Für dich.

ISBN 978-3-492-98270-2

Überarbeitete Neuausgabe März 2016

© der Originalausgabe: Annie Stone, Duisburg 2014

© für diese Ausgabe: Piper Fahrenheit, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016

Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Julia Strekoza/Shutterstock.com

Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Wir weisen darauf hin, dass sich Fahrenheitbooks nicht die Inhalte Dritter zu eigen macht.

Kapitel 1

Einen Moment hielt er inne und starrte auf ihre unglaublich sinnlichen Lippen. Er war nur wenige Zentimeter entfernt, sie zu küssen, sie zu liebkosen, ihre Zunge mit seiner zu streicheln. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal etwas so sehr gewollt hatte. Ihre Arme schlangen sich fester um seinen Hals, sie drückte sich enger an ihn, wartete offenbar auf den Augenblick, an dem sich ihre Lippen berührten. Er spürte, wie ihre Aufregung und Erwartung anstiegen, spürte, dass sie bereit war für diesen neuen Schritt in ihrer bisher so unglaublichen Geschichte. Ein sanftes Zittern glitt durch ihren Körper, als sie die Augen schloss. Er tat es ihr nach und hoffte, dass dies ihr letzter erster Kuss sein würde.

»Ugh!« Wutentbrannt schleuderte ich ein altes Taschenbuch an die Wand. Normalerweise benutzte ich es, wenn ich ein furchtbares Buch las und so frustriert war, dass ich mich dringend abreagieren musste. Wer hätte gedacht, dass es auch dann nützlich sein könnte, wenn ich selbst einen derartigen Mist geschrieben hatte, dass ich dachte, mich jeden Moment übergeben zu müssen? Ich löschte die letzten Zeilen und machte mich noch einmal ans Werk. Die Worte wollten heute einfach nicht fließen. Gerade jetzt. Meine Deadline war nur zehn Tage entfernt und ich musste noch das letzte Kapitel schreiben und den Text Korrektur lesen. Momentan feilte ich allerdings noch an einer Szene, die sich von Anfang an als schwierig erwiesen hatte.

Ich griff nach meinem Weinglas, trank ein Schlückchen und genoss die Frische des Weißweins. Angestrengt versuchte ich mich in die richtige Stimmung zu versetzen, um das erste Kapitel der großen Liebe von Samantha und Tom zu schreiben. In diesem Moment fiel mein Blick auf die kleine Uhr am Rand meines Bildschirms. 19.38 Uhr. Fuck! Schnell sprang ich auf, rannte zum Kleiderschrank und fluchte vor mich hin, weil ich so spät dran war. Ich zerrte ein schwarzes Kleid vom Bügel, zog es mir über den Kopf und musste betrübt feststellen, dass die Schokoladen-und-Wein-Diät der vergangenen vier Wochen nicht spurlos an mir vorübergegangen war. Der Stoff spannte über Bauch, Hüften und Hintern. Es sah aus, als hätte ich mich in eine Wurstpelle gepresst.

Vielleicht doch lieber das weiter geschnittene Kleid in A-Linie? Ich musste über mich selbst lachen. A-Linie, von wegen. Ich hatte doch überhaupt keine Ahnung, ob etwas A-Linie, B-Linie oder C-Linie war. Schnell streifte ich das andere Kleid über, besah mich im Spiegel, bemerkte keine Speckrollen mehr und hastete ins Badezimmer. Mascara und Lipgloss mussten reichen, dreimal durch die Haare gekämmt, fertig. Warum kamen Kate und Melanie auch ausgerechnet dann zu Besuch, wenn ich mein neuestes Buch zu Ende schreiben musste? Sie konnten froh sein, dass sie mich Eremiten überhaupt zu Gesicht bekamen. Schließlich konnte ich meine Streifzüge nach draußen in den vergangenen vier Wochen an einer Hand abzählen.

Wenn meine gemeinsame Geschichte mit den Mädels mich eines gelehrt hatte, dann, dass es auf jeden Fall sicherer war, heute zu Fuß unterwegs zu sein. Ich lief die paar Straßen bis zu dem kleinen italienischen Restaurant, in dem wir verabredet waren. Auf dem Weg klingelte mein Handy. Ich blieb einen Moment stehen, tastete in meiner Handtasche nach dem Gerät und sah, dass es Suzie war. »Hey, Suz! Was gibt’s?«, fragte ich.

Am anderen Ende der Leitung tat sich nichts. Man konnte nur ein leises Schluchzen hören.

»Was ist passiert?«, fragte ich entsetzt. Suzie weinte nie.

»Declan ist fremdgegangen.« Es war deutlich zu hören, wie schwer es ihr fiel, diese Worte auszusprechen. Meine kluge, starke, optimistische Freundin hörte sich an, als müsste sie schließlich doch vor der hässlichen Realität kapitulieren.

»Ach, Scheiße, Suz! Das tut mir so leid! Ihr wart doch gerade erst auf dem Überraschungstrip nach Hawaii. Was ist passiert?«

»Es waren vier perfekte Tage. Wir kamen Sonntag zurück und am Montag hat er dann gestanden, dass er mit einer anderen geschlafen hat. Emma, das ist das zweite Mal. Was soll ich machen?«

Ich öffnete die Tür zum Restaurant und blickte mich um. »Was hat er denn gesagt?« Ich sah Kate und Mel sofort. Als sie in meine Richtung blickten, zeigte sich ein strahlendes Lächeln auf ihren Gesichtern. Ich steuerte auf sie zu.

»Er meinte, er habe es nicht beabsichtigt. Es ist einfach geschehen. Er hatte sich mit ihr verabredet, wollte aber nur reden. Und dann … dann ist es passiert.«

»Er wollte nur reden?«, fragte ich ein bisschen zu laut. Ich bemerkte, wie sich die ersten Gäste zu mir umdrehten. »Und er musste seinen Penis in ihre Vagina stecken, um besser zu hören?« Nun hatte ich die volle Aufmerksamkeit im Restaurant.

Suzie lachte kurz auf.

»Schau, Süße«, fuhr ich fort, ohne einen Gedanken an meine Umgebung zu verschwenden, »ich kann dir nicht sagen, was du machen sollst. Wenn ich dir sage, du sollst ihn verlassen, und du bleibst doch bei ihm, werde ich für immer die Schlampe sein, die euch auseinanderbringen wollte. Wenn ich dir sage, du sollst ihm vergeben, und du kannst es nicht, bin ich in der gleichen beschissenen Lage.« Ich hörte missbilligendes Gemurmel um mich herum. Aber ich war es gewohnt, ver- und beurteilt zu werden, und ich gab nichts drum. Inzwischen war ich am Tisch angekommen und lächelte meinen Freundinnen kurz zu. Dann ließ ich meinen Blick über die drei Männer schweifen, die ebenfalls dort saßen, während ich auf Suzies Reaktion wartete.

»Du hast ja recht. Ich bin nur so … unentschlossen.«

Ich biss mir auf die Unterlippe, nicht sicher, was ich sagen sollte. »Suzie, es tut mir total leid und ich bin wahrscheinlich die schlechteste Freundin der Welt, aber ich bin verabredet und stehe schon am Tisch, und irgendwie ist die Situation grad ein bisschen unangenehm. Wenn du mich ganz dringend brauchst, drehe ich um, gehe nach Hause und wir können den ganzen Abend telefonieren. Falls du es aber doch bis morgen aushalten kannst, lege ich jetzt auf.« Mal wieder wusste ich nicht, ob ich die feine Grenze zwischen Ehrlichkeit und Unhöflichkeit überschritten hatte.

»Nein, kein Thema.« Suzie klang aufrichtig. »Lass dich nicht aufhalten. Wir telefonieren morgen.« Nach ein paar Worten des Abschieds steckte ich mein Handy zurück in die Tasche.

»O mein Gott, Emma! Du siehst aus, als hättest du in den letzten zwei Wochen zehn Kilo Schokolade gegessen!«, rief Kate. Echt jetzt?

»Mach zwanzig draus«, erwiderte ich und umarmte sie fest. Es tat so gut, meine beste Freundin wiederzusehen!

»Hör nicht auf sie. Du siehst wie immer fabelhaft aus«, sagte Mel und drückte mich an sich. Sie war schon immer die Netteste von uns.

»Na ja, wenn eine Schoko-Wein-Diät tatsächlich zum Abnehmen geeignet wäre, stünde sie schon längst in der Vogue und ich wäre die neue Abnehm-Päpstin, hätte einen heißen Body und würde durch die Welt tingeln. Stattdessen bin ich hier. In Athens, am Arsch der Welt«, scherzte ich. Ich hörte unterdrücktes Lachen und schaute in die Richtung, aus der es kam. Mir war schon aufgefallen, dass meine Freundinnen in männlicher Begleitung waren, aber so von Nahem … Halleluja! Mir stockte fast der Atem. Ich blickte in die Augen von drei unverschämt gut aussehenden Männern. Sie sahen sich kein bisschen ähnlich – obwohl sie alle groß waren –, aber sie waren alle verdammt sexy. Definitiv eye candy.

»Wirklich? Wo gibt es denn solche Männer? Die wollen doch bestimmt dem lokalen Hot Boys Club beitreten und die einzigen Mitglieder sein«, scherzte ich mit einem Hauch Bewunderung in der Stimme. Als das unterdrückte Gelächter anstieg, ergriff Kate wieder das Wort.

»Emma, da du es bisher nicht einrichten konntest, uns in New York zu besuchen, damit ich dir endlich mal meinen Ehemann vorstellen kann, mussten wir eben zu dir kommen. Also, das hier ist mein Mann Ryan.« Sie präsentierte ihn, als wäre er eine besonders begehrte Halskette bei QVC. Ich grinste, als ich ihn betrachtete.

Obwohl Kate und Mel meine besten Freundinnen waren, hatte ich ihre Männer noch nicht kennengelernt. Was zum einen daran lag, dass ich mich im vergangenen Jahr äußerst rargemacht hatte – mehr noch als sonst –, zum anderen aber auch daran, dass es bei beiden furchtbar schnell gegangen war. Erst elf Monate zuvor hatte mir die kleine blonde Kate erzählt, dass sie sich Hals über Kopf verliebt hätte. Wie ich nun sah, in einen großen, dunkelhaarigen Mann, der amüsiert, gleichzeitig aber auch reserviert wirkte, als würde er sich nicht erlauben, über meine Scherze zu lachen.

Kate dagegen sprang der Schalk beinahe aus den azurblauen Augen. Wie war diese Verbindung zustande gekommen? Ich ging davon aus: mit viel Alkohol … Jedenfalls waren sie nun bereits fünf Monate verheiratet. Die Blitzhochzeit hatte während eines Schottlandurlaubs in Gretna Green stattgefunden.

Somit sah ich Ryan nun das erste Mal live, auch wenn ich bereits wusste, was er gerne zum Frühstück aß – Weißbrot mit scharfer Salami – und was für Unterhosen er trug – Boxershorts. Ich reichte ihm die Hand und er schüttelte sie. Angenehmer Händedruck, kein toter Fisch. Unglaublich wichtig. Das machte ihn mir sofort sympathisch.

Mel zeigte auf einen der weiteren Männer am Tisch, der direkt neben ihr saß und bei dem ich mir schon gedacht hatte, dass er zu ihr gehörte. »Das ist Timothy, mein Verlobter.« Sie quietschte und hielt mir ihre Hand hin. Ein dicker Klunker zierte ihren zarten Ringfinger.

»Ihr seid verlobt?«, fragte ich erfreut.

Ich zog die dunkelhaarige Mel erneut in die Arme und gratulierte ihr. Währenddessen konnte ich nur denken: Lucky bitches. Hatten die sich doch die heißesten Typen geschnappt, die jemals über die Landesgrenze des wunderschönen Staates Alabama gekommen waren.

Dann reichte ich Timothy die Hand. Statt meine Hand zu nehmen, umarmte er mich kurz, wofür er sich zu mir herunterbeugen musste. Er sah aus wie ein Wikinger. Groß, blond, blaue Augen. Und wenn ich mich nicht täuschte, hatte er auch die entsprechenden Muskeln.

»Schön, dich endlich zu treffen, Emma. Ich hatte schon gedacht, dass du nur ein Fabelwesen bist.«

Ich lachte. »Nein, nein, aus Fleisch und Blut, nur manchmal in einer Erdhöhle vergraben.«

Meine Augen fielen auf den dritten Mann, als Kate sagte: »Und das hier ist Drew Tate, Ryans Partner und unser Freund. Ryan und Drew haben geschäftlich in Mobile zu tun. Daher haben wir gedacht, wir könnten das mit einem Besuch bei dir verbinden.«

Ich schüttelte seine Hand und schaute lächelnd in seine Augen. Gott, diese Augen! Schokobraun, weich und warm. Zum Drin-Versinken. Aber auch der Rest war ansehnlich. Braune Wuschelhaare, groß, schlank. Wer könnte es mir verübeln, wenn ein Spuckefaden meinen Mund verließ?

»Das ist sehr löblich von euch«, spottete ich.

Kate verdrehte die Augen. »Ich hab es dir schon mal gesagt: Auch wenn du dich versteckst, ich finde dich.« Ich grinste bei diesen Worten, denn sie waren so wahr. Kate könnte auch als Privatdetektivin arbeiten. Oder als Kopfgeldjägerin. Beides nicht ausgeschlossen.

Als wir uns gesetzt hatten, warf mir Kate einen Blick zu, der nur eines bedeuten konnte: Beginn der Inquisition. »Wieso bist du so dick?«

Mel stupste sie in die Seite und zischte: »Kate!« Aber Kate hatte für gängige Moral und Anstandsregeln schon immer nur Verachtung übrig gehabt. Ein Grund, warum wir uns so gut verstanden.

»Chocolate.com«, antwortete ich. »Eine echt teuflische Seite. Ich muss nicht mal mehr rausgehen, um mir mein Crack zu besorgen.«

»Wieso gehst du nicht raus?«, fragte Mel.

In diesem Moment kam der Kellner an den Tisch. »Hi, Em! Sieht man dich auch mal wieder? Meine Mutter ist besorgt, dass du vom Fleisch fällst.« Er schaute langsam an mir hinab. »Diese Sorge kann ich ihr wohl nehmen.« Ein unverschämtes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.

»Ach, Travis, du warst schon immer der charmanteste Kerl im ganzen County«, flötete ich und klimperte mit den Wimpern.

»Wann ist die Deadline?«, fragte er.

Ich runzelte die Stirn. »In zehn Tagen.«

»Und dann bist du hier, statt dich weiter einzuigeln?«

Ich warf Kate einen Blick zu. »Das ist nur ihre Schuld. Sie hat mich praktisch an den Haaren hergezerrt.«

»Und? Wie groß ist das pulsierende Glied dieses Mal?« Seine Augen glänzten und sein Grinsen wurde noch breiter.

In gespielter Verzweiflung blickte ich ihn an. »Ich weiß nicht, warum ich ein Pseudonym verwende, wenn doch jedem klar ist, dass ich diese schmutzigen Groschenromane schreibe.«

Er lachte leise. »Was willst du trinken?«

»Alkohol.«

»Schon verstanden.«

Als er den Tisch verlassen hatte, fragte Kate in ihrer unverblümten Art: »Vögelst du ihn?«

»Nee …« Ich hoffte, dass niemand den bedauernden Unterton in meiner Stimme bemerkt hatte. Und ich wusste eigentlich gar nicht, weswegen. Travis und ich waren Freunde, gute Freunde. Er war einer meiner besten Freunde. Freunde, ganz ohne Vorzüge. Trotzdem schlich sich leises Bedauern in mein Herz. Vielleicht nur, weil ich schon ewig keinen Sex mehr hatte.

»Was ist dann mit deinem Liebesleben?«

Während die Mitglieder der heißesten Boyband seit Menschengedenken unserem Geplänkel amüsiert zuhörten, sog Mel scharf die Luft ein: »Ich denke, das hier ist weder der richtige Ort noch die richtige Zeit, Kate!«

Kate und ich hatten noch nie viel Rücksicht auf das zarte Gemüt von Mel genommen, also erwiderte ich: »Was meinst du mit Liebesleben?«

Kate blickte mich an. »Wer besorgt es dir, Emma?«

»Mein B.O.B.« Kate grinste, auf Timothys Gesicht zeigte sich ein kleines Lächeln und Drew lachte unverschämt – und so sexy!

Mels Gesicht rötete sich – und Ryans ebenfalls! Beiden war dieses Gespräch sichtlich unangenehm und trotzdem erkundigte sich Mel: »Was?«

Timothy legte ihr die Hand auf den Arm und sagte: »Battery Operated Boyfriend.«

Sie blickte mich entsetzt an. »Emma!«

Das lief ja wie am Schnürchen. Fünf Minuten hier und schon hatte ich Mel aufgeregt. Der Abend konnte nur besser werden.

Ryan war offensichtlich bemüht, das Gespräch in ruhigeres Fahrwasser zu bringen, und fragte: »Was ist das für eine Deadline?«

»Für mein neues Buch. Ich hab noch zehn Tage für das letzte Kapitel und die Korrekturen. Leider fange ich immer zu spät an, irgendwie brauche ich den Thrill, nicht zu wissen, ob ich es rechtzeitig schaffe. Ein aufregendes Leben.« Ich zwinkerte ihm zu.

»Ich glaube, ich habe noch nie was von dir gelesen. Emma Maddox sagt mir leider gar nichts. Aber du sagtest ja auch, dass du ein Pseudonym verwendest.« Er lächelte mich an. Ich musste unwillkürlich zurücklächeln. Innerlich zuckte ich zusammen: Flirte nicht mit dem Mann deiner besten Freundin! Ich war mir sicher, das war Regel Nummer eins im Kodex für Freundinnen.

»Ich schreibe unter dem Pseudonym Annie Stone«, erklärte ich und machte mich auf die Reaktionen gefasst. Und diese fielen typisch aus. Alle drei Männer blickten mich überrascht an. Kurz darauf wandelten sich ihre Gesichtsausdrücke. Ryan wirkte leicht konsterniert, Timothy interessiert und Drew gelangweilt – auch wenn ich meinte, einen Funken Belustigung in seinen Augen bemerkt zu haben.

»Du bist Annie Stone? Die Annie Stone, deren letzter Roman sich 20 Millionen Mal verkauft hat?«, fragte Timothy.

Ich nickte.

»Die Erotik-Queen?«

Wieder nickte ich. »Aber du kannst es auch Mommy Porn nennen. Das ist vollkommen okay«, sagte ich mit einem spöttischen Lächeln.

»Wie kannst du solche Bücher schreiben, wenn du keinen Sex hast?«, fragte Drew plötzlich.

Mel stand augenscheinlich kurz vor einem Herzinfarkt und Kate schaute mich an. Seit Jahren fragte sie mich das.

»Das nennt sich Fantasie«, erklärte ich, ohne mit der Wimper zu zucken. Innerlich brodelte ich. Dieser gut aussehende Bastard glaubte offenbar nicht, dass ich schon jemals Sex gehabt hatte. Ich hatte große Lust, ihm den Hals umzudrehen, aber ich wusste nicht, wie ich die Leiche wegschaffen sollte. Krimis waren nun einmal nicht mein Spezialgebiet. Aber ich hätte ihm durchaus den besten Orgasmus seines Lebens verschaffen können – rein fiktional versteht sich.

»Aber sollte es nicht dein Anliegen sein, Situationen möglichst realistisch zu schildern? Glaubst du, dass deine Klein-Mädchen-Fantasien der Wirklichkeit entsprechen?«

Klein-Mädchen-Fantasien? Hatte er sie noch alle? »Was ist denn die Realität? Was ist die Wirklichkeit? Ich denke, dass das jedes Paar für sich selbst definiert und auch definieren muss. Was für den einen gar nicht geht, ist die Lebensader für jemand anderen. Sex und Leidenschaft werden nicht von jedem gleich empfunden und erlebt. Wieso sollte dann die Realität, die ich in meinen Büchern erschaffe, nicht tatsächlich auch Realität sein können?« Ich wollte mich auf keinen Fall von diesem arroganten Wichtigtuer vorführen lassen. Von diesem heißen arroganten Wichtigtuer.

»Das scheint mir mal wieder ein Fall zu sein von: Wer’s kann, tut’s, wer’s nicht kann, lehrt’s«, bemerkte Drew mit einem kleinen Lächeln, bei dem seine Augen provozierend funkelten. Ich hatte das Gefühl, dass es ihm Spaß machte, mich an den Rand meiner Geduld zu zerren. Als würde er nur darauf warten, dass ich mich mit Gebrüll auf ihn stürzte. Gleichzeitig hatte ich den Eindruck, als wäre er aufrichtig interessiert an dem, was ich erwiderte. Manche Menschen stellten zwar Fragen, aber sie waren nicht wirklich auf die Antwort gespannt. Aber Drew … Er wirkte, als würde er jedes Wort, das aus meinem Mund kam, aufsaugen. Und es irgendwo in seinem Hinterkopf abspeichern, um es zehn Jahre später wieder hervorzukramen und mich damit aufzuziehen …

»Das bestreite ich gar nicht. Was ich allerdings bestreite, ist, dass deine Realität auch für alle anderen Menschen Wirklichkeit sein muss. Nur weil du etwas magst und glaubst, dass dein Weg der richtige ist, wird es nicht zur allgemeingültigen Maxime.« Ich hoffte, dass ich gelassen wirkte. Innerlich war ich alles andere als das. Aus seinem Blick sprach die pure Arroganz und ich betete – dabei bete ich nie! –, dass ich eine bessere Schauspielerin war, als ich bisher gedacht hatte.

»Umso besser. Bleib du bei deinen unerfüllten Wünschen, ich nehme die sexy Realität.« Er zwinkerte mir zu. »Da ich keins deiner Bücher gelesen habe, weiß ich nicht, was deine Vorstellungen so alles hergeben. Allerdings kann man der Diskussion um diese skandalösen Bücher nirgendwo entkommen. Daher weiß ich natürlich, worum es geht. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es sich hierbei eben genau um das handelt: Fantasien. Im Grunde sind es Märchenbücher, in denen gefickt wird. So ist es doch, oder? Am Ende bekommt die Prinzessin ihren Prinzen, sie heiraten und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage – und wenn sie nicht gestorben sind, dann ficken sie noch heute.«

Ich blickte zu Mel, die schon ganz grau im Gesicht war. Kate schaute schmunzelnd von mir zu Drew und wieder zurück, wie bei einem Tennismatch. Ryan und Timothy schienen sowohl fasziniert von unserer Unterhaltung – der eine mehr, der andere weniger – als auch ein wenig entsetzt, dass ihr Freund die beste Freundin ihrer Frauen so attackierte. Ryan versuchte einzugreifen. »Vielleicht sollten …«

»Ein Happy End ist ebenso gut möglich wie ein Desaster, wenn sich zwei Menschen kennenlernen. Das eine ist nicht wahrscheinlicher als das andere«, warf ich ein, bevor Ryan das Thema wechseln konnte. »Vielleicht ist meine Vorstellung von Glück utopisch, aber ich glaube daran, dass am Ende alles gut ist, und wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende«, zitierte ich Oscar Wilde. Diese Bemerkung brachte mir einen Seitenblick von Kate ein. »Und wenn ich mich an diesem Tisch umsehe, dann sehe ich doch gleich zwei Erfolgsgeschichten. Meinst du nicht auch?« Mel warf mir einen dankbaren Blick zu und ich sah, wie sowohl Ryans als auch Timothys Mundwinkel zuckten.

»Ohne Frage«, stimmte Drew zu. Unwillkürlich überlegte ich, was seine Geschichte sein mochte. Reicher, gut aussehender – ach was: heißer – Typ, der jeden Tag eine andere haben konnte – und wahrscheinlich auch hatte. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war: Auch ich würde ihn nicht von der Bettkante stoßen, wenn er denn jemals da zu sitzen käme. Ich überlegte, ob so ein Leben nicht unglaublich einsam war.

»Gleichzeitig sehe ich aber auch dich«, fuhr Drew fort. Was sollte das denn jetzt heißen? Alle Empathie, die ich gerade noch für den einsamen, verlorenen Jungen aus meiner Fantasie empfunden hatte, war verraucht.

»Du bist eine Bestsellerautorin, verdienst jede Menge Asche mit deinen Büchern, siehst passabel aus. Du könntest losgehen und Erfahrungen sammeln und so dein Geschreibsel realitätsnäher machen. Stattdessen vergräbst du dich mit Jogginghosen in deiner Wohnung, isst haufenweise Schokolade, trinkst zu viel und hast wahrscheinlich auch eine Katze.« Ich wusste nicht, was mich mehr aufregte. Was er sagte oder dass es stimmte. »Und wie heißt sie?«

»Wie heißt wer?«, fragte ich verwirrt.

»Deine Katze.«

»Cleo«, sagte ich widerstrebend.

Er warf mir einen Blick zu, in dem so viel Überheblichkeit und Selbstzufriedenheit lagen, dass ich mich zusammenreißen musste, um ihm nicht eine zu knallen. »Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«

Während ich noch überlegte, wie ich ihm seine Blasiertheit vom Gesicht wischen konnte, warf Kate ein: »Es ist zwar nicht nett, was Drew sagt, aber du musst zugeben, dass es stimmt.« Verräterin, dachte ich. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass du dich vor dem Leben versteckst. Ich verstehe, warum du nach der Uni hierhergezogen bist. Du hast deine Mutter gepflegt, als sie todkrank war und dich gebraucht hat. Aber deine Mutter ist jetzt fünf Jahre tot und du bist immer noch hier.« Sichtlich angespannt schaute sie mir in die Augen. Offenbar wusste sie nicht, wie viel ich ertragen konnte. Mein Gesichtsausdruck schien sie jedoch zu ermutigen, denn sie fuhr fort: »Komm zurück nach New York. Du hast hier doch nichts. Du wohnst mit deiner Katze in einem alten Haus, bestellst Schokolade online und hast Sex mit deinem Vibrator. Fuck, Emma, das ist doch erbärmlich.«

Mel zuckte bei diesen harschen Worten zusammen. »Emma, wir wollen dich wieder bei uns haben! Wir vermissen dich. Wir haben uns jetzt ein Jahr nicht gesehen und vielleicht einmal im Monat telefoniert. So geht das echt nicht. Komm nach Hause.« In ihrer Stimme lag etwas Flehendes.

Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Genau das war der Grund, warum ich mich gegen ein Wiedersehen mit meinen besten Freundinnen gesträubt hatte. Sie konnten durch all meinen Scheiß durchsehen. Und ich meine die Sorte von Scheiße, bei der man versucht, sich so weit wie möglich von der Welt zu distanzieren. »Ich kann das jetzt nicht entscheiden. Tut mir leid. Ich muss mein Buch beenden und bevor ich damit nicht fertig bin, ist mein Kopf sowieso nicht frei für irgendetwas anderes.«

Kate streckte ihre Hand nach mir aus. Ich ergriff sie und drücke ihre Finger. »Das verstehe ich und ich akzeptiere es. Aber bitte, denk in zehn Tagen darüber nach und komm zu dem Schluss, dass du wieder ins Leben zurückkehren willst.«

»Du tust so, als wäre ich ein Eremit«, scherzte ich.

»Das bist du ja auch«, erklärte Mel und schlug sich die Hand vor den Mund. Kate und ich schauten uns an und brachen in Gelächter aus. Mit einem Mal war die Anspannung gebrochen und es schien, als würden wir alle leichter atmen können.

Als ich später auf dem Heimweg war, dachte ich über die Gespräche nach. Bisher waren es immer nur Kate, Mel und ich gewesen. Mit den drei Männern ergab sich eine ganz neue Dynamik. Timothy und Ryan hatte ich sofort gemocht. Timothy war offen und liebenswert, ein Kumpeltyp, humorvoll. Ich wusste zwar nicht genau, wie meine sanftmütige, liebe und gleichzeitig in ihrer ganzen Empfindlichkeit und Verletzlichkeit so starke Mel an ihn geraten war, aber ganz offensichtlich stimmte es, dass sich Gegensätze manchmal anzogen. Ryan war zurückhaltender, sanfter und trotzdem männlich und geerdet. Ich hätte gedacht, dass dieser Typ Mann meine intelligente, scharfzüngige und starke Freundin langweilen würde, aber er schien ihr Ruhepol zu sein. Ich hatte sie so lange nicht gesehen und fragte mich nun, wie ich das hatte zulassen können. Ich hatte die tollsten Frauen in meinem Leben und dieses Geschenk viel zu lange ignoriert.

Meine Gedanken drifteten zu Drew. Was sollte ich von ihm halten? Es war mir vorgekommen, als wäre ich nur mit einem Handtuch bekleidet gewesen, das er mir weggerissen hatte – so nackt und verletzlich hatte ich mich gefühlt. Er hatte nach fünf Minuten mehr über mich gewusst als manch anderer nach fünf Jahren. Ich hätte mich unbehaglich fühlen, mich schämen müssen, aber das tat ich komischerweise nicht. Ich hatte das Gefühl, dass er in mir die Person erkennen konnte, die ich wirklich war. Und dabei konnte ich nicht einmal sagen, ob ich ihn mochte.

Und doch … und doch war da was. Die Art, wie er mit mir gesprochen hatte, ehrlich, direkt, ohne das Bedürfnis, gefallen zu wollen. Er hatte mir das Gefühl gegeben, dass er meine Antworten wirklich hören wollte, wissen wollte, was ich dachte. Ich hatte mit einem fremden Mann über persönliche Dinge gesprochen, Kate hatte sehr private Dinge erzählt – und damit meine ich nicht den Sexkram. Und es war mir nicht unangenehm. Es hatte sich richtig angefühlt, über all das zu sprechen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass Drew niemals auch nur ein Wort von mir gegen mich verwenden würde. Er würde mich aufziehen, mich verspotten, mich necken … aber er würde mich so akzeptieren, wie ich war. Immer. Es fühlte sich fast so an, als hätte ich einen neuen Freund gefunden – rein platonisch, versteht sich.

Kapitel 2

Am darauffolgenden Tag schrieb ich bis in den Abend hinein. Als ich dringend eine Pause benötigte, ging ich in die Küche und goss mir ein Glas Weißwein ein, während Cleo um meine Füße strich. Ich beugte mich zu ihr hinunter, kraulte ihren Kopf und dachte über das mittlerweile einen Tag zurückliegende Treffen nach. Es stimmte, was Drew gesagt hatte. Ich verdiente einen Haufen Asche mit meinen Büchern und trotzdem agierte ich noch immer, als hätte ich kein Geld. Ich trug keine teuren Klamotten, fuhr keinen Luxusschlitten und wohnte in dem alten Haus meiner Mutter. Der einzige Luxus, den ich mir gönnte, waren guter Wein und Schokolade. Und ja, ich gebe es zu, einen kleinen Schuh-Tick hatte ich auch.

Plötzlich fiel mir mein Gespräch mit Suzie wieder ein. Ich griff nach meinem Telefon und wählte ihre Nummer, während ich mich auf die Couch setzte. Es klingelte dreimal, bevor sie abnahm.

»Hey, Em«, sagte sie leise.

»Hey, Süße. Wie geht es dir?«

»Na ja …« Sie seufzte. »Ich weiß nicht, was ich machen soll.«

»Was würdest du deiner besten Freundin raten?«

Sie blieb einen Moment still, während ich mein Weinglas vom Knie hob, weil Cleo der Meinung war, sich genau dort hinsetzen zu müssen. Ich hatte schon immer gewusst, dass sie mich nur als ihre Untertanin tolerierte.

»Ich würde ihr sagen: Pack deine Kinder ein und geh.«

»Aber?«, fragte ich sanft.

»Keine Ahnung. Ich hab ihn so lange geliebt, so sehr um ihn gekämpft … Ich … ich hätte das Gefühl, ich würde jetzt aufgeben, nach all den Jahren.«

Ich trank einen Schluck. »Aber sollte es nicht einfach sein? Vielleicht ist es nicht das Richtige, wenn es so schwer ist.« Ich biss mir auf die Zunge. Ich wollte nicht, dass sie mich hasste, wenn sie sich doch nicht von ihm trennen würde. Aber musste ich ihr nicht irgendeinen Rat geben? Ich hatte keine Ahnung, wie man mit solchen Situationen umging. Ich war nie die Art von Freundin gewesen, zu der alle geeilt waren, wenn sie Kummer hatten.

»Er hat sich verändert.«

»Ach, Suzie, er war noch nie ein netter Kerl. Das weißt du auch. Als ich ihm in diesem dämlichen Bibelcamp begegnet bin, zu dem mich meine Mutter verdonnert hat, hat er immer versucht, mir mein Taschengeld abzuluchsen.«

»Das Camp war nicht dämlich«, sagte sie sofort.

»Nicht ganz dämlich. Immerhin habe ich dich da getroffen.«

Das besänftigte sie offensichtlich. Ansonsten war sie keine Anhängerin meiner atheistischen Vorstellungen von der Welt. Ich hatte nie in dieses Camp gehört, sie hingegen schon.

»Da du gerade das Camp erwähnst … Das ist fast zwanzig Jahre her. Seit damals kenne ich ihn. Kann man eine so derart lange Beziehung wegwerfen?«

Ich bewegte mich auf dünnem Eis. Das war mir bewusst, aber ich konnte sie auch nicht in ihr Verderben rennen lassen. Seit wir uns mit zehn Jahren in dem Camp getroffen hatten, waren wir nicht die engsten Freunde gewesen, aber immer in Kontakt geblieben. Wir hatten telefoniert, uns Briefe geschrieben, später Mails. Ich hatte sie besucht, sie hatte mich besucht … Und wir hatten es geschafft, über alle Diskrepanzen hinwegzusehen. Oder nur über die eine: die Existenz von Gott.

»Aber du wirfst sie ja nicht weg, Suz. Er tut es. Er hat es wiederholt getan.«

»Aber eine Ehe geht man doch nicht leichtfertig ein.«

»Bist du doch auch nicht. Du hast alles getan, was du tun konntest. Du hast ihn geliebt, ihr habt zwei tolle Kinder, ein schönes Zuhause. Mehr konntest du nicht tun. Wenn ihm das nicht gereicht hat, ist das nicht deine Schuld.«

»Aber irgendwas muss ich falsch gemacht haben …«

»Scheiße, nein! Du hast nichts falsch gemacht.«

»Ich bin ihm nicht genug.« Sie fing an zu weinen. Ich fühlte mich so hilflos, wusste nicht, was ich sagen sollte.

»Ach, Suz … Tu dir das nicht an.«

»Ich muss Schluss machen«, schluchzte sie und ich bekam einen Kloß im Hals.

»Ruf mich an, wenn du mich brauchst, okay? Jederzeit. Ich bin immer für dich da.«

»Danke.« Sie legte auf.

Ein bedrückendes Gefühl machte sich in mir breit. Manchmal hatte man solche Eingebungen, oder? Irgendetwas hatte sich verändert, auch wenn ich nicht ganz greifen konnte, was genau.

Als Cleo maunzte, weil ich sie nicht streichelte, schüttelte ich den Kopf. Ich glaubte doch sonst auch nicht an so übersinnliches Zeug.

Eindeutig war aber, dass ich weiterarbeiten musste. Nur weil Kate und Mel in der Stadt waren, konnte ich nicht einfach aus meiner Schreibhöhle oder -hölle – wie man es nimmt – entfliehen.

Ich stellte das Glas auf den Couchtisch im Wohnzimmer, scheuchte Cleo von meinem Schoß, was sie laut protestierend zur Kenntnis nahm, und ging nach oben ins Arbeitszimmer, um meinen Laptop zu holen. Zurück im Wohnzimmer, kuschelte ich mich auf meinem Sofa in eine Decke, nippte an meinem Wein und begann erneut zu schreiben.

Seine Hände wanderten von ihrem Nacken über ihren Rücken. Er streichelte sie sanft durch den Stoff ihres Oberteils. Langsam küsste er sie. Seine Lippen waren weich und fest, seine Zunge umspielte ihre, neckte und streichelte, forderte und gab. Er erforschte ihren Mund und saugte an ihrer Zungenspitze. Dann konzentrierte er sich auf ihre Lippen, ließ seine über ihre gleiten, nahm ihre Unterlippe zwischen seine Zähne und biss sanft hinein. Seine Hände wanderten zu ihrem Hintern, er griff mit beiden Händen zu und zog sie näher zu sich heran. Er spürte, wie ihr der Atem kurz stockte und sie sich ihm hingab. Ihre Küsse wurden fordernder und er wusste, dass sie bereit für den nächsten Schritt war.

Langsam drehte er sie um, hörte dabei nicht auf, sie zu küssen. Er vergrub seinen Mund an ihrem Hals und saugte und leckte, küsste sie unter dem Ohrläppchen, und hinterließ unzählige kleine Küsse auf ihrem Nacken, den Schultern und ihrem Rücken. Mit kreisenden Bewegungen streichelte er über ihren Bauch. Dann ließ er seine Hände nach oben zu ihren Brüsten wandern. Sie waren voll und weich. Mit einer Hand schlüpfte er in ihre Bluse und den BH. Er umfasste ihre Brust und verstärkte den Druck leicht. Als sie schneller atmete, fand er den Weg zu ihrer aufgerichteten Brustwarze, umspielte sie, zwickte sie sanft.

Seine Hände wanderten weiter nach oben, strichen ihr Haar zur Seite, legten ihren Hals frei, den er mit vielen kleinen Schmetterlingsküssen bedachte. Seine Hände glitten zu den Knöpfen ihrer Bluse, er öffnete diese langsam und strich ihr den Stoff von den Schultern. Mit einer geschickten Bewegung machte er ihr den BH auf und widmete sich erneut ihren Brüsten. Sanft knetete er sie.

Er drehte sie um und ging ein wenig in die Knie. Sein Mund wanderte von ihrem Hals zu ihrer Brust. Er küsste die weiche Haut und umschloss ihre erregte Brustspitze. Er saugte an ihr und sie umfasste seinen Kopf mit ihren Händen. Langsam zirkelte er mit der Zunge um ihren Nippel, setzte dann sanft seine Zähne ein. Ihre Finger packten seine Schultern und ein leichtes Stöhnen kam über ihre Lippen. Seine Hand umspielte die andere Brustwarze und er fühlte, wie sich die Lust in ihrem Körper aufbaute. Sie schien vor Leidenschaft zu vibrieren, und er wurde von diesem Gefühl angesteckt.

Als er das nächste Mal sanft zubiss, keuchte sie auf und drängte sich gegen ihn. Freude durchströmte ihn, als er ihre Reaktionen miterlebte.

Er richtete sich wieder auf und seine Hände wanderten zu ihrem Hosenbund. Langsam öffnete er den Knopf und den Reißverschluss und ließ seine Hand in ihrer Hose versinken. Er streichelte mit der gesamten Fläche über ihren Venushügel, berührte kurz ihre Klitoris, sodass sie zusammenzuckte und dieser wunderbare Laut wieder ihren Mund verließ. Langsam bewegten sich seine Finger weiter, bis er den Eingang zu ihrer Scheide erreichte. Er spürte, wie nass sie war, und genoss das Gefühl, dass er es war, der sie so weit gebracht hatte.

Sanft ließ er einen Finger in sie gleiten. Sie zuckte zusammen, vergrub ihre Finger in seinen Haaren und küsste seine Lippen. Er spürte ihren Hunger nach mehr, mehr von ihm und seinem Mund und seinen Händen. Langsam zog er seinen Finger zurück, nur um ihn gleich darauf wieder tief hineinzustecken. Sie lehnte den Kopf gegen seine Brust und gab ein Stöhnen von sich. Er bewegte den Finger immer schneller vor und zurück, ihre Atmung beschleunigte sich und er konnte fühlen, wie sich ihr Orgasmus aufbaute.

Langsam geleitete er sie zum Bett. Als sie gegen die Kante stieß, half er ihr, sich hinzulegen. Er zog ihr Hose und Höschen aus, kniete sich zwischen ihre Beine, wanderte mit seinen Händen von ihren Füßen über ihre Waden und Knie zu ihren Oberschenkeln. Dann öffnete er ihre Beine weit. Einen Moment spürte er, wie sie sich verkrampfte, bevor sie es zuließ.

»Du bist so schön«, murmelte er, als er sie anschaute. Sie biss sich auf die Unterlippe, schloss ihre Augen, schien ein wenig peinlich berührt, dass er Regionen ihres Körpers zu Gesicht bekam, die nie zuvor jemand gesehen hatte.

Langsam ließ er sich zwischen ihren Schenkeln nieder und küsste ihre Klitoris. Sie sog scharf die Luft ein und ihr Körper verspannte sich. Er berührte sie mit der Zunge, umkreiste sie, küsste sie. Sanft führte er einen Finger in ihre Muschi und bewegte ihn vor und zurück. Er spürte, wie sie sich um seinen Finger zusammenzog, liebkoste sie weiter und streichelte sie, bis sie förmlich explodierte.

Dann öffnete er seine Hose und nahm sein hartes Glied in die Hand. »Schau mich an«, murmelte er.

Sie öffnete ihre Augen und schaute in seine. »Tiefer.«

Langsam senkte sie den Blick, stützte sich auf den Ellenbogen auf und sah auf seine Hand, die am Schaft hoch- und runterfuhr. Sie schluckte und ließ ihre Zunge über ihre Lippen gleiten. Er zog ein Kondom aus seiner Hosentasche, riss die Verpackung auf und streifte es über. Dann legte er sich auf sie und presste seine Lippen auf ihre, forderte Einlass in ihren Mund und küsste sie mit steigender Intensität, während seine Erektion gegen ihren Bauch drückte.

»Nervös?«, fragte er. Sie nickte.

»Musst du nicht. Ich bin vorsichtig.« Er versuchte sie zu beruhigen, aber ihr Blick wirkte unsicher. Die Angst vor dem Unbekannten stand ihr ins Gesicht geschrieben. Die konnte er ihr nur nehmen, indem er ihr zeigte, wie wunderschön Sex war. Er ließ eine Hand zwischen ihre Körper gleiten und umfasste seinen Penis. Er dirigierte ihn zum Eingang ihrer Muschi und steckte die Spitze hinein. Sie war so eng, was ihn zum Stöhnen brachte. Er spürte den Widerstand, presste ein wenig tiefer und war durch. Sie schluckte und sog die Luft ein. Vorsichtig füllte er sie weiter aus, ließ seinen Schwanz immer tiefer in sie gleiten, bis er vollständig in ihr war.

»Alles okay?«

Sie nickte und schluckte.

»Tu ich dir weh?«

Zaghaft schüttelte sie den Kopf.

Langsam bewegte er seine Hüften, vor und zurück. Er glitt ein wenig aus ihrer Muschi hinaus und stieß sanft wieder hinein. Sie stöhnte leise und legte ihre Hände auf seine Schultern. Er wanderte mit seinem Mund über ihren Hals zu ihren Brüsten. Er küsste ihre Brustwarzen und saugte leicht an ihnen.

»Schneller?«

Sie nickte und drückte ihre Finger in die Muskeln an seinen Schultern.

Er bewegte sich schneller und sie begann sich seinen Bewegungen anzupassen. Er küsste sie leidenschaftlich und fordernd auf den Mund, seine Zunge fand ihre und sie begannen miteinander zu spielen. Tiefer und immer tiefer wurden die Küsse. Tiefer und tiefer stieß er in sie hinein. Er spürte ihre Erregung ansteigen.

»Baby, ich bin so weit«, stöhnte er in ihren Mund.

Er fühlte, dass sie noch nicht so weit war, und hielt sich zurück. Er ließ eine Hand zu ihrer Klit gleiten und streichelte sie. Als er spürte, dass sie kurz vorm Kommen war, verstärkte er den Druck seines Daumens gegen ihre Klit, pushte mehrmals schnell in sie. Als sie kam, ließ er los und ergab sich seinem eigenen Orgasmus.

Ich lehnte mich in die Kissen und dachte darüber nach, was Drew gesagt hatte. War das, was ich gerade geschrieben hatte, zu fantastisch? Gab es solche Männer und solchen Sex im wahren Leben? Oder war das tatsächlich alles nur ein Hirngespinst von mir und hatte mit der Wirklichkeit rein gar nichts zu tun?

Ich rieb mir die Augen. Ich wusste es nicht, aber ich hasste, dass ich jetzt Dinge hinterfragte, die in den letzten fünf Jahren für meinen Erfolg verantwortlich waren. Ich war immerhin für meine Sexszenen bekannt, und meine Freundin Daisy sagte immer: »Wenn man es sich ausdenken kann, kann man es auch tun.« Nur weil die meisten Menschen es nicht taten, hieß es doch nicht, dass es unmöglich war. Oder?

Aber so spät am Abend war es nicht sinnvoll, alles infrage zu stellen, vor allem dann nicht, wenn die Flasche Wein, die ich aufgemacht hatte, mit gähnender Leere aufwartete. Ups! Wer war das?

Ich machte das Licht aus, ging nach oben und kuschelte mich nach einem kurzen Abstecher ins Bad in mein Bett. Zu Cleo, die maunzte, weil ich sie zur Seite schob. Sie hatte offenbar die merkwürdige Vorstellung, dass sie hier das Sagen hätte …

Am nächsten Morgen kochte ich Kaffee, setzte mich auf die Arbeitsplatte, ließ die Beine baumeln und genoss den typischen Geruch, der durch die Küche schwebte. Ich goss mir eine Tasse ein, gab Milch und Zucker hinzu, öffnete die Zeitung und erfreute mich des ruhigen Morgens. Cleo kam in die Küche und sprang neben mich auf die Ablage.

»Guten Morgen, meine Schöne«, murmelte ich und kraulte ihren Kopf. Sie war so weich und schmiegte sich in meine Handfläche. Ich musste an Drews Bemerkung vom Vortag denken und schmunzelte leicht. Ja, dann war ich eben eine alte Jungfer mit tausend Katzen.

Ich blickte auf die Uhr. Heute war ich mit den Mädels zum Frühstück verabredet. Den vorigen Tag hatten sie in Mobile verbracht, aber sie wollten mich noch einmal sehen, bevor sie abends zurück nach New York flogen. Ich liebte die beiden heiß und innig, doch ich wusste, dass sie das Gespräch auf meine Rückkehr nach New York lenken würden, und war mir nicht sicher, ob ich in meiner momentanen Verfassung einem solch emotionalen Gespräch gewachsen war. Daher zögerte ich das Unvermeidliche so lange wie möglich hinaus. Schließlich bewegte ich mich dann doch, duschte, zog mich an – ohne wirklich darauf zu achten, was – und machte mich auf den Weg.

Sie warteten schon auf mich. Kate musterte mich von oben bis unten. »Ich will dich ja nicht verletzen, Süße … Aber was, bitte, trägst du da?«

Ich blickte an mir herunter und sah blaue Sneaker, alte verwaschene Jeans und ein T-Shirt, auf dem stand: Reading is sexy. »Was denn?«, fragte ich irritiert.

»Also das geht gar nicht«, mischte sich nun auch Mel als qualifizierte Modefachfrau ein – schließlich arbeitete sie für Chanel. »Wenn du nach New York ziehst, dann kleide ich dich ganz neu ein.« Sie lächelte zufrieden, als wäre schon alles entschieden.

»Falls ich nach New York ziehe, wäre ich hocherfreut, mit dir shoppen zu gehen«, gab ich zurück.

Kate kniff ihre Augen leicht zusammen und meinte: »Es ist keine Frage von ›falls‹, nur eine Frage von ›wann‹.« Offensichtlich bemerkte sie meinen unglücklichen Gesichtsausdruck, denn sie fügte hinzu: »Emma, es tut mir leid, dass ich gestern so unverblümt in Gegenwart von dir vollkommen fremden Menschen war. Ich hab dich lieb und vermisse dich und will dich in meiner Nähe haben. Du bist meine beste Freundin und ich kann es nicht ertragen zu wissen, dass es dir nicht gut geht.«

Ich lächelte leicht. »Wieso weißt du, dass es mir nicht gut geht?«

»Weil ich dich kenne. Du rufst kaum an und vergräbst dich in deiner Arbeit. Wenn wir telefonieren, bist du nicht dein abartig fröhliches Selbst. Du hast zugenommen, was mir sagt, dass du momentan keinen Sport machst. Und wann warst du das letzte Mal im Urlaub?« Sie blickte mich kritisch an.

Sie hatte ja recht. Eigentlich fuhr ich viermal im Jahr in den Urlaub, aber im vergangenen Jahr hatte ich das kein einziges Mal getan. Ich runzelte die Stirn und rieb mir mit den Fingern über den Nasenrücken.

»Ich weiß …« Ich schüttelte den Kopf. »Es ist nur … Ich finde momentan den Weg nicht, den Weg raus aus dieser Routine und dieser Gleichförmigkeit.«

»Emma, was ist los?«, fragte Mel mit sanfter Stimme.

Ich runzelte die Stirn und überlegte, was ich antworten sollte. Ja, was war los mit mir? Das vergangene Jahr war ich so gar nicht ich gewesen.

»Ach, es ist alles so kompliziert. Mein ganzes Leben wollte ich weg von hier. Ich war das schwarze Schaf des Ortes, habe nie hier reingepasst. Immer habe ich mich fehl am Platz gefühlt und die Leute hier haben mir auch das Gefühl gegeben, dass mit mir was nicht stimmt. Und dann kam ich an die Cornell,