Ich glaube an das Pferd.
Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.
(Wilhelm, letzter deutscher Kaiser)
Impressum
Wissenswertes über Füllfederhalter
3. Auflage, Februar 2017
© 2014-2017 Jörg Martin Kuhn
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7386-7368-5
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Glücklicherweise gab es wenig zu korrigieren, einiges zu vertiefen und mehreres zu erweitern, um so dem eigenen Bedürfnis nach Vollständigkeit näher zu rücken. Für mich war logisch, Ergänzungen zu denjenigen Themenkomplexen zu schreiben, bei welchen die meisten Nachfragen auftauchten. Denn eines galt stets als Prämisse. Das Buch soll neben Informationen und Unterhaltung gleichsam einem breiten Publikum Nutzen bringen. Die Veröffentlichung dieser Ausgabe schließt den Prozess nun ab.
Als aufgeworfene Frage stand im Raum, ob ein zweites Band oder eine Neuauflage sinnvoll ist. Die Entscheidung fiel erst nach Auswertung von Rückmeldungen zu einer Leserumfrage zugunsten der dritten Auflage als umfassendes Nachschlagewerk. Der leitende Impuls ist klar. Man will zur Recherche nicht mehrmals ins Regal greifen müssen. Nachteile seien aber nicht unerwähnt. Leute, die bereits die Vorausgabe kauften, treffen in hiesiger Ausgabe auch identische Textpassagen an. Ich hoffe, es tröstet sie, dass sie mit vorliegendem Buch ein vertieftes und ergänztes, unterhaltsames und umfassenderes Nachschlagewerk besitzen und die vorherige Auflage einem Füllhalterneugierigen schenken können. Um den Buchumfang mit Blick auf die Bezahlbarkeit nicht zu sehr anwachsen zu lassen, wurde die Schriftgröße im Vergleich zur Vorausgabe geringfügig reduziert, ohne die Augen übermäßig strapazieren zu wollen. Die ansteigende Seitenzahl um fast ein Drittel war dennoch unvermeidlich. Den anschaulichen Schwarzweißabbildungen, die um 50% zulegten, bleibt die Neuauflage treu.
In erster Linie bin ich meiner lieben Familie dankbar, dass sie mich so manches Mal vom Schreibtisch und aus dem Daniel-Düsentrieb-Labor wegzerrte. Besonders danken möchte ich den Testlesern Michael, Johannes und Thomas, wobei ich versichere, es ist purer Zufall, dass es sich hierbei auch um die Namen von drei bedeutenden Aposteln handelt.
Hunsrück, Februar 2017
Jörg M. Kuhn
Liebeschwüre und Gnadengesuche, Inventarlisten und literarische Meisterwerke, Urteile, Anzeigen, Freundschaftsbriefe, dies und noch viel mehr wird seit Hunderten, ja Tausenden von Jahren mit Tinte und einem Federschreiber niedergeschrieben. Schicksale wurden damit besiegelt, so manche Weltordnung verändert, Familien zusammengeführt oder getrennt, Kriege begonnen und beendet. Allerhand Federn führten Berühmtheiten, die meisten aber lenkten gemeine Bürger. Er entwickelte sich rasch zu einem unserer Kulturgüter mit dem Füllfederhalter an seiner evolutionären Spitze.
Als Freund dieses Schreibgerätes komme ich immer wieder in Kontakt mit Gleichgesinnten. Mittlerweile treffen sich Füllerbegeisterte zum Ideen-, Gedanken- und Wissensaustausch auch in Internet-Foren. Dabei fiel mir auf, dass häufig dieselben Fragen aufgeworfen werden. Doch warum gibt das World Wide Web nicht auf alle Füllerfragen eine Antwort? Bisweilen wird allgemeines Wissen an jeder Ecke gebetsmühlenartig aufgesagt. Schon weitverbreitete Daten, Fakten und Tipps kupfert man gegenseitig ab und reicht sie weiter. Aber tiefgründigere Erkenntnisse und Fachwissen werden spärlich preisgegeben. Das hinterlässt Lücken, nach deren Schließung es die Anhänger dieses so wundersamen Schreibkulturgutes dürstet. Weil ich mich schon lange Zeit mit der Wartung und Reparatur von Füllfederhaltern, bei alten Modellen mit Restaurationen beschäftige, bin ich stets und gerne ein Ansprechpartner. Dabei wiederholten sich meine Antworten auf Fragen des Öfteren, allenfalls hi und da leicht an die Individualitäten des Fragestellers angepasst. Als ich mehrfach darauf angesprochen wurde, endlich ein Buch über zumindest die allerwichtigsten Themen rund um die Handhabung des Füllhalters zu schreiben, gab das mir schlussendlich einen entscheidenden Ruck. Aber was ist das Wichtigste? In der Tat gibt es einige unkomplizierte Hausmittelchen, mit denen ein jeder zu Hause seine Füllfederhalter in Schuss halten kann. Die Adressaten des Buches sind außer Besitzern dieses Schreibgerätes auch diejenigen, deren Neugierde an ihm erstmals oder nach längerer Abstinenz wieder geweckt wurde. Angesprochen werden Nicht-Profis, jedermann, also der überwiegende Teil der Bevölkerung. Ich fasste alle gesammelten Fragestellungen, Tipps, Tricks und Kniffe mit aufschlussreicher Relevanz zusammen und konsolidierte sie in Kapiteln. Zu guter Letzt galt es noch, dem Kind einen Namen zu geben. Und nichts lag näher, als die Zusammenstellung mit „Wissenswertes über Füllfederhalter“ zu titulieren.
Nachfolgende Kapitel veranschaulichen geschichtliche und technische Hintergründe. Potenzielle Beweggründe, warum der Füllhalter trotz vielfältiger alternativer Schreibmöglichkeiten nicht ausstarb, werden plausibel aufgezeigt. Ein Leitfaden beschreibt, worauf man bei neuen, gebrauchten und insbesondere klassischen Exemplaren achtgeben sollte und wie man sie prüft. Der in regelmäßigem oder gelegentlichem Einsatz befindliche Füller benötigt spezielle Zuneigung. Für ein sorgenfreies Füllhalterleben muss die angemessene Handhabung und Pflege klar sein. Deshalb widmet sich das Buch intensiv der Thematik. Eigene Unterkapitel über die Behebung kleinerer Defekte und die Auffrischung des äußeren Erscheinungsbildes runden die Sache ab.
Die hier präsentierten Hilfestellungen wollen explizit die Basis bieten, zu Hause Anwendung zu finden. Entsprechend wähle ich Hilfsmittel, Gegenstände und Umgebungen so aus, dass man sie in einer Durchschnittswohnung vorfindet oder die sich leicht besorgen lassen. Statt Fachchinesisch stelle ich physikalische Naturgesetzmäßigkeiten besonders pragmatisch und anschaulich und sehr ausführlich dar. Zahlreiche Abbildungen und Skizzen unterstützen den Text, die allesamt in schwarz-weiß bzw. Graustufen vorliegen. Die Motivation dazu ist einerseits, die Druckkosten zu senken und damit ein erschwingliches Buch anbieten zu können. Andererseits liegen die Themenschwerpunkte auf Technik und Geschichte anstatt auf farbenprächtigen Modellillustrationen, weswegen Schwarz-Weiß-Bilder schlicht und einfach ausreichen. Ein vermurkster Füllfederhalter kann teurer werden. Guter Rat aber muss nicht teuer sein.
Natürlich freute es mich, wenn der Leser eine Kurzweil und einen Lesegenuss verspürte. Jedoch ist der Zweck des Buches erst dann erfüllt, sobald der ein oder andere auch Tipps aufgreift, um sie, hoffentlich erfolgreich, umzusetzen. Pro forma merke ich allerdings an der Stelle das Folgende an. Bezüglich jedweder Anwendung, Umsetzung und Versuche aller Beschreibungen und Beispiele aus vorliegendem Buch kann ich keine Haftung für Schäden übernehmen. Jede in diese Richtung gehende Handlung geschieht daher auf eigene Gefahr. Fragen Sie im Zweifelsfall bei einem Fachmann nach. Überlassen Sie ihm zumindest die für Sie schwierigeren Arbeiten, wenn Sie sich nicht sicher genug sind.
Körper und Stimme leihet die Schrift dem stummen Gedanken. Durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt.
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Der Füllfederhalter wird auch als Füllfeder, Federfüller, Füllhalter oder kurz Füller bezeichnet. All die Namen benennen das gleiche Schreibgerät. Er ist zwar verwandt aber nicht zu verwechseln mit dem Federhalter, der zu einer anderen Schreibgerätekategorie gehört. Diesen kann man als Vorläufer des Füllhalters ansehen. Und bei ihm steigen wir in die historischen Betrachtungen ein.
Womöglich hörte man davon bereits in der Schule oder den Medien. Der Mensch verwendete seit der Antike bis über das Spätmittelalter und die Renaissance hinweg zum Barock Schreibgeräte aus Schilfrohr, Bambus und Vogelfedern, um farbige Flüssigkeit auf Leder, Holz, Stein, Pergament und Papyrus aufzutragen. Das Fluid nannte man schließlich Tinte. Das Trägermaterial für die Tinte wurde im Endstadium der Entwicklung unser modernes Papier. Tinten und Papiere werden in diesem Buch nicht tiefer gehend behandelt. Die Flügelfeder eines Vogels, genauer der Federkiel1, war ein häufig genutztes Schreibgerät. Der Fußteil der Vogelfeder, genannt Federspule, wurde einmalig präpariert, geschnitten und gehärtet. Und fertig war die Schreibfeder. Die Federspitze tauchte man kurz in Tinte, sodass ein Tropfen daran haften blieb. Dann ließ sich mit der Feder so lange auf eine saugfähige Fläche schreiben oder zeichnen, bis der Tropfen aufgebraucht war. Anschließend musste die Spitze erneut in die Tinte getunkt werden. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Vogelfeder allmählich von der Glasfeder und Metallfeder abgelöst.
Bei der gefiederten Feder, die meist vom Flügel der Gans oder des Schwans stammte, bestand das Schreibgerät des Schreiberlings aus einem Stück. Denn das Vorderteil, die Federspule, mit der geschrieben wird, und der hintere Teil, der Federschaft, den die Hand umgreift, waren eins. Mit dem Einzug der Metallfeder änderte sich das. Die Schreibfeder aus Stahl ersetzte die Federspule. Über sie gelangte die Tinte auf das Papier. Für das Umgreifen benötigte man nun ein separates Bauteil, einen Stiel, in den man vorne die gewünschte Stahlfeder aufsteckte. So waren die Federn austauschbar, ohne das Griffstück wechseln zu müssen. Da der Schaft die metallene Schreibfeder hält, bekam das Konstrukt den Namen „Federhalter“ oder auch „Federkiel“.
Es ließe sich trefflich darüber diskutieren, warum die Metallfeder den Namensbestandteil „Feder“ erhielt. Federt ein Material, so wissen wir, dass es stets wiederkehrend in die Ursprungsform zurückkehrt, wenn man es verformt. So funktionieren beispielsweise die Fahrwerksfedern an Automobilen. Auch die Metallschreibfeder reagiert mehr oder minder flexibel federnd. Ob die Metallfeder die Tradition der Vogelfeder weitertragen sollte oder aber die Materialeigenschaften den Namen begründeten, soll hier offenbleiben.
Zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert konstruierte man in aufwendiger Handarbeit Schreibspitzen aus Kupfer, Messing, Silber und Gold. Sie erwiesen sich allesamt als zu weich und verbogen schnell, ohne die Ursprungsform wiederzuerlangen. Außerdem litten sie an hohem Abrieb. Samuel Harrison aus dem englischen Birmingham war im Jahr 1780 der erste verzeichnete Produzent von Stahlfedern. Solch ein Stahl hatte bei Weitem noch nicht die Güte derer, wie wir sie heute kennen. 1808 erteilte man dem Engländer Bryan Donkin in London das allererste Patent zur Stahlfederfertigung. Er lötete zwei Halbfedern so zusammen, dass ein Kapillarschlitz für den Tintentransport verblieb. Der Ingenieur Joseph Bramah aus Barnsley in England meldete 1809 Patente u.a. für Schreibfedern an. Er dachte sich nicht nur einfache, sondern auch doppelseitige, unterschiedlich geschliffene Federn aus. Man konnte sie in eine Steckvorrichtung am Federhalter schieben. Metallfedern wurden bis dahin alle in der Schmiede handgemacht. Mit den 1820ern begann im Zuge der industriellen Revolution in England die Massenproduktion von Stahlfedern. 1822 machte John Mitchell in seiner Fabrik bei Birmingham mit Stanzmaschinen und Stahlblechen den Anfang.
Metallene Schreib- und Zeichenfedern gab es in unzähligen verschiedenen Ausführungen. Diese orientierten sich ganz und gar an den unterschiedlichen Einsatzzwecken. Es gab Federn zum Rechnen, Malen, Zeichnen und Skizzieren, für Zahlen, Musiknoten und Notenlinien und vieles mehr. Und natürlich zum Schreiben. Jede Schrift, zum Beispiel Kurrente, Antiqua, Kanzleischriften, Textura, Rundschrift, usw. hatte sehr häufig spezielle Federn. Und wenn über die Jahrzehnte Unterarten und Abwandlungen der Schriftarten aufkamen, so kristallisierten sich meist auch dafür wiederum Spezialfedern heraus. Schnell kamen die Manufakturen von Schreibfedern auf den Trichter, dass es durchaus Sinn macht, den vorderen Federteil zu spalten. So entstanden ein linker und ein rechter Flügel bzw. Schenkel. Die beiden lagen haucheng beieinander. Dadurch konnte man sich den Kapillareffekt und die Kohäsionskraft zunutze machen. Vom Federauge aus, einem Loch etwa in der Mitte der Feder, wurde dabei Tinte im kapillar wirkenden Spalt zwischen den zwei Federschenkeln zur Spitze transportiert. Viele Hersteller machten das Auge einfach kreisrund. Manche gestalteten es jedoch in Herzform oder entwickelten andere Zierformen. Mitunter ließ man es anfangs auch weg.
Bild 1: Englische Stahlspitzfeder von John Mitchell, Modell Centenary, Strichstärke Medium, aus dem Jahr 1922, im Federhalter. Das Federauge ist als längliches Rechteck ausgeführt.
Bild 2: Eine Metallfedervariante mit sichelförmigem Federauge.
Bild 3: Ein Federmodell ohne Federauge. Der Kapillarspalt zwischen den zwei Flügelschenkeln ist zu erkennen.
Exkurs: Kapillarität und Kohäsion
Eine Kapillare (lat. „Capillus“ für „das Haar“) ist ein äußerst feiner, lang gestreckter Hohlraum. Das Verhalten einer Flüssigkeit, die in den Kontakt mit einer Kapillare kommt, z.B. in einem engen Röhrchen oder einem dünnen Spalt, wird Kapillarität bzw. Kapillareffekt genannt. Je schmaler die Kapillare, desto drastischer der Effekt. Wir gehen im vorliegenden Buch immer von einer wasserbasierten Flüssigkeit aus, wie die Tinte eine ist. An der gespaltenen Feder entsteht zwischen beiden Flügelschenkeln eine Kapillarität. Tinte sammelt sich am Federauge, von wo aus sie sich in Richtung Federspitze ausdehnt. Weil dies auch gegen die Gravitation geschieht, könnte man mit einer Schreibfeder sogar über Kopf schreiben, wenn ebenfalls andere physikalische Parameter gut stünden. Selbst im Papier kommt der Kapillareffekt zum Tragen, den wir als Saugvermögen der Papierfasern wahrnehmen. Die sorgfältige Konstruktion der Feder, die Länge, Lage und Stärke der Flügelschenkel und damit des Kapillarspaltes entscheiden darüber, wie sauber und störsicher der Tintenfluss vonstattengeht, sobald die Tinte am Federauge anliegt. Zu der Kapillarität kommen wir bei den Füllfederhaltern nochmals zurück.
Die Kohäsion bzw. Kohäsionskraft (lat. „cohaerere“ für „Zusammenhängen“) bezeichnet in der Physik und Chemie das Bestreben von Stoffen, vereint zu bleiben, weil Kräfte zwischen den Atomen bzw. Molekülen wirken. In Bezug auf unsere Tintenschreiber zeigt Tinte bei genauer Betrachtung wie der Urstoff Wasser eine gewisse Tendenz, zusammenzubleiben, wobei der Tropfen ein typisches Beispiel ist, anstatt in alle Himmelsrichtungen davonzulaufen. Die Kraft der Kohäsion wirkt wie ein Magnet. Machen Sie ein Experiment. Beim leichten Eintauchen der Federspitze in klares Wasser zieht dieses aus der Federkapillare Tinte an. Dort wiederum holt die Kohäsionskraft aus der Tintenleiterkapillare Tinte herbei, welche über die Tankleitung aus dem Tank vorrückt. Das komplette System wird geflutet. Und der Füller ist idealerweise kontinuierlich schreibbereit. Probieren Sie es aus und tippen Sie nur die Federspitze eines gefüllten Füllhalters an die Wasseroberfläche in einem Wasserglas. Wie ein Blitz schießt ein Tintenschleier als kreisrunde Welle von der Spitze ausgehend über das Wasser. Das passende „Einstellen“ der Oberflächenspannung ist übrigens eine der entscheidenden Herausforderungen bei Tintenherstellern, allerdings auch ein anderes Thema.
Jede der zuvor angesprochenen Schreib- und Zeichenfedern bei Federhaltern war eine sogenannte Dippfeder. Man tunkte bzw. dippte sie in Tinte, um schreiben bzw. zeichnen zu können. In der Regel führte man sie so aus, dass beim Dippen ein Tropfen unter der Feder anhaftete. Idealerweise lag der Ort der Anhaftung unterhalb des Federauges oder in unmittelbarer Nähe. Der Tintentropfen bildete dann das Reservoir. Der Vorrat verkleinerte sich durch das Schreiben, weil die Tinte vom Auge zur Spitze kontinuierlich zu Papier gebracht wurde. Nach ein paar Worten, manche Dippfedern schafften einige Sätze, war der Miniaturvorrat komplett aufgebraucht. Der Tropfen verschwand. Man musste die Feder erneut dippen.
Bereits um das Jahr 1656 kam Bewegung in die experimentelle Erforschung, wie man aus einer Schreibfeder durch Anbau eines nachfüllbaren Tintenbehälters einen Langzeitschreiber machen könnte. Der Engländer Samuel Pepys2 stellte 1663 seine Lösung vor. Sie bestand aus einer Vogelfeder, auf deren Spitze er einen trichterförmigen, kleinen Behälter aufsetzte. In späteren Epochen fertigten ausgefuchste Federhersteller für Dippfedern einen voluminöseren Tintenspeicher, indem sie eine Eindellung von oben unmittelbar ans Federauge formten. Das hatte drei Vorteile. Zum einen vermochte die Delle einen riesigen Tintentropfen sicher zu umschließen und aufzubewahren. Zum anderen saß der Tropfen huckepack auf bzw. in der Feder und präsentierte dort folglich für den Federführer ständig sichtbar. Und letztlich konnte der Tropfen nicht so leicht durch Erschütterungen beim Schreiben unkontrolliert herunterfallen und klecksen.
Daran ist zu sehen, dass sich schon beizeiten Schreibtätige Gedanken über die Lösung des Problems „Flaschenhals Tintennachschub“ machten. Zum Tunken unentwegt wiederkehrend eine „Gedenksekunde“ einlegen zu müssen war lästig. Richtig ärgerlich jedoch konnten die Momente sein, wo dies mitten im Wort geschehen musste. Denn solche Übergänge vermochte jeder im Schriftbild des fertigen Schriftstückes zu erkennen. Dabei gaben sich die Schriftmeister alle Mühe, Buchstabenformen und Ligaturen stetig zum Wohle des Schreibflusses zu optimieren.
Bild 4: Stahlfeder mit wannenförmigem Tintenspeicher hinter dem Federauge, der mit dem Federauge verbunden ist. So gesehen ist dies die simple Variante eines Füllfederhalters.
Bild 5: Manch alte Metallfeder kannte weder Tintenwanne noch Federauge. Beim Dippen der Feder in Tinte sollte ein Tintentropfen im Inneren der gewölbten Feder anhaften, idealerweise dort, wo die Flügelschenkel sich zu spalten beginnen.
Bild 6: Alte Metallfedern, wie diese hier von Mitchells aus der Mitte des 19. Jh., wurden sehr aufwendig fabriziert und verziert. Sie hat ein langgezogenes ovales Federauge. Seitlich gibt es Aussparungen im Metall, um die Flexibilität zu erhöhen und flexibles Schreiben zu erleichtern.
So ist es nicht verwunderlich, dass endlich, Anfang des 19. Jahrhunderts, Erfinder der Thematik „Tintentanks für Federschreibgeräte“ nachgingen und experimentierten, wobei gleichzeitig mit der industriellen Revolution in England die Massenproduktion von Metallfedern lancierte. Dabei waren Stahlschreibfedern für Federhalter erst Ende des 18. Jahrhunderts in den allgemeinen Gebrauch gekommen. Viele Tüftler auf der ganzen Welt suchten nach Lösungen, um dem Federhalter einen Tintenbehälter mitzugeben. Aus dem Federhalter sollte ein Füllfederhalter werden.
Bild 7: Beispielhaft einige alte Federhalter. Die billigsten Schäfte waren aus einfachem Holz und Massenware. Manche wurden lackiert und verziert. Unten sind zwei Reisefederhalter aus Silber zu sehen. Sie konnten auseinandergezogen und umgekehrt zusammengesteckt werden, so dass die Feder geschützt im Schaftinneren verschwand.
Bild 8: Stahlfedern waren Verbrauchsgegenstände, die sich abnutzten. Entsprechend deckte man sich beim Einkauf mit größeren Stückzahlen ein. Die Federn wurden üblicherweise in solchen Schachteln angeboten, etwa doppelt so groß wie eine Streichholzschachtel.
Chronologisch betrachtet ist der Engländer Frederick Bartholomew Folsch (bzw. Fölsch) der Erste, dem man 1809 ein Patent auf ein Schreibgerät zusprach, das man Füllfederhalter nennen konnte. Ein Patentauszug war mir nicht zugänglich. Allerdings gibt es einen Zeitungsbericht im Belfast Monthly Magazine, Ausgabe 4/18, vom 31. Januar 1810. Dort wird auf Seite 51 auf Folschs Erfindung eingegangen. In Frankreich meldete der Rumäne Petrache Poenaru3 1827 sein Patent an. Er hielt sich zu der Zeit als Student der Kartografie in Paris auf. Gewiss arbeiteten eine Menge Leute an Lösungen. Womöglich fehlte anderen Tüftlern das bürokratische Geschick. Oder sie besaßen keine finanziellen Mittel. Möglicherweise sahen sie ihre Erfindung technisch noch nicht ausgereift genug, um ein Patent anzumelden. Joseph Bramah (siehe auch Seite →) experimentierte als begnadeter Erfinder bereits mit elastischen Stoffen. Er gab die Initialzündung zur langen Ära der Füller mit Gummitank. Das erste Patent zu einem Gummisackfüller wurde 1859 dem Londoner John Moseley zuerkannt. Er betrieb dort in der New-Street / Covent Garden als Werkzeugmacher die Firma Moseley & Son und handelte mit Hobeln, Sägen, Werkzeugkisten, Drehmaschinen und mechanischen Werkzeugen. Sein Schreibgerät besaß jedoch erhebliche Funktionsschwächen. Es gelang Moseley nie, breiter Fuß zu fassen.
In den Abbildungen Bild 9 bis Bild 14 sind beispielhaft sechs Patentblätter von Konstrukteuren der ersten Füllhalter des 19. Jahrhunderts dargestellt. Der amerikanische Erfinder und Mechaniker Walter Hunt4 meldete seinerzeit viele verschiedene Patente an, unter anderem für Sicherheitsnadeln und ein Repetiergewehr. Doch auch mit Metallfedern für Federhalter und mit Füllfederhaltern beschäftigte sich der New Yorker intensiv, wie das US-Patent Nr. 4927 vom 13. Januar 1847 darlegt. Hunt konnte offenbar die Bedeutung vieler seiner Erfindungen überhaupt nicht klar erfassen. So verkaufte er etliche Patente für ein Taschengeld.
Bild 9: Seite → des franz. Patents Poenarus aus 1827. Die Skizze gibt eine vage Vorstellung von einem Eyedropper.
Quelle: www.fountainpen.it
Bild 10: US-Patent aus 1855 von N. A. Prince zu einem Pumpkolbenfüller.
Quelle: Google Patents
Bild 11: Ein US-Patent aus 1847 von Walter Hunt mit ausziehbarem und versenkbarem Vorderteil (Feder, Tintenleiter). Quelle: Google Patents
Bild 12: US-Patent aus 1867 von den Kompagnons Klein & Wynne. Eine hochinteressante Idee, die schon die Betankung mit Unterdruck andeutet, das spätere Vacumatic-System. Quelle: Google Patents
Bild 13: Auch L. E. Waterman war 1884 mit einem US-Patent dabei.
Quelle: United States National Archives
Bild 14: US-Patent von Henry A. Walke aus 1883 über einen Füllfederhalter mit ausgeklügeltem Tintenleiter.
Quelle: Google Patents
Wunderbar anschaulich vermittelt die Skizze vom Patentblatt des Erfinderduos Klein & Wynne aus dem amerikanischen Iowa die Funktionsweise ihres Füllfederhalters. Dabei ist recht deutlich zu erkennen, wie sie damals noch versuchten, einen Tintentropfen in der Nähe des Federauges zu platzieren und so den Federhalter zu imitieren. Der Tintenvorrat in Augennähe wird gespeist von einem dahinterliegenden Tank, der durch ein sich verengendes Röhrchen Tinte kapillar abgibt. Die Zuführung gestalteten die beiden Erfinder noch trichterförmig, sodass de facto eine Kapillarwirkung erst im engsten Teil erzeugt wird.
Bezüglich der Betankungsidee mithilfe von Unterdruck waren die Konstrukteure Klein & Wynne ihrer Zeit weit voraus. Doch statt einen Tintentropfen wie bei Dippfedern nachzuahmen, wird beim modernen Füllhalter das Federauge bzw. die Federschenkel kapillar permanent versorgt. Dazu bediente und bedient man sich bis heute einem sogenannten Tintenleiter, der genau die Aufgabe übernimmt. Bereits in der Patentskizze von Klein & Wynne sowie Prince und Walke kann man ausmachen, wie gewissenhaft dieses Optimierungsdetail angepackt wurde (siehe Bild 14, Bild 15 und Bild 10 Fig. 5 und 7). Zu erkennen ist ein feines Röhrchen, das Tinte vom Tank direkt unter die Feder an die Kapillarspalte der Federschenkel führt. Herausgekommen und bis in die Neuzeit üblich ist eine Kapillarrinne. Man stelle sich das als ein nach einer Seite (oben) offenes Kapillarröhrchen vor. Und das nannte man schließlich Tintenleiter5. Im Füllfederhalter der alten Zeit, wie auch bei modernen Füllern, finden im Wesentlichen an zwei Brennpunkten Kapillarität statt, an der Feder selbst und im Tintenleiter. Wenn dann noch im Papier Kapillare arbeiten und es ebendeswegen saugt, schließt sich der Kreislauf. Der Federfüller schreibt und führt unaufhörlich Tinte aus dem Reservoir nach.
Übrigens funktioniert dieses System nur mit vom Tank bis zur Federspitze gefluteten Leitungen und Kapillaren. Das bemerkte jeder schon einmal, der einen befüllten Füllhalter längere Zeit liegen ließ und dann Anschreibprobleme hatte, weil die Kapillaren austrockneten. Hier hilft ein einfaches Rezept. Entweder drückt man von hinten einen Tintentropfen aus dem Tank nach vorne zur Spitze. Oder man taucht kurz die Federspitze des Füllers beispielsweise in ein Glas Wasser. Es soll schon Leute gegeben haben, die benutzten Speichel auf dem Finger. Aber zur Not kann man auch maßvoll die Füllerfeder senkrecht auf eine Unterlage stupsen, bis sie Tinte spuckt.
Bild 15: Patentskizze Klein&Wynne, Vergrößerungsbereich Feder und konischer Tintenleiter.
Bereits seit den Anfängen bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein kamen Füllfedermodelle auf den Markt, deren Schreibfeder eine Art Metallschiene trug. Sie saß mittig von der Federwurzel ausgehend über dem Federauge und dem Kapillarspalt der Federschenkel. Ihre Funktion war es, das Kriechen der Tinte nach vorne zur Federspitze zu fördern. Und das gelang dem Bauteil, wenngleich die Konstruktion optisch bei der schreibenden Zunft keine besondere Akzeptanz fand. Das mag auch daran gelegen haben, dass das huckepack getragene Metallplättchen hochflexible Federn darunter im Prinzip ausschloss. Daher fristeten „geschiente“ Schreibfedern eher ein Nischendasein. Doch Liebhaber äußerst zuverlässig arbeitender Federfüller wussten und wissen nach wie vor das Metallschienchen zu schätzen.
Bild 16: Schreibfeder eines Wearever Pennant (1950-1960). Die auf der Schiene erkennbare Anhebung beherbergt eine Kapillarrinne, die die Tintenbeförderung kräftig unterstützt.
Ebenfalls experimentierte man mit mehreren Federaugen und förderte diverse Versionen zutage. Die Löcher im Federdach sind im Grunde kohäsionsbasierte Zwischenspeicher bzw. Vorratspunkte im Tintenleitsystem auf dem Weg zwischen Tank und Federspitze6, eine Art „Gravitationszentrum“. Nach dem Schusterprinzip „doppelt genäht hält besser“ setzt man beispielsweise zwei Federaugen in einer Flucht in die Schreibfeder ein, wobei das Vordere mit dem Kapillarschlitz der Federschenkel in Verbindung steht. Als ersten Sammel- und Belüftungspunkt bietet sich das hintere Auge an, bevor es zur letzten Sammelstelle weitergeht, die dann Tinte über die Federschenkelkapillare in die Papierkapillare abführt.
Bild 17: 14-karätige Schreibfeder eines klassischen belgischen Füllfederhalters der Marke Mercury mit doppeltem Federauge.
Ja, es gab sie in der Tat. Die Glasfeder. Doch ist sie als nostalgisches Objekt verblasst im 21. Jahrhundert angekommen. Man erhält sie auf manchen Kunsthandwerker- und Antikmärkten, in einigen Läden und auf spezialisierten Internet-Marktplätzen, welche meist noch zahlreiche andere Dekorations- und Gebrauchsgegenstände von Glasmanufakturen im Angebot haben. Die Glasfedern sind Schreibgeräte komplett aus Glas. Ein Federhalter, also das Griffstück, verläuft im Vorderteil zu einer Glasspitze, über die die Tinte auf das Papier kommt. Der Glasfederhalter muss wie sein Bruder, der Metallfederhalter, in Schreibflüssigkeit getunkt werden. Er „speichert“ diese in Rillen, welche der Glasbläser in die Feder eindrehte. Doch wie kam die Menschheit zur Glasfeder?
Die Gänsefeder, bis weit ins 18. Jahrhundert und auch danach noch alltägliches Schreibgerät, hatte einige Nachteile. Unentwegt musste man sie nachspitzen, weil sie abstumpfte. Wurde sie zu kurz, so hieß es, diese zu erneuern. Der weltweite Verbrauch wuchs enorm. Ihr Strich war ungemein feucht, das häufige Eintauchen in Tinte kraft- und zeitraubend. Händeringend suchte man allerorts nach Alternativen. Im 17. Jahrhundert brachten dann die ersten Glasmanufakturen gebrauchstaugliche Glasfederhalter auf den Markt, die reichlich Tinte halten konnten, sodass seltener gedippt werden musste. Die genaue Herkunft, sozusagen der Geburtsort der „Mutter aller Glasfedern“, ist bis heute nicht wissenschaftlich fundiert geklärt. Es gibt zwar den Terminus der „Venezianischen Glasfeder“. Jedoch ist äußerst umstritten, ob wahrhaftig die Entstehung dieser in Venedig (Murano) ihren Ursprung nahm. Womöglich fügte man damals die Nomenklatur „venezianisch“ nur als verkaufsförderndes Schlagwort hinzu.
Glashandwerker gelten nicht als die Einzigen, die sich aufmachten, Tintenschreiber herzustellen. Die Nachfrage nach Schreibwaren stieg gewaltig und versprach gigantisches Wachstum. Auch Metall verarbeitende Handwerker entwickelten und verbesserten fortwährend ihre Federn, die bis ins 18. Jahrhundert noch in Einzelanfertigung aufwendig gehämmert werden mussten. Dennoch konnte sich die Glasfeder exzellent behaupten. Gläserne Federhalter ließen sich inzwischen schnell und günstig produzieren, im Gegensatz zur Konkurrenz aus Metall. Den Zenit aber überschritt sie Anfang des 19. Jahrhunderts, als in England die industrielle Massenproduktion der Stahlfedern begann. Kurz loderte die Nachfrage wieder auf, und zwar zu den Kriegen im 19. Jahrhundert sowie den beiden Weltkriegen. Denn das Metall, die Maschinen und Metallarbeiter benötigte man zur Herstellung von Waffen und Munition.
Mit Erfindung des Füllfederhalters, und nachdem dieser in Schulen, Schreibstuben und Haushalten Einzug hielt, kamen die Produzenten auf die pfiffige Idee, auch Glasfedern für Füllhalter herzustellen. Federn aus Glas taugten schließlich zum Schreiben und Zeichnen und erwiesen sich als erstaunlich robust. Schreibspitze und Tintenleiter traten einteilig auf. So konnte im Produktionsprozess die Anfertigung eines für die Metallfeder notwendigen Hartgummi- oder Kunststofftintenleiters eingespart werden. Die Glasspitze nutzte sich kaum ab. Und wenn doch, war sie leicht von jedermann nach Belieben nachzuschleifen. Der Tintenfluss blieb stabil, der Strich haarscharf gestochen. Mit der rigiden und nicht flexiblen gläsernen Spitze konnte man wunderbar Durchschriften anfertigen.
Bild 18: Glasfedern für Füllfederhalter gab es nicht nur in unterschiedlichen Strichstärken, sondern auch in verschiedenen Durchmessern, um auf möglichst viele Sektionsöffnungen zu passen. Der Tintenfluss lässt sich beobachten, was beim herkömmlichen Tintenleiter und Metallfeder nicht möglich ist.
Allerdings waren die Metallfedernhersteller keine Müßiggänger. Die Entwicklung der Edelstahlfeder und der Goldfeder mit haltbarem Iridiumkorn7 besiegelte den endgültigen Niedergang der Glasfeder als übliches Alltagsschreibgerät. Glasfedern für Füllhalter produziert heutzutage niemand mehr. Noch erhältliche Exemplare sind begehrte Sammlerstücke, die Jüngsten stammen aus den 1950er Jahren. Als Überbleibsel einer vergangenen Epoche gibt es die schön gestalteten bunten Glasfederhalter der Neuzeit, wie zum Beispiel von den weltweit bekannten Glasmanufakturen aus dem thüringischen Lauscha.
Zwischen 1875 und 1884 entstanden bereits diverse Patente für befüllbare Federschreiber. Da sind zu nennen A. T. Cross (USA/1880), William W. Stewart (USA, 1881 für Mabie Todd & Bard) und T. A. Hearson (England, 1881 für De La Rue). Alle besaßen den Ruf der funktionstechnischen Unzuverlässigkeit. Der New Yorker L. E. Waterman8 erhielt 1884 das US-Patent auf seinen Füllfederhalter9. Bis zum Einstieg in die Schreibgerätebranche arbeitete er als Versicherungsvertreter. Das Bahnbrechende an Waterman’s Erfindung war ein Tintenleitsystem mit 3 Kapillarrinnen für die Tintenabfuhr und Luftzufuhr. Damit wurde die Schreibfeder endlich zuverlässig und praxistauglich mit Tinte versorgt. Das leidige Problem holprig, respektive nur bedingt funktionierender Füllfederschreiber fegte er vom Tisch. Seine Fabrik fertigte als Vorreiter Füller in hohen Stückzahlen, die dem Volk ernsthaft und bedenkenlos zugemutet werden konnten. Aus dem einfachen Versicherungsvertreter wurde der Inhaber eines Mega-Konzerns. Bis heute sind Schreibgeräte unter diesem Markennamen weltweit etabliert. 1894 patentierte George S. Parker aus Wisconsin/USA den „Lucky Curve“ Tintenleiter. Auch sein Bauteil funktionierte hervorragend. Die Bezeichnung galt sodann als Namensgeber für ein Füllhaltermodell Parkers, welches man über Jahrzehnte in unterschiedlichen Abwandlungen produzierte.
Gold und Stahl bewährten sich als Federmaterial. Bei der Goldfeder stachen von Beginn an 585er Goldanteile (14 Karat) als üblich hervor. In Frankreich exponierte im 20. Jahrhundert ein Faible für 750er Goldschreibfedern (also 18 Karat). In der Neuzeit ist ihr Goldanteil nicht mehr regional angelehnt. Man kann bei Neuproduktionen höherwertiger Füller tendenziell sagen, dass vornehmlich 14-karätige Federn eingesetzt werden, während die Hersteller besonders luxuriöse Füllhaltermodelle mit 750er Goldfedern ausstatten. Doch zurück zum Anfang. Als Pferdefuß galt bei Metallfedern der Abrieb. 1823 begann der Engländer William Hyde Wollaston mit der Erzeugung von Rhodium-Legierungen für Federspitzen. 1834 entwickelte sein Landsmann John Isaac Hawkins Osmium/Iridium-Mischungen für Goldfederspitzen. Durch den Verkauf der Erfindung Hawkins an Simeon Hyde im Jahr 1835 wanderte die Technologie in die USA. Ein Produktionsaufkommen an Iridiumkügelchen in nennenswertem Umfang erreichte man 1862. Faktisch war dies eine Legierung unter anderem von Iridium, Osmium, Rhodium und Ruthenium. 1885 gelang John Holland in Cincinnati/ USA die Spaltung eines einzelnen Iridiumkörnchens mit einer Hochgeschwindigkeitsfräse. Der Weg war damit frei, um massenhaft gespaltete Körnchen auf die Spitzen der Flügelschenkel von Schreibfedern zu löten.
Der Amerikaner Roy Conklin konstruierte bereits Anfang der 1890er Jahre einen Federfüller, der selbstständig tankte, wenn man einen Mechanismus betätigte. Er präsentierte sich demnach gleichzeitig als Schreib- und Tankaggregat. Man nannte den Füllertypus sodann völlig sachbezogen Selbstfüller, auf Englisch „Self-Filler“. Das differenzierte ihn namentlich vom per Pipette betankbaren Eyedropper (siehe auch Seite →) und von gedippten Artverwandten. Sie zählen zu den Vorläufern des halb automatischen Selbstfüllers und zeigten noch jahrelang Präsenz. Kommerziellen Erfolg brachte Conklin die Weiterentwicklung erst 1897. Ein Jahr später gründete er seine Firma. Gummi wurde von dem Tüftler als elastisches Tintenreservoir wieder aufgegriffen. Eine buckelförmige Druckstange ragte seitlich aus der Schaftröhre. Sie konnte gegen versehentliches Drücken gesperrt werden. Mit Fingerkraft wurde damit das Gummisäckchen zusammengepresst und so Tinte getankt.
1899 folgte mit New Yorker Patentanmeldungen William W. Stewart (Füller der Marke Swan) in die Liga der Selbstfüller. Die darauffolgenden Jahre suchte so manch Konstrukteur in seiner Kleinwerkstatt technisch-pragmatische Lösungen zu Federfüllsystemen und meldete Patente an. Ebenfalls taten dies Erfinder für das (späterhin) so bekannte Fabrikat Parker10.
Im Hinterstübchen seines Juwelierladens in der US-amerikanischen Stadt Fort Madison/Iowa arbeitete im Jahr 1907 Walter Sheaffer11 fieberhaft an einer Idee. Er entwickelte eine Selbstfüller-Mechanik, die für viele Jahrzehnte eine der erfolgreichsten Füllhaltertechniken darstellen sollte. Die Rede ist vom Hebelfüller. Der auffällige Vorteil des 1908 eingetragenen US-Patents zu Conklin war, dass beim Hebelsystem nichts am Schaft hervorschaute, was das Schreiben oder die Mobilität behindern konnte. Denn der Hebel lag nach der Betankung dicht an bzw. in der Schafthülle. 1912 brachte Sheaffer das System zur Marktreife und gründete im Januar 1913 die W. A. Sheaffer Pen Company. Er begann mit kaum mehr als einer Handvoll Mitarbeitern in den hinteren Räumen seines Juweliergeschäfts. Ideenreichtum und Geschäftssinn verhalfen der Firma auf Anhieb zum Durchbruch. Binnen kurzer Zeit entwickelte sie sich zu einer der erfolgreichsten Schreibgerätefabriken. Bis in die 1930er Jahre sollten Selbstfüller den Eyedropper und die Dippfeder weitestgehend ablösen. Sie besaßen fortan die dominierende Machtposition am Federschreiberhimmel.
Die Bezeichnung „Self-Filler“ gehörte jahrzehntelang zum internationalen Vokabular. Doch mit der Zeit gab es im Grunde fast nur noch Selbstfüller12. Daher verschwand der Terminus in den 1950ern als obsolet wieder aus dem landläufigen Wortschatz. Ähnlich erging es dem englischen Jargon „Leverless-Filler“, was „hebelloser Füller“ bedeutet13. Konstrukteure wie die der Firma Swan sahen darin einen abgrenzungswürdigen Vorteil. In Anbetracht nachteiliger Funktionsdetails war dies allerdings ein Trugschluss. Übrig blieb der Wortstamm „Füller“.
Für alle, die mehr über die Patente rund um den Füllfederhalter wissen möchten, liefert eine chronologische Zusammenstellung von Füllhalterpatenten von seinen Anfängen bis zur Neuzeit im Internet das italienische, aber dennoch englischsprachige Portal „fountainpen.it“14.
Bild 19: Walter Shaffers Hebelfüller, US-Patent. Quelle: Google Patents
Bild 20: Conklin Crescent 25P von 1903, aus meiner Sammlung („NOS“). Klar zu erkennen der Tankbuckel mit Sicherungsring.
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