Prof. Dr. Martina Leibovici-Mühlberger, M.Sc., ist praktische Ärztin, Fachärztin und Psychotherapeutin. Neben ihrer Tätigkeit als Therapeutin in ihrer Wiener Praxis führt sie eine humanistische Unternehmensberatung, berät Institutionen sowie Ministerien und entwickelt und leitet OE-Prozesse für Unternehmen oder Verbände. Sie ist Autorin mehrerer Fachbücher und als Vortragende international geladen.
© eBook: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Projektleitung: Arnold Klaffenböck
Lektorat: Arnold Klaffenböck
Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München
eBook-Herstellung: Linda Wiederrecht
ISBN 978-3-8338-7959-3
1. Auflage 2021
Bildnachweis
Coverabbildung: GettyImages-1133015172 > © pinstock/GettyImages
Fotos: Matthieu Munoz
Syndication: www.seasons.agency
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Die Liebe ist das große gestaltende Prinzip des Universums, das alles zusammenhält. Sie folgt stets der Lebendigkeit, die sich im Spannungsfeld der Anforderung immer neu und unerwartet gestaltet. Doch ist für die Liebe, die sich Kontrolle und Vorhersage entzieht, noch Platz in diesem Jahrtausend? Die neue Welt exponentieller Technologien wird von künstlicher Intelligenz und Algorithmen verwaltet, der Mensch in einen globalen Maschinenorganismus eingegliedert. Die Protagonisten Katharina und Stefan, die mit ihren Lebenswunden ringen, umkreisen das Thema sehr unterschiedlich und doch auch wieder sehr gleich.
Stefan gibt vor, mit der Liebe abgeschlossen zu haben und Genuss sowie Selbstinszenierung in der Geschlechterbeziehung leben zu wollen. Katharina verteidigt ein reines selbstgestaltendes Liebesmodell, weit jenseits gesellschaftlicher Konventionen. Doch wie ist es wirklich? Sind sie Wächter der Liebe einer lebendigen Welt oder beide schon längst von ihren Ängsten zerfressene Vertreter des neuen wagnisbefreiten, sterilen Lebensansatzes?
Unterschiedliche Menschen, jeder mit seiner persönlichen Facette einer Interpretation des großen Themas der Liebe, streifen den Entwicklungsweg des Paares. Und auch Katharinas Ex-Liebhaber trägt mit seiner fundamentalistischen Interpretation des Themas bei, die Geschichte in dramatischer Weise zu entwickeln.
Die Konfrontation der beiden Liebenden, ihr Scheitern oder das Gelingen ihrer Begegnung, scheint synonym für den derzeit in der Welt stattfindenden entscheidenden Kampf zwischen liberalem Humanismus und technologischem Transhumanismus.
Am Ende entscheidet der Leser durch seine persönliche, aus eigener Selbstmächtigkeit und Liebesfähigkeit begründete Leseart die Interpretation und den Ausgang der Geschichte wie den der Welt.
In meinem Leben kaufte ich schon eine Menge Sachbücher. Manche davon las ich auch, viel mehr legte ich jedoch wieder weg, so wie es übrigens die meisten Menschen tun. Spätestens nach dem zweiten Kapitel hatte ich genug von der Lektüre – und das, obwohl die Bücher im Inhaltsverzeichnis allesamt thematisch logisch nachvollziehbar waren und oft massenweise kluge Ratschläge enthielten, die heute Tipps heißen. Wenigstens hatten die Verlage, Autorinnen und Autoren etwas von meiner Kaufentscheidung.
Außer Sachbüchern gingen auch schon eine Menge Romane durch meine Finger. Weil sie mich, entweder durch ihre Geschichte oder die spezielle Art, Sprache zu verwenden, fesseln konnten, las ich sie häufig auch zu Ende. Die meisten von ihnen sollten mich nur für kurze Zeit unterhalten und ich vergaß sie schnell wieder.
Ich selbst schrieb schon ein paar Sachbücher zu Themen, die mir in den letzten Jahren auf dem Herzen lagen, und über Dinge, die mir wichtig erschienen. Also hielt ich das Genre des Sachbuches für angemessen, um meine Anliegen rechtschaffen in die richtige Form zu gießen.
Menschen, die meine Bücher lesen und mir dann schreiben, sind mir besonders wichtig. Sie kennen mich nicht, sind nicht langjährige, höfliche Bekannte oder unterstützende Freunde, sondern im besten Sinne Fremde und objektiv. Sie nehmen meine Publikationen zur Hand, zeigen sich interessiert und offen, aber gleichzeitig auch als Kritiker und Richter.
Wenn sie mir nach ihrer Lektüre Rückmeldung geben und ihre Leseeindrücke schildern, empfinde ich das als besondere Wertschätzung. Natürlich auch, wenn es sich um Kritik handelt.
Da ich ja Sachbücher schreibe, bin ich davon ausgegangen, dass jene Leserinnen und Leser, die mit mir in Dialog treten, die intellektuelle Ebene rationaler Auseinandersetzung zum Sachthema suchen. Das liegt eigentlich auf der Hand. Die Sache ist allerdings etwas komplexer, wie ich feststellen musste.
Die meisten, die mir Briefe und E-Mails schicken oder mich anrufen, erzählen mir, was sie in meinem Buch berührt und sie damit zum Nachdenken über die von mir geäußerten Überlegungen oder Thesen veranlasst hat. Manchen gelingt durch dieses Berührt-Werden darüber hinaus auch die Rückverbindung zu sich selbst, zu ihrem eigenen Leben. Und manchmal kommt es sogar zur Entwicklung gefühlter Einsicht, die die einzig wirksame Basis für Selbstveränderung ist.
Man möchte annehmen, dass es die Kraft der Argumente, die klar gefügte, logische Deduktion zur Sache ist, die dieses Berührt-Werden auszulösen vermag. Zumindest war dies meine Annahme. Doch damit lag ich ziemlich falsch.
Ich musste feststellen, dass meinen sorgfältig gezimmerten Versuchen, ein Thema mit stimmiger Argumentation und intellektueller Redlichkeit in lesbarer Form abzuhandeln, mehr der Stellenwert einer logischen „Verpackung“ zukam. Man kauft ja schließlich auch wirklich gar nichts ohne Schachtel, Tüte oder zumindest Packpapier ein.
Als der eigentliche Inhalt, als das, was berührt, wurden jedoch die zahlreichen Fallgeschichten erlebt. An diese konnte meine Leserschaft anknüpfen, sich selbst in Teilaspekten wiedererkennen und den eigenen Faden weiterspinnen.
Ich gebe zu, dass meine Fallbeispiele belletristisch anmuten, denn Sprache so einzusetzen, dass sich als atmosphärische Verdichtung ein mit Tiefenschärfe herausgearbeitetes, präzises Gemälde der Situation ergibt, ist meine Leidenschaft. Trotzdem hatte ich sie bislang als erläuterndes Beiwerk eingestuft.
Mit meiner Fehleinschätzung, die Fallgeschichten nur als untergeordnete Illustrationen zu sehen, bin ich dem Diktat der Konvention aufgesessen. Ich wollte mich regelgerecht einnorden, habe die rationale Überlegung und die Deduktion ins Zentrum gestellt, um ein ordentliches Sachbuch zu schreiben.
Meine Leserinnen und Leser haben mich belehrt und ermutigt, über den Schüsselrand hinwegzublicken, den Rahmen des Üblichen zu sprengen. Das Resultat ist ein Sachbuch, das als eine Geschichte, vielleicht sogar stark märchenhaft erzählt wird und sich in einen reflektierenden Rahmen eingebettet findet.
Als ich mich entschied, über die Sperrzäune der Kategorien hinwegklettern zu wollen, durfte ich feststellen, dass ich mich dabei eigentlich in guter Gesellschaft befinde. Schon Aristoteles hat der gespielten Handlung der Geschichte den Chor als allwissenden Kommentator, als ein vermittelndes Element beigestellt – etwas, das die Szene und die Zuschauer zusammenbringt. Durch das Durchleben von Jammer und Rührung, Schrecken und Schauder, Mitleid und Furcht sollte das Publikum eine Katharsis, also die Reinigung und Läuterung der Seele erleben.
Etwas genereller und moderner betrachtet könnte man also davon sprechen, dass durch das beobachtende Lesen einer Geschichte die durch Spiegelneuronen vermittelte Fähigkeit zur Identifikation sowie zum inneren, fantasierten Probehandeln angeregt wird. Die dabei entstehende Emotion trägt die eigentliche Schlüsselrolle für den Prozess des „Lernens“, wie dies der Neurobiologe Gerald Hüther oft betont. Dem reflektierenden Rahmen, der als intellektuelle Barrieren getarnte Widerstände einreißt, kommt dabei die alte Funktion des Chors zu, der Szene und Zuschauer zusammenbringt.
In meiner Arbeit als Psychotherapeutin habe ich überdies bemerkt, dass es für viele Klientinnen und Klienten einfacher ist, die eigene Struktur in Form einer Fallgeschichte gespiegelt zu bekommen. Dies bietet die Möglichkeit zur „sachten Identifikation“, wie ich es nenne, die eine ertragbare Annäherung an den eigenen Leidenszustand bewirkt. Es ist, als würde die Analogie der eigenen Misere in der Fallgeschichte eine virtuelle Kameradschaft bewirken und damit das nagende Einsamkeitsgefühl des Leidenden dämpfen, während der positive Ausgang in meinen Fallgeschichten Mut und Hoffnung einflößt, sich der eigenen notwendigen Weiterentwicklung zu stellen.
Wer im vorliegenden Buch einen flink zu lesenden, leicht konsumierbaren Roman sucht, wird enttäuscht werden, denn tiefes Empfinden braucht Entwicklung und Bewährung. Ebenso wenig bietet dieses Werk die durchdeklinierte, sachliche Aufarbeitung zum Thema Liebe oder Ratschläge einer Ärztin und Psychotherapeutin, wie man sie anderswo findet. Vielmehr ist es eine langsame Geschichte, denn die Liebe reicht bis zum Urgrund unseres Seins, dem man sich nicht mit oberflächlicher Hast, sondern mit bedächtiger Ruhe und feinsinniger Achtsamkeit nähern muss.
Damit kommen wir zur Gebrauchsanweisung für dieses Buch. Natürlich können Sie, werte Leserin, werter Leser, sofort nach hinten zum zwölften Kapitel blättern, um dort die vermeintliche Auflösung für das Verhalten der beiden Hauptprotagonisten abzuholen. Auf solche Weise könnte es auch gelingen, sich Überblick über die Handlung sowie die damit verbundenen Intentionen der Geschichte zu verschaffen, ohne sich den Reflexionsanstößen und der Wirkung aussetzen zu müssen, die von der sachten und mäandrisch dahinlaufenden Entwicklung jener Paar-Beziehung ausgehen. Vielleicht ließe sich damit auch die Sinnhaftigkeit und Funktion der dritten Schlüsselperson in ihrer brüskierenden, ja verstörend brutalen Zeichnung, die wie ein scharfer Splitter schmerzhaft, ja fast anachronistisch im Fleisch der Geschichte steckt, auch von vornherein schon verstehen. Dies wäre freilich der Weg der Ängstlichkeit, die alle Ihren Überzeugungen zugrunde liegenden Denkfiguren nicht gefährden will.
Doch ich rate zu Mut, nein, zu noch viel mehr: Nehmen Sie die Haltung von vorbereitungsfreier Erwartungslosigkeit ein. Versuchen Sie sich unbefangen und vorbehaltlos dem Entdecken hinzugeben, ganz so, wie es die großen Abenteurer früherer Jahrhunderte in festem Glauben an sich selbst vermochten. Seien Sie bereit, Ihrer eigenen Liebes(un)fähigkeit schonungslos zu begegnen, statt auf ein Gegenüber den Schatten ihrer Erwartungen zu projizieren. Dann werden Sie eine Ahnung vom tiefen Wesen der Liebe erspüren, denn so gelingt die Liebe und kann, jeder Macht zu forderndem Zwang entkleidet, ihre Stärke entfalten. Lassen Sie sich also in den ersten elf Kapiteln einfach von der Geschichte tragen und achten Sie dabei auf Ihre Gefühle, Stimmungen, Gedanken, Erinnerungen, Ihre Ablehnung oder Zustimmung, auftretende Langeweile, verschämte oder offene Erregung, Traurigkeit, Wut, Peinlichkeit oder ein freies, öffnendes Empfinden in Ihrer Brust.
Wer also bereit ist, sich dem Strom der Entwicklungen hinzugeben, sich in seinem Fühlen einzulassen und Gefallen finden kann am reflektierenden Rahmen der Beweisführung der These, dass die Liebe das große gestaltende Prinzip des Universums ist, der könnte hier fündig werden.
Und sollte die Lektüre meines Buches Sie dazu anregen, sich dergestalt mit Ihrer eigenen Liebesfähigkeit auseinanderzusetzen und diese zu stärken oder gar erst zu entdecken, so wäre dies mein größter Lohn.
Katharina und Stefan heißen eigentlich Odysseus und Penelope, ja sind im Grunde Odysseus und Penelope, denn der große Baumeister des Universums hat uns in allen Legenden, Mythologien und weisen Büchern, die unser Kohlenwasserstoffhirn bisher ersinnen konnte, einen feinen roten Faden der Erkenntnis gelegt. Diese mag sich jenem eröffnen, der mit reinem Herzen denkt und mit klarem Kopf fühlt. Trotzdem wäre es wahrscheinlich befremdlich für moderne Leserinnen und Leser, jene Namen vorzufinden, weswegen Katharina und Stefan hier diesen Faden ausrollen.
Odysseus war der Sohn des Laërtes, aber es könnte auch Sisyphos sein Vater gewesen sein, was ja immerhin seinen Hang zu Schwierigem erklären würde. Als seine Mutter ist unbestritten Antikleia überliefert, denn die Mutterschaft ist untrüglich.
Was uns an Odysseus jedoch interessiert, ist seine psychische Struktur, sein Charakter, wie man seinerzeit zu sagen pflegte, als man noch selbstverantwortlich durchs Leben ging. Er ist eindeutig als klug anzusprechen, vielleicht trifft es schlau sogar besser, so wie er von Homer beschrieben wird. Eventuell könnte man ihn sogar für ein Schlitzohr halten, aber das ist dann eher den Umständen geschuldet. Mut und Führung sind ihm ebenso zuzuschreiben, denn diesen Mann hat es nicht nur in die wüstesten Gegenden der damaligen Welt verschlagen, sondern als geborener Grenzgänger treibt er sich sogar am Eingang des Totenreichs umher.
Was allerdings an Odysseus so herausragend und ungewöhnlich ist, doch verborgen bleibt, lässt man sich von seinem lauten Bubentum blenden, ist sein ungewöhnlicher Familiensinn. Zuerst gibt er Wahnsinn vor, um seine Frau und den neugeborenen Sohn nicht verlassen zu müssen, und das zu einer Zeit, in der Draufhauen so ziemlich die ehrenvollste Beschäftigung für Männer war. Dann ist es letztendlich er, der fähig ist, die langen zehn Kriegsjahre vor Troja mit einer List zu einem Ende zu bringen, um endlich heimkehren zu können. Und in den folgenden zehn langen Jahren der Odyssee besteht er Abenteuer um Abenteuer, immer mit Kompass auf Ithaka, Frau und Kind, wobei Kirke nicht nur Zauberin, sondern auch eine bemerkenswerte Frau gewesen sein soll. Sie hätte ihn gerne bei sich behalten.
Ein ganzer Mann, dieser König von Ithaka, und gleichzeitig ein echter Romantiker, der das Ehebett selbst aus einem Olivenbaum gehauen, ja das Ehegemach darum erbaut hat. Das soll ihm einmal einer nachmachen, und über einen, der das ganze Schlafzimmer um das Bett herumbaut, braucht man weiter nicht mehr viel zu sagen …
Was uns zur Fragestellung bringt, wer wohl diese Penelope sein kann, für die ein Mann solchen Aufwand betreibt. Das fängt schon mit der Brautwerbung an. Angeblich musste Odysseus einen Wettlauf siegreich bestehen, um ihre Hand zu gewinnen. Vielleicht gelang es ihm aber auch durch eine List, in Tyndareos, Penelopes Onkel, einen Fürsprecher zu erlangen. Man weiß das nicht so genau.
Ihre Mutter war Periboia und somit eine Najade, also eine Nymphe. Penelope hatte wahrscheinlich vieles ihrer Mutter in sich, der als Naturgottheit Schönheit, Verbundenheit mit den Naturgeistern, Sensitivität und Fast-Unsterblichkeit samt ewiger Jugend gegeben waren. Jedenfalls ist sie durch ihr unermüdliches Warten auf Odysseus zum Sinnbild der treuen Ehefrau geworden. Sie muss allerdings auch eine Frau von großem Eigensinn und Kraft gewesen sein, was wohl auf ihre spartanische Herkunft und Erziehung zurückging. Bereits kurz nach ihrer Heirat hat sie ihrem eigenen Vater die kalte Schulter gezeigt. Stattdessen ist sie Odysseus, der ihr dies listig freistellte, nach Ithaka gefolgt.
Dass diese Frau wusste, was sie wollte, hatte sie dann redlich Zeit, in den nächsten zwanzig Jahren zu beweisen, um Hof und Kind allein zusammenzuhalten und gegen die andrängende Schar der Freier oder verräterisches Gesinde zu verteidigen.
Zuerst kam ihr diese Idee mit dem Weben des Totentuches für ihren übrigens in bester Gesundheit stehenden Schwiegervater. Sie webte tagsüber an der Akzeptanz, dass Odysseus nicht mehr zurückkehren würde, und trennte das fertiggestellte Stück in der Freiheit nächtlichen Sehnens wieder auf.
Als man dies entdeckte, ersann sie eine neue Probe, wissend, dass niemand außer dem wahren Odysseus seinen auf Ithaka verbliebenen Bogen würde spannen und den Pfeil durch zwölf Axtlöcher würde schießen können. Welch schöne Metapher!
Aber sie ist auch misstrauisch, diese Penelope, am allermeisten gegen sich selbst. Selbst als der geliebte Mann endlich heimkehrt, will sie sich nicht, von ihrer Sehnsucht verleitet, an ihm täuschen und hüllt sich in Kühle. Erst als er sich wissend zum intimsten Geheimnis ihres Schlafgemachs erweist, ergibt sie sich in seine Arme … und es muss wunderbar gewesen sein.