Schwedisches Geld: 1 Krone = 100 Öre
Michel aus Lönneberga hieß ein Junge, der in Lönneberga wohnte. Das war ein kleiner wilder und eigensinniger Junge, nicht etwa so brav wie du. Obwohl er nett aussah, das tat er wirklich. Wenn er nicht gerade schrie.
Er hatte runde blaue Augen und ein rundes rotbackiges Gesicht und helles wolliges Haar. Alles zusammen sah irgendwie nett aus, und man konnte beinah glauben, Michel sei ein richtiger kleiner Engel. Aber das sollte man sich bloß nicht einbilden.
Fünf Jahre war er alt und stark wie ein kleiner Ochse, und er wohnte auf dem Hof Katthult in dem Dorf Lönneberga in Småland, und das ist ein Teil von Schweden. Und weil man in Småland småländisch redet, redete Michel auch so. Aber dafür konnte er nichts. Wenn er seine Mütze haben wollte, sagte er nicht wie andere Kinder: »Ich möchte meine Mütze haben!« Er sagte: »Ich will meine Müsse haben!« Seine »Müsse«, das war so eine blaue Mütze mit schwarzem Schirm, ziemlich hässlich. Die hatte sein Papa ihm einmal gekauft, als er in der Stadt gewesen war.
Michel freute sich über die Mütze, und wenn er abends ins Bett gehen sollte, sagte er: »Ich will meine Müsse haben!« Seine Mama fand allerdings, Michel sollte die Mütze nicht mit ins Bett nehmen. Sie wollte sie auf die Garderobe im Flur legen. Aber da schrie Michel, dass man es über ganz Lönneberga hören konnte: »Ich will meine Müsse haben!«
Und Michel schlief jede Nacht mit der Mütze auf dem Kopf – drei Wochen lang. Das ging schließlich, wenn es auch ein bisschen drückte. Die Hauptsache war, dass Michel seinen Willen bekam, damit nahm er es genau. Und vor allem durfte es nicht so sein, wie seine Mama wollte. Einmal, an einem Weihnachtstag, versuchte sie Michel dazu zu bringen, dass er Schnittbohnen aß, weil doch Gemüse so gesund ist. Aber Michel sagte Nein.
»Willst du denn niemals Gemüse essen?«, fragte seine Mama.
»Doch«, sagte Michel, »richtiges Gemüse.«
Und dann setzte er sich in aller Stille hinter den Tannenbaum und begann an ihm zu knabbern. Aber er hörte bald wieder auf, denn es pikte im Mund.
So eigensinnig war Michel. Er wollte über Mama und Papa bestimmen, über ganz Katthult und am liebsten noch über ganz Lönneberga, aber da machten die Leute von Lönneberga nicht mit.
»Sie können einem leidtun, die Svenssons auf Katthult, die einen solchen Lausejungen zum Sohn haben!«, sagten sie. »Aus dem wird nie was.«
Das dachten die Lönneberger, ja! Wenn sie gewusst hätten, was noch aus Michel werden sollte, hätten sie nicht so geredet. Wenn sie gewusst hätten, dass er einmal Gemeinderatspräsident werden sollte, wenn er groß war! Du weißt wohl nicht, was das ist, ein Gemeinderatspräsident, aber es ist etwas sehr Feines, das kann ich versichern, und Michel wurde es schließlich.
Aber nun wollen wir uns an das halten, was geschah, als Michel klein war und auf dem Hof Katthult in der Gemeinde Lönneberga in Småland wohnte, mit seinem Papa, der Anton Svensson hieß, und mit seiner Mama, die Alma Svensson hieß, und mit seiner kleinen Schwester Ida. Auf Katthult hatten sie auch einen Knecht, der Alfred hieß, und eine Magd, die Lina hieß. Denn zu der Zeit, als Michel klein war, gab es Mägde und Knechte in Lönneberga und überall. Die Knechte pflügten und versorgten die Pferde und die Ochsen, sie fuhren das Heu ein und setzten die Kartoffeln, die Mägde melkten und wuschen ab und scheuerten und sangen den Kindern etwas vor.
Nun weißt du, wer auf Katthult wohnte: Papa Anton, Mama Alma, Klein-Ida, Alfred und Lina. Außerdem zwei Pferde, einige Ochsen, acht Kühe, drei Schweine, zehn Schafe, fünfzehn Hühner, ein Hahn, eine Katze und ein Hund. Und dann Michel.
Katthult war ein kleiner, hübscher Hof mit einem rot gestrichenen Haus, das zwischen Apfelbäumen und Flieder auf einer Anhöhe lag. Und rundherum gab es Äcker und Wiesen und Haine, einen See und einen großen, großen Wald.
Es hätte ruhig und friedvoll auf Katthult sein können, wenn Michel nicht dort gewesen wäre.
»Er macht immer nur Unfug, dieser Junge«, sagte Lina. »Und wenn er selbst keinen Unfug macht, passiert trotzdem noch genug mit Michel. So einen Bengel wie den hab ich noch nie gesehn.«
Aber Michels Mama nahm ihn in Schutz.
»Es ist doch nicht so schlimm mit Michel«, sagte sie. »Heute hat er Ida nur einmal gekniffen und die Kaffeesahne verschüttet, das war alles – ja, und die Katze hat er ums Hühnerhaus gejagt, das ist wahr. Aber auf jeden Fall finde ich, er fängt an, ruhiger und artiger zu werden.«
Michel war nicht boshaft, das kann man nicht sagen. Er mochte beide sehr gern, Ida und die Katze. Aber er musste Ida einfach ein bisschen kneifen, sonst hätte sie ihm ja ihr Sirupbrot nicht gegeben, und die Katze jagte er in aller Freundlichkeit, nur um zu sehen, ob er genauso schnell laufen konnte wie eine Katze. Aber das konnte die Katze nicht begreifen.
Es war der 7. März, an dem Michel so lieb war und Ida nur einmal kniff und die Kaffeesahne verschüttete und die Katze jagte. Aber nun sollst du von einigen anderen Tagen aus Michels Leben hören, an denen mehr geschah, entweder weil er Unfug machte, wie Lina sagte, oder weil es einfach von selbst so kam, da immer so viel mit Michel passierte.
Wir können ja mit einem Dienstag anfangen. Es war
Dienstag, der 22. Mai,
An diesem Tag gab es auf Katthult Rindfleischsuppe zu Mittag. Lina hatte die Suppe in der mit Blumen bemalten Suppenschüssel aufgetragen, und alle saßen um den Küchentisch und aßen ihre Suppe, besonders Michel. Er mochte Suppe, und man hörte es, wenn er sie aß.
»Musst du so schlürfen?«, fragte seine Mama.
»Sonst weiß man doch nicht, dass es Suppe ist«, sagte Michel.
Alle durften essen, so viel sie konnten, und dann war die Schüssel leer. Es war nur noch ein ganz, ganz kleiner Schluck auf dem Schüsselboden übrig geblieben. Diesen Schluck wollte Michel haben, und die einzige Möglichkeit, an ihn heranzukommen, war, den Kopf in die Suppenschüssel zu stecken und den Schluck auszuschlürfen. Das tat Michel, und sie hörten sehr deutlich, wie er da drinnen schlürfte.
Aber dann wollte Michel den Kopf wieder herausziehen, und – kaum zu glauben – es ging nicht. Er saß fest. Nun bekam er Angst und sprang vom Tisch auf, und da stand er, die Suppenschüssel wie einen Kübel auf dem Kopf. Sie reichte weit herunter, über Augen und Ohren. Michel zerrte an der Schüssel und schrie. Lina wurde auch ängstlich.
»Unsere schöne Suppenschüssel«, sagte sie. »Unsere feine, geblümte Suppenschüssel! Wo sollen wir jetzt die Suppe reintun?«
Denn wenn Michel in der Suppenschüssel war, konnte keine Suppe hinein, so viel verstand sie, wenn sie auch sonst nicht besonders viel verstand.
Aber Michels Mama dachte mehr an Michel.
»Lieber Himmel, wie sollen wir den Jungen da herausbekommen? Wir müssen den Schürhaken nehmen und die Schüssel zerschlagen.«
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