muskeln seines Körpers gewesen, die sie stundenlang erkundet hatte. Und gefoltert.

Mit einem leisen Knurren schüttelte er die unangenehmen Erinnerungen ab.

Stattdessen konzentrierte er sich auf die Frau, die im Augenblick jene bösen Überraschungen genoss, die inmitten der Samtdiwane und erlesenen Wandteppiche verborgen waren.

Na ja, vielleicht war es nicht gerade Genuss, was sie empfand, dachte er belustigt, als er zusah, wie sie sich allmählich der Tatsache bewusst wurde, dass sie mit silbernen Fesseln an die Wand gekettet war.

Jaelyn, die vampirische Nervensäge, stieß eine Reihe übler Flüche aus. Offenbar wusste sie es nicht zu würdigen, dass er ihre Haut sorgfältig mit Leder geschützt hatte, um das Silber davon abzuhalten, ihr das Fleisch zu versengen, oder dass er ein Zimmer ausgewählt hatte, das eigens dafür gebaut worden war, Blutsauger vor der kleinen Menge Sonnenlicht zu schützen, die durch die Nebel drang, die sie umgaben.

Tatsächlich vermittelte sie eher den Eindruck, als ob sie in ihrer Stimmung wirklich nur eins zu schätzen wüsste, und zwar, ihm mit ihren perlweißen Zähnen die Kehle herauszureißen.

Eine verräterische Hitze schoss ihm durch den Körper.

Er sagte sich, dass das eine natürliche Reaktion war.

Jaelyn war umwerfend, obwohl sie eine Blutsaugerin war.

Sie war groß und auf athletische Weise schlank. In ihr hatten sich unterschiedliche Rassen vereinigt, was zu einer exotischen Schönheit geführt hatte.

Glänzendes schwarzes Haar, das auf eine Abstammung aus dem Fernen Osten hindeutete, war zu einem festen Zopf zusammengebunden, der ihr über den Rücken fiel. Der asiatische Einfluss wurde von der Form ihrer Augen widergespiegelt, obwohl diese dunkelblau waren, was wiederum eine europäische Herkunft erkennen ließ. Ihre Haut war hell wie Alabaster und so vollkommen glatt, dass er sich danach sehnte, seine Finger darübergleiten zu lassen.

Von Kopf bis Fuß. Und wieder zurück.

Wenn man sich noch das schwarze Lycra, das sich an ihre schlanken Kurven schmiegte, und die abgesägte Schrotflinte, die er ihr klugerweise lange bevor sie das Portal betreten hatte, abgenommen hatte, dazudachte, war sie eine fleischgewordene Fantasie.

Eine Jägerin.

Eine tödliche Schönheit.

Ja, es gab wohl keinen lebendigen Mann, der nicht seinen rechten Hoden dafür gegeben hätte, um zwischen diesen langen, schlanken Beinen zu liegen (vielleicht gab es sogar einige tote, die sich das sehnlichst wünschten).

Aber Ariyal hatte die schockierende Erregung nicht völlig vergessen können, die während seiner kurzen Einkerkerung durch die Hand dieser Frau mit einem Ruck in ihm erwacht war.

Verdammt, die kleinste Berührung ihrer Hand hatte ihn bereits in Flammen aufgehen lassen.

Und das machte ihn wütend.

Im Gegensatz zu den meisten seiner Brüder ließ er es aber nicht zu, dass seine Leidenschaften sein Leben bestimmten.

Er bestimmte über seine Leidenschaften.

Die Tatsache, dass er sich dies verbissen ins Gedächtnis rief, verhalf ihm allerdings nicht im Geringsten dazu, die Erregung aufzuhalten, die in seinem Körper brannte, als der Blick aus ihren indigoblauen Augen über seinen schlanken Körper glitt, der bis auf eine locker sitzende Dojo-Hose nackt war.

Zum Teufel.

Sein Magen zog sich zusammen, und sein Penis wurde hart. Allein durch diesen Blick.

Was zum Teufel würde wohl passieren, wenn er sie auf das Bett in ihrer Nähe legen und …

Die Vampirin versteifte sich – zweifellos, weil sie seine explosionsartige Begierde spürte. Dann kniff sie sichtlich angestrengt ihre herrlichen Augen zusammen und hüllte sich in kühle Selbstbeherrschung.

»Du.« Das Wort klirrte förmlich vor Kälte.

»Ich.«

Sie stand stolz da und gab vor, nicht zu bemerken, dass sie im Augenblick an die Wand gekettet war.

»Warum hast du mich entführt?«

Ariyal zuckte mit den Schultern, nicht willens, ihr die Wahrheit zu gestehen.

Er hatte nicht die blasseste Ahnung, aus welchem Grund er sie festgehalten hatte, als er durch das Portal geflohen war, das sie aus den eiskalten Höhlen Sibiriens auf diese verborgene Insel gebracht hatte. Er wusste nur, dass seine Reaktion auf diese Frau dunkel und ursprünglich und gefährlich besitzergreifend war.

»Du hast mich gefangen gehalten«, entgegnete er gedehnt. »Das ist nur gerecht.«

»Als ob ein Mistkerl wie du die Bedeutung von ›gerecht‹ kennen würde.«

Er lächelte überlegen. »Kennst du nicht den alten Spruch ›In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt‹?« Er ließ seinen Blick zu der verführerischen Wölbung ihres Busens sinken, und Erregung erfasste ihn, als er ihren verräterischen Schauder wahrnahm. »Wir könnten der Liste ohne Zweifel noch einige andere Beschäftigungen hinzufügen.«

»Lass mich frei.«

»Was ist los, Schätzchen? Hast du etwa Angst, dass ich dich meinem bösen Willen unterwerfe?« Er legte eine Kunstpause ein. »Oder hoffst du es sogar?«

»Zumindest ›böse‹ trifft es sehr gut.«

Er trat so nahe an sie heran, dass ihr verführerischer Duft ihn reizte, der so ganz und gar nicht zu ihrem Image der kalten, unbarmherzigen Jägerin passte.

Aber andererseits war alles an dieser Frau – kompliziert.

»Weißt du, es gibt keinen Grund für uns, Feinde zu sein.«

»Nichts außer der Tatsache, dass ich von den Orakeln damit beauftragt wurde, dich gefangen zu nehmen.« Ihr Lächeln war kalt. »Oh, und außer deinen psychopathischen Versuchen, zwei hilflose Kinder zu töten.«

»Hilflos?« Ein Gefühl der Frustration flammte in ihm auf. »Diese Monstrositäten sind die Gefäße des Fürsten der Finsternis, und wenn es Tearloch gelingt, das Kind zu benutzen, um den Meister auferstehen zu lassen, trägst du die Schuld daran, wenn die Hölle entfesselt wird.«

Sie ignorierte seine Warnung. So, wie sie sie in der sibirischen Höhle ignoriert hatte, als er sein Bestes getan hatte, um der Gefahr ein Ende zu setzen.

Er war darauf vorbereitet gewesen, das Notwendige zu unternehmen, aber wegen der verdammten Vampire war einer der Säuglinge von seinem Clanbruder Tearloch und dem Magier geraubt worden. Nun konnte er nur noch beten, dass er sie aufspürte, bevor sie den Fürsten der Finsternis auferstehen lassen und den Schleier zerreißen konnten, der die Horden der Hölle zurückhielt.

»Ich werde nicht dafür bezahlt, die Welt zu retten. Ich werde dafür bezahlt, dich an die Kommission auszuliefern.«

Bei dieser ungefragten Erinnerung runzelte Ariyal die Stirn.

Die Kommission war eine Gruppe von Orakeln, die die Herrschaft über die Dämonenwelt innehatten. Es hatte nie etwas Gutes zu bedeuten, wenn sie entschieden, dass man es wert war, von ihnen beachtet zu werden.

Insbesondere, wenn sie bereitwillig die exorbitante Gebühr zahlten, die nötig war, um einen vampirischen Jäger oder eine vampirische Jägerin für die Gefangennahme der entsprechenden Person zu bezahlen.

»Warum?«

»Ich weiß nicht. Das ist mir auch gleichgültig. Es ist einfach nur meine Aufgabe.«

Er beugte sich vor, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. »Es fühlt sich wesentlich persönlicher an als einfach nur eine Aufgabe.«

Einen atemlosen Augenblick lang flackerte reines Verlangen in ihren Augen auf und sorgte dafür, dass sich sein Körper erwartungsvoll anspannte. O ja … Aber dann war die kurze Gefühlsaufwallung genauso schnell, wie sie gekommen war, wieder verschwunden.

»Reg dich ab.«

»Ich errege lieber dich.«

»Lass mich in Ruhe.«

Ariyal erzitterte, als ganz plötzlich eine schneidende Kälte in der Luft lag.

Verdammt. Gerade noch war er von dem Verlangen nach dieser Frau überwältigt gewesen, und jetzt hätte sie einem Feuerkobold Frostbeulen verpassen können.

»Na schön.« Er trat einen Schritt zurück, und sein Lächeln war angespannt vor Ärger. »Ich hoffe, du hast es bequem, Schätzchen. Du wirst nämlich noch eine Weile hierbleiben.«

Ihr Blick erforschte den Raum, dessen kunstvolle Ausstattung verschiedene Schattierungen von Gold und Elfenbein aufwies.

»Wo sind wir hier?«

»In Avalon.«

Sie fauchte schockiert. »Das ist unmöglich.«

»So ein gefährliches Wort.«

»Die Nebel sind undurchdringlich.« Ihre kalte Arroganz blieb unverändert, aber in ihren Augen flackerte ein Anflug von Vorsicht auf. »Es sei denn, sie wurden bei dem Tod Morgana le Fays zerstört.«

Er verzog die Lippen zu einem humorlosen Lächeln. »Sie sind erhalten geblieben, aber ich habe nicht Jahrhunderte als Sexsklave dieses Miststücks vergeudet, indem ich einfach nur schön war. Ich habe vor Jahrhunderten einen geheimen Ausgang entdeckt.«

Jaelyn forschte schweigend in seinem Gesicht. Jägerinnen und Jäger verfügten über eine ganze Reihe von Fähigkeiten. Sie waren angeblich stärker und schneller als ein durchschnittlicher Vampir und darüber hinaus in der Lage, sich so tief in Schatten zu hüllen, dass sie beinahe unsichtbar waren.

Noch beeindruckender war die Tatsache, dass es sich bei ihnen um wandelnde Lügendetektoren handelte. Angeblich gelang es keinem Dämon, sie zu täuschen.

Das hatte ihm gerade noch gefehlt.

Gott. Er hätte sie in Sibirien zurücklassen sollen.

»Wenn du wusstest, wie man von der Insel entkommen konnte, warum bist du dann nicht geflohen?«, wollte sie wissen.

»Weil ich meine Brüder nicht retten konnte, ohne die Wachtposten zu alarmieren.«

»Also bist du geblieben?«

Er runzelte die Stirn, irritiert über ihre Neugierde. »Ich habe sie nicht im Stich gelassen. Überrascht dich das?«

Eine nicht zu entziffernde Emotion zeigte sich kurz auf ihrem schönen Gesicht, war aber im Nu wieder verschwunden.

»Die Sylvermyst sind nicht gerade für ihre Selbstlosigkeit oder ihre edle Natur berühmt. Tearloch hat das bewiesen.«

Ariyal konnte ihr nicht widersprechen.

Die Sylvermyst besaßen seit langer Zeit den wohlverdienten Ruf, ein grausames Naturell zu besitzen und gierig nach Gewalt zu sein, aber er würde auf gar keinen Fall zulassen, dass eine kaltherzige Blutsaugerin ihn verurteilte.

Nicht nach all den Opfern, die er gebracht hatte, um sein Volk zu retten.

»Tearloch ist verängstigt und … verwirrt«, gestand er. »Sobald ich ihn aufgespürt habe, werde ich ihn auf seine Fehler hinweisen.«

»Du meinst, er wird das tun, was du willst, oder du tötest ihn?«

»Ah, du verstehst mich so gut, Schätzchen.«

»Ich verstehe, dass du ein Mistkerl bist, der es darauf abgesehen hat, seine eigene wertlose Haut zu retten«, entgegnete sie scharf.

»Gut. Dann muss ich dich nicht davon überzeugen, dass ich dich mit Freuden hier verrotten lassen werde, falls du nicht einwilligst, genau das zu tun, was ich dir sage.«

Ein eiskaltes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. »Sei kein Dummkopf. Wenn ich verschwinde, wird der Anasso ein Dutzend Krieger aussenden, die nach mir suchen.«

»Er kann hundert von ihnen schicken, wenn er will. Es wird ihnen niemals gelingen, dich hinter den Nebeln aufzuspüren.« Sein Blick ruhte auf ihren sinnlichen, vollen Lippen. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, was für ein Vergnügen sie einem Mann bereiten konnten. Mit einem Knurren ging er instinktiv einen Schritt auf sie zu, ohne auf die Gefahr zu achten. »Schätzchen, du musst dich damit abfinden, dass sie schon jetzt annehmen, du seiest tot.«

»Dann werden sie Jagd auf dich machen und dich hinrichten. Es gibt keinen Ort, an dem sie dich nicht finden.«

Er nahm ihr Kinn in seine Hand und blickte ihr tief in die Augen, die ihre eisige Ausstrahlung verloren hatten. Stattdessen blitzte in ihnen ein indigoblaues Feuer. Sein Unterleib zog sich vor Verlangen zusammen.

»Ich habe Jahrhunderte in dem Harem von Morgana le Fay verbracht. Blutsauger jagen mir keine Angst ein.«

»Und was jagt dir Angst ein?«

»Dies hier …«

Die Fangzähne ignorierend, die ihm mit einem Biss die Kehle herausreißen konnten, ganz zu schweigen von den Klauen, die sogar stabilen Beton mühelos durchdrangen, beugte Ariyal sich vor und eroberte ihren Mund mit einem äußerst besitzergreifenden Kuss.

Mein …