Prolog

Sky´s Sicht

"Nein, bitte geh nicht", flehte ich ihn, meinen Bruder Shane unter Tränen an. Ich liebte ihn über alles. Er war nur zwei Jahre älter als ich (Ich war 12 und er war vor einer Woche 14 geworden). Und jetzt wollte er auf ein Internat gehen. In Oxford. Er wollte uns einfach hier in Brighton zurücklassen.

Ich wollte nicht, dass er dort hin geht. Ich vermisste ihn jetzt schon. Er war doch erst 14. Konnte er nicht mit 18 dorthin gehen? Aber nein, er sah es als seine 'große Chance'. Dort konnte er seinen Durchbruch schaffen.

Was wollte er da überhaupt? Hier konnte er doch sicher auch seinen Durchbruch schaffen. Dann müsste er nicht dorthin gehen.

"Tut mir leid kleine, aber ich muss", versuchte er mich zu beruhigen. "Wieso? Wieso musst du? Das ist nicht fair, kannst du nicht einfach hier weiter zur Schule gehen...so wie jeder andere normale Mensch? Bitte."

"Tut mir leid Sky...ich wurde da schon angenommen."

"Ich weiß, aber...aber kannst du nicht einfach absagen? Ich weiß nicht, was ich hier ohne dich machen soll."

Wieder liefen mir Tränen über die Wangen. Wieso musste ich so nah am Wasser gebaut sein? Ich wollte doch nicht weinen.

Er beugte sich leicht zu mir runter. Auch wenn er nur zwei Jahre älter war, war er beachtlich größer als ich. Er wischte mit seinem Daumen über meine Wange, um mir die Tränen wegzuwischen, was ihm jedoch nicht so gut gelang, da immer wieder neue dazu kamen.

"Du schaffst das...denk an alles, was ich dir beigebracht habe, hörst du? Du darfst nie den Glauben an dich selber verlieren!

Hast du verstanden? Wenn du dich selber aufgibst, dann hast du verloren. Und ich weiß doch, dass du eine schlechte Verliererin bist", neckte er mich.

Ich schlug ihm leicht gegen die Brust.

"Du bist doof", antwortete ich unter leichtem Schluchzen. Er lachte. Wie ich sein Lachen liebte.

Ich würde ihn vermissen. Ich wollte nicht schon wieder jemanden in meinem Leben verlieren, der mir wichtig war. Vor einem Jahr ist mein bester Freund Charly an Krebs gestorben.

Ich war am Boden zerstört, aber Shane hat mich immer wieder aufgemuntert weiter zu machen. Er hat mich immer zum Lachen gebracht. Und jetzt ging er auch weg. Ich hatte zwar noch meine Eltern, die ich auch über alles liebte, aber es war einfach nicht dasselbe, wie einen großen Bruder zu haben. Ich brauchte ihn!

Mit leicht verschwommenen Augen sah ich ihn an.

"Wieso musst du gehen? Wer bereitet mir den jetzt immer das Frühstück vor? Und wer hilft mir bei meinen Hausaufgaben, wenn ich sie nicht verstehe? Wer rettet mich jetzt immer vor Dave?"

Dave war der gemeinste Kerl an unserer Schule. Er klaute fast jedem das Pausenbrot. Außer mir, weil Shane mich immer beschützte.

"Sky...du wirst mir auch fehlen, aber ich verspreche, ich komme euch ganz oft besuchen. Und was Dave angeht...du bist ein starkes Mädchen. Denk an alles, was ich dir beigebracht habe. Dann wird das schon."

Er kramte in seiner Tasche und reichte mir dann eine Kette. So ein Medaillon, welches man aufmachen konnte.

Ich öffnete es und dort war ein Foto von uns beiden, auf dem stand "Never give up- Ich glaube an dich." Ich sah ihn wieder unter Tränen an.

"Ich werde dich vermissen", schluchzte ich und warf mich in seine Arme. Er schlang seine Arme ebenfalls um mich und drückte mich ganz fest. "Ich dich auch. Und denk dran, du kannst alles, wenn du an dich glaubst...ich liebe dich."

Er stand auf und ging zu meinen Eltern, um sich auch von ihnen zu verabschieden. Auch meine Mutter hatte Tränen in den Augen. Dann drehte er sich noch einmal um, nahm seine Tasche und ging nach draußen. Ich lief zum Fenster und sah, wie er in ein Taxi stieg, welches ihm zum Flughafen bringen würde. Er drehte sich noch einmal um, sah mich und winkte mir noch einmal zu. Dann stieg er ein.

Ich blieb noch so lange am Fenster stehen, bis das Auto außer Reichweite war. Und dann fing ich immer mehr an zu realisieren, dass mein großer Bruder weg war. Nicht für immer, aber ich würde ihn jetzt eine Weile nicht mehr sehen.

Unter Tränen lief ich in mein Zimmer und weinte. Schon wieder war eine wichtige Person in meinem Leben weg. Ich schaute auf die Kette, die Shane mir gegeben hatte.

Ich war stark. Ich würde es schaffen und ich würde ihn ja in den Ferien wieder sehen. Ich werde es auch schaffen, mich ohne ihn gegen Dave durchzusetzen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Sky´s Sicht

"Sky? Kommst du?", skeptisch schaute ich zu Sydney und Joey. "Ich…ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist", gab ich immer noch unsicher von mir "Ob das keine gute Idee ist? Sky…dieser Junge tyrannisiert dich seit du 13 Jahre bist. Irgendwann ist es doch auch mal gut.

Er verdient einfach Rache."

"Ja schon aber…-" "Kein aber, du kommst jetzt mit." Sydney zog mich einfach mit. Sechs Jahre ist es nun her, dass Shane auf diese Schule in Oxford gegangen ist. Ich dachte, dass ich ihn in den Ferien sehen würde, so wie er es mir versprochen hatte. Aber nein, er hatte eiskalt sein versprechen gebrochen. Ich hatte ihn seit dem Tag nicht wieder gesehen. Er müsste jetzt 20 Jahre sein.

Ich vermisste ihn immer noch aber ich hatte die Hoffnung aufgegeben, dass ich ihn irgendwann in meinem Leben wieder treffen würde. Und wenn ich ehrlich war, dann war ich total sauer auf ihn. Er hatte sich in den sechs Jahren nicht einmal gemeldet. Weder bei mir, noch bei meinen Eltern. Zumindest hatte ich davon nichts mitbekommen. Ich wusste nicht ob er überhaupt noch lebte. Aber das war mir auch egal. Ich war einfach nur sauer auf ihn. Er hatte mich alleine gelassen.

Seitdem er weg war, nahm mir Dave immer mein Essen weg.

Ich hatte mich zwar ein paar mal wehren können, aber das hatte Dave nicht auf sich sitzen lassen. Er spielte mir immer Streiche. Wie ich diesen Typen nicht leiden konnte.

Einmal als ich in die Klasse kam, mit meinem neuem Handy in der Hand, welches ich erst seit einer Woche hatte, hatte er einen Eimer oben auf den Tür Rand gestellt und als ich hereinging, wurde ich Pitschnass. Genauso wie mein Handy.

Das nachher im Eimer war. Ich war so sauer auf ihn. Die ganze Klasse hatte mich ausgelacht. Er hatte diese ganzen alten Streiche bei mir ausprobiert.

Er war einfach nur ein Arsch. Oft hatte er mich bloßgestellt.

Und jetzt waren Syd und Joey der Meinung, dass ich mich endlich mal rächen sollte. Und so waren wir nun in seinem Garten. Ich wusste nicht genau was Syd und Joey vorhatten.

Sie meinten nur, dass er mich so in Ruhe lassen würde. Ganz ehrlich. Ich bezweifle es. So wie ich Dave kenne wird es sich einen noch fieseren Streich einfallen lassen.

Also wusste ich nicht was ich hier tat. Ich wollte nach Hause in mein warmes Bett. Und nicht hier in der Kälte draußen stehen.

Ich sah mich in Daves Garten um. Es sah eigentlich nicht schlecht aus und hatte sogar einen Pool. Ich liebte Pools. Aber meine Eltern wollten mir nie einen kaufen.

"Was habt ihr eigentlich vor?", fragte ich nun an Syd und Joey gewandt. Sie grinsten mich nur an, an dem Grinsen konnte ich erkennen, dass es nichts gutes bedeutete. Oh man, worauf hatte ich mich da nur eingelassen? Sie gingen auf die Terrasse, holten davor aber noch irgendwas aus einem Busch raus.

"Was ist das?"

"Kleister, das klebt schön gut.", grinste Syd mich an.

"Okeey… Und…was habt ihr damit vor?" "Wir kleistern seine Terrasse voll, dann lockst du Dave raus, Joey klettert auf den Baum über der Trasse und kippt ihn mit Öl und Federn voll."

Ich schaute sie belustigt an.

"Und das ist euer Plan?"

"Ja…Ich mache natürlich noch ein Foto von ihm."

"Und was soll mir das bringen?"

"Ganz einfach, du kannst ihn erpressen."

"Hä?" Irgendwie blickte ich hier gerade nicht durch.

"Man Sky, schalte mal dein Gehirn etwas an…Er ist beliebt an der Schule und es gibt ziemlich viele Leute an der Schule, die sogar Geld dafür geben würden, so ein Bild von Dave zu bekommen. Und dann drohst du ihm halt, dass wenn er noch einmal irgendwas fieses macht, du das Foto von ihm veröffentlichst."

Ich dachte nach, so schlecht war die Idee gar nicht. Ich fing an zu grinsen. Ganz ehrlich ich fand die Idee sogar auf irgendeine Art und Weise ziemlich gut.

Ich half Syd und Joey alles einzukleistern und Joey kletterte auf den Baum, bewaffnet mit einem Eimer Öl und einer Menge Federn. Syd versteckte sich in einem Busch, um nachher ein Foto von Dave zu machen. Ich seufzte auf. Jetzt war es wohl meine Aufgabe ihn herauszulocken.

Ich dachte kurz nach, als mir was einfiel. Ich nahm ein paar Kieselsteine und warf sie an Daves Fenster. Nach einer Weile als sich zuerst nichts tat, trat dann doch Dave ans Fenster. Er schaute nach unten und sah mich mir einem dreckigen Grinsen an. "Sky? Was verschafft mir die Ehre?"

"Ich habe über dein Angebot nachgedacht."

Dave war dafür bekannt, dass er mit jedem Mädel in die Kiste sprang. Und naja...so was in der Art hatte er mir heute im Sportunterricht vorgeschlagen. Woraufhin er eine Ohrfeige von mir kassiert hatte.

"Ach? Hast du das? Wie kommt es?"

"Naja…Ich wollte bisschen Erfahrung in der Sache sammeln", log ich. Als wenn das irgendein Mädchen mit ihm wollte. Er zog eine Augenbraue hoch. "Kommst du runter?"

"Und wieso du nicht hoch?"

"Ist es hier draußen nicht viel aufregender?" Jetzt zog er beide Augenbrauen in die Höhe. Dann verwandelte sich sein Gesicht jedoch erneut in ein dreckiges Grinsen.

"Du hast recht, bin sofort unten." Dann verschwand er aus meinem Blickfeld. Oh man, wie konnte man nur so dumm sein? Kurz darauf öffnete sich die Terrassentür und Dave trat raus. Er hatte mich also tatsächlich ernst genommen. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

"Ich hatte nicht erwartet, dass du deine Meinung änderst." Er trat auf die Terrasse.

"Was zum...." Er steckte in dem Kleister fest. Der Bewegungsmelder auf der Terrasse sprang an und man konnte deutlich sehen, wie verwirrt Dave war. Ich grinste ihn frech an.

"Du denkst doch nicht im ernst, dass ich meine Meinung ändere?", fragte ich zuckersüß. Dann schaute ich zu Joey, der immer noch auf dem Baum saß. Er goss den Eimer über Dave.

Perfekt auf ihn.

"Was soll das? Willst du mich verarschen?", schrie er herum, wie ein kleines Mädchen. Ich musste mir das Lachen verkneifen. Als dann noch die Federn dazukamen, konnte ich nicht anders und musste schallend loslachen. Dave warf mir einen bösen Blick zu. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre ich jetzt auf der Stelle tot. Syd hatte bestimmt schon Tausend Fotos gemacht. Hoffte ich zumindest. Dave kam grinsend auf mich zu. Der Kleister am Boden ließ ihn ja nicht festkleben, er konnte sich immer noch bewegen.

"Ich glaube, du hast eine Umarmung verdient oder?" Mein Lächeln erstarb. Ich drehte mich schnell um und versuchte wegzurennen, doch er war schneller als ich und hatte mich so schon bald eingeholt. Er schlang seine Arme um mich, hob mich hoch und rannte Richtung Pool.

"Dave...wage es nicht..." Doch zu spät. Er hatte mich schon samt Klamotten in den Pool geschmissen. Prustend tauchte ich wieder auf. Dave war hinterher gesprungen. Wahrscheinlich um sich sauber zu machen. Immer noch hustend schwamm ich an den Rand. Plötzlich tauchte Dave vor mir auf und sah mich grinsend an.

"Weißt du, mit Feuer spielt man nicht. Mach dich auf Rache gefasst", flüsterte er mir in mein Ohr.

"Und glaub mir, irgendwann wirst du noch auf mein Angebot zurück kommen. Das tun alle Mädels." Ich schaute ihn angewidert an.

"Nur über meine Leiche", sagte ich und spuckte ihm ins Gesicht. Eher gesagt ins Auge.

"Ihh... Spinnst du?"

"Tja Dave... mit Feuer spielt man nicht", gab ich zuckersüß von mir. Dann nahm ich Syds Hand an, die mir aus dem Pool half.

Zitternd vor Kälte machten wir uns auf den Weg nach Hause.

Es war schon weit nach Mitternacht, und morgen war Schule.

Meine Mutter würde mich umbringen. An der Kreuzung verabschiedete ich mich von Syd und Joey. Ich hoffte, dass meine Eltern noch nicht zurück waren. Sie wollten zu Tante Anna. Ich konnte sie nicht leiden. Ich wusste nicht wieso, aber sie hasste mich einfach. Sie war der absolute Albtraum. Zum Glück wohnte sie etwas weiter weg, so sah ich sie nicht oft.

Meine Eltern fuhren ab und zu hin. Sie hatten es schon aufgegeben mich mitnehmen zu wollen. Und ich glaube, das war Tante Anna ganz recht.

Auf jeden Fall, wenn sie fuhren, dann immer übers Wochenende.

Ich blieb dann immer zu Hause. Mit meinen 17 Jahren war das denke ich okay. Meine Mutter machte da immer einen Riesen Aufstand. Früher zumindest. Sie hatte immer alle fünf Minuten angerufen und gefragt, ob alles in Ordnung sei.

Aber jetzt tat sie das zum Glück nicht mehr.

In etwas weniger als einem Jahr wurde ich endlich Volljährig.

Letzte Woche bin ich 17 geworden.

Ich freute mich wie ein kleines Kind auf den Tag, an dem ich 18 werden würde. Ich kam zu Hause an und sah zu meinem Glück, dass das Auto meiner Eltern noch nicht da stand. Das hieß, sie waren noch nicht zu Hause. Zum Glück. Mama würde mir den Kopf abreißen, wenn ich pitschnass nach Mitternacht nach Hause kam.

Ich schloss die Tür auf und ging erst mal heiß duschen. Man, tat das gut. Dann zog ich mir eine Jogginghose und ein weites T-Shirt an. Ich schaute auf die Uhr. 1:23.

Wieso waren Mama und Papa immer noch nicht da? Seltsam.

Ich ging nach unten in die Küche, holte mir einen Apfel und setzte mich auf einen Stuhl. In sechs Stunden musste ich schon wieder zur Schule aufstehen. Aber ich war nicht müde.

Plötzlich klingelte es an der Tür.

Seltsam, wieso klingelten sie? Mama und Papa hatten doch einen Schlüssel. Und sie gingen doch sicher davon aus, dass ich schon längst schlief. Unsicher ging ich zur Tür und öffnete sie. Vor mir standen nicht wie erwartet meine Eltern, sondern zwei Polizisten. Ich schaute die beiden verwirrt an. Was machte die Polizei an meinem Haus? Hatte Dave gepetzt? Ach, als ob...er ist zwar schon fies, aber doch nicht so gemein.

Außerdem, hatten wir nichts strafbares getan.

"Kann ich Ihnen helfen?"

"Ja, sind wir hier richtig bei Sky Harwarth?"

"Ja, das bin ich. Wie kann ich Ihnen helfen?"

"Können wir rein kommen? Wir müssen mit Ihnen reden."

Verwirrt nickte ich. Ein ziemlich junger Mann und eine genauso junge Frau betraten mein Haus. Ich musterte die beiden. Sie sahen nett aus. Ich schätzte sie beide so auf Mitte 30. Der Mann hatte braune Haare, die aus seiner Polizeimütze hervorschauten und die Frau blonde, glatte Haare. Ich führte die beiden ins Wohnzimmer. Wo blieben Mama und Papa? Ich musste noch mit ihnen reden. Die beiden setzten sich auf eines der drei Sofas, die hier standen.

"Kann ich Ihnen was zu trinken anbieten?" Sie schüttelten beide den Kopf.

"Setzen Sie sich doch, wir wollen mit ihnen reden...es geht um Marie und Georg Harwarth... Sie kennen die beiden?"

Ich nickte vorsichtig. So langsam bekam ich es mit der Angst zu tun. Ist ihnen was passiert?

"Ja, das sind meine Eltern" Die beiden nickten traurig.

"Das haben wir uns schon gedacht."

"Ist...ist mit den beiden was passiert?" Der Mann schaute vorsichtig zu der Frau, die dann auch zu sprechen begann.

"Ja...so Leid es mir tut... Ihre Eltern...sie hatten einen Autounfall...sie waren beide sofort tot."

Ich starrte sie mit offenem Mund an. Ich verstand erst mal nicht so genau, was sie mir sagen wollte.

"Meine...meine Eltern sind tot?", brach ich gerade noch so heraus. Das musste alles ein schlechter Scherz sein. Das war doch alles nur ein Witz. Ich wartete darauf, dass die beiden Polizisten gleich in Gelächter ausbrachten und mir mitteilten, dass das alles nur ein Witz war und dann meine Eltern durch die Tür kamen.

Aber nichts dergleichen geschah.

Stattdessen sah ich nur beide Polizisten nicken. Das…das durfte doch nicht wahr sein. Sie konnten nicht tot sein. Es musste eine Verwechslung sein. Es war bestimmt jemand anderes. Doch so langsam begann ich zu realisieren, dass das alles kein Scherz war. Sie waren wirklich tot. Ich brach in einen Heulkrampf aus.

Die Polizistin wollte sich neben mich setzten und versuchen mich zu beruhigen, doch ich schlug ihre Hand weg und rannte aus dem Haus. Immer mehr Tränen bannten sich einen Weg nach draußen über meine Wange, runter zu meinen Lippen und bildeten dort einen salzigen Geschmack. Wie ich diesen Geschmack hasste.

Ich rannte weiter, setzte mich auf die Bank, welche ich gefunden hatte und zog meine Beine zu meinem Gesicht hoch.

Wieso waren sie tot? Das konnte nicht sein.

Immer mehr Tränen rannten über meine Wangen. Sie tropften auf meine Hose, aber das war mir im Moment egal. Das was mich eigentlich schmerzte, war nicht, dass sie Tod waren, sondern meine letzten Worte, die ich zu meinen Eltern gesagt habe.

Flash-back

Ich schaute auf mein Handy. Tess schmiss am Samstag, Morgen eine Party und ich war eingeladen. Ich konnte es nicht fassen.

Ich wurde sonst nie zu einer Party eingeladen. Ich ging nach unten zu meinen Eltern, um mich zu verabschieden.

"Mum? Dad? Darf ich Morgen auf eine Party?"

"Was, eine Party? Nein, kommt nicht in Frage."

"Aber ich bin doch kein kleines Kind mehr.", schmollte ich.

"Das wissen wir." Meine Mutter strich mir sanft eine Haarsträhne hinter mein Ohr,die sich den Weg aus meiner Hochsteckfrisur gebannt hatte. "Aber auf die Party darfst du trotzdem nicht."

"Aber wieso denn?"

"Weil wir das so sagen", mischte sich nun auch mein Vater ein.

"Ach, weil ihr das so sagt? Wieso lasst ihr mir nicht einmal meinen Spaß. Ich gehe trotzdem hin." Ich wurde etwas lauter.

"Du gehst nirgendwo hin mein Fräulein und achte auf deinen Tonfall."

"Ihr könnt mich nicht daran hindern."

"Sky…Zwing uns nicht Larissa anzurufen."

Mein Vater schaute mich ernst an. Larissa war meine Babysitterin von früher und ich konnte sie nicht leiden.

Genauso wenig wie sie mich.

"Wieso tut ihr mir das an?", schrie ich nun.

"Weil wir deine Eltern sind."

"Scheiß Eltern seid ihr!!! Nichts gönnt ihr mir. Ich wünschte, ich hätte coolere Eltern, die sich wenigstens für mich interessieren. Ich hasse euch", schrie ich sie an und rannte raus. Ich musste mich einfach abregen. Wieso hatte ich sie überhaupt gefragt? Ich hätte einfach hingehen können. Ich wusste auch nicht, wieso ich das getan hatte. Als ich wieder kam, waren meine Eltern schon weg.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, deswegen ging ich nicht zur Party. Ich wollte mich bei ihnen Entschuldigen, wenn sie wiederkamen.

Flash-back Ende

Meine letzten Worte an meine Eltern waren: Ich hasse euch. Und das sie scheiß Eltern wären. Und das alles nur wegen einer Party.

Ich begann noch lauter zu schluchzten. Sie waren weg.

Für immer...und ich alleine.

Wo sollte ich denn jetzt hin? Tante Anna war meine einzige Verwandte. Musste ich zu ihr? Ich war noch nicht volljährig. Wieso verlor ich alle Menschen, die mir wichtig waren? Erst Charly, dann Shane und nun meine Eltern. Womit hatte ich das verdient? Es kamen immer mehr Tränen. Und ich konnte sie einfach nicht stoppen.

Ich schaute auf die Kette, die ich von Shane am Tag seiner Abreise bekommen hatte. Ich war so sauer auf ihn und doch wünschte ich mir gerade nichts sehnlicher, dass er hier bei mir wäre. Paradox nicht?

Wieso hatte er mich verlassen?Wieso? War ich ihm egal? Ich rappelte mich auf und lief weiter, bis ich an einem kleinen Bach an kam. Ich stand auf der Brücke, schaute runter, machte die Kette ab und schaute noch einmal auf diese.

"Never Give Up- Ich glaub an dich", stand da.

Diese Worte hatten mir Kraft gegeben, alles zu vergessen. Ich hatte immer gehofft, dass Shane uns besuchen kam. Ich wollte ihn umarmen und in seinen Armen liegen, mit ihm einfach über jeden Mist reden, so wie wir es immer getan hatten.

Aber mittlerweile war ich einfach so sauer auf ihn, dass er mich alleine gelassen hatte. Er wusste damals genau, dass ich nicht wirklich viele Freunde hatte und trotzdem war er gegangen und nie wieder gekommen.

Ich hielt die Kette übers Wasser und wollte sie hineinfallen lassen.

Er hatte mich doch schon vergessen und glauben tat er sowieso nicht an mich. Also was wollte ich mit der Kette? Ich war kurz davor loszulassen, aber ich brachte es nicht übers Herz.

Ich machte sie mir wieder um den Hals und sank dann heulend zusammen.

Alle waren weg. Nur ich war noch übrig. Wieso mussten mir meine Eltern genommen werden? Wieso? Was hatte ich getan?

Ich wusch mir mit meinem Pulli einmal über mein Gesicht.

Sofort spürte ich die Nässe, die sich durch den leichten Stoff bannte. Die Tränen wollten einfach kein Ende nehmen.

Aber ich stand tapfer wieder auf und ging in die kleine Stadt, zur nächsten Bar. Ich hatte zwar kein Geld mit, aber ich kannte den Barkeeper. Er gab mir ab und zu einen aus.

Ich öffnete die Tür und sofort kam mir der Gestank von Zigaretten und Alkohol entgegen. Ich hasste diesen Zigarettenrauch.

Das roch so widerlich. Wie konnten sich Menschen damit nur die Lunge zerstören? Na gut, Alkohol war nicht viel besser.

Aber das war mir egal. Es stank wenigstens nicht so.

Ich setzte mich an die Bar und sah sofort Kevin. Er kam auch sofort auf mich zu und sah mich skeptisch an.

"Sky? Was machst du um diese Uhrzeit hier? Du hast morgen doch Schule. Wenn ich mich nicht irre…in fünf Stunden.“ Ich schaute auf die Uhr an der Wand. 3:04.

"Das ist nicht dein Problem", fauchte ich ihn an. Er hob entschuldigend seine Hände.

"Tut mir leid", sagte er nur und bediente einen Kunden, der anscheinend immer noch nicht genug hatte, obwohl er ziemlich betrunken schien.

"Kevin? Hast du was für mich?" Er schaute mir in die Augen.

"Nein. Um diese Uhrzeit gebe ich dir nichts, es sei denn du kannst zahlen."

Ich wühlte in meiner Tasche herum. Ich fand einen 5 er-Schein.

Mama wollte, dass ich ihr Eier und Milch kaufe, damit sie Pfannkuchen machen konnte, wenn sie wieder da wäre.

Und ich hatte es vergessen.

Wieder kamen mir die Tränen. Das konnte ich jetzt auch vergessen.

Mama und Papa waren nicht mehr da. Ich gab ihm den 5 er.

"Gib mir hier von so viel Wodka, wie ich dafür kriegen kann."

Er schaute mich wieder verunsichert an.

"Bist du sicher, dass..."

"Ja, ich bin mir sicher und jetzt gib mir den verdammten Wodka.", schrie ich schon beinahe.

"Tut mir leid Sky, aber das kann ich nicht machen."

"Was, wieso nicht?", schrie ich nun tatsächlich. Einige aus der Bar sahen sich schon neugierig zu uns rüber.

"Weil du noch keine 18 bist." Ich starrte ihn wütend an, nahm den 5 er und verschwand aus der Bar. Nur weil ich keine 18 bin.

Die können mich alle mal. Die frische Luft tat gut. Endlich nicht mehr so stickig.

"Sky?", hörte ich, wie jemand meinen Namen rief. Ich drehte mich um und sah einen jungen Mann auf mich zukommen.

Irgendwie kam er mir bekannt vor. Aber ich konnte ihn trotzdem nicht einordnen. Er schien größer als ich zu sein. Ich schätzte ihn so um die 20 Jahre. Er hatte dunkelbraune fast schon schwarze Haare die hoch gestylt waren. Er schien auch ziemlich muskulös zu sein. Allem in allem sah er gar nicht mal so schlecht aus. Aber woher kannte er meinen Namen? Er stand nun ziemlich nah vor mir.

"Und du bist?", fragte ich ihn skeptisch. "Sag bloß du erkennst mich nicht?" Ich schaute ihn immer noch skeptisch an und zog eine Augenbraue in die Höhe.

"Sollte ich das?"

"Ich bin es…Shane."

Meine Augen weiteten sich. Das war doch nie im Leben Shane.

Wieso tauchte er nach sechs Jahren wieder auf? Nach sechs verdammten Jahren, wo ich ihn so gebraucht habe. Ich wollte ihn am liebsten umarmen, in seine Arme springen und ihn nie wieder loslassen. Aber ich war immer noch sauer auf darauf, dass er mich alleine gelassen hatte.

Ich bin sechs Jahre ohne ihn ausgekommen. Also schaffe ich das auch ohne ihn.

"Was willst du hier?", fragte ich ihn kalt.

"Na hör mal, begrüßt man so seinen Bruder, den man sechs Jahre nicht mehr gesehen hat?"

"Richtig sechs Jahre! Du bist einfach so abgehauen, hast uns alleine gelassen. Kein Brief. Kein Anruf. Nichts. Und jetzt tauchst du hier wieder auf??! Verschwinde einfach wieder", schrie ich ihn an und ich ließ ihn sprachlos dort stehen.

Wo sollte ich hin? Nach Hause? Was sollte ich da? Ich würde doch sowieso wieder nur anfangen zu weinen.

"Sky, jetzt warte doch mal. Ich hatte meine Gründe. Ich dachte du freust dich mich zu sehen. Und was machst du um diese Uhrzeit noch hier draußen? Hast du Morgen keine Schule? Es ist 4 Uhr morgens."

"Was geht dich das an?! Du hast dich davor auch nicht für mein Leben interessiert, also halt dich da raus.", warf ich ihm an den Kopf. Ich wusste nicht einmal wieso ich das tat.

Ich vermisste ihn doch. Ich wollte ihm in den Arm fallen und für immer dortbleiben. Aber irgendwie, aus welchem Grund auch immer siegte die Wut in mir.

"Sky...was ist los mit dir? Wissen Mama und Papa, dass du um diese Uhrzeit noch draußen bist? Was wenn sie dich suchen und die Polizei gerufen haben? Sky du kannst doch nicht einfach so von zu Hause abhauen."

Ich lachte kurz auf. "Keine Sorge. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Mama und Papa nicht die Polizei gerufen haben."

"Da wäre ich mir aber nicht so sicher. Du kennst doch Mama.

Sie macht sich über jede Kleinigkeit Sorgen."

"Glaub mir, ich bin mir sicher." Er seufzte auf.

"Sie sind nicht zu Hause oder? Ich habe vorhin bei euch geklingelt. Aber keiner hat aufgemacht" "Was willst du um diese Uhrzeit bei uns? Normale Menschen schlafen um diese Uhrzeit."

"Es tut mir leid, aber ich bin hier in der Gegend und dachte ich komme euch mal besuchen. Also wo sind Mama und Papa?

Mama müsste eigentlich wissen, dass ich komme. Ich habe ihr eine SMS geschickt."

Ich drehte mich wieder um und ging einfach weiter. Er sollte meine Tränen nicht sehen. Ich war in seinen Augen doch das starke Mädchen. Und starke Mädchen weinen nicht.

"Sky, ich kann verstehen, dass du sauer auf mich bist okay?

Sag mir einfach wo Mama und Papa sind."

Ich konnte nicht mehr. Die Tränen liefen wieder ununterbrochen. Ich drehte mich unter Tränen zu ihm um.

"Sie sind tot okay?!", schrie ich ihn an und sank auf meine Knie. Eine Weile war es still Shane schien versuchen das zu verarbeiten was ich ihm gerade gesagt hatte.

"Wie sie sind tot?", stotterte er.

"Autounfall" War das einzige was ich in dem Moment sagen konnte.

Ich merkte, wie sich jemand neben mich setzte. Es konnte nur Shane sein. Ich sah hinauf und sah auch in seinen Augen Tränen. "Wieso weiß ich das nicht?"

"Wie sollten wir dir das auch sagen? Ich habe kein Lebenszeichen von dir bekommen und…ich weiß es auch erst seit heute. Seit ca. vier Stunden." Shane riss seine Augen weit auf. "Du…du weißt es erst seit heute?"

Ich nickte nur und fing wieder an zu weinen. Ich konnte nicht anders und sah zu Shane. Er biss sich auf die Lippe.

Wahrscheinlich um zu verhindern, dass ihm die Tränen kamen.

Es half nichts. Es kamen trotzdem Tränen aus seinen Augen.

Ich schlang meine Arme um seinen Bauch und fing wieder an zu weinen. Hatten diese Tränen denn kein Ende? So wie es aussah nicht.

"Es...es tut mir leid", stammelte ich. "Was tut dir leid?", fragte Shane leicht verwirrt. "Das ich dich so angeschrien habe. Ich habe dich wirklich vermisst." Er strich mir sanft über meinen Kopf und meinen Rücken. "Was...was wird jetzt eigentlich aus dir? Also wo gehst du hin? Du bist doch noch nicht volljährig."

Ich zuckte mit den Schultern. "Die wollen mich bestimmt zu Tante Anna stecken. Sie ist ja unsere einzige Verwandte. Ich will nicht zu Tante Anna." Ich begann wieder zu weinen.

"Wieso nicht?"

"Wieso nicht?? Sie hat mich damals schon gehasst. Schon vergessen? Und das hat sich in den sechs Jahren auch nicht geändert. Kann…also kann ich nicht zu dir? Ich meine, nur für ein Jahr, dann bin ich 18. Dann brauche ich keinen Erziehungsberechtigten mehr…" "Ich...ich weiß nicht. Sollen wir erst einmal zu euch fahren?

Und dann eine Nacht drüber schlafen?" Ich nickte und er half mir auf. Wir liefen zu seinem Auto. Ich war wirklich zu Fuß bis in die Stadt gerannt. Das war ziemlich weit. Wieso kam mir das zuvor nicht so weit vor? Ich wusste es nicht.

Ich ließ mich neben Shane auf den Fahrersitz fallen. Wir fuhren eine Weile schweigend die Straße entlang, aber es war kein unangenehmes Schweigen, sondern eher das Gegenteil.

Irgendwann schaute Shane hektisch in den Rückspiegel.

"Scheiße...das darf doch jetzt wohl nicht wahr sein", gab er von sich. "Sky halte dich jetzt gut fest und vertrau mir. Ich schaute ihn verwirrt an. Was war denn jetzt mit ihm los? Plötzlich beschleunigte er den Wagen unglaublich schnell. Was tat er da?

Ich war mir ziemlich sicher, dass er die Geschwindigkeitsgrenze überschritten hatte. Ich sah ihn mit großen Augen an.

"Shane? Was machst du? Du fährst viel zu schnell" "Ich weiß. Und jetzt sei leise, wenn du nicht sterben willst."

Wenn ich nicht sterben will? Wo bin ich denn hier gelandet?

Das war ganz sicher nicht Shane..."Shane, was soll das..." Ich brach ab, weil er plötzlich ziemlich schnell um die Kurve fuhr.

Was soll das? Wenn er weiter so fährt, dann werden wir beide sterben.

"Sky...öffne mal das Handschuhfach und gib mir die Pistole, die da drin ist" "Was??! Pistole?"

"Ja, jetzt stell keine Fragen und gib sie mir. Ich erkläre dir alles später." Mit zittrigen Händen öffnete ich das Handschuhfach.

Da war doch tatsächlich eine Pistole drin. Was sollte der Scheiß?

Wieso hatte Shane eine Pistole in seinem Handschuhfach? Ich gab sie ihm. Er entsicherte sie, öffnete das Fenster und begann auf ein Auto hinter uns zu schießen, während er mit einer Hand das Auto lenkte. Was sollte das alles? Ich stützte meine Ellbogen auf meinen Oberschenkeln ab und hielt mir mit meinen Händen die Ohren zu. Das war doch alles nur ein Traum. Ein böser schlechter Traum. Ich würde sicher gleich aufwachen und dann war alles so wie vorher. Mama und Papa währen wieder da, ich würde aufstehen und normal zur Schule gehen.

Doch nichts in der Art passierte. Stattdessen hörte ich nur einen lauten Knall. Ich zuckte zusammen. Ich wollte nicht nach hinten schauen. Aber die Neugier siegte. Da stand doch tatsächlich ein Auto in Flammen. War das Shane? Was hatte er getan?

"Shane..."

"Wir fahren nach Hause, ich erkläre es dir dort." Er fuhr nun wieder etwas langsamer und auch mein Adrenalinspiegel begann zu sinken. Wir kamen endlich zu Hause an. Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es sechs Uhr morgens war.

Normalerweise musste ich jetzt aufstehen und zur Schule gehen. Aber ich denke mal, dass ich heute zu Hause blieb. Ich setzte mich mit etwas Abstand zu Shane aufs Sofa. Ich hatte ehrlich gesagt etwas Angst vor ihm. Wieso trug er eine Pistole mit sich herum? Oder eher gesagt im Auto.

"Fang an", forderte ich ihn auf, denn er schwieg mich die ganze Zeit an. Er fuhr sich mit seiner Hand durch seine schwarzen Haare.

"Also...naja, das ist jetzt nicht so einfach zu erklären. Damals als ich weggegangen bin, bin ich nicht wirklich auf eine Universität gegangen, wie Mama und Papa dachten." Ich schaute ihn verwirrt an.

"Nicht?" Er schüttelte den Kopf. "Nein, ich war auf der PSFAE" "Der was?" Der Name sagte mir nämlich nicht viel.

"Der Private School for Agent Education" Ich war ehrlich gesagt nicht sehr viel weiter als am Anfang. "Und...was genau ist das?"

"Eine Schule, wo zukünftige Agenten ausgebildet werden."

"Zukünftige…AGENTEN??! Willst du mir gerade weismachen, dass du ein Agent bist?" Er nickte einfach nur.

"Und deswegen hast du mich im Stich gelassen? Um ein Agent zu werden?" Er schaute mich reumütig an. "Es tut mir ja leid."

"Es tut dir leid??! Wieso bist du überhaupt wieder hier aufgetaucht?"

"Weil…naja, ich hatte einen Auftrag hier in der Gegend...es ging um den Typen in dem Auto hinter uns…" Ich lachte kurz auf. "Und was hat er getan? Hatte er ein Bombenattentat vor oder was?"

"Kann ich dir nicht sagen, muss geheim bleiben..."

"Ahh okay", gab ich angepisst von mir. "Da du den Typen jetzt beseitigt hast, kannst du auch wieder gehen", motzte ich ihn an.

Ich war einfach total sauer auf ihn, dass er uns oder eher gesagt mir das alles verschwiegen hatte. "Man Sky, es tut mir leid."

"Es kann schon sein, dass es dir leid tut. Aber was soll aus mir werden? Soll ich zu Tante Anna? Ich will nicht zu Tante Anna.

Kann ich nicht zu dir?"

"Sky, das ist zu gefährlich."

"Okay, hab schon verstanden", gab ich von mir, verschwand in meinem Zimmer und schlug die Tür hinter mir zu.

Heulend schmiss ich mich aufs Bett. Ich versuchte zu schlafen, aber irgendwie bekam ich das nicht hin. Immer wieder musste ich an Mama und Papa denken.

Ich brauchte Ablenkung, wollte nicht im Selbstmitleid versinken. Ich schaute auf die Uhr.

Sieben Uhr.

Wenn ich mich beeile, schaffe ich es noch zur Schule. Es war tausendmal besser, als hier zu Hause immer an sie erinnert zu werden.

Ich stand auf, packte meine Schulsachen, ging noch in die Küche und nahm mir eine Schüssel voll mit Cornflakes. Die Stille machte mich einfach wahnsinnig.

Normalerweise war Mama immer schon wach, kochte singend und tanzend in der Küche. Papa saß um diese Uhrzeit immer vor mir und trank seinen Kaffee.

Ich merkte wie mir wieder die Tränen kamen. Nicht weinen Sky. Du musst stark sein. Ich ging noch kurz ins Wohnzimmer um mein Handy zu holen, was auf dem Schrank im Wohnzimmer lag.

Ich drehte mich um und fiel vor Schreck fast um. Da lag Shane auf dem Sofa. Wieso hatte ich ihn denn nicht vorher gesehen?

Ich runzelte die Stirn über meine eigene Dummheit.

Dann nahm ich noch meinen Schlüssel, zog meine Schuhe an und machte mich auf den Weg in die Schule.

Kapitel 2

Sky´s Sicht

Ich kam völlig fertig an der Schule an. Passend zum ersten Klingeln stürmte ich in die Klasse. Ich sah schon Sydney auf ihrem Platz sitzen. Wie immer setzte ich mich neben sie. "Hast du was...-" Sie brach mitten im Satz ab und sah mich an.

"Ist was?", fragte ich genervt. "Sag mal...was ist den mit dir los? Du siehst aus als hättest du die ganze Nacht nicht geschlafen."

"Hab ich auch ehrlich gesagt nicht."

"Was?! Wieso zum Geier hast du nicht geschlafen?"

"Konnte nicht schlafen", log ich. Ich würde ihr jetzt ganz bestimmt nicht erzählen, was letzte Nacht alles vorgefallen war. Denn das würde nur dafür sorgen, dass ich wieder anfangen müsste zu weinen. Wenn ich nur daran dachte, kamen mir wieder die Tränen.

Ganz ruhig Sky, alles wird gut. Frau Wiese betrat wie immer gut gelaunt den Klassenraum. Wir hatten jetzt Sowi Unterricht, langweiligstes Fach. Unser Thema war die Sozialisation.

Toll, ich wollte das auch schon immer wissen. Zu wissen wieso ich so aufgewachsen bin, wie ich es halt bin. Ganz ehrlich, interessiert doch keinen.

Ich wurde in die Familie hineingeboren und irgend solche Leute, stellen da irgendwelche Theorien auf. Hatten die keine Hobbies? Oder keine Freunde? Ich meine, wer denkt sich so was schon freiwillig aus? Die saßen bestimmt Zuhause allein und dachten sich... ach, ich erfinde jetzt mal die fünf Arten der Sozialisation, damit die Schüler ja was zu lernen haben.

"So, ich will, dass ihr jetzt alle aufschreibt, was Familie euch bedeutet und danach mit eurer Tischgruppe vergleicht."

Ich zuckte zusammen. Was? Wieso? Ich schlug meinen College block auf, nahm ein leeres Blatt und meinen Stift. Was bedeutet Familie für mich? Ich biss mir auf die Lippe, um ja nicht loszuheulen. Was sollte ich denn da aufschreiben? Ich hatte doch keine Familie mehr. Meine Eltern waren tot. Sie waren tot. Und das war der Moment, als ich wirklich anfing es zu realisieren. Sie waren tot und würden nie wieder kommen. Ich müsste wahrscheinlich zu Tante Anna und...ich wollte nicht zu Tante Anna.

"Ach ja, bevor ich es vergesse, hier sind noch Zettel zum Elternsprechtag. Es wäre schön, wenn alle kommen könnten, vor allem deine Sky. Sie waren noch nie bei einem dabei."

Ich zuckte erneut zusammen. Ja es stimmte, meine Eltern waren nie bei einem Elternsprechtag dabei. Ich wusste nie, wieso sie nicht hingegangen sind. Ich glaube, sie fanden es einfach nur unnötig. Genauso wie ich.

Das war doch sicher sterbenslangweilig. Aber jetzt, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass meine Eltern da wären, um auf diesen Elternsprechtag zu gehen. Ich sagte nichts dazu, sondern starrte einfach nur auf den Zettel, der immer noch leer war. Was sollte ich denn da hinschreiben?

Was bedeutet mir Familie? Wieso? Wieso ausgerechnet heute?

"Gut während ihr arbeitet, bespreche ich mit euch die Quartalsnoten", sagte Frau Wiese und ging raus. Ich konnte mir schon denken was ich hatte.

Bestimmt eine fünf, wenn ich etwas Glück habe, gerade noch so eine vier. Ich sagte nie was und die Klausur war auch eine fünf.

Erneut starrte auf mein Blatt. Nach fünf Minuten hatte ich da immer noch nichts stehen, dafür merkte ich aber immer mehr, wie die Müdigkeit mich überschattete. Ich wollte schlafen, einfach nur schlafen und dann feststellen, dass das alles nur ein böser Traum war.

"Sky, du bist dran", rief Jase mich.

Widerwillig stand ich auf. Ich wollte da nicht raus. Aber es musste wohl sein. Ich kam draußen an und stellte mich vor Frau Wiese und ihrem Kursbuch, welches sie behütete, als wäre es ihr eigenes Kind. Jetzt mal ernsthaft, das war schon übertrieben wie sehr sie daran hing. Was, wenn wir nicht mehr ihr Kurs wären? Ich wette es wird sich für sie anfühlen, als hätte sie ihr Kind verloren. Oder ihre Eltern.

Ich biss mir wieder auf die Lippe. Nicht weinen Sky.

"Sky…deine Leistung…naja, kannst du dir selber denken. Ich habe mir hier im ganzen Quartal nur zwei Meldungen aufgeschrieben."

Reicht doch. Ich hatte eigentlich nicht vor, auch nur einmal aufzuzeigen, weil mich dieses Fach einen Dreck interessiert.

"Und die Klausur war auch eine fünf...ich muss dir leider eine fünf auf dem Zeugnis geben."

Gut. Danke. Damit hab ich gerechnet.

"Okay." Ich wollte mich gerade umdrehen, als sie mich aufhielt.

"Warte noch. Ich wollte noch was anderes mit dir bereden. Du siehst immer so müde im Unterricht aus. Ist alles okay?"

Und da war er wieder. Der Moment, in dem Lehrer sich in das private Leben der Schüler einmischten. Hatten die schon mal nachgedacht, wann die Schule anfing? Acht Uhr morgens! Wer war da nicht müde. Das hätte ich ihr am liebsten an den Kopf geschmissen. Mutig genug war ich dann doch nicht.

"Nein, alles gut."

"Sicher? Wann bist du heute schlafen gegangen?"

"Wissen Sie, ich fühle mich geehrt, dass Sie sich Sorgen um mich machen, aber das geht Sie nichts an."

"Ich weiß. Aber ich werde trotzdem deine Eltern kontaktieren müssen, unter anderem wegen der fünf."

Wisst ihr, es war seltsam, aber ich wünschte mir gerade nicht sehnlicher auf der Welt, als dass sie das tun könnte. Denn das würde bedeuten, dass sie noch am Leben waren.

"Tut mir leid, aber das ist leider nicht möglich…" "Sky, ich weiß, dass Schüler es nicht mögen, wenn ihre Eltern kontaktiert werden, aber es ist manchmal einfach notwendig und…-" "Das ist es nicht. Wissen Sie, es wäre im Moment sogar mein größter Wunsch, dass Sie, sie anrufen. Aber es geht nicht..."

"Sky? Was redest du da?"

Ich biss mir wieder auf die Lippe. Ich weiß, ich machte es oft, aber es half mir, warum auch immer, damit ich nicht anfing zu weinen.

"Meine Eltern sind heute Nacht bei einem Autounfall ums Leben gekommen." Sie schaute mich mit großen Augen an.

"Was?"

"Meine Eltern..."

"Ja, das habe ich verstanden. Aber, was machst du dann hier?"

"Ehm...das was jeder hier macht. Zur Schule gehen."

"Ja...aber Sky, du kannst da doch nicht zur Schule kommen!

Ich will, dass du deine Sachen packst und nach Hause gehst."

"Aber...ich will nicht nach Hause. Was soll ich denn da? Meine Eltern sind nicht mehr da und...sie werden auch nie mehr wieder kommen."

Den letzten Teil flüsterte ich nur. Ich konnte es nun nicht verhindern, dass mir Tränen die Wange runter flossen. Meine Eltern waren nicht da und sie würden auch nie wieder kommen. "Hör zu, dann nimm Sydney mit. Aber du kannst hier nicht so sitzen! Wie lange hast du heute geschlafen?"

Ich zuckte mit den Schultern.

"Gar nicht", flüsterte ich dann doch. Sie seufzte auf.

"Bleib hier, ich hohle Sydney." Sie ging in den Klassenraum um Sydney zu hohlen, doch ich blieb hier nicht stehen. Denn das würde nur bedeuten, dass ich Syd noch einmal alles erklären musste und ich wusste nicht ob ich das noch einmal aushielt.

Stattdessen lief ich einfach weg. Soweit wie meine Beine mich trugen. Einfach nur weg von hier. Das war alles, was ich im Moment wollte.

Nachdem ich etwas gelaufen war, schaute ich mich etwas nervös um. Wo war ich hier?

So ein Mist! Ich hatte mich verlaufen und das noch in meiner Heimatstadt. So was konnte auch nur mir passieren. Wieso hatte ich diesen Ort noch nie zuvor gesehen? Alles wirkte trostlos und sogar ein bisschen beängstigend.

Wenn ich so darüber nachdachte, war es eigentlich kein Wunder, dass ich noch nie hier war. Wer ging hier schon freiwillig hin? Na ich jedenfalls nicht.

Vorsichtig ging ich weiter. Aus irgendeinem Grund, kam ich mir beobachtet vor. Ich hoffte es war nur eine Einbildung, denn glaubt mir, an so einem Ort wie diesem will keiner beobachtet werden.

Zögerlich ging ich weiter durch die engen Gassen. Zum Glück war es noch nicht dunkel, denn sonst…naja ich hätte mir hier im dunklen schon bestimmt mindestens zehnmal in die Hose gepisst.

Ich meinte es ernst. Ich fand es tagsüber schon gruselig, da wollte gar nicht erst wissen, wie es Nachts hier war. Ich ging weiter, als ich plötzlich Schritte hinter mir hörte. Ich drehte mich um. Dort waren zwei Typen, die nicht gerade nett aussahen.

Eher das Gegenteil. Voll tätowiert und mit Piercings. Sie sahen aus wie zwei Punks. Der eine hatte blaue und der andere blonde Haare. Deren Augen wirkten kalt und verlassen.

Mich überkam ein ungutes Gefühl, also fing ich an zu rennen.

So schnell ich konnte. Das Problem war nur, ich war nicht schnell. Ich hörte die Typen hinter mir riefen, dass ich anhalten sollte.

Ich ignorierte sie, doch nur Sekunden später, zog mich jemand so heftig am Arm, dass ich schmerzhaft zu Boden fiel.

Was sollte der Scheiß? Der Typ mit den blonden Haaren saß auf mir drauf und grinste schon so dreckig.

"Na, was macht den so ein hübsches Mädchen wie du hier so alleine in der Gegend?" Ich funkelte ihn böse an.

"Geh von mir runter du Idiot", fauchte ich ihn an.

"Oh...und vorlaut ist sie auch noch." Der Typ beugte sich etwas näher an mein Ohr. "Weißt du, ich stehe auf vorlaute Mädchen", flüsterte er mit einem dreckigen Unterton, an dem ich sofort erkannte, worauf er hinaus wollte.

Nur von dem Gedanken alleine wurde mir schon schlecht. Ich glaub ich kotzte gleich.

"Dann such dir eine, die auch auf dich steht. Aber ich bezweifle, dass du eine mit deinem Mundgeruch finden wirst."

Jetzt war er derjenige, der mich böse an funkelte.

"Hör zu du kleines…" "Hey, lass sie in Ruhe", kam es plötzlich von irgendwo. Ich wusste aber nicht genau von wo, da ich immer noch auf dem Rücken lag, der langsam ziemlich anfing zu schmerzen.

Der Typ sollte endlich runter von mir. Es wurde total unangenehm. Okay, es war von Anfang an unangenehm. Er sollte einfach nur runter von mir. Der Mann, der auf mir drauf saß fing an höhnisch zu lachen.

"Wieso sollte ich?"

"Ganz einfach, weil ich sonst die Polizei rufe."

Der Junge, ich nehme mal an, dass es ein Junge ist, da er sich wie einer anhörte, tat irgendwas was ich von meiner Position auf dem Boden nicht erkennen konnte, aber es schien zu wirken.

Die beiden Punks, oder was auch immer das für Typen waren, wurden sofort kreidebleich.

Der blonde, der immer noch auf mir saß, stand nun endlich auf und lief zusammen mit dem blauhaarigen davon.

Ich atmete erleichtert aus. Das fühlte sich echt befreiend an. Ich blieb noch kurz liegen, da ich mich immer noch von dem Schock erholen musste. Da sah ich eine Hand vor meinem Gesicht, welche ich dankend annahm. Er, es war tatsächlich ein Junge, zog mich hoch.

Ich lächelte ihn dankbar an. Er schien um die 14 Jahre alt zu sein, hatte blaue Augen und schwarze Haare, die ihm fransig ins Gesicht fielen. Dazu hatte er noch Sommersprossen. Er sah echt niedlich aus.

"Hey... Danke für deine Hilfe. Ich bin übrigens Sky."

"Taylor, freut mich dich kennen zu lernen. Aber sag mal, was machst du hier so alleine? Das ist doch normalerweise kein Ort für dich. Ich meine versteh mich jetzt nicht falsch, aber du siehst halt so..."

"Ist schon gut, ich weiß was du sagen willst. Ich naja, ich habe mich etwas verlaufen..."

"Hm...Ich kenne mich hier in der Gegend jetzt nicht so gut aus, aber mein Bruder Nathan kennt sich hier gut aus. Wenn du willst kannst du mit zu mir kommen. Meine Oma hat gerade Kekse gebacken...also nur wenn du willst."

Ich überlegte kurz. Eigentlich sollte man Fremden ja nicht trauen, aber Taylor sah jetzt nicht gerade angst einflößend aus.

Außerdem hatte er mir geholfen.

Und ich wusste sowieso nicht, wo ich jetzt hin sollte.

Ich fragte mich ob, Shane noch zu Hause war.

Bestimmt ist er wieder in diese Agentenschule abgehauen und überlässt mich mal wieder meinem Schicksal.

Das kann er gut. Einfach abhauen. Also wieso nicht?

"Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne mitkommen."

Er lächelte mich überglücklich an. Mit seinen Sommersprossen sah er echt süß aus. Wir setzten uns in Bewegung.

"Du wirst meine Oma lieben, sie ist total nett und backt die besten Kekse, die du je gegessen hast. Glaub mir. Und Nathan, mein Bruder, naja er ist etwas eigenwillig, aber man gewöhnt sich an ihn. Er ist nicht oft zu Hause. Er studiert irgendwo, ich glaube in Oxford. Er ist jetzt nur in den Ferien hier."

In Oxford...nicht schlecht, sein Bruder schien wohl ein ziemlich schlauer Bursche zu sein.

"Aber in 2 Wochen muss er wieder weg. Ich werde ihn total vermissen. Genauso, wie meine kleine Schwester Sophie ihn vermissen wird. Sie ist gerade mal vier Jahre alt. Mein Papa ist so gut wie nie zu Hause...und meine Mama, sie ist vor vier Jahren bei Sophies Geburt gestorben. Ich glaube, deswegen mag Papa Sophie nicht so, weil er denkt, dass sie Schuld an Mamas tot ist."

Er wirkte auf einmal ziemlich traurig. Ich musste schlucken.

Das klang alles nicht so toll. Aber wieso erzählte er mir das alles? Ich war doch einfach nur eine Fremde.

Er brauchte bestimmt jemanden zum Reden. Er wollte das alles nicht mit sich mitschleppen und vielleicht hatte er niemandem zum Reden.

Ich nahm ihn einfach in den Arm. Er wirkte etwas überrascht, aber dann erwiderte er die Umarmung. Seine Schultern fingen an zu beben. Er weinte. Wie alt war der Junge? Er sah nicht älter als 14 aus. Es musste bestimmt hart sein.

"Ich vermisse meinen alten Papa, auch wenn ich schon 14 bin..." Er war also wirklich 14.

"Aber ich vermisse ihn einfach und es ist wirklich so als würde er Sophie hassen. Er hat sie noch nie in die Arme geschlossen, will nichts mehr mit ihr zu tun haben und auch mich stößt er immer mehr ab. Und meine Oma kann sich auch nicht um alles kümmern. Sie ist nicht mehr die jüngste und Nathan verlässt uns auch schon bald wieder..."

Er fing wieder an zu weinen. Ich legte meine Hand auf seinen Hinterkopf und drückte ihn etwas an mich.

"Hey, es wird alles gut hörst du? Ich kenne dich zwar nicht, aber es gibt immer einen Ausweg, solange du nicht aufgibst."

Solange man nicht aufgab. Auch für mich gab es noch eine Chance, ich durfte nur nicht aufgeben.

Wenn ich das so dahin sagte, klang es so einfach, aber es zu verwirklichen, wenn man wirklich in so einer Situation steckte, war eine andere Sache. Es war gar nicht so einfach.

Bei mir waren meine Eltern tot, ja.

Aber er und seine Schwester bekamen keine Liebe mehr von ihrem Vater, der immer noch am Leben war. War das nicht mindestens genau so schlimm? Einen Vater zu haben, der einen abstößt und einen nicht liebt? Das war auch nicht besser als einen toten Vater zu haben. Taylor und seine kleine Schwester taten mir echt leid.

"Alles wird gut, sollen wir zu deiner Oma gehen?", fragte ich ihn, um zu versuchen seine Stimmung etwas aufzuheitern, was mir anscheinend auch gelang.

Er fing an zu lächeln, er liebte seine Oma anscheinend wirklich.

"Ja, komm mit, du wirst sie lieben." Und schon war nichts mehr von seiner Trauer zu spüren. Wie machte er das?

Er nahm meinen Arm und zog mich in eine Richtung. Na dann, auf zu Taylors Oma.

Wir liefen noch eine Weile weiter und unterhielten uns. Ich musste schon sagen irgendwie kam mir Taylor mit seinen 14 Jahren ziemlich reif und schlau vor. Ich wusste auch nicht, er war einfach sympathisch und ich mochte ihn.

Wir kamen an einem Gebäude an. Er führte mich rein und wir gingen in den Keller. Was wollten wir den im Keller? "Taylor?

Was machen wir im Keller?"

"Wir wohnen hier."

"Im Keller?"

"Ja, können uns nichts anderes leisten."

Okay, ich wusste auch nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte. Das war halt etwas neues. Ich wusste nicht, dass sie im Keller wohnen.

Er öffnete eine Tür mit seinem Schlüssel und dann gingen wir rein. "Grammy? Ich habe Besuch mitgebracht", schrie er durchs Haus. Dann zeigte er mir, wo ich meine Schuhe, Jacke und Tasche ablegen konnte.

Im nächsten Moment kam auch schon eine ältere Frau in den Flur. "Taylor mein Schatz", rief sie freudig und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Wen hast du denn mitgebracht?"

"Grammy, das ist Sky. Ich habe sie auf dem Weg getroffen, sie hat sich verlaufen."

"Oh, das arme Kind. Komm doch rein, ich habe gerade Kekse gebacken." Sie lächelte mich freundlich an. Taylor stand noch im Flur, als ein kleines Mädchen auf ihn zu gerannt kam. Er ging in die Hocke, um sie aufzufangen und sie daraufhin in den Arm zu nehmen.

Sie schmiegte sich an ihn. "Ich habe dich vermisst Tay", sagte sie in einer süßen kindlichen Stimme und ich konnte nicht anders als dahin zu schmelzen. Das sah so knuffig aus.

Dann sah sie mich schüchtern an. "Tay, wer ist das?"