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Impressum
In Sachen Herz von Yvonne Bauer (Autor)
Preis 5,99 Euro
1. Auflage
Copyright: © 2018 Yvonne Bauer
Coverdesign: © 2018 Yvonne Bauer
Bildmaterial: © Copyright by rangizzz – fotolia.com #53868609 - Close up of stethoscope on the computer Keyboard
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7528-0190-3
»Gibt’s irgendeine Ursache in der Natur,
die diese harten Herzen hervorbringt?«
William Shakespeare (1564 - 1616)
(aus König Lear, 1605)
»Ich verstehe das nicht, gestern war doch noch alles in Ordnung.« Betreten sah die übermüdete Assistenzärztin von der Leiche vor ihr zur Schwester. »Herr John hat sogar noch mit mir geflirtet.«
»Als ich die Nacht meine Runde gegangen bin, hat er geschlafen.« Auch Schwester Lisa schüttelte ungläubig ihren dunkelblonden Haarschopf.
Constanze Herzsprung, Assistenzärztin der Unfallchirurgie im dritten Jahr, zückte ihr Stethoskop und drückte es auf die Brust des Mannes. »Hat er irgendwelche Beschwerden angegeben?« Ihr fragender Blick suchte erneut die Krankenschwester.
»Nein, die Spätschicht hat übergeben, dass er nach dem Abendessen noch eine Schmerztablette angefordert hat, weil sein Knie weh tat, aber danach hat er nicht einmal mehr geklingelt.«
»Eine Schmerztablette?« Nun war Constanze hellwach. »Kann ich die Kurve sehen?«
Eilig verließ Schwester Lisa das Krankenzimmer, um die gewünschte Patientenkurve zu holen.
Währenddessen führte Constanze die Leichenschau weiter durch. Einen Herzschlag hatte sie nicht gehört, einen Puls vergebens gesucht. Sie griff nach der Pupillenleuchte, hob nacheinander die Oberlider ihres Patienten und wartete auf eine Pupillenreaktion. Nichts. Sie suchte den Hals nach verräterischen Spuren von gestauten Halsvenen ab, konnte aber keine entdecken. Eine Lungenembolie war nichts Ungewöhnliches bei einem immobilen Patienten.
Herr John hatte am Geburtstag seines Enkels mit diesem Fußball gespielt und sich dabei das Bein verdreht. Der Kreuzbandriss wurde vor wenigen Tagen operiert.
Constanze erinnerte sich noch genau an den Nachmittag, an dem die Retter den schimpfenden Patienten in die Notaufnahme gebracht hatten. Die Worte des Mannes klangen ihr noch in den Ohren. »Jetzt habe ich dem Kleinen den Geburtstag verdorben.« Er schien verärgert über seine eigene Ungeschicklichkeit. »Ich habe meiner Tochter gesagt, dass ich schon zurechtkomme. Aber als das Knie immer mehr anschwoll, obwohl ich es hochgelegt und gekühlt habe, bestand sie darauf, die Rettung zu rufen. Mein Enkel hat geweint, als mich die Sanitäter in den Krankenwagen geschoben haben. Können sie sich das vorstellen, Frau Doktor? Ausgerechnet an seinem Geburtstag...«
Sie konnte das wütende Funkeln in den blauen Augen des Mannes in Gedanken noch vor sich sehen. Nun lag er vor ihr, der Blick gebrochen.
Die Leichenstarre im Kiefergelenk hatte bereits eingesetzt. Also musste er schon mindestens zwei Stunden tot sein. Auf der Suche nach Leichenflecken wurde sie schnell fündig, als sie Herrn John auf die Seite drehte und den Rücken untersuchte. Sie drückte mit dem gummibehandschuhten Zeigefinger ihrer rechten Hand auf die lividen Stellen und ließ sie sofort los. Die Haut hatte wieder eine normale Farbe angenommen, verfärbte sich aber nach wenigen Sekunden wieder wie vorher. Wegdrückbare Livores, ja zwei Stunden, länger war der Mann nicht tot. Aber woran ist er gestorben? Fieberhaft suchte Constanze den Körper nach Zeichen einer Todesursache ab.
In der Zwischenzeit war Schwester Lisa zurückgekehrt. In der Hand hielt sie die Kurve des Patienten und blätterte darin herum. »Es ist, wie ich gesagt habe. Eine Tablette Ibuprofen um 19 Uhr. Die Spätschicht hat eingetragen, dass es keine Probleme gab.«
»Steht da irgendwas von Allergien?«
Lisa überflog die Kurve und schüttelte den Kopf. »Nein.«
Erschöpft streifte sich Constanze die Gummihandschuhe von den Händen. Noch zwei Stunden, dann würde sie von ihren Kollegen abgelöst werden. Diese 24-Stunden-Dienste waren einfach die Hölle. Sie überlegte, ob sie die Frau des Toten jetzt oder erst in zwei Stunden anrufen sollte. Frau John würde sicherlich schlafen. Niemand hatte damit gerechnet, dass ihr Mann in dieser Nacht sterben würde.
Die Ärztin griff nach der Kurve und notierte darin die Ergebnisse der Leichenschau. »Ich muss den Totenschein schreiben...« Mit einem letzten Blick auf Herrn John, der in seinem Bett lag und so aussah, als schliefe er, verließ sie das Zimmer. Sie folgte Lisa in das Schwesternzimmer, griff im Regal gezielt nach einem Totenschein und setzte sich seufzend an den Schreibtisch. »Lisa, kannst du mir den Personalausweis von Herrn John raussuchen?« Bereits im Studium hatte die Ärztin gelernt, dass sie als letzten Dienst am Patienten den Totenschein auszufüllen hatte, jedoch nur, wenn ein Ausweisdokument vorlag, das bestätigte, dass es sich bei dem Toten tatsächlich um die Person handelte, deren Personalien sie in das amtliche Dokument eintrug. Ansonsten war von Urkundenfälschung die Rede. Was für ein Schwachsinn. Die meisten älteren Patienten waren auf ihren Passbildern in den Ausweisen überhaupt nicht wieder zu erkennen. Die Ähnlichkeit der Person mit dem Bild konnte man häufig nur erraten. Aber Vorschrift war Vorschrift.
Wortlos griff sie nach dem Ausweis, den Lisa neben die Computertastatur auf den Schreibtisch gelegt hatte und trug die Personalien in den Totenschein ein. Bei dem Feld, in das die Todesursache einzutragen war, stocke sie. Was eintragen?
Der Mann war bis auf seine Herzinsuffizienz und einen Kreuzbandriss gesund. Die Herzerkrankung war mit einem Defibrillator gut behandelt. Das zeigten zumindest die Laborwerte. Vielleicht wäre es das Beste, wenn ich als Todesursache unklar eintrage. Dann kann der Staatsanwalt darüber entscheiden, ob eine Obduktion nötig ist.
Müde unterschrieb Constanze den Schein, stempelte sowohl das Original als auch den Durchschlag und sah auf die Uhr. Zwanzig vor Sieben, bald kommen die Kollegen, und dieser anstrengende Dienst hat sein Ende. Zuvor musste sie aber noch die Ehefrau des Verstorbenen anrufen. Was sollte sie nur sagen? Sie atmete tief ein und griff nach dem Telefonhörer.
»Das ist eigenartig.« Constanze sah von dem Blatt, das sie in den Händen hielt, auf.
»Was gibt´s?« Julian schaute, alarmiert von dem Unterton, zu seiner Kollegin. Sie sah blass aus, doch wieso auch nicht? Sechs bis acht 24-Stunden-Dienste im Monat sorgten dafür, dass man das Tageslicht nicht so häufig zu Gesicht bekam, geschweige denn ein paar Sonnenstrahlen. Dennoch wirkte ihr Teint im Kontrast zu ihren schwarzen Haaren irgendwie gespenstisch. Die dunklen Augenringe verstärkten diesen Effekt.
»Sieh dir das an!« Aufgeregt hielt Constanze Julian ein Papier hin.