Young Agents – New Generation

In den Fängen der Mafia

Band 1

eISBN 978-3-96129-196-0

Edel Kids Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © Edel Germany GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Text: Andreas Schlüter

Coverillustration: Max Meinzold

Covergestaltung: Antje Warnecke, www.nordendesign.de

unter Verwendung von Illustration und Gestaltung von

© Max Meinzold

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

INHALT

PROLOG

Ein neuer Auftrag

Erster Kontakt

Die Einschleusung

Erster Einsatz

Die erste Einbruchstour

Unerwarteter Besuch

POLIZEI!

Böse Konkurrenz

Ein Bandenkrieg?

Böse Überraschung

Der große Coup

Ein Treffen und ein blöder Fehler

Eine dicke Überraschung

Doppelagentin Abena

Tims Befreiung

Es läuft aus dem Ruder

Abenas Befreiung

Showdown!

PROLOG

Es ist Mitternacht, und ich bin nervös. Ich sitze gemeinsam mit zwei weiteren Kindern in einem alten, blauschwarzen Lieferwagen, der jetzt in einer einsamen, engen und dunklen Allee vor einer unbeleuchteten Villa hält. Obwohl sonst niemand in dieser Straße parkt, ist der Wagen in dem fahlen, gelben Lichtschein der Straßenlaternen kaum auszumachen. Die Anwohner haben ihre SUVs und Luxuslimousinen in ihren eigenen Tiefgaragen stehen. Unser Fahrer steigt aus und schiebt leise die hintere Seitentür auf.

Wir drei steigen aus. Niemand spricht ein Wort. Jeder weiß, was er zu tun hat. Unser Fahrer setzt sich wieder ans Lenkrad, um auf uns zu warten. Wir sehen uns vorsichtig und aufmerksam um. Niemand ist auf der Straße zu sehen.

Zu unserer komplett schwarzen Kleidung und unseren schwarzen, dünnen Handschuhen stülpen wir uns noch schwarze Sturmhauben über die Köpfe, die bis auf die Augen das ganze Gesicht verdecken. Eines der beiden anderen Kinder gibt mit einem Kopfnicken das Kommando. Wir brechen auf; überwinden eine zweieinhalb Meter hohe, massive Gartenumzäunung und schleichen uns unbemerkt an den Kameras vorbei, die an einigen Gartenlaternen angebracht sind.

Ich stoppe. Verdeckt hinter einer Konifere, rufe ich auf meinem Smartphone eine spezielle App auf und schalte damit von außen die Alarmanlage der Villa aus.

Anschließend nicke ich den beiden anderen zu. Wir schleichen weiter bis zum Haus.

Um die Villa herum.

Bis zur Terrassentür auf der Rückseite.

Dort ziehe ich ein besonderes Tool aus meiner Hosentasche und öffne nach nur wenigen Sekunden die Tür.

Wir steigen in die Villa ein.

Drinnen knipsen wir unsere Taschenlampen an und schleichen über die Treppe hinauf in die obere Etage.

Auch hier ist alles ruhig und dunkel.

Schnell, leise und systematisch durchsuchen wir Zimmer für Zimmer nach Wertsachen. Was wir finden, verstauen wir in unseren Rucksäcken.

Ein perfekter Einbruch. Eigentlich.

Genau den aber soll ich verhindern, ohne dass ich dafür verantwortlich gemacht werden kann. Es ist mein erster Einbruch und meine Bewährungsprobe, um mir das Vertrauen einer organisierten Einbrecherbande zu erschleichen.

Mein Name ist Tim. Ich bin elf Jahre alt und einer von drei neuen YOUNG AGENTS.

Woher ich komme und wie ich zu einem YOUNG AGENT wurde, berichte ich später. Jetzt hab ich zu tun. Mein erster Auftrag als neuer YOUNG AGENT lautet: Ich soll Mitglied in der Einbrecherbande werden, die Hintermänner aufspüren und identifizieren, um sie der Polizei auszuliefern.

Ich bin also nun bereits so weit gekommen, mit der Bande einen Einbruch durchziehen zu dürfen. Aber jetzt bin ich in der Zwickmühle: Einerseits muss ich die Bewährungsprobe als Einbrecher bestehen. Andererseits darf ich als YOUNG AGENT nicht so ohne Weiteres zulassen, dass dieser Raub gelingt. Ich will und darf ja eigentlich auch nicht wirklich Menschen bestehlen, sondern im Gegenteil: Ich soll die Einbrecher überführen. Deswegen suche ich nach einer Möglichkeit, den Alarm, den ich vorhin ausgeschaltet habe, wieder so zu aktivieren, dass erstens niemand bemerkt, dass ich es war, und zweitens unsere kleine Einbrechertruppe zwar noch rechtzeitig abhauen, aber in der hektischen Flucht nichts an Diebesgut mitnehmen kann. Das wird nicht einfach. Mir stehen ein wenig die Schweißperlen auf der Stirn. Meine Hände zittern leicht.

Ich sehe mich um. Wir sind wieder unten im Erdgeschoss; einer in der Küche, der andere in dem riesigen Wohnzimmer, von dem auch die Terrasse abgeht, über die wir eingestiegen sind.

Die Gelegenheit ist günstig. Ich verziehe mich unbemerkt in einen kleineren Raum, der wohl als Musikzimmer dient. Außer einem Klavier, einem Sofa und einigen Gitarren an der Wand gibt es hier nichts.

Die Luft ist rein.

Ich ziehe mein Smartphone hervor, um heimlich die Alarmanlage wieder zu aktivieren. Doch genau in diesem Moment betritt einer meiner vermummten Komplizen das Zimmer! Das helle Deckenlicht geht an. Eine Sirene ertönt laut und kurz.

Das Signal kommt aber nicht von der Alarmanlage.

Oh verdammt! Ich hab’s versaut.

Der vermummte Komplize nimmt seine Maske ab. Es ist – Naomi!

»Abbruch. Das war’s«, sagt sie.

»Scheiße!«, fluche ich.

Mein zweiter Komplize betritt den Raum, jetzt auch ohne Maske. Es ist Liam.

»Jetzt hätten sie dich am Kragen, mein Freund.«

Ich presse meine Lippen zusammen, um meine Tränen zu unterdrücken. So eine Scheiße! Alles war ein Training der YOUNG AGENTS. Meine Generalprobe.

Allerdings ist mein Auftrag real: Tatsächlich soll ich mich Undercover in eine Einbrecherbande einschleusen. Nur: Die Aufgabe steht mir noch bevor. Diese Übung hier gehört zu einem Vorbereitungstraining.

»Komm mit«, sagt Naomi. »Wir werten es aus.«

Ich bin völlig fertig.

»So schlecht warst du gar nicht«, versucht Liam, mich zu trösten.

»Schlecht genug, dass er aufgeflogen und sein Leben in Gefahr wäre«, widerspricht Naomi.

Der Autor

Andreas Schlüter wurde 1958 in Hamburg geboren, machte dort auch Abitur und eine Kaufmannslehre. Er leitete mehrere Jahre Kindergruppen in sozialen Brennpunkten und gründete 1989 ein Journalistenbüro, über das er Reportagen für Zeitungen schrieb und später als Nachrichtenredakteur fürs Fernsehen arbeitete.

Mit »Level 4 – Die Stadt der Kinder« gelang Schlüter 1994 der Durchbruch als Schriftsteller. Er hat mittlerweile über hundert Kinder- und Jugendbücher geschrieben und arbeitet seit 2003 immer wieder auch als Drehbuchautor.

DIE EINSCHLEUSUNG

Drei Stunden, nachdem Billy und ich in der Flüchtlingsunterkunft waren, sitzen wir sechs YOUNG AGENTS auf der großen Wiese im Hamburger Stadtpark zusammen. Sich in der Agentenwohnung zu treffen, erschien uns mit so vielen Personen zu auffällig. Ohnehin ist es schon schwierig genug, die Agentenwohnung geheim zu halten. Wenn zwei Kinder allein in einer Wohnung leben, fällt das irgendwann den Nachbarn auf, die dann vielleicht das Jugendamt oder die Polizei informieren. Und schon gehen die Nachforschungen und Befragungen los.

Deshalb kommt der Prof regelmäßig vorbei. Nur, um der Nachbarschaft zu zeigen, dass es offenbar einen berufstätigen Vater der beiden Kinder gibt. Charles und Naomi tun ihr Übriges, um jeglichen Kontakt mit den Nachbarn zu vermeiden. Seit Balu auch in der Wohnung untergebracht ist, ist alles noch komplizierter geworden. Zurzeit prüft der Geheimdienst, ob man die Wohnung wechseln sollte.

Jedenfalls haben wir entschieden, uns möglichst nicht zu sechst in der Wohnung zu treffen. So sitzen wir jetzt im Kreis auf der Wiese. Von Weitem soll es auf Außenstehende den Eindruck erwecken, ein paar Kids, vielleicht aus derselben Schulklasse, hätten sich einfach am Nachmittag getroffen, um gemeinsam abzuhängen. In Wahrheit geben Billy und ich einen Lagebricht über unsere ersten Kontakte in der Flüchtlingsunterkunft.

»Today in the evening ist diese Meeting?«, fragt Charles, der im Gegensatz zu Naomi immer noch recht gebrochenes Deutsch spricht. Auch ich habe in deutlich kürzerer Zeit erheblich besser Deutsch gelernt als er. »Das ging schnell!«

Billy nickt ihm zu. »Ja, wir haben Glück gehabt, gleich auf die Richtigen zu treffen.«

»Oder dieser Ami trifft sich mit jedem aus der Unterkunft. Wäre ja auch möglich«, wirft Naomi ein.

Billy wiegt abschätzend den Kopf hin und her. »Das glaube ich nicht. Wie auch immer: Auf jeden Fall war Abena mal wieder eine Meisterin darin, die Jungs auszufragen.«

Ich fühle mich geschmeichelt und schaue verlegen zu Boden.

»Und?«, fragt Balu. Auch sein Deutsch ist recht gut. Aber man hört deutlich seinen indischen Akzent. »Wie geht es weiter?«

»Wir müssen diesen Ami treffen«, erläutert Billy. »Denn noch wissen wir ja gar nicht, ob er von der Einbruchsbande kommt und neue Diebe sucht. Wir vermuten es nur.«

Balu hebt staunend seine Augenbrauen. »Ihr meint, vielleicht vermittelt er ihnen wirklich eine seriöse Arbeit?«

Billy winkt ab. »Wohl kaum. Das würde über andere Wege laufen. Über einen offiziellen Aushang im Flüchtlingsheim oder so. Also, legal ist es sicher nicht, was Ami zu bieten hat. Die Frage bleibt aber, ob wir es hier wirklich mit unserem gesuchten Clan zu tun haben.«

»Auf jeden Fall gehen wir heute um 18 Uhr zum Treffen«, sage ich.

Nun ist Charles es, der verwundert nachfragt. »Really? Ihr seid doch gar nicht … wie heißt es?«

»Verabredet?«, springe ich ihm bei. »Nein. Aber das kriegen wir schon hin.«

»Gut«, sagt Tim. »Aber wann haben wir denn endlich etwas zu tun?«

Er meint damit sich und Balu.

Naomi lächelt ihm zu. »Keine Sorge, früher, als dir lieb ist.«

Tim schüttelt den Kopf. »Das glaube ich nicht. Denn von mir aus kann es sofort losgehen.«

»Du musst dich noch etwas gedulden«, mahnt Billy ihn.

»Billy?«, fragt Naomi und steht auf. »Ich gebe eine Runde Eis aus. Kommst du mit, mir tragen helfen?«

Billy schaut sie einen kurzen Moment fragend an.

Vermutlich fragt er sich wie ich, wo sie denn hier Eis kaufen will.

Doch dann steht er auf und geht mit Naomi los.

Ich schaue in die Runde und ahne, was die beiden vorhaben. Naomi hat ihre Schwierigkeiten mit Tim. Sie hält ihn noch für zu wenig ausgebildet. Und nachdem Tim seine Generalprobe ziemlich verbockt hat, zweifelt Naomi möglicherweise daran, ob es richtig ist, Tim wirklich schon so voll einzusetzen. Ich weiß zwar nicht so genau, wieso sie Charles nicht mit in ihre Beratungen einbeziehen. Aber ich hab schon länger den Eindruck, dass bei den alten YOUNG AGENTS Naomi und Billy das Sagen haben.

Und da Billy Tims Mentor ist, wird er vermutlich das letzte Wort haben. Außerdem hat der Prof die Einteilung der Aufgaben vorgenommen. Dagegen darf man ohnehin nichts sagen.

Nach kurzer Zeit kommen die beiden zurück und haben tatsächlich Eis mitgebracht. Wir vier greifen freudig zu und machen in unseren Planungen weiter. Wenn ich aber Billy und Naomi ins Gesicht schaue, dann bin ich mir sicher, dass ich mit meinen Vermutungen richtigliege. Die haben sich über Tims Schwächen unterhalten.

Am Abend stehe ich mit Billy pünktlich am Treffpunkt. Besser gesagt: eine halbe Stunde vor der verabredeten Zeit. Bevor Billy und ich heute Mittag die Flüchtlingsunterkunft verlassen haben, hatte ich von Asante noch erfahren, dass Ami Ben und Asante vom Eingang der Wohnunterkunft abholen will. Jetzt sind wir also wieder hier.

Aber »abholen«? Wir haben leider keine Ahnung, was Ami damit gemeint haben könnte. Asante konnte es mir auch nicht sagen. Zu Fuß, mit dem Rad, gar mit einem Auto?

Sicherheitshalber sind wir beide mit unseren E-Bikes gekommen. Spezialanfertigung des Geheimdienstes, mit dem wir bis zu sechzig Stundenkilometer schnell sein können. Damit sind wir eigentlich so schnell wie die Autos, zumindest solange die sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten.

Billy und ich haben uns verdeckt gegenüber der Unterkunft aufgestellt und observieren von dort den Eingang.

Balu sitzt in der Agentenwohnung am Laptop.

Billy und ich sollen versuchen, Ami einen GPS-Chip zuzustecken oder an seinem Gefährt anzubringen, sodass Balu ihn auf der Computerkarte verfolgen kann. Zwar ist Charles Balus Mentor, doch Naomi ist die bessere Computertechnikerin. Deshalb schaut sie Balu bei seiner Arbeit über die Schulter, ob er seine Sache gut macht. Wir sind zusätzlich über Bluetooth-Headset und Smartphone mit den beiden verbunden.

Für eine Verfolgung mit der bemannten Drohne ist es noch zu früh, weshalb Charles, aber auch Tim noch nicht zum Einsatz kommen. Tim sitzt zu Hause in Billys Wohnung und wird sich wohl fürchterlich langweilen oder nervös auf- und abtigern und seinem Einsatz entgegenfiebern.

Charles hockt wohl in seinem Zimmer in der Agentenwohnung und befindet sich sozusagen im Standby-Modus, falls sein Einsatz doch erforderlich werden sollte.

Kurz vor sechs öffnet sich der Haupteingang der Wohnunterkunft und Asante und Ben kommen heraus. Offenbar haben sie wirklich keine Ahnung, was auf sie zukommt. Denn die beiden geben sich völlig unbeschwert, unterhalten sich laut, lachen, feixen ein bisschen und erwecken überhaupt nicht den Eindruck, mit jemandem verabredet zu sein. Sie scheinen auch kein bisschen nervös oder aufgeregt zu sein, obwohl es für sie doch darum geht, ob sie gleich einen Arbeitsplatz ergattern können oder nicht.

»Meinst du, die spielen nur so lässig?«, frage ich Billy.

»Die Frage hab’ ich mir auch gerade gestellt«, antwortet Billy. »Aber ich glaube, nicht. Noch gehören sie ja nicht zu der Einbruchsbande. Woher sollten sie gelernt haben, sich so professionell unauffällig zu verhalten?«

Meine Smartwatch zeigt nun Punkt 18 Uhr an. Mein Blick geht hinüber zu Asante und Ben.

»Die beiden schauen nicht auf die Uhr«, teile ich Billy mit. »Aber die warten doch auf Ami, oder nicht?«

»Ben hat gar keine Uhr, soweit ich das sehe«, antwortet Billy.

»Der hat doch ein Handy, auf dem er die Zeit ablesen kann«, erwidere ich.

»Du hast recht«, stimmt Billy mir zu.

Die beiden zeigen nicht die geringste Reaktion darauf, dass sich ihre Verabredung verspätet. Sie schauen sich nicht um, nicht die Straße entlang, nicht auf die Uhr, recken nicht die Hälse.

Sie tun einfach nichts. Stehen nur da, unterhalten sich und sind guter Laune.

»Vielleicht nehmen sie es nicht so genau mit der Pünktlichkeit«, mutmaßt Billy.

Hä? Was ist das denn für ein Spruch?

»Weil es Ausländer sind, und die sind per se immer unpünktlich, oder wie?«, raunze ich Billy etwas rauer an als ich es eigentlich gewollt hatte.

»Nein«, antwortet Billy ein wenig entrüstet, dass ich ihm so etwas unterstelle. »Weil es Jugendliche sind. Denen kommt es doch oft nicht so auf die Minute an. Kennst du doch aus der Schule. Sie vertrauen gutmütig darauf, dass Ami kommt, weil er es ihnen versprochen hat.«

»Okay«, muss ich zugeben. Das ist ein Argument. »Zumindest aber waren sie rechtzeitig vor der Tür.«

In dem Moment kommt ein recht teurer Sportwagen die Straße entlanggefahren.

Billy und ich wechseln einen Blick.

Billy gibt sofort per Smartphone an Balu durch:

Achtung! Ich denke, es geht los.

Doch der Wagen rollt an uns vorbei. Hinter dem Lenkrad sitzt eine blonde Frau mittleren Alters.

»Geschäftsfrau«, behauptet Billy einfach mal so.

»Woran willst du das so schnell erkannt haben?«, frage ich ihn.

»Ein bisschen was haben wir auf der Akademie eben gelernt«, antwortet Billy lächelnd. »So etwas erkenne ich.«

»Ach«, sage ich. »Und was meint dein kleines Sherlock-Holmes-Superhirn, wie kommt Ami hierher? Per Fahrrad? Zu Fuß? Oder in einem Auto?«

»Ich gebe zu, ich hab mit jemandem gerechnet, der auf dicke Hose macht«, räumt Billy ein.

»Dicke Hose?« Ich hab zwar wirklich sehr schnell Deutsch gelernt, aber den Ausdruck kenne ich nicht.

»Einen Angeber habe ich erwartet«, erläutert Billy. »Andererseits, ein schlichtes Auto würde nicht so auffallen. Bei einem teuren Sportwagen würden Asante und Ben vielleicht gleich misstrauisch werden.«

»Oder wären so beeindruckt, dass sie sofort alles mitmachen«, widerspreche ich.

Billy stimmt mir zu. »Ja, auch möglich.«

»Da ist er!« Ich sehe Ami und tippe Billy aufgeregt in die Seite.

Billy hingegen muss sich erst mal umschauen. Er hat Ami noch nicht entdeckt.

Ich tippe ihn nochmals an und zeige in die andere Rich-
tung.

Jetzt sieht Billy ihn: Ami kommt mit einem Mountainbike vorgefahren.

»Er fährt E-Bike!«, wie Billy auf den zweiten Blick erkennt.

»Genau wie wir«, stelle ich fest und muss grinsen. »Glück gehabt!«

Denn das wird uns unsere Verfolgung erleichtern. Auch wenn Amis Rad sehr gut ist, soweit ich das erkenne, schneller als die Spezial-E-Bikes, die wir vom Geheimdienst bekommen haben, wird es ganz bestimmt nicht sein. Da bin ich mir genauso sicher wie Billy.

Erneut gibt Billy Balu den neuesten Stand durch. Dieses Mal lässt er das Smartphone angeschaltet und springt auf Video, sodass Balu am Computer in der Agentenwohnung das Geschehen hier vor Ort live mitverfolgen kann.

»So«, sagt Billy zu mir. »Dein Part. Los geht’s!«

»Alles klar!«, antworte ich. Bevor ich auf mein Rad steige, stelle ich parallel zu dem Videoanruf mit Balu per Smartphone noch eine direkte Verbindung zu Billy her. Dann fahre ich los. Billy bleibt weiter im Hintergrund und beobachtet das Ganze verdeckt von der anderen Straßenseite aus, während Balu und Naomi weiterhin per Computer mitschauen können.

Ich halte direkt bei den drei Jugendlichen und grüße sie freundlich.

Ami schaut mich als das für ihn fremde Mädchen so verwundert an, das kann bestimmt sogar Billy aus der Entfernung erkennen.

Bevor Ami mich irgendetwas fragen kann, reiche ich ihm freundlich lächelnd meine Hand. »Hallo! Ich bin Abena. Ich helfe hier ein bisschen.« Ich weise mit dem Kopf zum Wohnhaus. »Vor allem mit der Sprache. Aber ich will nicht weiter stören. Wollte nur Asante und Ben kurz Hallo sagen. Ich muss gleich wieder weiter. Ich glaube, ich hab meine Jacke vorhin drinnen liegen gelassen.«

Schon mache ich Anstalten, mich wieder von den drei Jungs zu entfernen.

Doch Ben hält mich auf. Ganz so, wie ich es mir erhofft hatte.

»Warte. Du kannst dolmetsch.«

»Dolmetschen?«, frage ich nach.

Ben nickt.

Doch Ami ist nicht sehr begeistert.

»Hey!«, widerspricht er. »Dolmetschen? Was soll das heißen? Wer ist das? Was hat ein Mädchen hier zu suchen?«

Er schaut Asante und Ben an, zeigt dabei aber auf mich.

Typisch! Ich als Mädchen gelte nichts für ihn. Aber nicht mit mir, mein Lieber!

»Hab ich doch gerade gesagt«, antworte ich ihm, obwohl er mich ausdrücklich nicht angesprochen hat. »Ich bin Abena und helfe hier.«

»Dolmetsch!«, wiederholt Ben.

»Sie spricht Persisch?«, fragt Ami nach.

Die älteren YOUNG AGENTS sprechen mehrere Sprachen, aber Persisch ist bisher nicht darunter. Auch kein Somali. Ich spreche außer meinem neu erlernten Deutsch bislang nur Englisch, meine Muttersprache. Andere Sprachen werden später noch dazukommen.

Doch so leicht lasse ich mich natürlich nicht in Verlegenheit bringen.

»Hallo? Ich bin hier. Sprich mit mir direkt, wenn du etwas wissen willst!«, gehe ich Ami forsch an.

Der zuckt für einen kleinen Moment zurück, geht dann aber sofort wieder in die Offensive. »Was willst du? Verschwinde! Mädchen haben hier nix zu suchen, verstehst du? Wir haben hier was zu bereden. Geschäftlich. Verpiss dich.«

»Was ist dein Problem?«, frage ich betont ruhig. »Hast du Angst vor Mädchen?«

»Alte!«, pöbelt Ami los. »Kein Problem. Die hier haben ein Problem.« Er wendet sich wieder Ben und Asante zu. »Wenn ihr einen Job wollt, dann ohne sie. Alles klar?«

Damit wendet sich Ami ab und geht.

Asante schaut ihm entsetzt hinterher, sieht nur kurz und verzweifelt zu mir. Ein Blick, der wohl heißen soll: Versau uns das nicht. Lass uns in Frieden und hau ab!

Dann ruft er Ami hinterher: »Warte!«, und läuft zu ihm.

Ben bleibt unschlüssig stehen. Auch er will den Job. Aber er scheint nicht zu verstehen, weshalb Ami so ein Problem mit mir hat. Fast entschuldigend sieht er mich an.

Das ist gut. Damit habe ich Ben und Asante schon mal getrennt und kann wenigstens Ben von weiteren Dummheiten abhalten. Ich gehe behutsam nah an Ben heran.

»Was für ein Idiot!«, schimpfe ich so leise über Ami, dass er und Asante mich nicht hören können. »Glaubst du wirklich, der will euch helfen?«

Ben ist verunsichert. »Er Arbeit hat für uns.«

»Vergiss ihn!«, rede ich ihm zu.

Wir beide beobachten, wie Asante mit Ami wieder ins Gespräch gekommen ist.

»Lass sie. Komm mit!«, flüstere ich Ben verschwörerisch zu. Ich lege meinen Arm um seine Schultern, drehe ihn fast unmerklich von den beiden Jungs weg und führe ihn langsam Richtung Haupteingang der Wohnunterkunft.

Ben lässt das widerstandslos mit sich machen und folgt mir. Offenbar vertraut er mir schon. Hinter meinem Rücken gebe ich Billy ein Zeichen. Ich weiß, dass er uns die ganze Zeit im Blick hat. Und über unsere Standleitung müsste er das Gespräch auch mitbekommen haben. Billy kennt meine Absicht und wird meine heimlichen Zeichen richtig deuten.

Sofort geht er über die Straße, direkt auf Ami und Asante zu.

Ich bekomme Amis Reaktion mit. Als er Billy auf sich zukommen sieht, bricht er abrupt das Gespräch mit Asante ab und ruft drohend zu Billy, noch ehe der ganz bei ihnen ist: »Was ist? Geh weiter! Hier gibt es nix!«

Ich stecke mir einen Ohrstöpsel ins Ohr, von dem Ben bestimmt glaubt, ich würde darüber Musik hören oder jederzeit zum Telefonieren bereit sein. In Wahrheit aber kann ich jetzt Billys Gespräch mit Ami mithören, ohne dass Ben es mitbekommt.

Ben bleibt stehen und schaut ein wenig hilflos zurück zu seinem Freund Asante und dann wieder zu mir. Ich schüttle den Kopf und sage: »Geh rein, Ben. Geh nach Hause. Das ist nichts für dich. Wir suchen etwas Besseres für dich.« Zwar etwas ungläubig, aber zustimmend, nickt Ben und geht zurück in die Wohnunterkunft. Ich drehe mich wieder den anderen zu.

Asante schaut nervös und augenrollend auf Billy. Soll heißen: Nicht auch das noch! Was will der denn hier?

»Tschuldigung!«, sagt Billy und geht auf Ami zu. »Ich will nicht stören.«

»Dann tu’s auch nicht. Geh weiter!«, unterbricht Ami ihn barsch.

»Ich hab das eben zufällig mitbekommen«, redet Billy unbeirrt weiter. »Ich hab mir gleich gedacht, das ist nichts für Ben. Ich wollte bloß nichts sagen heute Nachmittag.«

Ami sieht jetzt böse zu Asante. »Heute Nachmittag? Was war da? Gehörst du etwa zu der Kuh da hinten?«

Ich stehe ja noch in einiger Entfernung, aber nah genug, vor der Unterkunft. Ami zeigt auf mich.

Asantes Gesicht läuft rot an.

Billy übernimmt wieder das Wort, ohne auf Amis Einwurf einzugehen.

»Ben und Asante haben erzählt, bei dir kann man einen Job bekommen?«

»Was geht dich das an?«, schnauzt Ami ihn an. Er macht wieder Anstalten, sich umzudrehen und zu gehen. Wie eben schon mal.

Doch wir YOUNG AGENTS wissen, wovon Ben und Asante nichts ahnen: Ami kann gar nicht einfach gehen. Er hat den Auftrag, neue Diebe zu rekrutieren. Dreht er jetzt beleidigt ab, muss er sich gegenüber den Bossen des Einbrecherclans rechtfertigen. Das wird er sich so leicht nicht erlauben können.

Zugegeben, wir vermuten nur, dass es sich so verhält. Genau wissen tun wir es nicht. Noch nicht. Aber es genügt, dass Billy darauf setzen kann.

Und es funktioniert. Unsere Vermutung scheint zu stimmen. Denn Ami geht nicht. Und wendet sich wieder Billy zu.

»Und du suchst einen Job, oder wie?«, fragt Ami nun nach.

Na also, klappt doch! Unmerklich gehe ich wenige Schritte auf die Dreiergruppe zu, ohne dass Ami oder Asante es richtig wahrnehmen. Ich kann die Verhandlung zwischen Ami und Billy jetzt noch besser hören.

»Ich nicht direkt«, räumt Billy ein. »Aber ich hab einen Kumpel bei mir wohnen, der ist aus dem Heim abgehauen. In München. Und braucht dringend Geld. Ich glaube, der wäre genau der Richtige für euch.«

Ami schaut Billy finster an.

»Für uns?«, hakt er nach. »Wieso? Wer sind wir denn? Was weiß du von uns?«

»Nichts«, gibt Billy zu.

Es läuft super, finde ich. Bisher musste Billy noch nicht einmal lügen, um Tim für die Einbruchsbande interessant zu machen. Entsprechend wagt er es jetzt, in die Offensive zu gehen. »Aber mein Kumpel ist zu allem bereit. Er will nur nicht zurück ins Heim. Darf sich also auf keinen Fall von der Polizei erwischen lassen. Das ist doch für jeden super, der Leute sucht. Oder?«

Billys Angebot hat offenbar ins Schwarze getroffen.

Ami sieht ihn zwar immer noch finster an. Doch nach nur wenigen Sekunden sagt er: »Okay. Kommt mit, ihr beiden!«

Ami steigt auf sein Rad.

Billy will an Asante gewandt gerade wieder den Daumen hochstrecken. Doch dann erinnert er sich wohl an die Debatte vom Nachmittag und lächelt ihn deshalb nur freudig an. Asante hingegen atmet nur kurz auf. Offenbar hatte er seinen neuen Job erst durch meinen Auftritt, dann den von Billy, schon schwinden sehen. Nun ist er erleichtert, dass Ami sie beide mitnimmt.

Asante hat kein Rad. Das fällt Ami offenbar erst jetzt auf.

»Setz dich auf den Gepäckträger«, weist Ami ihn an.

Doch Asante versteht nicht. Das Wort »Gepäckträger« dürfte er noch nie gehört haben.

Billy zeigt auf seinen. »Fahr bei mir mit!«

Jetzt begreift Asante. Er setzt sich hinten aufs Rad und Billy gibt das Okay: »Wir sind soweit.«

Bevor Ami losfährt, fällt ihm noch etwas ein: »Wie heißt du überhaupt?«

»Billy.«

Billy setzt sich eine Radbrille auf, in die eine unsichtbare Cam integriert ist, tritt in die Pedale und folgt ihm, mit Asante hinten auf dem Gepäckträger.

Ich nehme mein Smartphone und gebe zur Agentenwohnung durch: »Habt ihr alles mitbekommen? Billy hat den Kontakt mit Ami aufgenommen.«

»Ja! Haben wir! Fantastisch!«, jubelt Naomi vor dem Computer in der Agentenwohnung. »Die beiden haben es geschafft. Liam ist drin in der Bande.«

Über die Cam in Billys Radbrille können Balu und Naomi die Fahrt verfolgen.

»Ich bin gespannt, wo die hinfahren«, sagt Balu. »Jetzt muss es im nächsten Schritt nur noch mit Tim klappen.«

EIN NEUER AUFTRAG

Wir steigen in den wartenden Lieferwagen, der nun zunächst Naomi zurück in die Agentenwohnung fährt, die sie gemeinsam mit Charles bewohnt.

»Also bis morgen dann!«, verabschiedet sie sich, als sie aussteigt.

»Bis morgen«, antwortet Liam, während ich ihr nur zaghaft und stumm zum Abschied winke. Naomi hat mich sowieso schon auf dem Kieker. Ich glaube, sie hält nicht viel von mir. Deshalb warte ich, bis wir ohne sie weiterfahren, ehe ich Liam frage: »Ist sie sehr sauer auf mich?«

Liam schüttelt den Kopf.

»Überhaupt nicht«, versichert er. »Naomi nimmt deine Ausbildung nur sehr ernst, so wie ihre eigene damals auch. Sie will nicht, dass dir oder einem anderen YOUNG AGENT etwas zustößt. Ihr Motto lautet: Je besser wir sind, desto sicherer.«

»Da hat sie ja auch recht«, stimme ich zu. »Naomi war damals bestimmt gut in der Ausbildung, oder? Hatte sie auch mal einen Abbruch?«

»Nein. Sie war die Beste«, bestätigt Liam. »Aber auch Charles und ich. Jeder von uns hatte ein Gebiet, auf dem er der Beste war.«

Na toll! »Nur ich nicht!«

»Quatsch!«, widerspricht Liam. »Du auch. Sonst wärst du gar nicht hier, mit deinen elf Jahren, und schon kurz vor Abschluss der Ausbildung.«

»Echt?«, frage ich.

»Ganz sicher!«, verspricht Liam.

Der Lieferwagen hält. Wir beide verabschieden uns mit einem kurzen Winken vom Fahrer und gehen auf das Hochhaus zu, in dem Liam wohnt – und wo auch ich seit zwei Wochen untergebracht bin.

»Denk dran«, schärft Liam mir noch mal ein, »im richtigen Leben heiße ich Billy. Also auch für meine Eltern. Meinen Agentennamen Liam kennen die, glaube ich, gar nicht.«

Ab dem Moment, in dem Liam unten die Haustür aufschließt, wird er also wieder zu Billy. Wir gehen am Fahrstuhl vorbei, denn wir YOUNG AGENTS haben gelernt, niemals mit Fahrstühlen zu fahren, wenn es sich vermeiden lässt. Das Risiko ist zu groß, ein Agent könne einmal im falschen Augenblick stecken bleiben.

Oben im achten Stock schließt Billy die Wohnungstür auf. Innen ist alles dunkel und still. Seine Eltern schlafen bereits.

»Meinst du, es ist noch Gulasch da?«, frage ich leise. »Ich habe Hunger.«

»Es ist immer noch Gulasch da«, antwortet Billy und blickt mit einem Schmunzeln auf den Lippen zur Schlafzimmertür, hinter der seine Eltern liegen. »Seit ich als Agent unterwegs bin und oft unerwartet zu den unmöglichsten Uhrzeiten nach Hause komme, hat sich meine Mutter angewöhnt, immer einen Topf Gulasch auf dem Herd stehen zu haben.«

»Echt? Immer?«, frage ich nach.

Billy nickt und bestätigt: »Immer.«

Wir verziehen uns in die Küche, schließen die Tür hinter uns, damit wir seine Eltern nicht wecken, und wärmen uns das Gulasch auf.

Morgen um zehn haben wir unser gemeinsames Treffen in der Zentrale zur Auswertung und weiteren Planung meines ersten Einsatzes. Das heißt, Billy und Abena müssen sich in ihrer normalen Schule entschuldigen. Ich besuche derzeit keine reguläre Schule. Aufgewachsen bin ich in einem Heim in der Nähe von München. Meinen Vater kenne ich nicht, meine Mutter war wegen Alkoholmissbrauchs zu oft im Entzug, ist einige Male straffällig geworden und saß sogar kurzzeitig im Gefängnis, sodass ihr das Sorgerecht entzogen wurde. Ich kam ins Heim und fand das furchtbar dort. Deshalb bin ich mehrfach abgehauen, hab sogar eine Zeit lang auf der Straße in München gelebt, bis mich der Geheimdienst aufgegriffen und zu einem YOUNG AGENT gemacht hat. Das war vor etwa einem Jahr. Jetzt stehe ich kurz vor meinem ersten Einsatz.

Billy, also Liam, ist dabei so etwas wie mein Mentor. Für meinen ersten Einsatz werde ich zunächst für zwei Wochen vom Unterricht durch einen Privatlehrer befreit.

Ich sammle mir die Sitzkissen von den vier Küchenstühlen zusammen, staple sie alle übereinander auf meinen Stuhl und setze mich darauf an den Tisch.

Denn ich bin – kleinwüchsig.

Gut, ich muss fairerweise einräumen, für den offiziellen medizinischen Befund einer »Kleinwüchsigkeit« bin ich mit meinen elf Jahren und einer Größe von 131,5 Zentimetern genau einen Zentimeter zu groß. Was mein Alltagsleben als zu kleiner Mensch allerdings nicht einfacher macht. Aber was soll’s? Ist halt so.

Billy füllt uns das Gulasch auf die Teller. »Guten Appetit.«

»Danke«, sage ich. Und denke wieder an die Sitzung morgen.

Die zweite neue Agentin ist Abena. Sie kam erst vor knapp einem Dreivierteljahr in Billys Schulklasse, sozusagen direkt aus Ghana eingeflogen. Nie zuvor hat Billy jemanden kennengelernt, die so schnell Deutsch gelernt hat, hat er mir erzählt. Sie ist die Einzige, die den YOUNG AGENTS je auf die Schliche gekommen ist und selbstständig herausbekommen hat, dass es diese Kinderagenten überhaupt gibt. Was aber auch mit daran liegt, dass ihre Eltern in jungen Jahren selbst einmal Agenten gewesen sind. Heute arbeiten beide im diplomatischen Dienst für Ghana. Von ihnen hat Abena so viel gelernt, dass sie fast keine Ausbildung mehr auf der Akademie benötigt. Seit dem Ende des letzten Falls gehört auch Abena zu den YOUNG AGENTS.

Der dritte in unserem Bunde der Neuen ist Balu. Dreizehn Jahre alt, und ja: mit einem Namen wie der große, dicke, etwas tapsige Bär aus dem »Dschungelbuch«. Obwohl Balu aus Indien stammt und man ihn sich deshalb vielleicht eher dünn und zierlich vorstellen würde, passt seine Statur sehr gut zu seinem Namen. Denn Balu ist das genaue Gegenteil von mir: ungewöhnlich groß und vor allem, wie er selbst sagt, »stämmig«. Ich würde eher sagen, Balu ist schon ein ziemlich dicker Kloß. Aber trotz seiner kräftigen Körperfülle ist Balu ausgesprochen beweglich und wendig.

»In Japan wäre ich bestimmt Sumoringer«, hat er selbst dazu mal gesagt.

Balu ist in Mumbai aufgewachsen, ein Moloch von einer Stadt, die in Deutschland wohl immer noch eher unter ihrem ehemaligen Namen »Bombay« bekannt sein dürfte. Eine Stadt mit fast 29 Millionen Einwohnern. Sechzehn mal so groß wie Hamburg! Ehrlich, eine solche Stadtgröße kann ich mir gar nicht so richtig vorstellen.

Wie sein Vater ist Balu ein ab-so-luter Computer-Experte. Der Geheimdienst hat ihn von einem Internat für Hochbegabte abgeworben. Balu ist also so etwas wie ein typischer Nerd. Und obwohl er auch in Kampfsportarten ausgebildet ist (darunter tatsächlich das Sumoringen!), sind ihm sämtliche körperliche Aktivitäten ein Gräuel. Er ist deshalb hauptsächlich für die Aufgaben in unser Team gekommen, für die viel Wissen, eine hohe Intelligenz und Technikwissen gefordert wird.

Nächster Tag. Nun treffen wir uns also in der geheimen Zentrale des Geheimdienstes. Wir, die drei neuen YOUNG AGENTS, zusammen mit den drei alten: Billy alias Liam, Naomi und Charles, um unseren ersten gemeinsamen Auftrag genauer zu besprechen. Obwohl das Team der YOUNG AGENTS nun auf die doppelte Größe angewachsen ist, ist das getarnte, unterirdische Büro des Profs unterhalb der Tankstelle nicht größer geworden. Deshalb sitzen außer Naomi und Charles alle anderen auf dem Fußboden. Der Prof wird natürlich gleich wieder in seinem Chefsessel an seinem überdimensioniert großen Schreibtisch thronen.