Die Chemie stimmt

Kriminalroman

Peter Eckmann


ISBN: 978-3-938097-88-5
1. Auflage 2019, Drochtersen (Deutschland)
© 2019 MCE Verlag

Titelentwurf und -foto: digisreen – Herwig Baak

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Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags. Alle Rechte vorbehalten!

Inhalt

Vorbemerkungen des Autoren

 

Von 1975 bis 2006 war ich Mitarbeiter der Dow Chemical auf dem Bützflethersand bei Stade. Ein guter Grund, wie ich finde, die Anfangszeit des Chemiewerkes in einem Buch festzuhalten. Zur besseren Orientierung für den kundigen Leser wurden Ortsnamen korrekt angegeben. Die Namen vieler Protagonisten sind dagegen frei erfunden. Übereinstimmungen mit einigen lebenden oder verstorbenen Personen sind notwendig und beabsichtigt. Es handelt sich hierbei in der Regel um Politiker und führende Dow-Manager, die alle in diesem Zusammenhang als Personen der Zeitgeschichte gelten können.

Die Sprache der Amerikaner ist fast immer amerikanisch/englisch, in diesem Roman sind alle Dialoge zur Vereinfachung in deutscher Sprache gehalten.

Die chemischen Begriffe, soweit verwendet, sind teilweise veraltet, sie entsprechen dem damaligen Stand.

Die Intrigen und Streitigkeiten, die in einem Mord gipfeln, sind natürlich fiktiv, könnten aber so oder ähnlich passiert sein.

 

Peter Eckmann, Herbst 2018

 

Ich bedanke mich bei meiner Frau, die mein größter Fan und gleichzeitig meine strengste Kritikerin ist, für ihre unermessliche Arbeit am Manuskript und den vielen hilfreichen Diskussionen.


Kapitel 1: Der Totenschädel auf der Baustelle

 

Donnerstag, der 15. Juni 1972. Seit vier Wochen laufen die Arbeiten auf dem Gelände der künftigen Methocel Anlage. Es handelt sich um eine kleine Nebenbaustelle der Dow Chemical Deutschland auf dem Bützflethersand – in der Nähe der Schwinge auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei Stechmann. Deshalb wird dieses kleine Werk später auch Schwingewerk genannt. Der hier störende Wasserlauf, der sogenannte Kruken, ein einem Priel ähnlicher Wasserlauf, der sich durch einen Teil des Bützflethersandes zieht, ist vor zwei Wochen zugeschüttet und planiert worden. Ein kleiner Teil des Schwingewerkes ragt laut Plan über einen Teil des jetzt zugefüllten Kruken hinaus.

Es ist sehr früh, seit sechs Uhr sind etwa zwanzig Arbeiter auf der Baustelle. Sie arbeiten am Fundament für eines der größten Fabriken in der Welt für Methylcellulose. Es wird ein schöner Tag werden, die Sonnenstrahlen haben eben die letzten Reste des morgendlichen Nebels aufgelöst. An der nordöstlichen Ecke fährt gerade die Ramme einer schwedischen Firma auf, sie soll in den nächsten zwei Wochen etwa einhundert Pfähle in den weichen Boden rammen, damit die Fabrik auf festem Fundament stehen kann.

In diesem Moment fährt der Bauleitungsinspektor mit seinem Auto auf die Baustelle, er steigt aus und schreitet mit einer großen Zeichnung in der Hand die Baustelle ab. Am südwestlichen Ende der mit Sand aufgefüllten Fläche bleibt er eine Weile stehen, geht hin und her und blickt immer wieder auf seinen Plan. Er blickt sich um, das scheint ein Fall für den Vorarbeiter zu sein. „Alfred!“, ruft er laut, um die Planierraupen zu übertönen, „Alfred, komm mal her!“ Er untermalt die Wichtigkeit der Angelegenheit mit einer weitausholenden Bewegung seines Armes.

Alfred Reinecke, der Vorarbeiter, löst sich aus der Gruppe der Männer, denen er gerade die Arbeit zuteilt. „Was ist los, Hans-Adolf? Warum brüllst du hier so rum?“

„Muss ich ja, wenn ihr mich hören sollt. Hör mal, ihr müsst ab und zu auch mal auf euren Plan gucken. Was ist denn mit der Feuerlöschleitung? Der Graben dafür hätte schon längst ausgeschachtet werden müssen.“

„Scheiße.“

„Da sagst du was. Ich fürchte, da habt ihr noch etwas zum Nachbessern.“

Eine halbe Stunde später läuft Vorarbeiter Reinecke mit Maßband durch die Anlage, zwei Mitarbeiter trotten mit Markierungsstäben hinterher. Zwei Stunden später ist der Graben für die Feuerlöschleitung ausgemessen und gekennzeichnet. „So, nun seht zu, dass ihr das jetzt ausschachtet. Die paar Meter habt ihr doch schnell geschafft!“

Es muss nur ein kleines Stück mit der Hand ausgehoben werden, der größere Teil wird morgen mit dem Bagger erledigt. Drei Männer stehen nebeneinander in dem kurzen Graben und schwingen ihre Schaufeln. Trotz der frühen Stunde ist es schon warm, es wird heute wieder heiß werden. Der Schweiß beginnt zu fließen.

„Verdammt, hier ist ein Stein!“ Arbeiter Friedrich Meister kratzt mit der Schaufel den Sand fort, um den vermeintlichen Stein frei zu legen. Doch dann kommt es ihm nicht mehr wie ein Stein vor, er bückt sich, um den Fund in Augenschein zu nehmen. „Verdammt, Kinnings, das ist ein Schädel!“

„Was?“ Die Kollegen kommen zu seinem Teil des Grabens, Friedrich Meister springt wie von der Tarantel gestochen aus der Grube und läuft zur Baubude, zu seinem Vorarbeiter.

Alfred Reinecke sieht von einer Liste auf. „Was gibt’s, Fiete? Bist du auf Gold gestoßen?“ Er mustert seinen Mitarbeiter. „Wie siehst du denn aus? Du bist ja ganz blass!“

Jetzt findet Friedrich seine Sprache wieder. „Du musst mal gucken, Alfred. Ich glaube, ich habe einen Totenschädel gefunden.“

„Du hast was?“ Die Stimme von Vorarbeiter Reinecke überschlägt sich fast. „Damit macht man keine Witze!“

Friedrich Meister nickt lautlos, dann krächzt er: „Nein, ganz im Ernst, ich bin eben beim Buddeln auf einen menschlichen Schädel gestoßen. Du musst kommen und dir das angucken!“

Alfred läuft hastig seinem Arbeiter hinterher. Wenn das mit dem Schädel stimmt, gibt es sicher eine Verzögerung von ein paar Tagen. In seinem Kopf schiebt er bereits Termine hin und her, um den knappen Zeitplan noch einhalten zu können.

Friedrich springt in den Graben, bückt sich und weist auf den Fund unten im Sand. „Hier bitte, sieh selbst!“

Alfred Reinecke sieht auf den Schädel. „Scheiße Friedrich, du hast Recht.“

„Glaubst du, ich bin blöde? Ich bin auch mal zur Schule gegangen.“

Alfred sieht sich um und kratzt sich nachdenklich am Kopf. „Wir müssen zuerst die Stelle markieren, hier darf nicht weitergearbeitet werden. Steckt ein paar Stäbe in den Sand, Moniereisen oder so etwas, und verbindet sie mit dem weiß-roten Flatterband, ich werde die Polizei benachrichtigen.“

 

Werner Hansen sitzt in seinem Büro, er hat sich für einen Moment von seinem Bericht gelöst und klönt mit seinem Kollegen Wolfgang Ebert. Der ist ein Jahr älter als er und besetzt die nach dem Ruhestand von Jürgen Krüsmann freigewordene Stelle. Werner Hansen ist nach der Pensionierung seines von ihm sehr geschätzten Kollegen vor fünf Jahren zum Kriminaloberkommissar befördert worden und leitet nun kommissarisch die Mordkommission.

„Triffst du dich noch gelegentlich mit dem Hauptkommissar?“, möchte Wolfgang Ebert wissen.

„Klar doch! Er war nicht nur mein Chef, sondern ist immer noch mein Freund und Ratgeber.

Das Telefon klingelt, Werner Hansen zieht es zu sich heran. „Hansen, Kriminalpolizei Stade.“

Er hört eine Weile zu und macht sich ein paar Notizen. „Wie kann ich Sie finden? – Aha, an der Stader Elbstraße, Richtung Stadersand. Ihr Name ist Alfred Reinecke, habe ich das richtig verstanden? Okay, wir kommen. In etwa einer halben Stunde werden wir bei Ihnen sein.“

„Was war das denn?“, möchte sein Kollege wissen.

„Bei Ausschachtungsarbeiten hat man einen Schädel gefunden, wir sollen uns das mal ansehen. Ich rufe noch den Pathologen an, dann treffen wir uns an der Baustelle.“

Zwanzig Minuten später sitzen die beiden Kommissare in ihrem Dienstwagen, es ist ein schon etwas betagter beige-brauner Volkswagen, den schon sein Ex-Chef gefahren hat. „Zuerst die Freiburger Straße bis zum Obstmarschenweg, hinter der Durchfahrt durch den alten Deich und dann noch einen guten Kilometer“, erklärt Werner seinem Kollegen die Fahrstrecke. Das entstehende Schwingewerk ist allerdings kaum zu übersehen. Direkt in der langen Rechtskurve der Stader Elbstraße kann man bereits die Bagger, Planierraupen und die Buden der Bauarbeiter auf der linken Seite sehen. Werner biegt links ab, fährt auf die Baustraße, und hält neben einer Blechbaracke. Kaum hat er den Motor abgestellt, kommt jemand aus der Bude.

„Das ist gut, dass Sie so schnell kommen konnten. Mein Name ist Alfred Reinecke, ich bin der Vorarbeiter der Firma Matthies, der Baufirma für die Erdarbeiten und den Betonbau.“

„Ich bin Kriminaloberkommissar Hansen, das ist mein Kollege, Kriminalkommissar Ebert.“

„Folgen Sie mir, der Fundort ist etwa einhundert Meter von hier.“ Alfred Reinecke geht voraus, schon bald ist das weiß-rote Flatterband der Absperrung zu erkennen.

Werner Hansen sieht sich aufmerksam um. In einem Kilometer Entfernung sind die hohen Destillationskolonnen der Allylchlorid-Anlage zu sehen, dahinter befindet sich ein weiteres Werk, die PO/PG-Anlage. Die Stader Elbstraße nach Stadersand ist nicht weit entfernt, etwa hundert Meter hinter ihm.

Jetzt haben sie das ausgeschachtete Loch erreicht, der Vorarbeiter weist nach unten in den etwa einen Meter tiefen Graben. Die beiden Kommissare bücken sich und begutachten den Fund aus der Nähe. „Habt ihr noch mehr gefunden, Knochen oder so was?“, fragt Kommissar Hansen den Vorarbeiter.

„Nein, das ist alles, was wir haben. Soll ich meine Leute weitergraben lassen?“

„Nein, besser nicht. Ich werde die Spurensicherung benachrichtigen, die werden den Sand an der Fundstelle vorsichtig abtragen.“

Alfred Reinecke sieht seinen Zeitplan den Bach runtergehen. „Wie lange mag das dauern?“

Kommissar Hansen schüttelt den Kopf. Es ist überall dasselbe, am liebsten wäre es den Verantwortlichen, die Polizei würde auf der Stelle wieder umkehren. „Das ist schlecht zu sagen, vielleicht zwei Tage? Das kommt darauf an, wie komplett die Leiche ist und wie viel Gelände wir freilegen müssen.“

Plötzlich steht der Pathologe Dr. Messmer hinter ihnen. Wegen des Sandes haben sie seine Schritte nicht gehört. „Guten Tag, meine Herren!“, macht er sich bemerkbar.

„Hallo, Doktor. Wir haben schon gedacht, Sie kommen gar nicht mehr.“

Doktor Messmer lächelt etwas säuerlich, er kennt seine jungen Kollegen von der Kriminalpolizei. „Ihr habt wahrscheinlich alle Geschwindigkeitsbeschränkungen übertreten, nach dem Motto: Wir sind die Polizei!“ Er bückt sich und sieht zum Schädel hinunter.

„Das Wichtigste für uns ist im Moment, ob es ein Verbrechen war und wann die Person gestorben ist.“

„Das würdet ihr wohl gerne sofort wissen, was? Dafür benötige ich leider mehr Zeit. Vor allen Dingen muss der Rest des Körpers gefunden werden, wenn er denn existiert.“

„Gut, Doktor, ich werde vom Büro der Bauleitung aus die Spurensicherung informieren.“

Der Pathologe lässt sich etwas ungelenk in den Graben hinabgleiten, er ist nicht mehr der Jüngste. Jetzt zeigt er auf eine Stelle am Schädel, die mit Sand gefüllt ist. Er wischt den Sand mit der Hand herunter. „Hier! Die erste Frage kann ich sofort beantworten. Es war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Tötungsdelikt. Seht ihr das Loch? Es ist etwa ein bis zwei Zentimeter breit und fünf Zentimeter lang. Die Lage am Vorderschädel lässt eher auf einen Schlag als auf einen Sturz schließen.“

Die beiden Kommissare staunen, Doktor Messmer genießt es, sie so überrascht zu haben. „Die Hautreste am Schädel sind noch nicht völlig zersetzt, danach könnte es zwischen zwei bis fünf Jahren her sein. Das ist aber nur eine grobe Schätzung, mehr erfahrt ihr…“

„In zwei Wochen“ ergänzt Werners Kollege Wolfgang Ebert grinsend.

Der Pathologe schüttelt sein graues Haupt. „Womit habe ich das verdient? Ich könnte euer Vater sein, bitte etwas mehr Respekt.“ Er lächelt still vor sich hin, die Arbeit mit den beiden jungen Leuten macht ihm viel Freude, sie sind angenehme Kollegen, tüchtig und hilfsbereit. Er räuspert sich. „Die Bestimmung des Skelettalters ist nicht einfach, ich kann euch einen Tag, nachdem mir alle Teile vorliegen, eine sehr grobe Datierung geben, um es genauer zu bestimmen, kann es auch zwei Wochen dauern.“ Er sieht Wolfgang Ebert über den Brillenrand hinweg an.

„Ja, ja, ich wollte nur witzig sein“, lenkt der ein.

„Kann ich bei Ihnen telefonieren?“, fragt der Oberkommissar den Vorarbeiter.

„Ja, sicher doch, bitte hier entlang!“ Alfred Reinecke eilt voraus, sein ganzes Bestreben gilt jetzt der raschen Abwicklung dieser leidigen Angelegenheit.

Werner Hansen blickt nach oben. Im Moment sieht es noch gut aus, keine Wolke zeigt sich am stahlblauen Himmel. „Falls sich das Wetter verschlechtern sollte, könnten Sie dann bitte ein Zelt über dem Fundort anbringen lassen?“

Der Vorarbeiter hält dem jungen Mann die Tür zu seiner grauen Blechbude auf. „Klar doch, ich bin sehr daran interessiert, dass wir bald weiterarbeiten können.“

Werner Hansen spricht mit den Kollegen von der Spurensicherung. Er hört, dass sie in einer Stunde kommen können. „Wunderbar, ich warte, bis Sie hier sind, und fahre dann wieder zum Kommissariat zurück.“ Er legt den Hörer auf und sieht den vierschrötigen Vorarbeiter an. „Ich fange am besten bei Ihnen an: Wer hat den Toten gefunden?“

„Das war mein Mitarbeiter, Friedrich Meister, heute Morgen, kurz nach elf.“

Kommissar Hansen schreibt in sein zerfleddertes Notizbuch, bald wird er ein neues benötigen. „Seit wann wird hier auf der Baustelle gearbeitet?“

Der Vorarbeiter kratzt sich am Kopf und schiebt dabei seinen Bauhelm auf den Hinterkopf. „Seit ziemlich genau einem Monat. An einem Mittwoch, das war der 17. Mai, sind hier zuerst Vermessungen durchgeführt worden.“

„Ist Ihnen in der Zeit irgendjemand aufgefallen? Jemand, der nicht hierhergehört?“

„Nein, das nicht. Ich kann allerdings nicht jeden überprüfen, es ist ein ständiges Kommen und Gehen auf der Baustelle.“

„Hm, ja, das kann ich mir vorstellen.“ Werner Hansen klappt sein Büchlein zu und geht nach draußen. Sein Kollege spricht mit einigen Bauarbeitern, die sich um ihn geschart haben. „Schon irgendwelche Erkenntnisse?“

„Nein. Wir scheinen hier ein paar Jahre zu spät zu sein. Ich fürchte, wir müssen in die Vergangenheit abtauchen.“

„Das scheint mir auch so. Wir sollten von Doktor Messmer die Bestimmung des Alters und des Geschlechts abwarten, dann legen wir los. Ich werde auch meinen früheren Chef Jürgen Krüsmann anrufen, der war bis zu seiner Pensionierung Leiter der Mordkommission bei uns in Stade. Er hat vielleicht noch eine Idee.“

Ein weißer Opel Rekord fährt durch die Öffnung im Bauzaun, sie kennen das Fahrzeug, es gehört der Abteilung für Spurensicherung. Die beiden Kommissare begrüßen ihre Kollegen und führen sie zu der Fundstelle. Herr Marksen, einer der beiden Mitarbeiter von der Kriminaltechnik, sieht in den ausgehobenen Graben hinunter. „Wir müssen über ein paar Quadratmeter den Sand vorsichtig entfernen, um die ganze Leiche – wenn sie denn hier liegen sollte – zu bergen. Das wird bis mindestens morgen Abend dauern.“

 

Fünf Tage später meldet sich der Rechtsmediziner im Kommissariat. Dieses Mal nimmt Kriminalkommissar Ebert den Hörer ab, sein Kollege hält sich im Obergeschoss bei den Kollegen von der Spurensicherung auf.

„Guten Tag, Herr Ebert. Ich wollte ihnen die bislang vorliegenden Erkenntnisse der Untersuchung des Skelettes mitteilen.“

„Legen Sie los, Doktor, ich bin bereit, mitzuschreiben.“

„Also, dann: Wir haben das komplette Skelett gefunden, nur der Kopf ragte in den Graben für diese Feuerlöschleitung hinein. Nur dreißig Zentimeter weiter, und die Leiche wäre nie entdeckt worden. Gut, jetzt zu den Einzelheiten. Der Tote war männlich, man kann das am fehlenden Geburtskanal im Becken erkennen. Er war normal groß, etwa 1,75 Meter, plus/minus fünf Zentimeter. Genauer geht es jetzt nicht mehr.“

Kommissar Ebert nickt, was sein Gesprächspartner natürlich nicht sehen kann. „Sehr gut, das hilft uns bestimmt weiter.“

„Weniger genau ist das Todesalter zu bestimmen. An dem Zustand der Knochen und den Resten der Haut und der Sehnen würde ich meinen, dass er etwa drei Jahre tot ist, plus/minus etwa ein Jahr. Ich habe Kontakt mit der Rechtsmedizin vom Eppendorfer Klinikum aufgenommen und hoffe, dass die Kollegen es noch genauer beurteilen können. Was noch? Ja, der Mann war zum Zeitpunkt des Todes etwa 45-50 Jahre alt. Die Form des Loches im Schädel lässt auf einen Hieb mit einer Axt schließen. Vielleicht war es auch ein Spaten. Das Gebiss ist noch gut erhalten. Wir sollten Verbindung mit den Zahnärzten in der Umgebung aufnehmen.“

„Das würde uns sicher weiterhelfen. Ich werde schon mal die alten Vermisstenanzeigen durchsehen, mal sehen, was sich aus der Zeit finden lässt.“

„Der Tote ist mit ziemlicher Sicherheit in einem Sack zum Fundort gebracht worden, es sind Reste von Fasern in der Umgebung der Leiche gefunden worden. Dazu noch ein paar Ziegelsteine, die dienten wohl zur Beschwerung. Das ist aber nur eine Vermutung, diese Ziegel findet man dort überall. Darüber können die Kollegen von der Spurensicherung wahrscheinlich mehr sagen.“

„Vielen Dank, Doktor. Sie waren uns wieder einmal eine große Hilfe.“

 

Am folgenden Wochenende ist ein Besuch des Oberkommissars Hansen bei seinem früheren Kollegen, Jürgen Krüsmann, vorgesehen. Genau genommen hat Werner Hansen sich bei „den Krüsmanns“, wie er immer sagt, fast selbst eingeladen. Er hat seinen alten Chef angerufen und das Gespräch, unauffällig, wie er meinte, auf seinen neuen Fall gebracht. Wie zu erwarten, war der alte Kriminalbeamte neugierig geworden und hatte die kleine Familie eingeladen. Die Aktion erfordert einige Planung. Seine Frau Gabriele soll mitfahren, ebenso ihr erstes Kind, Christian. Ein zweites Kind ist unterwegs, man sieht es seiner rothaarigen Frau schon an, sie ist im sechsten Monat schwanger.

Jürgen Krüsmann und seine Lebensgefährtin Anna von Rönn freuen sich sehr über den Besuch. Der Junge wird geherzt, er ist ein süßer Knirps von drei Jahren, mit rotblonden Haaren.

„Soll das nächste Kind wieder ein Junge werden?“, fragt Anna von Rönn.

„Wenn er so lieb sein wird wie sein Bruder, ist mir das egal“, erklärt die junge Mutter. „Obwohl, ein kleines Mädchen wäre mir auch recht. Werner ist das sowieso egal – sagt er jedenfalls“, fügt sie noch lächelnd hinzu.

Werner sitzt bei seinem alten Kollegen in dessen Arbeitszimmer, die Frauen haben es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht, der kleine Christian spielt mit einem Blechauto auf dem Teppich.

„Wie fühlst du dich?“, fragt die Ältere, „ist alles in Ordnung mit dem Baby?“

Gabi Hansen lächelt. „Ja, der Doktor sagt, es ist alles bestens.“ Die junge Frau blickt versonnen zu ihrem Sohn hinüber. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich so ein normales Leben führen kann.“

Anna weiß, worauf Gabi anspielt. Sie war in ihrer Jugend, bevor sie Werner Hansen kennengelernt hatte, auf dem Kiez in Sankt Pauli gestrandet und nur unter großer Mühe dieser Welt entkommen. Anna schüttelt sachte den Kopf. „Das ist das Leben, das schon immer für dich vorgesehen war, sonst hättest du nicht so eine Freude daran. Wo wir gerade von Freude sprechen: Wollen wir nicht nächste Woche mit Christian zu Hagenbeck fahren? Einen schönen Tag verbringen? Was meinst du?“

Christian bekommt das mit und springt auf: „Ja! Hagenbeck! Ich will zu den Elefanten!“ Die beiden Frauen freuen sich wegen seines Eifers.

Im Arbeitszimmer haben sich Kommissar a. D. Krüsmann und Kommissar Hansen einen Cognac eingeschenkt, der alte Herr holt eine Pfeife aus einem Schubfach und fängt an, sie bedächtig zu stopfen.

„Du rauchst Pfeife? Seit wann das denn?“

Jürgen Krüsmann lacht. „Ich hab‘ schon Pfeife geraucht, da bist du noch zur Schule gegangen, mein Lieber! Ich habe im Krieg damit angefangen, hab‘ es bei einem Kameraden gesehen und fand es irgendwie so gemütlich. Man ist aber während des Krieges und auch danach kaum an guten Tabak gekommen und da bin ich irgendwie an den Zigaretten hängen geblieben. Inzwischen kann man aber wirklich guten Tabak kaufen und diese Pfeife“, er hält sie in das Licht, damit sein Freund sie ausgiebig bewundern kann, „hat Anna mir zu Weihnachten geschenkt. Ein Schmuckstück, oder?“

Werner versteht nichts von den Feinheiten einer guten Pfeife, aber sie sieht sehr edel aus. „Bildschön“, sagt er höflich. Wohlriechender Rauch steigt aus dem Pfeifenkopf auf. „Hast du dich inzwischen an den Ruhestand gewöhnt?“, fragt er dann.

Jürgen Krüsmann lacht. „Ich habe keine Langeweile, falls du darauf anspielen solltest. Ich freue mich aber immer über die Berichte aus deinem Polizeialltag. Du hast doch sicher auch jetzt etwas auf dem Herzen, oder?“ Er lächelt seinen jungen Kollegen aufmunternd an.

Seinem alten Chef kann er nichts vormachen. „Ich habe tatsächlich eine Frage zu meinem neuen Fall und ich bin sicher, dass du mir weiterhelfen kannst, denn der eigentliche Vorgang reicht in eine Zeit zurück, in der Du noch im Dienst warst, ich war dagegen wahrscheinlich noch in Hannover auf der Schule.“

Ex-Hauptkommissar Krüsmann lehnt sich entspannt zurück und lauscht konzentriert der Beschreibung seines Nachfolgers. Er lässt das Gehörte noch einen Moment sacken. „Du hast doch bestimmt schon alle Vermisstenfälle durchgesehen, oder?“

„Ja, ich habe 1964 angefangen, bis 1970, um ganz sicher zu gehen.“

„Und, war etwas dabei?“

„Es gibt noch ein paar ungeklärte Fälle, zweimal ein vermisstes Mädchen und ein vermisster Landwirt aus Bützfleth. Die Mädchen fallen durch das Raster, der Landwirt wurde nach deiner Zeit als vermisst gemeldet. Er passt vom Alter und der Größe zu dem gefundenen Skelett, wir glauben deshalb, dass er der Tote ist.“

„Wie heißt er denn, vielleicht fällt mir ja etwas ein?“

„Es sollte ein Obstbauer mit Namen Hermann Gerken sein. Sagt dir das etwas?“

Herr Krüsmann runzelt die Stirn. „Ja, ich erinnere mich, der wurde seit Juni 1969 vermisst. Das ist allerdings mehr deine Zeit.“

„Richtig, das stimmt. Ich erinnere mich nur leider kaum noch, und hoffe nun auf einige Eingebungen von dir.“

Kommissar Krüsmann holt aus: „Hermann Gerken war damals sehr unbeliebt bei seinen Nachbarn auf dem Bützflethersand, er ist überheblich und aufbrausend zu ihnen gewesen, damit hat er sich keine Freunde gemacht. Er hatte einen gut gehenden Obsthof und wäre durch den Verkauf seiner Ländereien an die Dow Chemical noch reicher geworden. Nur ist damals, als er verschwand, kein Tötungsdelikt erkannt worden, es wurde ja auch keine Leiche gefunden.“

„Gut, Jürgen, ich werde gleich Anfang der Woche in dem Umfeld anfangen. Du hast immer einen sechsten Sinn für solche Dinge gehabt, vielleicht muss ich dich noch ein paar Mal um Rat fragen.“

„Nur zu, du weißt, dass ich dir gerne helfe.“

„Was macht eigentlich dein Bein?“

„Das wird natürlich nicht besser. Da ich jetzt jedoch mehr Gelegenheit habe, mich auszuruhen, auch dank Annas Hilfe, wird es zu mindestens nicht schlimmer.“

 

Kapitel 2: 1963/64 - Schnaps-Idee und die Planung

 

Es ist Abend, in der Gaststätte ist viel Betrieb, die Luft ist rauchgeschwängert. In einer Nische sitzen zwei Herren und reden miteinander. Beide sind gut gekleidet, sie gehören ganz offensichtlich den besseren Kreisen an. Der Lärm der anderen Gäste scheint sie nicht zu stören, tief sind sie in ihr Gespräch versunken und gehen bedeutenden Ideen nach.

„Nico, wir müssen etwas für die Entwicklung des Landes an der Elbe unternehmen.“

„Was kann ich dabei tun?“ Der Bürgermeister des kleinen Ortes an dem großen Fluss zieht an seiner Zigarette. „Ich ahne, was du vorhast, kannst du bitte etwas deutlicher werden?“

Der Minister greift nach seinem Glas und nimmt einen kräftigen Schluck. „Mir macht die wirtschaftliche Entwicklung von Nord-Niedersachsen zu schaffen. Im Bundesdurchschnitt sind 140 von 1000 Einwohnern in der Industrie beschäftigt, im Regierungsbezirk Stade sind es nur 40 von 1000. Du weißt, was das bedeutet?“

Der Bürgermeister und Mitglied des Landtages, Inhaber eines Fuhrunternehmens und eines Obstgroßhandels, nickt. Viele seiner Mitbürger sind in der Landwirtschaft beschäftigt, andere verdienen ihr Brot durch Transporten auf kleinen Schiffen, den Küstenmotorschiffen. Der größte Teil der Bevölkerung an der Unterelbe lebt noch von der Hand in den Mund, wie schon seit hunderten von Jahren. Viele besitzt eine Kuh oder ein Schwein, auch ein paar Hühner. Gegen Jahresende wird geschlachtet und Wurst und Schinken für die kargen Wintermonate zubereitet. Der sich abzeichnende Strukturwandel wird viele von ihnen arbeitslos und noch ärmer werden lassen. Das ist der Lauf der Zeit und wird nicht so leicht aufzuhalten sein. „Wie willst du Industrie an die Unterelbe bringen?“

Minister Carlo Graaff holt tief Luft. „Pass auf, ich habe folgende Idee.“ Er nimmt noch einen Schluck und sammelt seine Gedanken. „Ich stelle mir das so vor: Seit der großen Sturmflut vom Februar 1962 wird doch jetzt viel Geld für den Küstenschutz ausgegeben. Für die Oste zum Beispiel ist bereits ein Sperrwerk in Planung.“

Bürgermeister Dreyer nickt. Die schwerste Sturmflut seit über einhundert Jahren hat gerade Bützfleth schwer getroffen. Seit den Ereignissen vom Februar 1962 laufen Planungen auf Hochtouren, um ein Sicherungskonzept für die gesamte Nordseeküste zu entwickeln.

„Siehst du, und da hängen wir uns dran. Vor den Bützflethersand wird ein Deich gebaut, mit einem Sperrwerk an der Bützflether Süderelbe und eines an diesem Fluss, … du weißt schon, der von Stade aus in die Elbe fließt.“

„Du meinst die Schwinge?“

„Ja, genau die, ich kann ja nicht alles wissen. Und dann holen wir uns Industrie auf den Bützflethersand. Deine Aufgabe ist es, die Bürger zu überzeugen, dass das eine gute Lösung für uns alle ist.“

Der Bürgermeister nickt wieder. „Mich musst du nicht überzeugen. Ich denke auch, dass die meisten von uns das genau so sehen werden. Den Rest muss ich dann überzeugen.“

„Siehst du, so stelle ich mir das vor. Du redest mit deinen Bürgern, ich mache Geld locker für die notwendige Infrastruktur der Industrieansiedlung. So wie es jetzt bei euch aussieht, locken wir niemanden dorthin.“

Wirtschaftsminister Carlo Graaff ist in seinem Element. Der 49-Jährige ist mit allen Wassern gewaschen. 1946 wurde er aus norwegischer Kriegsgefangenschaft entlassen, später bekleidete er verschiedene öffentliche Ämter und war Inhaber und Geschäftsführer einer Maschinenbaufirma. In den nächsten Wochen will er die Planungsgruppe für den Küstenschutz kontaktieren, später wird er sein Konzept der Bundesregierung vorstellen und das notwendige Geld beantragen.

Einer der nächsten Kontaktpartner des Wirtschaftsministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten ist das Treffen mit den 22 Deichverbänden von Niedersachsen. Er lässt sich von dem Vorsitzenden der Verbände die geplante neue Deichlinie an der Unterelbe erklären.

Der Unternehmer und gleichzeitig oberster Deichgraf aus Emden tritt mit ihm an eine Karte. Er greift nach einem Stock und führt ihn langsam an der Küstenlinie entlang. „Die schwere Sturmflut vom 16. und 17. Februar des letzten Jahres hat deutlich gemacht, dass wir in Sachen Küstenschutz umdenken müssen. Letztes Jahr sind an 61 Stellen die Deiche gebrochen, auf über 290 Kilometern wurden sie mehr oder weniger stark beschädigt. Was, wenn eine neue Flut über die maroden Deiche hereinbricht? Nein, wir müssen alle Deiche mit einer Gesamtlänge von 1000 Kilometern strukturell verbessern. Sie müssen viel höher werden, das Deichprofil muss den neuesten Erkenntnissen angepasst werden. Wir haben uns darauf geeinigt, dass alle Wasseradern, die in der Elbe enden, ein Hochwassersperrwerk erhalten müssen.“

„Woher nehmt ihr das Geld für diese Maßnahmen?“, möchte sein Besucher aus Hannover wissen. „Das ist ein bisher ungelöstes Problem. Wir schätzen die erforderliche Summe auf fast 900 Millionen Mark. Das können wir auf Landesebene nicht leisten und haben deshalb beim Bund um Unterstützung nachgefragt.“

„Ich werde meinen Einfluss bei der Bundesregierung geltend machen. Ich bin sicher, dass wir uns einigen werden. Wo habt ihr denn überall Hochwassersperrwerke vorgesehen?“ Der Wirtschaftsminister steuert jetzt auf sein eigentliches Ziel zu, der Industrieansiedlung an der Unterelbe.

„Wir haben dreizehn vorgesehen. Das Problem ist, dass wir sonst noch viele Kilometer Deiche, die zum Teil auf schwachem Boden stehen, ertüchtigen müssten. Da ist ein Sperrwerk günstiger, leider verkürzt sich dadurch die Deichlinie, sodass wir mit sich daraus ableitenden höheren Fluten rechnen müssen.“ Er kneift die Augen zusammen und nähert sich der Karte. „Hier, an der Oste, das ist der längste linke Nebenfluss der Elbe in Niedersachsen, da soll auf jeden Fall eines hin. Die Kollegen von Schleswig-Holstein planen bereits an Sperrwerken an der Krückau und der Pinnau. Auch auf unserer Seite sind einige Sperrwerke geplant, zum Beispiel am Ruthenstrom auf Asselersand, an der Schwinge und an der Bützflether Süderelbe.“

Minister Graaff schmunzelt vor sich hin, das läuft ja bestens. „Sperrwerke an der Schwinge und an der Bützflether Süderelbe machen doch nur Sinn, wenn auch der Bützflethersand eingedeicht wird, oder?“

„Ja, allerdings. Auf der anderen Seite sparen wir so das Nachbessern des jetzigen Bützflether Deiches, ein ganz neuer wird nur wenig teurer.“

Jetzt lässt der Wirtschaftsminister die Katze aus dem Sack. „Ich beabsichtige, Industrie für den Bützflethersand zu interessieren. Die kommen natürlich nur dann, wenn wir ausreichende Infrastruktur anbieten und vor allen Dingen Hochwasserschutz. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie aus dem Topf auch etwas Zuwendungen für Ihren Hochwasserschutz erhalten können.“

Jetzt strahlt Oberdeichgraf Krause über das ganze Gesicht. „Das wäre uns natürlich eine große Hilfe. Sie können auf jeden Fall mit unserer Unterstützung rechnen.“

Das war das, was der alte Hase aus Hannover hören wollte. Es ist noch viel Planung erforderlich, da müssen alle an einem Strang ziehen.

Bürgermeister Nicolaus Dreyer ist zurück in seinem kleinen Heimatort an der Unterelbe. Über Langeweile kann er nicht klagen, Gott sei Dank hat er tüchtige Vertreter für seinen Obstgroßhandel und sein Transportunternehmen während seiner Abwesenheiten in Hannover. Ihm spukt die Industrieansiedlung durch den Kopf. Ist so viel Industrie für seinen kleinen Ort nicht vielleicht zu viel? Sind die Bürger von Bützfleth, aus der Umgebung und auch aus Stade, den sich daraus ergebenden Problemen überhaupt gewachsen? Wo sollen die vielen neuen Arbeiter überhaupt wohnen und schlafen? Was ist mit breiteren Straßen, der Eisenbahn, einer Autobahn und der Elbbrücke?

Brr — er schüttelt den Kopf, so geht das nicht, eine sinnvolle und verlässliche Planung muss her. Es fängt schon mit so naheliegenden Dingen an wie Trinkwasser, Abwasser, Stromversorgung. In Bassenfleth steht seit drei Jahren ein neues Kraftwerk, es wird mit Öl betrieben. Nächstes Jahr soll der dritte Kraftwerksblock in Betrieb genommen werden. Ob das reichen wird? Wenn er das nächste Mal in Hannover ist, wird er mit seinem Wirtschaftsminister darüber sprechen müssen. Was sie brauchen, ist eine Planungsgruppe, die alles übergeordnet entwirft.

 

Eine Planungsgruppe des Landes Niedersachsen ist in Arbeit. Der Aufgabenplan ist lang, er enthält zum Beispiel ein Kraftwerk, das in der Nachbarschaft des bisherigen Kraftwerkes Schilling errichtet werden sollte. Die Industriebahn soll eine Abzweigung von der Strecke nach Bassenfleth erhalten und mit einer Klappbrücke über die Schwinge zum Bützflethersand geführt werden. Bisher ist außer der Benennung der Teilnehmer nicht viel passiert. Das Problem ist, dass noch völlig unklar ist, ob und wie viel Industrie sie hierherlocken können.

Die Planung für den Industrieschutzdeich und die Sperrwerke nimmt allmählich Gestalt an, dank des Küstenschutzprogrammes ist das Ziel klar. Es heißt, dass an ersten Plänen gearbeitet wird.

Bürgermeister Dreyer hat sich die Besitzverhältnisse auf dem Bützflethersand einmal angesehen. Südlich des Oberfeuers auf der Elbinsel gehört dem Landkreis ein 22 Hektar großes Grundstück, es reicht bis an die Elbe. Ein anderer Teil des Bützflethersandes gehört zwei Pächtern, die gegen eine entsprechende Entschädigung das gepachtete Land zurückgeben müssen. Der größte Teil des Bützflether Außendeichgeländes dagegen gehört Eigentümern, es sind die Familien Mader, Gerken und die Brüder Börger. Gegen eine vernünftige Summe sind die bestimmt bereit zu verkaufen.

Bei einigen seiner Nachbarn hat er schon ganz vorsichtig angefragt, was sie denn von etwas Industrie halten würden. Vielen ist es egal, andere erhoffen sich dadurch Arbeit und verbesserte Infrastruktur. Einige wenige sind völlig dagegen, mit denen wird er sich noch auseinandersetzen müssen.