Als das Wurmloch in der Nähe von Deep Space Nine instabil wird, lässt Commander Sisko den Transit in den Gamma-Quadranten unterbinden. Die Passagiere müssen in der Raumstation auf das Ende der Subraum-Kompressionen warten. Unter ihnen befindet sich auch eine Gruppe religiöser Eiferer vom Planeten Edema, die nun ihre heilige Botschaft mit großem Nachdruck auf dem Promenadendeck verbreiten.
Doch dann wird einer der Missionare Opfer eines grauenvollen Mordanschlags. Mas Marko, das Oberhaupt der frommen Gemeinschaft, fordert Rache. Bald taucht ein waffenstarrendes Kriegsschiff der Edemaner vor Deep Space Nine auf, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen.
Aber der Mörder schlägt erneut zu. Diesmal reißt er einen Cardassianer in Stücke. Und die Cardassianer wollen den edemanischen Fanatikern in puncto Rachegelüste nicht nachstehen …
Über das Buch
Widmung
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
PETER DAVID
DIE BELAGERUNG
Star Trek™
Deep Space Nine
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
www.diezukunft.de
Paullinas Fernseher gewidmet.
Möge er lange flimmern …
Das Raumschiff mit dem Mörder an Bord glitt durchs All.
Es handelte sich um ein kleines Schiff, das über ein recht großes energetisches Potenzial verfügte. Mit hoher Geschwindigkeit flog es durch die schwarze Leere, dem nicht mehr weit entfernten Ziel entgegen.
Bald.
Bald war es soweit.
Bald begann es. Bald nahm alles seinen Lauf.
In dieser Hinsicht erwartete der Mörder keine Schwierigkeiten. Und selbst wenn sich Probleme ergaben – er würde sie lösen.
Viele Erfolge lagen hinter ihm. Er suchte jeden beliebigen Ort auf. Er verhielt sich so, wie er es für richtig und angemessen erachtete. Niemand konnte vorausahnen, was er unternahm. Niemand konnte ihn aufhalten.
Er brachte Schrecken und ging seinen Angelegenheiten nach. Anschließend brach er wieder auf, wenn das seinem Wunsch entsprach.
Niemand würde sich ihm in den Weg stellen. Niemand war dazu imstande.
Er wandte sich vom Fenster ab und gab die gegenwärtige Gestalt auf. Der Körper verwandelte sich in eine zähflüssige Masse, bildete eine Lache auf dem Boden und gewann dann eine neue Struktur.
Er verwandelte sich in einen unscheinbaren Koffer.
Der Mörder schlief und träumte vom Töten.
Niemand würde ihn sehen …
»Pass jetzt gut auf.«
Miles O'Brien – er hatte ein kantiges Kinn und lockiges Haar, genoss in Deep Space Nine den Ruf, sich durch eine ›aggressive Geduld‹ auszuzeichnen – grinste über das ganze Gesicht. Auf eine andere Art und Weise schien er überhaupt nicht lächeln zu können. In seinen Augen blitzte es schelmisch. So hatte er vor Jahren eine gewisse Botanikerin an Bord der USS Enterprise angesehen, als er ihr zum ersten Mal im Gesellschaftsraum des zehnten Vorderdecks begegnete. Die betreffende Dame empfand jenen Blick als unschuldig, sogar ein wenig verspielt. Sie nahm eine Mischung wahr, die sie als recht angenehm empfand: die Seele eines Jungen im Körper eines Mannes.
Vier Jahre waren seitdem vergangen.
Jetzt weckte das Grinsen Ärger in ihr.
Keiko – so hieß die verärgerte Botanikerin und Ehefrau – sah nicht von den Unterrichtsplänen auf, die sie für den nächsten Tag zusammenstellte.
Auf den ersten (und auch auf den zweiten) Blick betrachtet, schienen Keiko und O'Brien nicht zueinander zu passen. Das offene, heitere Wesen des Iren bildete einen starken Kontrast zur Zurückhaltung der Asiatin Keiko.
Wenn O'Brien einen emotionalen Höhenflug erlebte, konnte ihn nicht einmal ein besonders schwerer Anker aus Gold und Latinum auf den Boden zurückholen. Und wenn er in tiefen Depressionen steckte, war auch ein Lastengleiter nicht imstande, ihn aus dem Morast der Niedergeschlagenheit zu ziehen.
In dieser Hinsicht erwies sich Keiko als weitaus stabiler. Sie wurde nicht vom einen Augenblick zum anderen zornig, sondern ganz langsam. O'Brien verglich sie manchmal mit einem Ventil: An der einen Seite nahm der Druck immer mehr zu, während an der anderen zunächst nichts geschah – bis der Druck ein kritisches Maß überschritt.
Sie hatte helle Haut, und er neigte zu einem etwas dunkleren Teint. Keikos Statur war zart, während O'Brien einen eher grobknochigen Körperbau besaß. Seine Frau sprach in diesem Zusammenhang von Yin und Yang, und er meinte, sie sei Abbott und er Costello. Diesen Hinweis verstand sie natürlich nicht, ebenso wenig wie jene anderen, die aus den ›archaischen‹ Epochen der terranischen Geschichte stammten.
Nach vier Jahren Ehe gab es noch immer erstaunlich viele Dinge, die ihr ein Rätsel blieben.
Zum Beispiel konnte sie nicht verstehen, warum er Poker liebte – ein Spiel, bei dem man mit Hilfe von Täuschung und Tricks gewann, bei dem das Glück oft eine größere Rolle spielte als persönliches Geschick.
Manchmal fragte sie sich, warum ausgerechnet sie ihr Leben auf eine so drastische Weise ändern musste, warum sie ihrem Mann zu einer gottverlassenen Raumstation gefolgt war. Ihrer Meinung nach befand sich Deep Space Nine nicht mitten im Nichts, sondern am Rand davon. Der Begriff ›Abgelegenheit‹ bekam dadurch eine ganz neue Bedeutung.
Sie wunderte sich auch über O'Briens Entschlossenheit, ihr erstes Kind ›Elvis‹ zu nennen, falls es ein Junge sein sollte. Es kam nur deshalb nicht zu einer Auseinandersetzung, weil ein Mädchen geboren wurde, und zwar während einer besonders turbulenten Phase ihres Lebens an Bord der Enterprise.
Vor allem verstand Keiko nicht, warum er sie nicht verstand.
»Bitte …«, sagte sie und rieb sich die Schläfen – ein erstes Warnsignal, das ihrem Mann mitteilte, es nicht zu übertreiben. »Ich bin derzeit sehr beschäftigt.«
O'Brien achtete nur selten auf irgendwelche warnenden Hinweise, und diese ganz persönliche Tradition setzte er nun fort. »Es dauert nur eine Minute.«
»Miles …«
Ich vermisse die Enterprise und mein früheres Leben. Es fällt mir sehr schwer, in den Kindern Interesse am Schulunterricht zu wecken, denn sie stellen viel lieber irgendwelchen Unsinn an. Außerdem wollte ich nie Lehrerin sein – ich bin Botanikerin. Es war nie meine Absicht, Molly an einem so schrecklichen Ort aufwachsen zu lassen. Ich verabscheue es, dass sie hier leben muss. Himmel, ich verabscheue diese verdammte Raumstation. Ich verabscheue es, dauernd gereizt zu sein. Ich verabscheue alle Aspekte der gegenwärtigen Situation …
»Belastet dich etwas, Schatz?«, fragte O'Brien.
Keiko hob den Kopf und musterte ein Gesicht, das sie aus irgendeinem Grund an ein liebes Hündchen erinnerte. Diese Assoziation entlockte ihr ein Lächeln. »Ich habe nie nach kleinen Tieren getreten«, sagte sie leise.
»Was?«
»Schon gut.« Keiko winkte ab und ließ die Datentafel sinken. »Du hast meine volle Aufmerksamkeit.«
»Ausgezeichnet.« O'Brien grinste erneut und schien es gar nicht für möglich zu halten, dass er die Geduld seiner Frau strapazierte. »Quark hat mir einige Zaubertricks gezeigt – ich könnte sie bei Mollys Geburtstagsfeier vorführen.«
»Miles …« Keiko seufzte innerlich. »Molly interessiert sich nicht für Zaubertricks. Du weißt, was sie sich wünscht: ein Pony. Und es soll genauso aussehen wie das in ihrem Buch. Sie möchte damit durch den Habitatring reiten.«
»Nun, diesen Wunsch können wir ihr kaum erfüllen, oder? Sie muss sich mit Zaubertricks begnügen. Pass jetzt gut auf …«
O'Brien streckte die Hand so aus, dass die Innenfläche nach oben zeigte. Eine Münze lag darauf.
Keiko wollte ihren Mann nicht enttäuschen und applaudierte.
»Das Kunststück kommt erst noch«, sagte Miles.
»Oh. Entschuldige. Ich dachte nur … Die Münze ist hübsch. Ein solches Exemplar sehe ich jetzt zum ersten Mal.«
»Es handelt sich um eine bei den Ferengi gebräuchliche Tri-esta … Und jetzt … Pass gut auf.«
»Du wiederholst dich.«
»Weil es wichtig ist«, erwiderte O'Brien und versuchte, nicht brummig zu klingen.
Er hielt die Münze in der linken Hand, streckte auch die rechte aus, schloss die Finger um das glänzende Objekt und hob den betreffenden Arm.
Zwei Sekunden später öffnete er die rechte Hand.
Die Münze war verschwunden.
»Ta-tah!«, triumphierte Miles.
Keiko sah ihn groß an.
»Nun?«, fragte O'Brien. »Was hältst du davon? Ich habe die Münze verschwinden lassen.«
»Sie befindet sich noch immer in der linken Hand«, entgegnete seine Frau schlicht.
Das Lächeln wich von seinen Lippen. »Nein.«
»Doch.« Sie griff nach der Faust ihres Mannes und öffnete sie. O'Brien rollte mit den Augen, als die Tri-esta im Licht der Lampen schimmerte. »Siehst du?« Als Miles schwieg, fügte sie unsicher hinzu: »Ta-tah.«
Er ruderte mit dem rechten Arm. »Du hättest diese Hand beobachten sollen.«
»Aber du hast die Münze in der linken Hand gehalten.«
»Eben. Die Aufgabe der rechten bestand darin, dich abzulenken.«
Verwirrungsfalten formten sich in Keikos Stirn. »Wenn ich mich recht entsinne, hast du mich mehrmals aufgefordert, gut aufzupassen. Was ich zum Anlass nahm, auf die Hand mit der Münze zu achten.«
»Du hättest glauben müssen, dass sie sich in der rechten Hand befand!«, stöhnte O'Brien.
Keiko massierte sich erneut die Schläfen. »Tut mir leid, Miles. Möchtest du den Zaubertrick noch einmal wiederholen? Ich verspreche dir, dass ich diesmal die falsche Hand beobachte.«
»Nein«, sagte er. »Vergiss die Sache. Streich sie einfach aus deinem Gedächtnis. Mach weiter mit … womit auch immer du bis eben beschäftigt gewesen bist.«
»Gut.« Keiko nickte kurz. »Es wartet noch eine Menge Arbeit auf mich.«
Miles zögerte. »He, ich glaube, ich weiß jetzt, warum es nicht geklappt hat. Ich muss schneller sein. Lass es uns noch einmal versuchen …«
Genau in diesem Augenblick piepte sein Insignienkommunikator. Er klopfte auf das kleine Gerät und meldete sich. »O'Brien.«
»Hier ist Dax, Chief«, erklang die Stimme einer Frau. »Könnten Sie zur Zentrale kommen? Irgend etwas scheint nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Ich weiß, dass es schon spät ist, aber …«
»Ich bin unterwegs«, sagte Miles knapp und wandte sich an Keiko. »Entschuldige bitte. Du klagst immer darüber, dass du mich nur selten siehst.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, erwiderte die Asiatin rasch. »Ich vertreibe mir irgendwie die Zeit.«
»Danke, Keiko.« Er klopfte seiner Frau auf die Schulter und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Du bist wundervoll.«
O'Brien verließ das Quartier, und Keiko nahm Platz. Einige Sekunden lang lauschte sie der herrlichen Stille, griff dann wieder nach der Datentafel, um die Unterrichtsplanung fortzusetzen.
Im Nebenzimmer erwachte Molly und begann zu weinen.
Keiko seufzte tief. In letzter Zeit seufzte sie ziemlich viel.
O'Briens Quartier gehörte zum sogenannten Habitatring, wie auch alle anderen Unterkünfte. Deep Space Nine bestand aus einigen Ringen, die untereinander durch speichenartige Streben verbunden waren. Horizontale und vertikale Turbolifte ermöglichten es, innerhalb kurzer Zeit jede beliebige Sektion zu erreichen. Der äußere Andockring enthielt Anlegestellen mit Gravo-Ankern, Shuttle-Hangars, Frachtkammern und Anlagen für die Verarbeitung von Rohstoffen aller Art – zu diesem Zweck war die Raumstation ursprünglich geschaffen worden. Hinzu kamen sechs lange Dockingmasten: Jeweils drei wölbten sich nach oben und unten.
Jenem ersten Ring folgte das Habitatsegment. Es wies nicht nur Unterkünfte für die etwa dreihundert permanenten Bewohner von Deep Space Nine auf – Keiko O'Brien hätte sicher hinzugefügt, dass sich nicht alle von ihnen darüber freuten, in der Station zu leben und zu arbeiten –, sondern auch Quartiere für Hunderte von Besuchern. Dadurch wurde DS Nine den Wünschen und Bedürfnissen der vielen Reisenden gerecht, die mit der Absicht kamen, Geschäftsvereinbarungen zu treffen, ihre Schiffe warten zu lassen oder sich ein wenig Entspannung zu gönnen.
Im Habitatring waren auch die Waffensysteme untergebracht. Die entsprechenden Türme verfügten über Starfleet-Phaser – Cardassianer hatten die ursprünglichen offensiven und defensiven Systeme vor ihrem Abzug demontiert und mitgenommen. Darüber hinaus gab es sechs mobile Plattformen: Sie dienten in erster Linie zum Transport kleiner, shuttleartiger Raumschiffe, die man Flitzer nannte und deren Hangar sich tief im Innern des Habitatrings befand.
Das Zentrum von Deep Space Nine nannte man allgemein ›Kern‹ oder ›Kernsegment‹. Das Operations- und Kontrollzentrum – kurz OPS genannt – war mit der Brücke eines Raumschiffs vergleichbar und beanspruchte den oberen Teil des Kerns. Von dort aus wurde DS Nine kontrolliert. Jener Ort schien inzwischen zu O'Briens zweiter Heimat geworden zu sein – eigentlich sogar zu seiner ersten.
Das Kernsegment beinhaltete die wichtigsten Einrichtungen der Station: Projektoren für Schilde, Fusionsreaktoren, Kommunikationsanlagen, und natürlich die Promenade, in der manche Leute das Herz von Deep Space Nine sahen. Mit ihren Geschäften, Cafés und anderen Etablissements diente sie als Geschäftszentrum.
Die Bemerkung, dass sie Abwechslung bot, kam einer Untertreibung gleich. Um nur ein Beispiel zu nennen: In der Promenade gab es unter anderem ein Spielkasino, das von einem skrupellosen Ferengi – »Diese Beschreibung gilt für alle Ferengi!«, soll der Sicherheitsoffizier einmal gesagt haben – namens Quark geleitet wurde. Er lieferte alles, von exotischen Getränken bis hin zu exotischem Sex in Holo-Kammern.
In einem anderen Teil der dreistöckigen Promenade bemühte sich Keiko O'Brien täglich, die Kinder und Jugendlichen von Deep Space Nine zu unterrichten oder sie wenigstens von Dummheiten abzuhalten. Es war keine leichte Aufgabe, denn für die unbeaufsichtigten Jungen und Mädchen in der großen Raumstation gab es weitaus interessantere Dinge als Schule und Bildung. Während Keiko geistige Gesundheit zu gewährleisten versuchte, kümmerte sich Dr. Julian Bashir in der von Cardassianern eingerichteten Krankenstation ums physische Wohl der Personen an Bord.
Deep Space Nine stellte eine sonderbare Mischung aus Erfordernissen, Zielen und Wünschen dar. Manchmal schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die Station einer Katastrophe zum Opfer fiel. Dafür kamen zwei Ursachen in Frage: ein fataler Defekt in den alles andere als zuverlässigen technischen Systemen, oder ein folgenschwerer Konflikt zwischen den Bewohnern beziehungsweise Besuchern, die sich so sehr voneinander unterschieden, dass sich Auseinandersetzungen kaum vermeiden ließen.
Lieutenant Jadzia Dax wahrte einen respektvollen Abstand, als O'Brien an der wissenschaftlichen Station arbeitete. »Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie gekommen sind, Chief.«
Miles schwieg. Eigentlich arbeitete er nicht ›an‹ der wissenschaftlichen Station, sondern vielmehr darunter. Er hatte die untere Verkleidungsplatte abgenommen, lag auf dem Boden und verwendete mehrere spezielle Messinstrumente, um die Schaltkreise der Sensoren zu überprüfen.
Ein solcher Anblick war in der Zentrale von Deep Space Nine keineswegs ungewöhnlich. Es geschah immer wieder, dass irgendwelche Dinge repariert oder ausgetauscht werden mussten. Quark hatte einmal spöttisch bemerkt, es gebe Prostituierte, die weniger Zeit auf dem Rücken verbrachten als O'Brien. Miles konnte sich mit einer solchen Art von Humor kaum anfreunden, aber er musste zugeben, dass Quark nicht ganz unrecht hatte. Die technische Struktur der Station schien das Werk eines Bastlers zu sein: Nie funktionierte alles so, wie es funktionieren sollte. Manchmal wünschte sich O'Brien einen Zwillingsbruder, mit dem er die Arbeit teilen konnte, doch solche Gedanken verdrängte er sofort wieder – einen derartigen Dauerstress wünschte er niemandem.
Dax schien wie immer die Ausgeglichenheit selbst zu sein, als sie fragte: »Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Chief?«
»Treten Sie nur beiseite und lassen Sie mir genug Bewegungsfreiheit, Lieutenant.«
Dax stand bereits ein ganzes Stück entfernt und vermutete deshalb, dass O'Briens Worte nur eine metaphorische Bedeutung zum Ausdruck brachten. Ihr Haar war nach hinten gekämmt, und ganz deutlich konnte man den Bogen aus an ein Leopardenfell erinnernden Punkten sehen, der über die eine Stirnseite reichte. Sie wirkte in jeder Hinsicht wie eine selbstbewusste und sehr attraktive junge Frau.
Was einmal mehr die uralte Weisheit bestätigte, dass man nie dem Schein trauen sollte.
Nach einer Weile setzte sich O'Brien auf. »Ich verstehe Ihre Besorgnis, Lieutenant«, sagte er. »Aber diesmal ist mit den Instrumenten alles in Ordnung. Ich habe die Schaltkreise gleich zweimal kontrolliert, und sie lieferten genau die richtigen Testresultate. Woraus folgt: In diesem Fall liegt kein Defekt vor.«
»Erstaunlich.«
Dax wölbte die Brauen, drehte den Kopf und blickte zum Bildschirm.
Das Projektionsfeld schien nur schwarzes All zu zeigen, weiter nichts.
Auch dieser Eindruck täuschte.
»Danke, Chief«, sagte die vermeintliche junge Frau. Sie setzte sich in Bewegung, schritt zum Büro des Kommandanten Ben Sisko, um ihm Bericht zu erstatten. Sie hatte ihm etwas mitzuteilen, über das er sich bestimmt nicht freuen würde.
Miles brachte die Verkleidungsplatte wieder an, sah Dax nach und murmelte: »Da geht sie hin, die Trill. Für einen Wurm sieht sie gar nicht schlecht aus.«
»Wie bitte?«
O'Brien hob überrascht und auch verlegen den Kopf.
Odo stand neben ihm, die Hände auf den Rücken gelegt.
In Miles regte sich immer ein Hauch Unbehagen, wenn er Odo ansah, denn sein Gesicht mit der glatten Stirn, den fehlenden Brauen und einer ›unfertigen‹ Nase wirkte irgendwie seltsam. Natürlich begegnete O'Brien nicht zum ersten Mal Angehörigen einer fremden Spezies, doch auch in dieser Hinsicht stellte Odo etwas Besonderes dar. Als Gestaltwandler gab er sich ganz bewusst das Erscheinungsbild eines Humanoiden. Es gelang ihm nicht, in allen Einzelheiten Perfektion zu erzielen, und vielleicht ging O'Briens Beklommenheit auf diesen Umstand zurück. Natürlich würde er sich früher oder später daran gewöhnen, aber es mochte noch eine Weile dauern.
»Nur ein kleiner Scherz, Constable«, sagte er.
Miles dachte an Data an Bord des Raumschiffs Enterprise: Das Gesicht des Androiden offenbarte immer so etwas wie kindliche Neugier, wenn er etwas nicht sofort verstand.
Wenn Odo es mit Dingen zu tun bekam, die zunächst in eine Aura des Rätselhaften gehüllt blieben, so reagierte er mit Ärger, insbesondere jenen Personen gegenüber, die mehr wussten als er – als hätten sie gar kein Recht, besser informiert zu sein.
Ein solches Empfinden spiegelte sich nun in seiner Miene wider.
»Ich dachte immer, dass Scherze bei Menschen ein Publikum erfordern«, erwiderte Odo. »Um den in ihnen enthaltenen Humor mit jemandem zu teilen.«
»Nun … Manchmal scherzen wir auch nur mit uns selbst, um das eigene Ich zu unterhalten und ihm zu beweisen, wie geistreich wir sind.«
»Und der Hinweis auf den ›Wurm‹ erfüllt einen solchen Zweck?«
O'Brien schüttelte den einen Fuß, der einzuschlafen drohte. »In gewisser Weise, ja.«
Odo lächelte nicht – er lächelte nie. Er schnitt jedoch eine Grimasse, was recht oft geschah.
»Sehr witzig«, kommentierte er mit unüberhörbarem Sarkasmus.
»Herzlichen Dank.« Miles stand auf, und plötzlich fiel ihm etwas ein. »He, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
»Was denn?« Odos Stimme klang wachsam und skeptisch.
O'Brien holte die glänzende Münze hervor, sagte leise und in einem verschwörerischen Tonfall: »Magie.«
Odo seufzte und versuchte, interessiert zu erscheinen. Er hatte dabei etwa ebensoviel Erfolg wie bei der Nachbildung einer menschlichen Nase.
Für O'Brien spielte das keine Rolle. »Passen Sie jetzt gut auf …«
Commander Benjamin Sisko saß an seinem Schreibtisch und sah sich die von Dax ermittelten Analysedaten auf einem Monitor an.
Normalerweise dienten jene Bildschirme dazu, Informationen von den einzelnen Stationsabteilungen visuell darzustellen, aber jetzt bekamen die Ergebnisse der jüngsten Sondierungen Priorität.
Dax saß ebenfalls in dem kleinen Büro, und neben ihr stand Major Kira Nerys. Eigentlich war Nerys der Vorname – aus diesem Grund sprachen die meisten Leute sie mit Major Kira an.
Dax strahlte inneren Frieden aus, doch in Kira schien es ständig zu brodeln. Wenn sie etwas fragte, verlangte sie umgehend eine Antwort – obwohl ihre Gesprächspartner nicht immer imstande waren, sofort Auskunft zu geben. Die Bajoranerin vertrat folgenden Standpunkt: Wenn sich andere Leute zuviel Zeit damit ließen, über mögliche Antworten nachzudenken, hatten sie die Frage wahrscheinlich gar nicht verstanden.
»Sind Sie sicher, Dax?«, erkundigte sie sich nun.
Die sitzende Frau nickte. »Zuerst habe ich einen technischen Defekt in Erwägung gezogen. Chief O'Brien hat die Schaltkreise der Sensoren inzwischen überprüft und dabei festgestellt, dass alles in Ordnung ist.«
Ben Sisko drehte den Sessel und sah den wissenschaftlichen Offizier an. Sein Gesichtsausdruck blieb – wie so häufig – neutral, bot keinen Hinweis darauf, was er dachte oder fühlte. »Ein ständiger Strom aus Neutrinopartikeln aus dem Wurmloch«, wiederholte er. »Und die entsprechende Aktivität nimmt zu.«
»In der Tat, Benjamin«, bestätigte Dax. »Das Wurmloch emittiert immer dann Neutrinos, wenn es aktiv wird.«
»Aber das ist derzeit nicht der Fall«, sagte Kira nachdenklich. »Wechselt das Wurmloch vielleicht in eine destabile Phase, Dax? Besteht die Gefahr, dass es kollabiert?« Ihr Blick wanderte zu Sisko. »Das wäre verdammt schade.«
Der Kommandant von Deep Space Nine überlegte kurz. »Niemand weiß besser als ich, wie verdammt schade es wäre, wenn das Wurmloch plötzlich verschwände«, sagte er und schien jedes einzelne Wort sorgfältig abzuwägen. »Es ist ein Tor zum Quadranten Gamma, was der bajoranischen Ökonomie gewiss nicht schadet. Immerhin lockt dieser Raumsektor jetzt viele Reisende an, und das bringt die Wirtschaft in Schwung.«
Kira nahm diese Bemerkungen mit einem knappen Nicken entgegen. »Man kann mir kaum vorwerfen, dabei auch an die bajoranische Wirtschaft zu denken. Immerhin stamme ich von Bajor.«
»Wie viele andere Personen an Bord dieser Raumstation, Major«, stellte Sisko fest. Einige Sekunden lang trommelte er mit den Fingerspitzen auf den Tisch. »Seit der Entdeckung des Wurmlochs kommt es einer Mischung aus Fluch und Segen für uns gleich. Ohne das Tor wäre es hier ziemlich langweilig – womit ich niemandem zu nahe treten möchte. Aber es geht auch erhebliche Gefahr davon aus. Praktisch jederzeit kann ein großes, schwerbewaffnetes Schiff daraus hervorkommen und uns innerhalb eines Sekundenbruchteils vernichten. Ich bezweifle, ob ein solcher Gegner auf Sie, mich oder die bajoranische Wirtschaft Rücksicht nähme.«
»Soll das etwa heißen, dass Sie sich einen Kollaps des Wurmlochs erhoffen?«, fragte Kira. »Bisher schien es vollkommen stabil gewesen zu sein …«
Der Kommandant bedachte sie mit einem durchdringenden Blick. »Können wir in diesem Punkt ganz sicher sein, Major? Wohl kaum. Wir haben nur eine vage Vorstellung von den Wesen, die jene … Anomalie schufen. Ob sie stabil ist? Was soll ›Stabilität‹ in diesem Zusammenhang bedeuten? Welche Maßstäbe werden dabei angelegt? Unsere eigenen? Die der Schöpfer des Wurmlochs? Denken wir dabei vielleicht an die Existenzdauer des Universums? Wenn man sich eine kosmische Perspektive zu eigen macht, schrumpft die Existenzdauer der Menschheit zu einem Augenblick. Wir glauben, das Phänomen dort draußen sei stabil. Aber wir können unmöglich ganz sicher sein. Für den Kosmos handelt es sich vermutlich um eine destabile Erscheinung. Selbst wenn das Tor zum Quadranten Gamma zehn Millionen Jahre lang offen bleibt – früher oder später schließt es sich. Und den genauen Zeitpunkt kennt niemand von uns.«
»Wohl gesprochen, Benjamin«, sagte Dax und lächelte.
»Danke, alter Knabe.«
Manchmal begegnete Sisko dem wissenschaftlichen Offizier mit einer Lässigkeit, die Kira Nerys noch immer als sehr verwirrend empfand. Das galt auch für die amüsierte, väterliche Art, die Dax dem Kommandanten gegenüber zeigte. Sisko und Dax hatten eine lange gemeinsame Vergangenheit. Doch jenes Geschöpf, das jetzt wie eine junge Frau wirkte, war in jenen Jahren ein greisenhafter Mann namens Curzon Dax gewesen – er diente als Wirtskörper für den wurmartigen Symbionten, der nun einen integralen Bestandteil der Person namens Jadzia Dax bildete. Damals war Dax Benjamin Siskos Mentor gewesen, und darauf bezog sich die freundschaftliche Bezeichnung ›alter Knabe‹. Dass sich Dax nach einem notwendigen Wechsel des Wirtskörpers in Gestalt einer überaus attraktiven Frau präsentierte, änderte nichts an der Identität des Trills.
Sisko versuchte noch immer, sich an die veränderte Situation zu gewöhnen. Es fiel ihm nicht leicht.
»Allerdings bleibt dein Vortrag ohne echte Bedeutung, Ben«, fügte Dax hinzu.
»Ach?« Der Kommandant von Deep Space Nine wölbte die Brauen. »Tatsächlich?«
»Ja. Ich glaube, es droht gar kein Kollaps des Wurmlochs. Meiner Ansicht nach haben wir es mit einer durchaus natürlichen Situation zu tun.«
Sisko seufzte. »Lieutenant …«, sagte er in einem förmlicheren Tonfall, »als ich die Akademie besuchte, war mir nicht klar, dass ich eines Tages zum Fachmann für Wurmlöcher werden muss. Damals habe ich genug über sie erfahren, um zu wissen, dass man sich besser von ihnen fernhält. Und um zu wissen, wie man sie verlässt, wenn man zufällig in sie hineingerät. Mit anderen Worten: Meine Informationen werden unmittelbaren Überlebenserfordernissen gerecht. Abgesehen davon …« Er breitete die Arme aus. »Ich überlasse es wissenschaftlichen Offizieren, mir Einzelheiten zu nennen.« Er sah Dax an. »Was geschieht da draußen?«
»Ich schätze, unsere Sensoren haben die Folgen von Subraum-Kompressionen registriert.«
»Ah«, erwiderte Sisko. »Subraum-Kompressionen.«
»Weißt du darüber Bescheid?«
»Lass mich raten.« Sisko zögerte kurz. »Du hast ein Wort aus der Sprache ›Techno-Kauderwelsch‹ verwendet, stimmt's?«
Dax lächelte einmal mehr und schüttelte den Kopf. »Das Vakuum ist der Natur zuwider, Benjamin. Nun, der Weltraum besteht zum größten Teil aus Leere – und der Weltraum kann Wurmlöcher nicht ausstehen. Sie stellen Risse in der Realität dar, und die Wirklichkeit – das Raum-Zeit-Gefüge – versucht, sich selbst zu reparieren. Unser Wurmloch ist das Ergebnis fremder Technik, doch auch in diesem Fall kommt es zu Wechselwirkungen mit der ›normalen‹ Struktur des Alls.
In gewisser Weise kann man die Subraum-Kompressionen bei einem Wurmloch mit Sonnenflecken vergleichen. Sie sind physikalische Routine, wodurch sie jedoch nicht ungefährlicher werden. Im Grunde genommen passiert dabei folgendes: Das Subraum-Feld …«
Dax brachte den Satz nicht zu Ende. Es war auch gar nicht nötig.
Die Bildschirme zeigten in aller Deutlichkeit die Auswirkungen einer Subraum-Kompression.
»Sie befindet sich nach wie vor in Ihrer linken Hand.«
»Verdammt!«
O'Briens Reaktion schien Odo zu überraschen. »Wussten Sie nicht, dass die Münze in Ihrer linken Hand blieb?«
»Ich wusste es. Aber Sie hätten es nicht wissen sollen. Die Sache ist mir ein Rätsel. Als Quark mir den Trick zeigte …«
»Oh.« Odo deutete ein Nicken an. »Ich verstehe. Nun, das gehört dazu. Bei dem Trick geht es vor allem darum, die Zuschauer abzulenken, und das fällt Quark leichter als Ihnen. Er ist so hässlich, dass die Leute ihn anstarren und kaum darauf achten, was die Hände anstellen …«
Lieutenant Chafin vertrat Dax an der wissenschaftlichen Konsole und rief: »Starke Zunahme der Neutrino-Aktivität! Die Emissionsschübe deuten auf einen stattfindenden Transfer hin! Etwas kommt durchs Wurmloch!«
Odo wirbelte um die eigene Achse und eilte zu Siskos Büro. Dort traf er gerade rechtzeitig genug ein, um zu hören, wie Dax ein Subraum-Feld erwähnte – und sich mitten im Satz unterbrach. Von Siskos Büro aus konnte man alle Bereiche der Zentrale sehen, und der Kommandant sprang auf, als er beobachtete, wie sich die Darstellungen der großen Bildschirme veränderten. Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor, und eine Sekunde später trat Odo durch die Tür.
»Etwas transferiert sich durchs Wurmloch«, sagte der Constable ohne irgendeine Einleitung. Er drückte sich immer knapp aus, verlor nie zu viele Worte.
»Was auch immer es ist – es wird den Transfer nicht heil überstehen«, prophezeite Dax.
Sisko wandte sich ihr zu. Kummer schimmerte in ihren Augen, begleitet von einer unerschütterlichen Überzeugung, die auf ihrem Wissen über das Wurmloch basierte. »Es tut mir leid, Benjamin. Wir können nichts daran ändern.«
Sisko schob sich an ihr vorbei und verließ das Büro. In der Zentrale nahm er seinen Platz an der Kommandokonsole ein und brauchte nicht zur Seite zu sehen, um zu wissen, dass Kira neben ihm stand.
Der Hauptschirm zeigte den Raumbereich des Wurmlochs. »Maximale Vergrößerung!«, rief Sisko. Das Bild im großen Projektionsfeld schien kurz zu erzittern, doch es zeigten sich keine Einzelheiten. Normalerweise blieb das Wurmloch unsichtbar – bis sich etwas durch den Dimensionstunnel transferierte.
Dax nahm an der wissenschaftlichen Station Platz. »Die Messwerte liegen weit über den gewöhnlichen Emissionstoleranzen.«
Sisko fühlte sich von jäher Sorge erfasst. Wenn das Wurmloch tatsächlich verrückt spielte, so mochte es eine große Gefahr für alles in der Nähe darstellen – zum Beispiel auch für Deep Space Nine und die Personen an Bord der großen Raumstation.
Er ließ sich seine Unruhe nicht anmerken. »Schilde hoch«, sagte er, und seine Stimme klang dabei so ruhig wie immer. »Alarmstufe Gelb.«
DS Nine hüllte sich in Schutzschirme. Wenige Sekunden später flackerte es im All, und das Wurmloch erschien.
Als Sisko es sah, wusste er sofort, dass etwas nicht stimmte.
Er kannte das Phänomen als einen purpurnen Strudel im All, als etwas, dem eine seltsame Schönheit anhaftete – ein kosmisches Wunder.
Jetzt hatte das Wurmloch seine Pracht verloren. Der Rand wogte wie ein sturmgepeitschter Ozean. Energetische Finger tasteten in alle Richtungen, schienen bestrebt zu sein, etwas zu packen.
»Pulswellen!«, rief Kira.
Sisko öffnete einen internen Kom-Kanal, und seine Stimme drang aus Hunderten von Lautsprechern in der Station, als er rief: »An alle! Festhalten!«
Unmittelbar darauf erbebte Deep Space Nine.
Der Ferengi Quark schrie entsetzt, als in seinem Spielkasino Flaschen mit kostbarem Wein aus den Regalen fielen. Sie zerbrachen nicht – dazu war das Glas zu dick. Aber sie donnerten gegen seinen Kopf.
Molly war gerade wieder eingeschlafen, und Keiko machte Anstalten, das Zimmer ihrer Tochter auf leisen Sohlen zu verlassen. Die heftigen Erschütterungen rissen sie von den Beinen. Molly rutschte vom Bett, fiel zu Boden und begann erneut zu weinen. »Ich hasse diese Raumstation!«, entfuhr es Keiko und vergaß dabei, dass ihr Leben an Bord der Enterprise ähnlich ereignisreich gewesen war.
In der Zentrale hob Sisko die Stimme, um den allgemeinen Lärm zu übertönen. »Schadensbericht!«
»Die Schilde halten!«, erwiderte O'Brien.
Für einige wenige Sekunden bot sich den Beobachtern die Möglichkeit, in den Schlund des Wurmlochs zu sehen. Jetzt zeigte sich nicht der übliche Trichter, der Raumschiffen eine sichere Passage in Aussicht stellte, sondern eine wogende, brodelnde Masse, die den Eindruck erweckte, von externen Kräften geknetet zu werden. Hier und dort wölbten sich die Seiten des energetischen Tunnels einander entgegen, und wenn sie sich berührten, kam es zu gewaltigen Entladungen. Im Projektionsfeld glitzerte und gleißte es immer wieder – so stellte sich Sisko den Urknall vor.
Dax offenbarte unerschütterliche Ruhe, als sie eine Sensorsondierung vornahm. »Die hohen Neutrino-Emissionen führen zu ausgeprägten Subraum-Interferenzen«, sagte sie. »Trotzdem lässt sich feststellen, dass etwas aus dem Wurmloch kommt. Die Koordinaten lauten: drei zwei zwei Komma fünf …«
»Richten Sie den Traktorstrahl aus«, wies Sisko den wissenschaftlichen Offizier an. »Vielleicht können wir das fremde Schiff retten.«
Dax sprach ungerührt weiter: »Drei zwei sieben Komma fünf … Drei fünf sieben Komma fünf …«
Der Kommandant sah sie verwirrt an. Es dauerte einige Sekunden, bis er verstand. »Es handelt sich um mehrere Objekte«, murmelte er. »Trümmer.«
Die Trill nickte.
Das Wurmloch schien zu würgen und spuckte die Reste des Reisenden aus. Anschließend verschwand es, faltete sich einfach zusammen und wich Schwärze.
»Drei neun drei Komma fünf …«, fuhr Dax fort. »Es sind viele Trümmer, Benjamin. Was auch immer es gewesen sein mag – die Subraum-Kompressionen haben es zerfetzt. Wenn es Besatzungsmitglieder gab, so können sie unmöglich überlebt haben.«
Stille schloss sich an.
Kira stand neben Odo, und als sie ihn ansah … In seinem Gesicht kam eine Niedergeschlagenheit zum Ausdruck, die etwas tief in ihrem Innern berührte. Doch die Trauer verflüchtigte sich sofort wieder; kühle Unnahbarkeit kehrte zurück.
»Beenden Sie Alarmstufe Gelb, Chief«, sagte Sisko. Er wandte sich an Dax. »Das hat es also mit Subraum-Kompressionen auf sich.«
Sie nickte nur, behielt auch weiterhin die Anzeigen der Instrumente im Auge.
»Was ist mit den Trümmern?«, fragte der Kommandant. »Stammen sie von einem uns bekannten Objekt?«
Dax antwortete nicht sofort. Tasten klickten unter ihren Fingern, als sie die ermittelten Daten analysierte und korrelierte. »Ja, darauf deutet alles hin«, erwiderte sie schließlich. »Ich kann dir sogar zeigen, wie das zerstörte Raumschiff vor dem Transfer durchs Wurmloch aussah, Benjamin.«
»Auf den Schirm.«
Das Bild im zentralen Projektionsfeld wechselte, als Dax ihre Daten übermittelte.
Ein Diagramm erschien auf dem Wandschirm, begleitet von technischen Angaben, denen jedoch niemand Beachtung schenkte. Allein die Form des Gebildes vermittelte eine unmissverständliche Botschaft.
Die Struktur des fremden Raumschiffs war ebenso einfach wie grässlich vertraut.
Ein Würfel.
Eine Zeitlang gab niemand einen Ton von sich. Schließlich brach Odo das Schweigen.
»Ein Borg-Schiff, nicht wahr?«, fragte er.
Sisko nickte. »Ja, Constable«, bestätigte er dumpf. »Sie haben recht – ein Schiff der Borg.«
»Und jetzt sind nur noch Trümmer davon übrig«, stellte Kira fest. Sie klang ruhig, doch in ihrem Innern krampfte sich etwas zusammen.
Auch Sisko wirkte äußerlich gefasst, während ihm das Herz bis zum Hals hämmerte. »Major …« Er achtete darauf, in einem möglichst neutralen Tonfall zu sprechen. »Setzen Sie sich mit allen lokalen Sonnensystemen sowie Starfleet in Verbindung. Weisen Sie auf folgendes hin: Das bajoranische Wurmloch kann derzeit aufgrund von Subraum-Kompressionen nicht als Tor zum Gamma-Quadranten benutzt werden.« Der Kommandant legte eine kurze Pause ein. »Wir sind nicht imstande zu kontrollieren, wer von der anderen Seite her einen Transfer einleitet. Aber wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen von hier aus jemand versucht, durchs Wurmloch zu fliegen.«
»Mehrere Gruppen haben eine Passage beantragt«, sagte Kira. »Vermutlich sind sie bereits hierher unterwegs.«
»Wer auch immer sich transferieren möchte: Wir bitten ihn höflich, hier in Deep Space Nine unser Gast zu sein, bis nachlassende Neutrino-Emissionen auf ein Ende der Subraum-Kompressionen hinweisen. Wenn sich jemand beschwert …« Siskos Mundwinkel neigten sich ein wenig nach oben. »Dann zeigen wir den Betreffenden die Aufzeichnungen des jüngsten Zwischenfalls – das dürfte sie zur Vernunft bringen.«
»Ja, Sir«, entgegnete Kira.
Der Kommandant stand auf. »Und noch etwas, meine Damen und Herren … Wir sollten unnötige – und unsinnige – Aufregung vermeiden, indem wir die Identität des letzten Reisenden für uns behalten, einverstanden?«
Alle Anwesenden in der Zentrale nickten.
»Es heißt, ein Borg-Schiff sei im Wurmloch vernichtet worden.«
Benjamin Sisko sah von der Lektüre auf. In der Tür des Quartiers stand jene Person, mit der er die Unterkunft teilte: sein Sohn Jake.
Seit einer Weile erinnerte Jake ihn immer mehr an seine Mutter. Das war recht erstaunlich, wenn man dabei bedachte, dass Jakes Mutter viel von Benjamin in ihm gesehen hatte. Ich muss ihr recht geben, dachte Sisko, als er den Jungen im Eingang beobachtete: Sein Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass er die Wahrheit – die ganze Wahrheit – hören wollte.
Langsam ließ der Vater den Leseschirm sinken. »Wo hast du das gehört?«, fragte er.
»Ich weiß es von Nog«, antwortete Jake.
»Oh. Natürlich.«
Nog war ein junger Ferengi, Quarks Neffe und der Sohn von Quarks Bruder Rom, der im Spielkasino arbeitete. Es behagte Sisko nicht, dass sein Sohn ausgerechnet mit Nog Umgang pflegte, aber in der Raumstation gab es nicht viele andere Kinder, mit denen er sich anfreunden konnte – obwohl Benjamin das genaue Gegenteil behauptet hatte. Dieser Punkt führte noch immer zu Konflikten zwischen Vater und Sohn.
»Und wo hat Nog davon gehört?«, fragte Sisko.
»Er weiß es von Quark«, erwiderte Jake. Er kam der nächsten Frage seines Vaters zuvor und fügte hinzu: »Quark hat's von Garak. Es ist schwer, die Informationskette noch weiter zurückzuverfolgen.«
»Ich verstehe.« Sisko schüttelte den Kopf. »Bei meinen Runden durch Deep Space Nine erscheint mir die Station riesig. Aber wenn wir versuchen, etwas geheim zu halten, wird sie plötzlich viel kleiner.«
»Es stimmt also.«
»Hältst du es etwa für möglich, dass der Cardassianer Garak lügt?«
Sisko verlieh diesen Worten einen scherzhaften Klang, aber die finstere Miene seines Sohns gab ihm deutlich zu verstehen, dass es keinen Sinn hatte, dem eigentlichen Thema auszuweichen. »Ja, es stimmt. Aber wir brauchen uns deshalb keine Sorgen zu machen.«
»Wir brauchen uns deshalb keine Sorgen zu machen?«
Jake schien diesen fassungslos hervorgestoßenen Worten noch etwas hinzufügen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und schwieg. Er drehte den Kopf zur Seite, wandte sich halb um. Sisko stand auf und schritt zu ihm. »Jake …«
Der Junge mied seinen Blick. »Du musst mich für ziemlich dumm halten, Dad.«
»Natürlich nicht!«
»Die … die Borg haben Dutzende von Raumschiffen vernichtet. Sie … sie brachten Mutter um.« Jake sah zu seinem Vater auf. »Wie lange könnte ihnen DS Nine standhalten? Gibt es überhaupt Zeiteinheiten, die klein genug sind?«
Siskos Züge verhärteten sich ein wenig. Unter normalen Umständen legte er großen Wert darauf, seinem Sohn ein Freund zu sein – aber manchmal musste er sich daran erinnern, dass Jake auch einen Vater brauchte. »Du hast nicht richtig darüber nachgedacht!«, sagte er streng.
»Na bitte! Das ist eine höfliche Formulierung für: Du bist dumm!«
»Nein. Selbst besonders intelligente Leute versäumen es gelegentlich, richtig nachzudenken. Dass ein Borg-Schiff ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt durchs Wurmloch kam … Es ist ein wahrer Glücksfall.«
Jake starrte seinen Vater groß an. »Soll das ein Witz sein?«
»Keineswegs. Lass dir die Sache gründlich durch den Kopf gehen. Entweder haben die Borg das Wurmloch im Quadranten Gamma entdeckt und beschlossen, es zu erforschen – oder sie stießen durch Zufall darauf und wurden hineingesaugt. Wie dem auch sei: Wir wissen etwas, das ihnen unbekannt ist. Wir wissen, dass sich dieses spezielle Wurmloch durch eine im großen und ganzen stabile Natur auszeichnet. Die Informationen der Borg hingegen beschränken sich auf folgendes: Eins ihrer Schiffe hat einen Transfer versucht und wurde dabei zerstört.«
Sisko stellte fest, dass ihm der Junge aufmerksam zuhörte, und deshalb gab er sich bei seinen Erklärungen Mühe. »Nach den mir bekannten Berichten haben die Borg ein Kollektivbewusstsein. Anders ausgedrückt: Was einer von ihnen weiß, das wissen auch die anderen. Als die Subraum-Kompressionen das Schiff zerfetzten, erlebte das Gemeinschaftsich die einzelnen Phasen der Zerstörung mit. Ich bin ziemlich sicher, dass alle anderen Borg-Schiffe eine Warnung empfingen, noch bevor die Trümmer des Würfelraumers bei uns eintrafen. Zweifellos hat das zentrale Ich die peripheren Einheiten aufgefordert, unser Wurmloch zu meiden. Immerhin hat es keinen Grund zu glauben, dass sich der Zustand des Dimensionstunnels in absehbarer Zeit ändert. Stabilität ist schließlich nicht die Norm für ein Wurmloch. Ich nehme an, die Borg stellen für sich selbst ein großes ›Nicht hineinfliegen‹-Schild auf und machen fortan einen weiten Bogen um die Anomalie.«
Jake überlegte und nickte dann – was Sisko mit großer Erleichterung erfüllte.
»Du siehst also: Es besteht tatsächlich kein Anlass zu Besorgnis«, sagte er.
Der Junge musterte seinen Vater.
»Hast du das auch Mutter gesagt, als du Erster Offizier an Bord der Saratoga warst? Hast du ihr damals mitgeteilt, sie könnte ganz beruhigt sein und alles sei in bester Ordnung?«
Sisko wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Natürlich gab es eine Antwort, und er kannte sie ebenso gut wie Jake. Aber er wollte sie nicht laut aussprechen.
Ganz gleich, was er jetzt auch sagte: Es musste gezwungen und hohl klingen – falsch in den Ohren seines Sohns, der ihn nun mit dem gleichen forschenden Blick ansah, den Sisko so oft beim eigenen Spiegelbild bemerkte.
»Gute Nacht, Dad«, sagte Jake schließlich und ging in sein Zimmer, um dort unter die Bettdecke zu kriechen.
Kira schlenderte durch die Promenade, zögerte vor dem Sicherheitsbüro und sah hinein. Überrascht stellte sie fest, dass Odo an seinem Schreibtisch saß und mehrere Bildschirme beobachtete: Sie zeigten ihm wechselnde Szenen aus verschiedenen Teilen der Station.
Quarks Gesicht erschien recht häufig. Der Constable überprüfte ihn offenbar viel öfter als alle anderen Personen.
Kira öffnete die Tür. »Odo?«
Er sah auf und winkte sie herein. Sie deutete zu den Schirmen: Erneut zeigten sie Quark, während er dem Geschehen an mehreren Spieltischen zusah. Der Ferengi rieb sich die Hände, als ein verärgerter Tellarit zum dritten Mal hintereinander verlor und mit der haarigen Faust auf den Tisch schlug. »Ich kenne niemanden, der ebenso große Freunde daran findet, Geld zu verdienen.«
»Es ist sein Lebensinhalt«, sagte Odo. »Die Habgier bildet das Fundament seines Wesens. Sie ist für ihn ebenso natürlich wie das Atmen. Ich glaube, er schläft nicht einmal – um nur keine Gelegenheit zu versäumen, zusätzlichen Reichtum anzuhäufen.«
»Was ist mit Ihnen?«, fragte Kira und nahm vor dem Schreibtisch Platz. »Sollten Sie inzwischen nicht in einer Wanne liegen?«
Odo verzog das Gesicht. »So etwas höre ich nicht gern.«
»Entschuldigung. Es lag mir fern, Sie zu beleidigen.«
»Mich zu beleidigen?« Der Sicherheitsoffizier warf seiner Besucherin einen amüsierten Blick zu. »Ich habe gelernt, Quarks Spott zu überhören – Ihre Bemerkungen können wohl kaum schlimmer sein. Nein, es ging mir nur um dies: Ich verabscheue die Notwendigkeiten – und damit auch Beschränkungen – meiner besonderen Existenz. Ich verabscheue es, einmal pro Tag in meinen natürlichen Zustand zurückkehren zu müssen. Ich befürchte immer, dass Quark die schlimmsten Dinge anstellt, während ich eine gallertartige Masse und damit relativ hilflos bin.«
»Lassen Sie das nicht zur Manie werden, Odo«, entgegnete Kira. »Sonst holen Sie sich Magengeschwüre.«
»Zumindest davon bleibe ich verschont – immerhin habe ich keine inneren Organe.« Er musterte die Bajoranerin einige Sekunden lang. »Major … Ihre Gesellschaft ist mir immer willkommen. Sie halten von Autorität ebenso wenig wie ich, und das verbindet uns. Aber ich bin auch neugierig, und deshalb frage ich Sie: Sind Sie aus einem bestimmten Grund hier?«
»Nun …« Kira rutschte im Sessel ein wenig zur Seite. »Es ist nur … Während wir von der Zentrale aus das Wurmloch beobachteten, fiel mir bei Ihnen eine starke emotionale Reaktion auf.«
»Ein unbekanntes Raumschiff wurde vom energetischen Chaos im Dimensionstunnel auseinandergerissen«, erwiderte Odo. »Ist das nicht Grund genug für eine ›starke emotionale Reaktion‹?«
»Ich bitte Sie, Odo.« Kira sprach jetzt in einem Lassen-wir-die-Scherze-Tonfall. »Es steckt mehr dahinter.«
Der Constable seufzte, beugte sich vor und faltete die Hände. »Wenn Sie etwas Außergewöhnliches vermuten, muss ich Sie enttäuschen.«
Kira wartete stumm.
»Nun …« Von einem Augenblick zum anderen streifte Odo das förmliche Gebaren ab. »Sie kennen meine Vergangenheit. Man hat mich im Asteroidengürtel von Denorios gefunden, ohne irgendeinen Hinweis auf Ursprung oder Identität. Ein halbes Jahrhundert lang habe ich bei den Bajoranern gelebt.«
Er stand auf und straffte die Gestalt, schien sich dadurch von einem Teil seines Unbehagens zu befreien. »Man hielt mich für ein Kuriosum – sicher nicht zu Unrecht«, fuhr er leise fort. »Und an dieser Einschätzung hielt man fest, auch nachdem es mir gelungen war, ein humanoides Erscheinungsbild nachzuahmen.« Er hob die Hand zur Nase und schien sich der Tatsache bewusst zu sein, dass es seinem Gesicht an Perfektion mangelte. »Und nachdem ich eine Position errungen hatte, die mir – darf ich es wagen, das nächste Wort auszusprechen? – Autorität verlieh …«
Kira gab sich entsetzt und schnappte nach Luft.
»Selbst jetzt, nach fünf Jahrzehnten, bin ich noch immer anders«, sagte Odo. »Ein Außenseiter, dazu bestimmt, allein zu sein und zu bleiben. Dauernd hoffe ich, irgendwann und irgendwie die Antworten auf alle meine Fragen zu finden.«
»Und Sie glauben, jene Antworten vom Wurmloch erhalten zu können.«
»Ja«, bestätigte Odo. »Das Raumschiff, in dem man mich fand … Vermutlich kam es aus der Anomalie. Was bedeutet: Früher oder später …«
»… transferiert sich vielleicht ein zweites Schiff Ihres Volkes hierher.«
»Genau. Verstehen Sie, Kira? Wenn die Neutrino-Emissionen zunehmen, wenn sich das Wurmloch zeigt, wenn etwas von der anderen Seite zu uns kommt … Dann denke ich immer: Vielleicht ist es jetzt soweit; vielleicht bekomme ich endlich die Antworten, auf die ich schon so lange warte.«
»Als wir die Trümmer orteten …«
»Ich befürchtete, ein Schiff meines Volkes sei vernichtet worden. Daher meine Erleichterung, als sich etwas anderes herausstellte.«
Kira musterte den Gestaltwandler einige Sekunden lang. »Wissen Sie, Odo … Ich will Sie keineswegs loswerden oder so, aber …«
»Möchten Sie mich fragen, warum ich Deep Space Nine nicht verlasse, das Wurmloch passiere und im Gamma-Quadranten nach den Antworten suche?« Er lächelte schief. »Ohne mich ginge es hier in DS Nine schon nach kurzer Zeit drunter und drüber.«
»Oh, da wäre ich mir nicht so sicher …«
»Es ist keine Annahme, sondern Gewissheit«, behauptete der Constable. »Außerdem möchte ich Quark auf keinen Fall die Genugtuung gönnen zu beobachten, wie ich Deep Space Nine verlasse.«
»Das klingt nach einer persönlichen Angelegenheit.«
»Mag sein. Ich kann es einfach nicht ertragen, der Ungerechtigkeit den Rücken zu kehren und Verbrecher ihren schmutzigen Geschäften zu überlassen. Deshalb bleibe ich hier. Und ich werde länger hier sein als Quark. Meine eigene Lebenserwartung kenne ich nicht genau, doch während der letzten fünfzig Jahre ist mein Körper praktisch unverändert geblieben. Wie lange auch immer mein Leben dauern wird – es dürfte länger sein als das des Ferengi. Vielleicht entschließe ich mich zu einem Transit durchs Wurmloch, wenn Quark gestorben und zu Staub zerfallen ist. Doch wahrscheinlich gibt es dann jemand anders, der ebenso verdorben ist und seinen Platz einnimmt. Ach, es gibt soviel Ungerechtigkeit …«
»Und nicht nur hier, Odo«, warf Kira ein. »Überall im Universum.«
»Nein!«, stieß er hervor. Eine solche Vorstellung schien ihn zutiefst zu erschrecken.
»Doch. Und Sie können das Üble nicht überall ausmerzen.«
»Zumindest nicht überall gleichzeitig«, erwiderte der Constable. Er deutete mit dem Zeigefinger auf die Bajoranerin. »Aber eins versichere ich Ihnen, Major: Ich neige nicht dazu, eine Arbeit nur zur Hälfte zu erledigen. Um es ganz klar auszudrücken: Ich bleibe hier in Deep Space Nine, bis meine Aufgabe erfüllt ist. Anschließend breche ich auf. Bis dahin …«
Er unterbrach sich und blickte überrascht zu den Bildschirmen. »He, das sieht man nicht jeden Tag.«
»Was meinen Sie?« Kira drehte sich um.
»Hier, sehen Sie selbst: Sisko besucht Quarks Spielkasino.«
Und tatsächlich: Der Kommandant von DS Nine setzte sich gerade an einen Tisch in der Bar-Sektion. Sofort eilte Quark herbei, gab sich unterwürfig und servil, als er Sisko nach seinen Wünschen fragte.
»Sie haben recht«, sagte Kira. »Das ist wirklich ungewöhnlich. Sollten wir der Sache auf den Grund gehen?«
»Das halte ich eigentlich nicht für notwendig«, antwortete Odo. »Erstens: Dies geht uns gar nichts an. Und zweitens: Ich kann Bashir später um Auskunft bitten.«
»Bashir?«
Dr. Julian Bashir näherte sich Siskos Tisch, deutete auf einen freien Stuhl und fragte ganz offensichtlich, ob er Platz nehmen durfte. Der Kommandant vollführte eine einladende Geste.
»Nun …«, begann Kira. »Ich glaube, Sie brauchen gar nicht mit Bashir zu sprechen.«
»Nein?«
»Nein.« Die Bajoranerin lächelte dünn. »Ich rede mit Dax. Julian ist verrückt nach ihr. Er erzählt ihr alles – wenn's nicht gerade um Dinge geht, die unter seine ärztliche Schweigepflicht fallen.«