Die Kunstgeschichte ist voller ungelöster Fälle: In dieser Reihe kurzweiliger (und wissenschaftlich fundierter) Geschichten zwischen Kunst und Forensik werden ausgewählte Arbeiten gründlich untersucht. Alle gesammelten Indizien (darunter Zitate von Zeitzeugen) können zusammen mit den Teilnehmern ausgewertet werden.
Die KunstKrimis haben 2020 als Präsenz-Veranstaltungen
begonnen und ähneln in diesem Format klassischeren Vorträgen mit
Diskussion. Ab 2021 ermöglicht die digitale Erweiterung des
Projekts durch multimediale Fernkurse und elektronische Manuskripte
eine andere Qualität der Interaktion.
Im neuen Online-/Offline-Format können sich die Zuschauer auf
Wunsch aktiv an der Ermittlung beteiligen, indem sie alle
vorhandenen Beweise (Bilder, Texte usw.) im Vorfeld analysieren; am
Kurstermin findet dann eine Kurzdarstellung aller Fakten durch die
Moderatorin, ein ausgiebiger Austausch mit dem Publikum und die
gemeinsame Auflösung des Falls statt. Vorbereitend zum Termin, an
dem den Theorien der Teilnehmer größtmöglichen Platz gemacht wird,
kann das komplette Beweismaterial in Form des vorliegenden,
illustrierten eBooks (auch unabhängig vom Kurs) erworben und vorab
gesichtet werden. Wer auf das optionale Manuskript verzichten
möchte, kann mithilfe eines schriftlichen Informationsblatts die
verschiedenen Indizien in einer Art Schnitzeljagd selbst sammeln.
Eine Übersicht aller bisher verfügbaren KunstKrimi-Fälle und
sämtlicher geplanten Termine nach dem aktuellsten Stand ist auf der
Projektseite abrufbar: www.kunstco.de/krimi-gialli.html.
Die Anmeldung zu jeder Veranstaltung erfolgt über die jeweils
angegebenen Organisationen. Bitte beachten Sie bei Interesse für
die Alten Meister weitere Projekte der Referentin zur italienischen
Kunst: Renaissance in
Florenz, Leonardo da Vinci,
Raffael. Zum
Thema von Judith und Holofernes erscheint übrigens noch ein eBook
der Autorin.
Mit den KunstKrimis legt Dr. Donatella Chiancone-Schneider
auf spielerische Art die Mittel der kunsthistorischen Forschung
offen. Jede fundierte Recherche beginnt mit einer neuen oder noch
unverbrauchten Frage, die mit verschiedenen bewährten Werkzeugen
beantwortet werden soll. Bei der Kunst steht die Auseinandersetzung
mit den Originalen oder wenigstens optimalen Reproduktionen der
betroffenen Kunstwerke ganz klar im Vordergrund. Darüber hinaus
kommt jede Menge seriöse Literatur in Frage: wissenschaftliche
Abhandlungen zum Thema (die sogenannte Sekundärliteratur:
kunsthistorische, historische u.a. Sachbücher) und – wenn vorhanden
– unbedingt Texte aus erster Hand (die sog. Quellen oder
Primärliteratur: z.B. Schriften der Künstler selbst oder ihrer
Zeitgenossen). Bei der Kunst- und Kulturgeschichte handelt es sich
naturgemäß nicht um eine exakte Wissenschaft, sondern um eine
geisteswissenschaftliche Angelegenheit, dennoch helfen manchmal
Methoden aus den Naturwissenschaften z.B. bei der Bestimmung und
Datierung von eingesetzten Materialien, was Rückschlüsse auf die
Urheberschaft oder Entstehungszeit eines Werks erlauben kann.
Diese akribische Recherche, die Spezialisten bezüglich einer eng
umrissenen Frage mehrere Jahre (wenn nicht Jahrzehnte) beschäftigen
kann, wird in der KunstKrimi-Reihe stark komprimiert, indem
ein großer Teil der Vorarbeit vorausgesetzt wird und für jeden Fall
nur wenige ausgewählte Dokumente präsentiert werden. Hier setzt die
freiwillige Beteiligung der interessierten Kunst-Detektive an:
Diese können die relevantesten Indizien dank der Publikationen aus
diesem Projekt vorab studieren. Dazu zählen u.a. Aussagen der
Künstler selbst und ihrer Zeitgenossen (welche als Zeugen behandelt
werden) und sogar die Mittel der modernen Forensik, die manchmal
zur Aufklärung eines Kunstwerks tatsächlich eingesetzt
werden.
Historische und aktuelle Elemente werden also kombiniert, um
möglichst tragfähige Lösungen zu formulieren. Manchmal kann auch so
keine endgültige Aussage getroffen werden, weil entscheidende
Indizien noch fehlen; da öffnet sich der Raum für Interpretationen,
die mehr oder weniger begründet sein können. Ein wenig Intuition
kann dabei helfen, wenn man sich konsequent einer
wissenschaftlichen Methode bedient und Unsachliches bewusst
vermeidet. Vielleicht wird bei solchen ungelösten Fällen irgendwann
doch ein ergänzendes Puzzle-Stück noch auftauchen und den Stand der
Kenntnisse vervollständigen. Solange werden wir uns im Rahmen des
KunstKrimi-Projekts aufgrund der vorhandenen Indizien
austauschen und vielleicht aufregende neue Erkenntnisse erlangen,
die so in noch keinem Kunstgeschichtsbuch stehen.
Blut fließt reichlich in diesem Krimi, aber es geht nicht darum, den Mörder zu finden, sondern den Maler… oder war es eine Malerin? Diesmal beschäftigen wir uns mit der umstrittenen Zuschreibung eines Kunstwerks an Caravaggio und verfolgen dieses wundersam wieder aufgetauchte Gemälde über mehrere Stationen von dessen Entstehung bis zu einer merkwürdigen Auktion, nach der sich dessen Spuren erneut verlieren.
Toulouse, 2014: im Dachboden eines Landhauses wird bei
Renovierungsarbeiten ein altes Gemälde in einer Art Doppelwand
entdeckt. Erste Spezialisten erkennen die identische Komposition
einer seit Jahrzehnten bekannten Kopie von Louis Finson nach
Caravaggio (Judith und Holofernes, Sammlung der Banca Intesa
Sanpaolo, Palazzo Zevallos, Neapel) und schreiben das „neue” Werk
aufgrund der höheren Qualität dem Meister zu. Um die überraschende
Auffindung des potenziellen verlorenen Originals zu bestätigen, das
vorläufig auf über 1o0 Millionen Euro geschätzt wird, werden
entsprechende Reinigungsarbeiten und wissenschaftliche
Untersuchungen durchgeführt. Die Leinwand hat übrigens kurz nach
dem Sensationsfund Besitzer gewechselt und gehört nun Eric Turquin,
einem französischen Experten und Gutachter mit vierziegjähriger
Erfahrung im internationalen Auktionswesen, der sofort die Echtheit
des Kunstwerks verbreite und dieses in Zusammenarbeit mit der
Toulouser Firma Labarbe weiterverkaufen möchte. Erst 2016 wird die
Leinwand der Öffentlichkeit vorgestellt: Inzwischen hat das Musée
du Louvre mit Vorbehalt Interesse bekundet, das Gemälde zu
erwerben, und der französische Staat Vorzugsrecht beansprucht und
eine 30-monatige Ausfuhrsperre über den „nationale Schatz”
verhängt.
In der Zwischenzeit besprechen Kunsthistoriker, Kunstkritiker,
Kunsthändler und weitere Caravaggio-Interessierte die Angelegenheit
ausgiebig in Artikeln, Interviews, Essays und Fachtagungen; dabei
zeichnen sich ab sofort drei Lager ab: überzeugte Zuschreibungen an
den Meister, ambivalente Äußerungen und differenzierte Ablehnungen
der Echtheit des Gemäldes. Zwischen 2018-2019 wird dieses einer
weiteren Restaurierung und einer ausführlichen Untersuchung mittels
bildgebender Verfahren unterzogen: Das ganze Arsenal der modernen
Kunstforensik wird bemüht, von der Makro-, Röntgen- und
Ultraviolettfotografie über die Infrarot-Reflektographie bis zur
Röntgen-Fluoreszenz. Nach Ablauf der zweieinhalbjährigen Bedenkzeit
und zahlreichen kunstkritischen Einschätzungen mit
widersprüchlichen Ergebnissen nimmt das Pariser Museum Abstand vom
ursprünglichen Vorhaben und wird das Gemälde zum Verkauf auch ins
Ausland freigegeben.
Die von einer opulenten Werbung vorbereiteten und von einer
internationalen Ausstellungstournee eingeführte Auktion
(Schätzwert: 150 Millionen Dollar) wird sehr kurzfristig vor dem
geplanten Termin (27.6.2019) abgesagt und das Kunstwerk wird von
einem unbekannten Sammler (am 25.6.2019) erworben, der dem
Auktionshaus Labarbe ein „unwiderstehliches Angebot” oberhalb des
Startwerts von 30 Millionen Euro unterbreitet habe. Die Identität
des Privatkäufers (nicht aber die vereinbarte Summe) wird erst in
den folgenden Tagen verraten: Es handelt sich um J. Tomilson Hill,
Millionär, früheren stellvertretenden Vorsitzenden einer
Vermögensverwaltungsfirma, Kunstsammler, Inhaber eines eigenen
Museums und Mitglied des Vorstands des Metropolitan Museum of Art,
weswegen prompt darüber spekuliert wird, dass die New Yorker
Institution eventuell das Werk übernehmen wolle, da sie ohnehin
bereits drei eigenhändige Arbeiten von Caravaggio besitzt. Nur,
dass man im Fall des wiederentdeckten Gemäldes immer noch nicht
weiß, ob das ein Original ist...
Vorbereitend auf die Auflösung des Caravaggio-Falls im Rahmen eines Präsenz- oder Online-Termins (mehr Infos hier