ANNAKA HARRIS
ANNÄHERUNG AN EIN MYSTERIUM
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1. Auflage 2020
© 2020 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2019 bei HarperCollins unter dem Titel Conscious. © 2019 by Annaka Harris. All rights reserved.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Peter Peschke
Redaktion: Asta Machat
Umschlaggestaltung: Catharina Aydemir (auf Basis des Umschlags der Originalausgabe)
Umschlagabbildung: © Gemma O‘Brien
Abbildungen Innenteil: ElectraGraphics, Inc.
Satz: Digital Design, Eka Rost
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
eBook: ePubMATIC.com
ISBN Print 978-3-7423-1203-7
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-0864-8
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-0865-5
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Für Sam, Emma und Violet
Ein offenes Geheimnis
Intuition und Illusion
Gibt es ein freies Bewusstsein?
Blinde Passagiere
Wer sind wir?
Ist Bewusstsein überall?
Über den Panpsychismus hinaus
Bewusstsein und Zeit
Danksagung
Nachweise
Über die Autorin
Wir erfahren unser Bewusstsein als einen so inhärenten Teil unseres Selbst, dass wir kaum je bemerken, welch geheimnisvolle Kräfte da am Werk sind. Die Erfahrung selbst ist Bewusstsein, weshalb es schnell passiert, dass wir die tiefgründige Frage übersehen, mit der wir in jedem Augenblick unseres Seins konfrontiert sind: Warum existieren in diesem Universum überhaupt Ansammlungen von Materie, die ein Bewusstsein haben? Unser Blick zielt über dieses Geheimnis hinaus, als wäre die Existenz von Bewusstsein sinnfällig oder ein zwingendes Produkt komplexer Lebensformen. Schauen wir aber genauer hin, stellen wir fest, dass es sich hierbei um einen der seltsamsten Aspekte der Realität handelt.
Das Nachdenken über Bewusstsein kann in uns dieselbe Freude hervorrufen wie das Sinnen über das Wesen der Zeit oder den Ursprung von Materie; es liegt darin eine tiefe Neugier bezüglich unserer selbst und die uns umgebende Welt. Ich erinnere mich, wie ich als junges Mädchen in den Himmel blickte und erkannte, dass meine übliche Wahrnehmung – dass nämlich ich selbst mich unten auf dem Boden befinde und über mir der Himmel ist – keine exakte Abbildung der Realität war. Mich faszinierte die Tatsache, dass ich weiterhin das Gefühl hatte, ich stünde am Boden, unter einem Himmel, obwohl ich gelernt hatte, dass wir die Sonne umkreisen, während die Schwerkraft uns zur Erde zieht. Um meine Perspektive zu ändern, legte ich mich manchmal mit ausgestreckten Armen und Beinen nach draußen und nahm so viel Himmel und Horizont in mir auf wie möglich. Dem vertrauten Gefühl des Hier-unten-Seins – mit Mond und Sternen über mir – versuchte ich zu entkommen, indem ich all meine Muskeln entspannte, um mich ganz der Kraft hinzugeben, die mich fest an die Oberfläche unseres Planeten band, und mich dabei auf die Wahrheit meiner Situation zu konzentrieren: Ich schwebe auf dieser riesigen Kugel durch das Universum – ich befinde mich auf freier Fahrt und die Schwerkraft ist mein Sicherheitsgurt. So dort liegend, konnte ich spüren, dass ich tatsächlich nicht hoch, sondern hinaus in den Himmel blickte. Die Zufriedenheit, die ich verspürte, rührte aus dem vorübergehenden Verstummen einer falschen Intuition und dem Erahnen einer tieferen Wahrheit; tatsächlich befinden wir uns im Weltraum und haben uns immer dort befunden.
Dieses Buch möchte den Blick verändern, mit dem Sie alltäglich auf die Welt schauen, in der Sie leben. Manche der hier präsentierten Fakten sind von so großer Wichtigkeit und stehen unseren intuitiven Annahmen so diametral entgegen (Materie besteht größtenteils aus leerem Raum; die Erde ist eine sich drehende Kugel in einem von Milliarden von Sonnensystemen unserer Galaxie; Krankheiten werden durch mikroskopisch kleine Organismen verursacht und so weiter), dass wir sie uns wieder und wieder ins Gedächtnis rufen müssen, bis sie unser kulturelles Verständnis gänzlich durchdrungen haben und zur Grundlage eines neuen Denkens werden. Unter diesen Fakten nimmt das Bewusstsein in all seiner grundlegenden Rätselhaftigkeit einen besonderen Platz ein. Es ist ein Thema, das Philosophen und Wissenschaftler gleichermaßen zu verblüffen vermag. Ich schreibe dieses Buch, um Ihnen das rauschhafte Hochgefühl zu vermitteln, das sich einstellt, wenn wir entdecken, wie viele Wunder unser Bewusstsein enthält.
Bevor wir uns überhaupt den Fragen des Bewusstseins widmen, müssen wir erst einmal festlegen, worüber wir eigentlich sprechen. Das Wort wird verwendet, um eine Reihe unterschiedlicher Phänomene zu beschreiben; zum Beispiel einen Zustand des Wachseins oder der Aufnahmebereitschaft, eine Selbstwahrnehmung oder die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Wollen wir aber die geheimnisvolle Qualität dessen erfassen, was das Wesen des Bewusstseins darstellt, so ist es wichtig, den Fokus zunächst auf sein Alleinstellungsmerkmal zu richten. Die grundlegendste aller Bewusstseinsdefinitionen entstammt einem Essay des Philosophen Thomas Nagel: Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? An seiner Definition orientieren sich die Ausführungen in diesem Buch. Die Essenz von Nagels Erklärung lässt sich mit folgendem Zitat zusammenfassen:
»Grundsätzlich hat ein Organismus bewusste mentale Zustände dann und nur dann, wenn es irgendwie ist, dieser Organismus zu sein – wenn es irgendwie für diesen Organismus ist.«1
Bewusstsein ist also, anders gesagt, das, was wir meinen, wenn wir von Wahrnehmung in ihrer grundlegendsten Form sprechen. Ist es irgendwie, in diesem Moment Sie selbst zu sein? Ihre Antwort lautet vermutlich Ja. Ist es irgendwie, der Stuhl zu sein, auf dem Sie sitzen? Ihre Antwort wird (mit hoher Wahrscheinlichkeit) ein definitives Nein sein. Diese simple Unterscheidung – ob es eine Form der Wahrnehmung gibt oder eben nicht –, die uns als allgemeingültiger Referenzpunkt dienen kann, definiert, was ich mit dem Wort Bewusstsein meine. Ist es irgendwie, ein Sandkorn, ein Bakterium, eine Eiche, ein Wurm, eine Ameise, eine Maus oder ein Hund zu sein? Irgendwann erreichen wir den Punkt, an dem die Frage bejaht werden muss, und das große Geheimnis ist, warum bei manchen Materieansammlungen im Universum eine Art Schalter umgelegt wird, der ihnen ein Bewusstsein gibt.
Wir können uns sogar fragen, wann sich in der Entwicklung eines menschlichen Wesens der Funke des Bewusstseins entzündet. Stellen Sie sich eine menschliche Blastozyste vor; nur wenige Tage alt, besteht sie aus nicht viel mehr als etwa 200 Zellen. Wir nehmen an, dass es vermutlich nicht irgendwie ist, solch ein mikroskopisch kleiner Zellhaufen zu sein. Aber im Laufe der Zeit vervielfachen diese Zellen sich und werden allmählich zu einem menschlichen Fötus mit einem menschlichen Gehirn, das imstande ist, Lichtwechsel und die Stimme der Mutter zu erkennen, und das bereits im Uterus. Und im Gegensatz zu einem Computer, der ebenfalls Lichtwechsel und Stimmen erkennen kann, geht diese Informationsverarbeitung mit einer Wahrnehmung von Licht und Klang einher. Egal an welchem Punkt der Entwicklung des Gehirns eines Fötus unsere Intuition uns sagt »Okay, da findet jetzt gerade eine Wahrnehmung statt«: Das Geheimnis liegt im Übergang. Zunächst ist da nichts, was sich als Bewusstsein bezeichnen ließe, und dann, mit einem Mal und auf magische Weise, genau im richtigen Moment … ist da etwas. Wie geringfügig dieses erste Etwas auch sein mag, offenbar entfacht es eine Wahrnehmung in dieser unbelebten Welt und materialisiert sich aus dem Dunkel heraus.
Schließlich setzt ein Säugling sich aus Partikeln zusammen, die ununterscheidbar von jenen sind, die um die Sonne herumwirbeln. Die Partikel, aus denen sich Ihr Körper zusammensetzt, waren einst Bestandteile unzähliger Sterne unseres Universums. Sie sind Milliarden von Jahren gereist, um hier zu landen – in dieser spezifischen Zusammensetzung, die Sie ausmacht –, und lesen in eben diesem Augenblick dieses Buch. Stellen Sie sich vor, dem Dasein dieser Partikel von Ihrem ersten Erscheinen in der Raum-Zeit bis zu eben jenem Augenblick zu folgen, in dem sie sich so zusammensetzen, dass eine Wahrnehmung möglich wird.
Die Philosophin Rebecca Goldstein zeichnet ein wunderbar klares und spielerisches Bild dieses Mysteriums:
»Natürlich ist Bewusstsein eine Frage der Materie – was sonst könnte es sein, da wir ja schließlich Materie sind? –, aber die Tatsache, dass einige Bröckchen Materie ein Innenleben haben … entspricht keiner der Eigenschaften von Materie, die wir bisher kennen, geschweige denn verstanden haben. Die Gesetzmäßigkeiten von Materie in Bewegung können tatsächlich der Ursprung dessen, all dessen sein? Materie kann mit einem Mal zum Leben erwachen und die Welt wahrnehmen?«2
Der Augenblick, in dem Materie ein Bewusstsein erlangt, scheint mindestens so geheimnisvoll wie der Moment, in dem Materie und Energie überhaupt zu existieren begannen. Das Geheimnis des Bewusstseins kann es mit einem der größten Menschheitsrätsel überhaupt aufnehmen: Wie kann es sein, dass etwas aus dem Nichts entsteht?3 Oder eben: Wie kann aus unbewusster Materie so etwas wie Wahrnehmung entstehen? Der australische Philosoph David Chalmers hat daraus das berühmte »schwierige Problem« des Bewusstseins abgeleitet.4 Im Unterschied zu den »einfachen Problemen«, zum Beispiel dem Erklären animalischen Verhaltens oder dem Verständnis von Vorgängen in unserem Hirn und ihrem jeweiligen Zweck, liegt das schwierige Problem darin, zu verstehen, warum mit manchen physischen Prozessen überhaupt eine Wahrnehmung einhergeht.
Warum führen bestimmte Zusammensetzungen von Materie dazu, dass sich in dieser Materie ein Bewusstsein entwickelt?
Da wir jetzt eine Arbeitsdefinition für das Bewusstsein und seine anhängigen Mysterien haben, können wir uns als Nächstes an einigen gängigen Intuitionen abarbeiten: Zu einem großen Teil wurden unsere Intuitionen durch natürliche Selektion geformt, und zwar um uns schnell mit lebensrettenden Informationen zu versorgen. Eben jene Intuitionen können uns aber auch im modernen Leben noch von Nutzen sein. So haben wir beispielsweise die Fähigkeit, in bedrohlichen Situationen bestimmte Gegebenheiten in unserem Umfeld wahrzunehmen, die uns wiederum zu einer beinahe unverzüglichen Gefahrenabschätzung befähigen. Denken Sie an die Intuition, die Ihnen rät, nicht mit jemandem in denselben Aufzug zu steigen, ohne dass Sie sagen könnten, was genau Sie davon abhält. Ihr Hirn verarbeitet oft hilfreiche Hinweise, ohne dass es Ihnen in diesem Moment auffallen würde: Die andere Person, die gerade in den Aufzug steigt, hat vielleicht eine stark durchblutete Gesichtshaut oder geweitete Pupillen (beides Signale für einen Adrenalinüberschuss, der gewaltbereites Handeln begünstigt), oder die Tür zum Gebäude, die normalerweise verschlossen ist, stand offen. Wir können eine Situation als gefährlich erkennen, ohne dass wir eine Ahnung davon haben, welche Art von Gefahr droht oder woher unsere Ahnung rührt. Unsere Intuitionen werden auch durch das Lernen sowie durch Kultur und andere Umweltfaktoren geprägt. Manchmal geben nützliche Intuitionen den Ausschlag, wenn wir lebensverändernde Entscheidungen treffen müssen – für welche Wohnung wir einen Mietvertrag unterschreiben zum Beispiel. Intuitionen, die aus relevanten Informationen entstanden sind, die unser Hirn unterbewusst aufgeschnappt und berücksichtigt hat. Tatsächlich legen Untersuchungen nahe, dass unser Bauchgefühl in vielen Situationen verlässlicher ist, als es die Früchte unserer bewussten Grübeleien sind.1
Aber auch unser Bauchgefühl kann uns täuschen, und falsche Intuitionen können in unterschiedlichster Form auftreten, insbesondere in Bereichen der Vernunft – Wissenschaft und Philosophie beispielsweise –, die die Evolution nie hätte vorhersehen können. Nehmen Sie nur Wahrscheinlichkeiten und Statistiken: beides Gebiete, auf denen unsere Intuitionen notorisch unzuverlässig sind. Viele von uns werden von Flugangst geplagt, ungeachtet der Tatsache, dass wir statistisch gesehen über einen Zeitraum von 55 000 Jahren hinweg täglich fliegen müssten, bevor wir in ein Flugunglück geraten. (Und hier lohnt es sich anzumerken, dass die Fahrt zum Supermarkt mit dem Auto die eigene Sicherheit um ein Vielfaches mehr gefährdet als ein Flug, und zwar ohne dass die Leute üblicherweise von Panikattacken erfasst werden, wenn sie sich hinters Steuer setzen.)2 Ja, wir sind bisweilen kaum in der Lage, unsere Intuitionen mit den grundlegendsten wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang zu bringen. Bevor Durchbrüche in der Astronomie uns eines Besseren belehrten, gingen wir davon aus, dass die Erde eine Scheibe ist. Und in manchen Studienbereichen, so zum Beispiel in der Quantenphysik, sind unsere Intuitionen nicht nur nutzlos, sondern behindern unser Fortkommen regelrecht. Eine Intuition ist nichts weiter als der sich aufdrängende Eindruck, dass etwas zutreffend ist, ohne dass wir uns dieses Gefühls gewahr wären oder es gar begründen könnten. Vielleicht ist es die Abbildung einer Wirklichkeit, vielleicht auch nicht.
In diesem Kapitel widmen wir uns jenen Intuitionen, die uns beurteilen lassen, ob etwas Bewusstsein hat oder nicht, und wir werden feststellen, dass die scheinbar naheliegende Antwort einer genaueren Betrachtung bisweilen nicht standhält. Beginnen möchte ich diese Untersuchung mit zwei Fragen, die auf den ersten Blick trügerisch leicht zu beantworten sind. Achten Sie auf die Antwort, die Ihnen zuerst in den Sinn kommt, und merken Sie sich diese, während wir uns einige typische Intuitionen und Illusionen näher anschauen.
Stellen Sie sich ein System vor, von dem wir wissen, dass es eine bewusste Wahrnehmung hat – das menschliche Gehirn. Welchen Beweis für das Vorhandensein eines Bewusstseins können wir von außen feststellen?
Ist Bewusstsein ausschlaggebend für unser Verhalten?
Diese beiden Fragen überschneiden sich auf entscheidende Weise, doch ist es durchaus erhellend, sich ihrer einzeln anzunehmen. Bedenken Sie bitte zunächst, dass bewusste Erfahrung (zumindest in einem Gehirn) existieren kann, ohne dass es irgendeinen nach außen sichtbaren Ausdruck davon gibt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist das neurologisch bedingte Locked-in-Syndrom, bei dem nahezu der komplette Körper gelähmt ist, während das Bewusstsein gänzlich intakt ist. Die Krankheit wurde durch Jean-Dominique Bauby berühmt gemacht, dem 1997 verstorbenen Chefredakteur der französischen Elle, der einen genialen Weg gefunden hat, seine persönlichen Erfahrungen mit dem Locked-in-Syndrom niederzuschreiben. Nach einem massiven Schlaganfall war er komplett gelähmt – mit Ausnahme des linken Augenlids, mit dem er noch blinzeln konnte. Erstaunlicherweise bemerkte das Pflegepersonal seine Kommunikationsbemühungen, und im Laufe der Zeit entwickelten sie eine Methode, mit deren Hilfe er mittels eines Blinzel-Codes ganze Wörter diktieren konnte, wodurch sich das ganze Ausmaß seines bewussten Erlebens offenbarte. Diese erschütternde Erfahrung beschreibt er in seiner Autobiografie Schmetterling und Taucherglocke, die er verfasste, indem er rund 200 000 Mal blinzelte. Es ist sicherlich anzunehmen, dass es keinerlei Einfluss auf sein Bewusstsein gehabt hätte, wenn auch sein linkes Augenlid der Lähmung anheimgefallen wäre. Und ohne diesen letzten Rest Bewegungsvermögen hätte er absolut keine Möglichkeit gehabt zu kommunizieren, dass er bei vollem Bewusstsein war.
Ein weiteres Beispiel für solch eine Gefangenschaft im eigenen Körper ist die sogenannte intraoperative Wachheit, bei der ein Patient, der für einen chirurgischen Eingriff unter Vollnarkose versetzt wurde, lediglich von der Lähmung betroffen ist, ohne dabei jedoch das Bewusstsein verloren zu haben. In diesem albtraumhaften Zustand spüren Menschen jeden Teil eines ärztlichen Eingriffs – bisweilen so drastische Prozeduren wie die Entnahme eines Organs –, ohne dass sie fähig wären, sich zu bewegen oder zu kommunizieren, dass sie hellwach sind und Schmerzen erleiden. Dieses und das zuvor genannte Beispiel scheinen direkt einem Horrorfilm entsprungen zu sein, aber wir können uns auch andere, weniger verstörende Umstände vorstellen, unter denen ein bewusster Verstand seiner Ausdrucksmöglichkeiten beraubt sein könnte. Szenarien beispielsweise, die Künstliche Intelligenz (KI) beinhalten, in denen ein hoch entwickeltes System ein Bewusstsein ausbildet, ohne dass es dazu imstande wäre, uns diesen Umstand überzeugend zu kommunizieren. Eines aber ist sicher: Das Erfahren eines lebhaften Bewusstseins kann stattfinden, ohne dass es dafür äußere Anzeichen gibt.