Adam Müller-Guttenbrunn: Meister Jakob und seine Kinder. Roman
Neuausgabe.
Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.
Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:
Frans Mortelmans, Der Schreiner, 1887
ISBN 978-3-8430-6538-2
Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:
ISBN 978-3-8430-9519-8 (Broschiert)
ISBN 978-3-8430-9520-4 (Gebunden)
Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.
Erstdruck: Leipzig, Staackmann, 1918
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Meister Jakob war ein Blumenfreund. Und er galt bei den Bauern rundum als wunderlich, denn man musste ihn immer im Garten suchen, wenn er nicht in der Werkstatt war. Bei seinen Rosen, Nelken und Schwertlilien schien sein liebster Aufenthalt zu sein. Unter einem buschigen Schneeballengesträuch hatte er eine Bank im Schatten, und da rauchte er nach Feierabend am liebsten seine Abendpfeife. Mitten durch den Garten lief ein breiter Weg, links blühte das ganze Jahr der uralte deutsche Bauerngarten, das Löwenmaul, der Goldlack, die brennende Liebe, da dufteten Lavendel und Rosmarin; rechts veredelte er Rosen und zog Zierblumen. Und am äußersten Ende des Gartens, hinter den Gemüsebeeten seiner Frau Eva, standen einige Reihen Obstbäume besonderer Art, deren Setzlinge er von weit her, aus dem Tirolischen und aus Welschland kommen ließ und an Spalieren zog. Und in sie war er ebenso verliebt. Auf der Sonnenseite des Hofes aber, gegenüber der Werkstatt, in der er immer einen singenden Vogel haben musste, prangte ein Oleanderkübel neben dem andern, und die weißen und rosafarbenen Blüten durchdufteten das ganze Haus, das sonst stark nach Holz roch. Und alles pflegte der Meister selber, er sah es nicht gern, wenn sich sonst jemand um seine Blumen kümmerte, oder um seine Edelobstzucht an den Spalieren. Bekundete auch niemand besondere Neigung dafür, höchstens die Susi, sein zweites Mädel. Der stak noch nichts anderes im Kopfe und sie hing sehr am Vater. Gut hatte sie ihm heute wieder die Pfeife gestopft und den Tabaksbeutel gefüllt, als sollte er auf eine Holzreise in die Bergsau ausfahren.
Er saß behäbig auf der Bank inmitten seines Blumengartens, und die schweren Dolden des Schneeballengesträuches drückten die Zweige über ihn herab wie einen weißen Baldachin. Zufriedenheit leuchtete aus den Zügen des blonden, starken Mannes. Frau Eva, die vor Abend ihr Gemüse goss und ab und zu mit einer Gießkanne an ihm vorbei kam, lachte ihn an: »Der geiht's gut!«
»Freilich!« erwiderte er. »Wann Feierabend is, geht's einem immer am beschte.« Und als sie mit der leeren Kanne zurückkam, sagte er: »Und du muscht des wieder allein mache?«
»Die Anmerich (Annemarie) is nit derhaam, die Susi zieht mer's Wasser aus'm Brunn' und die Kathl häb ich zum Jud g'schickt um Hefe«, erwiderte sie.
»Und die Buwe?«
»Ach, loss die Buwe! Sein a müd' so wie du.«
Frisch und hurtig vollführte sie ihr Geschäft. Die sechs Kinder, die sie ihrem Jakob geboren und aufgezogen, sah ihr niemand an. Frau Eva war noch immer ein sauberes Weib. Ihr rundes, glattes Gesicht, aus dem zwei scharfe graue Katzenaugen leuchteten, war faltenlos, und sie hatte dieses glücklich geformte, offene Gesicht auch auf ihre Kinder vererbt. Die Augen aber nur auf die Susi. Alle waren sie hübsch und dem ganzen Dorfe ein Wohlgefallen. Namentlich die drei Mädeln. Auf die musste man schon aufpassen. Die Anmerich war freilich schon vergeben. Ein Bauernsohn hatte dem Hause die Ehre angetan, um sie zu werben, und sie ist ihm zugesagt worden. Im nächsten Fasching soll Hochzeit sein. Aber da war die schöne braune Susi, hinter der alle Buben herliefen ... Und jetzt war auch die Kathl so weit. Die Mutter konnte nicht Augen genug haben. Ein Maibaum steht vor dem Hause und niemand weiß, welcher er gilt. Keine gesteht was ein. Der Philipp Trauttmann leugnet ihn ab, der Anmerich gilt er nicht, die hat den ihren im Vorjahr gehabt. Und die großen Buben von Neurosenthal sind äußerst erbost, sie wissen nicht, wer der Susi den Baum um die Mitternachtsstunde gesetzt haben mag. Denn nur ihr konnte er gelten. Einer von ihnen tat es nicht, sie gab keinem ein Recht hiezu. Und wehe, wenn es einer aus Altrosenthal war. Die Knochen würden sie ihm brechen, wenn die, der er gilt, eine Bauerntochter wäre und einen Hof zu erwarten hätte. Aber auch die Susi vom Meister Jakob betrachteten sie als ihren Besitz. Sie lassen sich von denen drüben nicht die schönsten Mädeln wegfischen.
Die Susi wechselte ab mit der Mutter. Jetzt trug sie die Kannen, und die Mutter schöpfte am Brunnen. Die Augen des Vaters folgten ihr voll Wohlgefallen. Sie war sein Liebling. Das verjüngte Ebenbild seiner Eva. So war diese, als er sie aus Altrosenthal herüberholte, allen zum Trotz, die Bauerntochter. Schon als er in die Fremd' ging, hatte er ein Auge auf die Zengrafs-Eva, und bei einem Tanz sagte er's ihr. Und als er wiederkam, hatte sie richtig auf ihn gewartet. Er wurde Meister und heiratete sie. Aber nie hätte er sie bekommen, wenn nicht sein Meisterstück, ein neuartiger Leiterwagen, mit Vorder- und Hinterschragen und vier bequemen federnden Sitzen so gut ausgefallen wäre. Er klapperte, dass das ganze Dorf aufhorchte. Der Vater Zengraf hatte ihn bestellt bei dem jungen Meister und wurde jetzt vom ganzen Dorfe beneidet. Als er dahinterkam, dass seine Eva die Hand dabei im Spiele hatte und seine Frau, wurde er wohl sehr böse, aber es blieb ihm zuletzt nichts anderes übrig, als ja zu sagen. Schließlich war der Jakob Weidmann ja auch ein Bauernsohn und hatte etwas gelernt, wenn er auch aus Neurosenthal stammte. Die Schläge, die dem Jakob damals versprochen wurden, hat er von den Altrosenthaler Buben, die ein Recht auf die Eva zu haben glaubten, nicht bekommen, denn jeder wollte dereinst einen ebenso schönen neuen Wagen von ihm haben. Man estimierte ihn bald als den ersten Wagnermeister in Alt- und Neurosenthal.
Wer da meinte, dass das zwei feindliche Nachbardörfer wären, der ginge weit irre, sie bilden eine Gemeinde. Die Altrosenthaler sind nur um dreißig Jahre früher angesiedelt worden, noch vom Prinzen Eugenius und vom Grafen Mercy, die Neurosenthaler erst von Maria Theresia. Die Gemeinde erhielt damals einen Zubau von zweihundert Häusern, der beinahe größer war wie die erste Anlage. Aber die älteren Siedler spreizten sich, taten vornehm und fühlten sich als die besseren und gescheiteren. Denn sie waren schon wohlhabend geworden. Sie hatten eine Kirche, eine Schule und ein Pfarrhaus gebaut, ein großes Wirtshaus sogar, und jetzt wollten diese neuen Leute an all dem Anteil haben? Das ging nicht so glatt, die musste man sich doch erst ansehen. Sie redeten ja sogar eine andere schwäbische Mundart.
Mehr als hundert Jahre waren vergangen seit der Ansiedlung dieser Neuen, die ganzen Geschlechter hatten sich dreimal verjüngt, und noch immer war der Gegensatz nicht verwischt, noch immer nannten sich die einen trotzig die Altrosenthaler, die anderen die Neurosenthaler, noch immer meinten die Alten, die Kirche und das große Wirtshaus gehörten nur ihnen, noch immer gönnten die Buben von hüben denen von drüben kein hübsches oder reiches Mädchen aus ihrer Mitte.
»Na, Susi, weißt es noch immer nit?« fragte der Vater neckend, als diese an ihm vorüberkam. Das Blut schoss dem Mädel in die runden Backen: »Wann nur der Baam schon weg wär«, seufzte sie beinahe erzürnt. »Er kann ja auch der Kathl vermaant sein.«
»Lass gut sein. Mir wer'n halt uffpasse, wann der Baam weggenomme wird«, scherzte der Vater und stopfte sich eine frische Pfeife. Er gönnte den Maibaum seinem Liebling. Und eines Tages wird sie's schon gestehen, von wem er war. Es konnte aber auch sein, dass sie es gar nicht wusste.
Der Abend war so mild, die Ruhe so wohltuend, dass er noch sitzen bleiben wollte. Aber es wurde bald lebendig ringsum, bei den Nachbarn und im eigenen Hause. Vorn im Hofe muhten die Kühe. Sie waren von der Weide heimgekehrt und eilten in den Stall. Wussten sie doch, dass sie dort immer etwas in der Krippe fanden. Auch die jungen Schweine kamen grunzend heim und scheuchten die zur Mast im Stall verbliebenen aus träger Ruhe auf. Die Heimkehrenden stellten sich auf die Hinterfüße und beschnüffelten und beleckten die Tröge der anderen. So gut wie diesen ging es ihnen nicht auf der Weide. Sie wollten jetzt auch etwas haben, und es gab ein großes Gequietsche von außen und von innen. Da kam auch schon Susi mit einem vollen Eimer, jagte sie in ihren besonderen Stall und stillte ihr Verlangen. Und die Mutter band die Kühe an, freute sich ihrer vollen Euter und bereitete sich vor, sie zu melken. Bald war die Ruhe wiederhergestellt im Hofe. Aber bei den bäuerlichen Nachbarn hielt der Lärm länger an, da war mehr Vieh heimgekehrt.
Als alle im Hause beschäftigt waren und der Vater allein hinten im Garten saß, kam Johann, der älteste Sohn, der schon längst als Geselle in der Werkstatt tätig war, zu ihm. Sie sprachen sich über das Handwerk nicht immer gut, der Sohn hatte allerlei Neuerungen im Kopfe, er wollte Dinge, die er in Arad und in Temeschwar gesehen hatte, nachmachen und traf immer auf den Widerspruch des Vaters. Er habe Bauernwagen für Pferde zu machen, keine Ochsenwagen und keine Kaleschen, er müsse sich auf das beschränken, was hier verlangt wurde, was erprobt und dauerhaft wäre. Wenn er einmal für einen Baron von drüben einen Auftrag kriege, dann lasse sich über manches reden, sagte der Vater. Mit dem »drüben« meinte er aber das ungarische Land jenseits der Marosch, wo es große Herrschaften gab, während herüben, im Banat, die bäuerlichen deutschen Siedler fast alles Land innehatten. Und es wäre Zeit, sagte der Vater oft, dass der Johann in die Fremd ginge. Aber der zögerte. Lag lieber in den Spinnstuben herum bei den Dorfmädchen, er hing zu zäh an der Heimat. Jetzt kam er, dem Vater zu melden, dass er nach Fronleichnam auf die Wanderschaft gehen wollte. Und er bat ihn um Rat, wie er's anstellen solle.
Es war dem überraschten Meister Jakob nicht ganz recht, dass er ihn gerade jetzt zu verlassen gedachte, zur schärfsten Arbeitszeit, aber er war längst gefasst darauf und durfte seinen Sohn nicht halten. Ohne die Erfahrungen der Fremde galt kein Handwerker etwas in der Heimat. Und das war auch recht so. Er ließ den Johann neben sich niedersetzen und plauderte mit ihm also von der Fremde. Nach Österreich solle er gehen, nach Wien. Aber dann auch an den Rhein, ins schwäbische und bayrische Land. In kleine Städte, wo man für die Bauern arbeitete, wo die Landwirtschaft blühe. Er werde ja sehen, wie sich's mache, ob er in Wien Passion zum höheren Wagenbauer zeige, oder ob er bei der einfachen Wagnerei bleiben wolle. Es könne nicht schaden, wenn er sich auch die herrschaftlichen Reisekutschen beim Janschky in Wien genau ansehe, und die leichten Steirer-Wägelchen, die man für einen Rutscher in die Stadt oder für eine Kirchweihfahrt auch hier brauchen könne. Hier wisse man noch nichts davon. Aber der Johann könne sie vielleicht einmal einführen, wenn er daheim Meister werden wolle.
Ob er denn gleich nach Wien wandern solle, fragte der Johann. Das sei doch ein bissl weit. Das wäre nicht nötig, erwiderte der Vater. »Bleibe auch einige Zeit in Ungarn, die Revolution ist vorbei, das Land wieder ruhig. Arbeite vier Wochen in Szegedin und schau dir die schweren Ochsenwagen gut an. Bei uns ist ja die reine Pferdewirtschaft, aber wer weiß, ob das so bleibt. Arbeite sechs Wochen in Ofen und in Preßburg. Aber verplempere deine Zeit nicht: Wien ist wichtiger. Da musst du ein halbes Jahr mindestens arbeiten. Auf der Zunftstube kriegst du jede Auskunft, der Herbergsvater kennt die Meister und weiß um jeden freien Platz. Wien ist wichtig, sag ich dir. Wenn du hinaus kommst ins Deutsche, wirst du hören, dass auch dort kein Geselle geachtet ist und Meister werden kann, der nicht in Wien in der Fremd' war. Das hat zu meiner Zeit für alle Handwerker gegolten, namentlich für die leichten. Aber auch für die Wagnerei, die Schlosserei und die Schmiedekunst. Da lernt man was in Wien. Und dass ich nicht vergesse, gib auf die Fechtbrüder acht. Ein ehrsamer Wandergeselle muss einen Strotter auf der Walze gleich erkennen. In der Herberge zeigt sich's. Sie verlästern alle Meister, finden nie die Arbeit, die sie suchen, fechten lieber und verlausen jede Herberg. Und brauchen immer Gesellschaft. Lass keinen in dein Felleisen gucken, wandere lieber allein und schau dir die schöne Gotteswelt und ihre Wunder an. Von einem Fechtbruder ist nichts zu lernen.«
Und wie lang er denn ausbleiben solle, fragte der Sohn. Er gehe nicht leicht fort.
»Wie lang? Es kommt drauf an. Wenn du hier sesshaft werden willst, dann bleib' drei Jahre. Wer länger weg bleibt von der Heimat, der findet leicht nicht mehr den Anschluss. Daheim wächst alle fünf Jahre ein neues Geschlecht heran, die Altersgenossen heiraten, die Mädeln sind weg, und man kommt den jüngeren gleich zu alt vor. Man soll aber jung heiraten. Und gesund soll man wiederkommen. Du verstehst mich noch nicht ganz. Hüte dich vor leichter weiblicher Ware!«
So redeten sie und merkten gar nicht, dass es schon dämmerte.
Die Kathl kam mit Spektakel in den halbdunkeln Garten gestürzt. Was denn das wäre, dass niemand kommt, es habe schon Ave geläutet und das Nachtmahl stünde auf dem Tisch. Und der Philipp sei auch da. Und die Anmerich habe ihm eine wunderschöne Brieftasche gestickt. Sie habe sie heute beim Taschner in Lippa fertig geholt.
Vater und Sohn erhoben sich.
Der Meister schloss das Stakettürchen seines Gartens sorgfältig ab, denn die jungen Schweine, die früh am Morgen zur Weide gelassen wurden, waren ihm schon manchmal in die Rosen geraten und ins Kraut. Er vertraute niemandem mehr den Schlüssel an. Sie gingen nebeneinander durch den langgestreckten Hof. Links lag der Schuppen für neue Arbeiten, die noch nicht abgeholt wurden, für heikle Hölzer und für Späne; rechts roch man die Schweineställe, unter deren Dächern auch die Hühner schliefen, wenn sie es nicht vorzogen auf dem Maulbeerbaum beim Schuppen zu übernachten. Dann kamen die reichen Vorräte an Wagnerholz, alte trockene Eichenstämme, die jahrelang liegen mussten, ehe sie verwendet wurden. Und ein Taubenkobel, in dem es gurrte. Breit wuchtete ein Düngerhaufen hinter dem Haus, dessen letztes Gelass der Kuhstall war. Sechs Kühe hätten Platz gehabt in dem Stall, aber es standen nie mehr als zwei darin mit ihren Kälbern, die immer wieder aufgezogen und verwertet wurden. Und unter ihnen trieben sich ein paar »Kiniglhasen« herum, feine Lampusse, die sich da am wohlsten fühlten. Die Mutter liebte ihr zartes Fleisch und übersah es, dass sie manchmal an den Kühen tranken, denen man ihr Kalb genommen. Eine große offene Halle trennte den Stall von der Werkstatt. Sie hieß die Press. Da stand die Kelter für den Wein und die Boding, ein oben offenes Riesenfass, in das die Trauben im Herbst geschüttet wurden, ehe sie in die Kelter kamen. Und es gab auch einen eingemauerten Kessel dort, in dem man seinen eigenen Raki brennen konnte, wenn es genügend Pflaumen und Zwetschgen gab. Die Frau Eva benützte ihn aber häufiger als Wäschekessel, denn das Joch Pflaumenbäume, das sie einst mitbekam, hatte sich immer mehr in ein Kukuruzfeld verwandelt, da die Nachpflanzungen ausblieben und das Viehfutter wichtiger war als der Schnaps.
Links an der Hofwand des bäuerlichen Nachbarhauses dufteten die Oleanderbäume in ihren Kübeln, rechts kam man an der Werkstätte vorbei, die ihren Ausgang nach dem Hause hatte, kam man zur Kellertür und endlich zur Küche, aus der es vergnüglich nach ausgelassener Butter und gerösteten Zwiebeln roch.
»Dass ihr endlich kummt!« rief die Mutter. »Was häbt 'r denn wieder ausgekocht miteinanner? Hm?«
Sie traten in das Wohnzimmer.
Die Kathl, die vorausgeeilt war, sprach mit Peter, dem Jüngsten, in der Mitte des Zimmers stehend, mit gefalteten Händen, den Blick nach dem Gekreuzigten an der Wand gerichtet, das Tischgebet. Alle schlugen, als die Kinder geendet hatten, das Kreuz und setzten sich. Der Philipp Trauttmann, der schon daheim gegessen hatte, rückte sich einen Stuhl neben die blonde Anmerich und führte das Wort, solange die anderen aßen.
Neben dem Wohnzimmer lag die schöne Stube, in der die drei Töchter schliefen, während die Söhne ihre Betten in der Werkstatt hatten. Das Haus war überzwerch gebaut, es hatte seine breite Seite nach der Gasse, denn es brauchte nicht die geräumige Einfahrt der Bauernhöfe für Getreide- und Heuwagen. Es war dadurch als Haus eines Handwerkers kenntlich für jeden und stand allein als solches in der Reihe der schmalen Bauernhäuser. Diese wendeten der Gasse nur zwei Fenster zu und einen Spitzgiebel, sie entwickelten sich erst im Hofe nach der Länge hin. Meister Jakob verdankte diesen bevorzugten Platz seinem Vater, der als Bauer so reich mit Söhnen gesegnet war, dass er dem Dorf einen Bauer, einen Wagner, einen Maurer und einen Fassbinder gab. Und er ließ dem Zweitgeborenen, dem Wagner, den Bauplatz abtrennen vom Bauernhofe nebenan. Sein Gewerbe erforderte, dass er mitten unter den Bauern sesshaft wurde und nicht im Tal, wo die Drechsler, Schreiner und Balbierer hausten, und nicht im Gässl hinter der Kirche, wo die Klempner, die Schuster und die Hebammen wohnten.
So saß Jakob Weidmann in der Herrensgass' von Neurosenthal auf väterlichem Grund und Boden, der seit Anbeginn der Familie gehörte. Und sein ältester Bruder Hannes nebenan war der Bauer. Sie vertrugen sich leidlich, obwohl der Hannes von finsterer Gemütsart war, und bei denen, die ihn nicht kannten, für böse galt. Als der Zaun aufgerichtet wurde, der mitten durch den Bauernhof schnitt, gab es argen Streit zwischen den Brüdern, und der Hannes verwand die Lostrennung des Drittel-Grundes nie. Jakob war freieren Gemütes, weltläufig, freundlich mit jedermann und gut mit seinen Kindern. Er freute sich immer wieder, dass sie ihrer sechs waren, drei Buben und drei Mädeln, und dass sie sich alle vertrugen. Zwei seiner Buben ließ er die Wagnerei lernen, der dritte aber sollte Schmied werden; denn Wagner und Schmied, die zwei unentbehrlichsten Gewerbe für den Bauer, gehörten zusammen und konnten sich in die Hände arbeiten.
Philipp war der einzige Sohn eines Viertelbauern. Durch Kinderreichtum und mehrfache Teilung des Besitzes war man dahin gekommen. Aber sein unternehmender Vater hatte sich durch Kauf und Pachtung walachischer Gründe auf dem Hotter der Nachbargemeinde so viel Felder gesichert wie ein Vollbauer. Und die Wirtschaft stand gut, es wartete der Anmerich eine große Aufgabe. Und wer sie in ihrer Ruhe und Festigkeit, in ihrer blonden Güte sah, der traute ihr auch die Fähigkeit zu, ein Haus zu führen. Die Eltern des Philipp waren freilich nicht dieser Meinung, sie wollten lange nichts wissen von einer Schwiegertochter aus dem Hause eines Handwerkers und schienen noch heute nicht ausgesöhnt zu sein mit dem Plane ihres Einzigen, wenn sie auch nachgegeben hatten. Denn Philipp war fest geblieben. Und Meister Jakob, der die Heimlichkeiten der Liebesleute nicht leiden mochte, erlaubte ihm das Kommen jederzeit. Der braune junge Mann war ein ernster Mensch, ein Spintisieren der sich in den Wintermonaten sogar aufs Bücherlesen verlegte. Das war in seiner Familie üblich. Die Trauttmänner wissen immer alles besser, sagte man im Dorfe. Und von dem Gelesenen zehrte er dann den ganzen Sommer. Als der Meister nun von Johanns Vorhaben zu reden anfing, da fühlte sich der Philipp am meisten berührt. »Herrgott, wenn's doch so a Fremd' aa far uns Bauernbuwe gäwe tät!« rief er. Und Meister Jakob war überrascht von diesem Ausruf. »Kein übler Gedanke«, sagte er. »Könnt' euch Bauern aa nit schade, wenn ihr einmal die Landwirtschaft wo anders studiere möchtet.«
Und der Philipp redete von dem, was er im Winter Landwirtschaftliches gelesen. Es sollen ja schon mancherlei Maschinen und künstliche Düngemittel in Deutschland erfunden worden sein, sagte er, der Johann müsse ihm darüber Näheres schreiben. Am liebsten wäre er mit ihm gewandert.
Die Anmerich gab ihm einen Tritt, der gar nicht sanft war, unter dem Tisch, und der Philipp bog langsam auf andere Wege ein. Man habe halt keine Zeit für so was. Und Modi wär's auch nit. Der Johann aber versprach ihm aufzupassen. Alle redeten mit, nur die Mutter ging still ab und zu und wischte sich manchmal mit der Schürze über die Augen. Also wurde es doch ernst. Der Erste zog fort in die Fremd'. Das war nicht zu ändern, aber nahe ging es ihr sehr. Und sie beschäftigte sich schon mit Johanns Ausstattung. Und was sie ihm Gutes backen könne für die ersten Tage der Wanderschaft, das lag ihr besonders im Sinn. Frau Eva setzte sich neben ihren großen Buben und nahm versteckt unter dem Tisch seine Hand. Ihr Liebling war ja der Zweite, der Jakob, sagten alle; sie wusste davon nichts; in dieser Stunde war es gewiss der Johann. Und sie wollte wissen, was er sich noch alles wünsche.
»Willscht ihm den Abschied schwer mache?« fuhr der Vater sie an. »Gib ihm nur ja keinen Strudel mit. Denk' an den Schuster-Sepp und was mer über den gelacht habe.«
»Was war's mit dem?« fragte Philipp.
»Der Kerl war nicht fortzubringen«, sagte der Meister. »Und wie er endlich doch geht, gibt seine Mutter ihm einen großen Apfelstrudel ins Felleisen. Er fängt im nächsten Dorf schon zu essen an, isst und isst, und wie er fertig ist, heult er, kehrt um und kommt am Abend schon wieder heim aus der Fremd'. Versteckt sich ein paar Woche im Haus und geht nit mehr fort. Ist sein Lebtag ein Flickschuster geblieben.«
Die Jugend lachte sehr. Am lautesten der Johann. Und er ging dann mit der Mutter hinaus in die Küche und hinüber in die Werkstatt, um sich mit ihr zu beraten. Und dort konnte sie auch zärtlicher mit ihm sein, als es sonst ihre Art war. Wer weiß denn, wann und ob sie ihn je wiedersah. Man hat mancherlei erlebt mit Gesellen, die in die Fremd' gingen.
Der Vater, dem die Susi nach Tisch wieder die Pfeife gestopft hatte, redete in der Stube zu den andern über den Wert des Wanderns und der Fremde. Er erging sich stets halb in dem Hochdeutsch, das ihm noch von der Fremde anhing, halb in der heimatlichen Mundart, die die Seinen am besten verstanden. Er hatte ja noch zwei Aufpasser am Tisch da sitzen, die ihm am Ende verweichlichten im Wohlleben der Heimat, den Jakob, der zu Ostern frei geworden war, und den Peter, der im Herbst zum Schmied in die Lehre kommen sollte. »Das wär' was Schönes, wenn wir Handwerker dort hocke bleibe wollte, wo mer hingeschneit worde sin. Was m'r derhaam lernt, des gibt nur die gut oder schlecht Unterlag; in der Fremd' erscht sieht m'r, was ei'm fehlt, da macht mer die Auge uf und lernt. Unsere Urgrossleut sein zwahunnert Meile fortgewandert aus'm deutsche Land, weil sie mehr Grund und Bode gebraucht häwe und mehr Freiheit wie derhaam. Es hat ihne gut ang'schlage. Aber was wisste sie dahier von der Welt drausse und von alledem, was in hunnertundfufzig Jahr vorwärts gange is, wann die G'sella nit immer in die Fremd' gange wäre? Die Studente, die Pfarrers, Lehrers und Doktors werde, und die Handwerksbursche, die als Meister wiederkumme, die bringe immer wieder ein Tröppel vom deutsche Geischt mit, dass m'r nit vergesse, woher m'r sein. Die Schwobe hahier müssa immer ein' Spiegel haun, in den se gucke könne, sunscht vergesse se, wer se sein. Losst den Johann nur wandern. Und wünscht ihm Glück, wann er geht. Er werd' in sei'm Innern aa so ein' Spiegel mitbringe aus der Fremd'.«
»Buwe, ins Bett!« rief die Mutter zur Tür herein. »Marje is aa ein Tag!«
Da erhob sich auch Philipp. Er wollte morgen gar früh auf und verplauderte sich hier. »Vetter Jakob«, sagte er »Euch könnt m'r die ganze Nacht zuhöre. Ich kumm bald wieder.«
Die Anmerich begleitete ihn hinaus bis auf die Gasse, sie hatten sich sicherlich noch manches unter vier Augen zu sagen. Und Kathl machte ein Fenster auf, den Tabaksrauch hinauszulassen. Da rief der Philipp von draußen: »Susi, Susi!« Und diese – sie räumte noch den Tisch ab –, trat ans Fenster. »Dei' Maibaum ist pfutsch! Was sagscht du?« rief er von draußen.
»Ich?« lachte das verstockte Mädel. »Gott sei Dank. Hot die Sekkatur a End!«
»Ach ja«, sagte der Vater, »es war heunt der letscht Mai. Und uffgepasst häwe m'r doch nit, Suserl«, scherzte er. »Jetzt wisse mer wieder nix.«
Sie zuckte die Achseln, sagte gute Nacht und ging in ihre Stube. Aber sie vermied den Blick der Mutter.
»Loss sie, Vatter ... Der schöne Maibaum war nit vom Erschtbeschte«, meinte die Frau Eva. »Da spinnt sich 'was.«
Zum Hause Jakob Weidmanns gehörten auch drei Weingärten, ein paar Joch Getreidefelder auf dem Postgrund beim Schwarzwald und einige Kraut- und Kartoffelfelder. Und so gab es immer zu schaffen in der Wirtschaft. Die Gründe, zusammengeerbt von väterlicher und mütterlicher Seite, wurden von den Töchtern, die immer von einem der Söhne begleitet waren, bearbeitet, und ergaben alles Nötige fürs Haus. Nur in der Erntezeit griff man weiter aus, übernahm man Getreidefelder für den Schnitt und gegen Entlohnung durch einen Anteil. Der Vatersbruder nebenan, der Vetter Hannes, war dankbar für solche Mithilfe. Und jeder Bauer im Dorfe suchte sich ähnliche Helfer aus der Handwerkerzunft und aus den Kleinhäuslern, die kein eigenes Getreide zu fechsen hatten. Das Brot für das ganze Jahr verdiente sich im Schnitt jeder in der Gemeinde, der Lust dafür hatte. Auch in den Taglohn zu gehen war für niemanden eine Unehr', der Bauer schätzte seine Helfer und behandelte sie wie Familienmitglieder, die Bäuerin aber kochte auch für die abends Heimkehrenden, wie zur Kirchweih. Der Lohn war mäßig; aber jedes Haus legte noch ein »Vergelt's Gott« drauf, denn die Arbeit ehrte, der Fleiß war rühmlich und brachte eine gute Nachrede. Und die Bauern gingen bitten um die Mithilfe, wenn die Zeit da war. Das junge Getreide wollte im Frühjahr rasch vom Unkraut gesäubert sein, die Kartoffeln und der Kukuruz mussten gehackt und gehäufelt werden, und jeder Wingert rief wiederholt nach gründlicher Durcharbeit, ehe die reifen Trauben an den Reben hingen, die auch aufgebunden und gestützt sein wollten. Die Anmerich hatte da und dort im Taglohn mitgeholfen, wenn die eigene Arbeit getan war, sie schaffte mit allen um die Wette und man wunderte sich gar nicht, dass ein junger Bauer um sie warb. Der Ruf ihrer Tüchtigkeit war in jedermanns Mund. Die Susi geriet ihr nach.
Wenn sie sich im Weingarten mit einer Hacke am Morgen in eine Reihe mit den andern stellte, flog sie voran, keiner holte sie mehr ein. Und um nicht so aufzufallen, mit ihrer Kraft und ihrem Eifer, übernahm sie lieber gleich zwei Zeilen. Die schönen weißen Leinenbatschker mit den langen blauen Strümpfen wurden abgelegt, und barfuss, in kurzem Rock und Hemd, warf man sich in die Arbeit. Die braunen Arme und die prallen Waden der gebückten Mädchen leuchteten im Sonnenbrand. Ein Joch Weingarten, das in mehreren Schlägen, die durch Zwischengräben getrennt waren, den Berg hinanstieg, lag lange vor Sonnenuntergang hinter den fleißigen Weidemannsmädeln, und sie traten immer als die ersten, frisch gewaschen, den weiten Heimweg an. Beinahe geputzt sahen sie aus, so nett und sauber waren sie. Wenn sie nicht die Hacken auf der Schulter getragen und die Wasserkrüge in der Linken gehalten hätten, man würde geglaubt haben, sie kämen von einer Wallfahrt. Die leergegessenen Tornister trug immer der Jakob oder der Peter. Sie gingen zu Fuß wie alle, die nicht Pferd und Wagen hatten, aber sie wurden gar oft von den Bauern, die sie mit ihren Wagen einholten, durch Zuruf aufgefordert mitzufahren. Doch sie taten spröde, und die Wagen waren ja in der Regel voll gepfropft. Es musste eine schon sehr müde sein, wenn sie die Einladung annahm. Oder es gedachte eine daheim noch etwas zu schaffen oder der Mutter zu helfen, wenn sie Vorsprung gewann. Etwas andres war es, wenn jemand aus der bäuerlichen Verwandtschaft oder Nachbarschaft nachgefahren kam, die Zengrafs, die Trauttmanns, der Vetter Hannes, der Nachbar Staudt oder sonst wer. Da stiegen sie geschwinder auf. Zwei ihrer Weingärten lagen ja recht weit ab, hinter dem Hotter der walachischen Nachbargemeinde. Dort hatten die Rosenthaler Schwaben vor langen Zeiten einem Grafen die Urwälder ausgestockt und die Bären und Wölfe daraus verjagt. Das Holz wurde geteilt, die kahlgeschorenen Berge aber gehörten den Kolonisten, wenn sie sie mit Wein anpflanzten und dem Grafen den Zehent gaben. Den Wein pflanzten sie. Und den Zehent gaben sie bis heute. Aber der Weg zu diesem Besitz war weit, es hieß immer früh aufstehen, wenn man im Weingarten zu tun hatte. Und wenn die Schwaben an dem walachischen Dorfe vorbeifuhren, rechneten sie immer damit, dass sich da Arbeitswillige meldeten und mitgenommen werden mussten. Und das war denn auch meistens der Fall. Die Walachen warteten vor ihrem Dorf, feilschten mit den Bauern um den Lohn und stiegen auf. Ein Verlass auf sie war nie, denn sie hielten immer wieder gern einen Ruhetag, und man konnte auch die vielen griechischen Feiertage nicht zählen, an denen ihnen die Arbeit verboten war. Erst wenn diese fremden Taglöhner, die keiner liebte und ohne die man in größeren Wirtschaften nicht nachkam, am Abend wieder abgeladen waren, gab es häufiger Rückfahrtgelegenheit für die vielen Fußgänger. Aber bis sich das begab, waren die drei Weidmannsmädeln meist schon daheim. Denn einen frühen Feierabend gewährten die Bauern ihren walachischen Taglöhnern nicht. Die mussten für dreißig Kreuzer schaffen, so lange die Sonne am Himmel stand. Taten sie's doch selber auch.
Der Johann ging fort und der Jakob trat an seine Stelle als erster Gehilfe des Vaters. Ein zierliches kleines Rad hatte sich der Johann in den letzten Tagen gemacht für sein Felleisen, denn jeder Wanderbursche trug auf diesem das Abzeichen seines Handwerks, der Schuster einen Stiefel, der Schlosser einen Schlüssel, der Balbierer eine blanke Messingschüssel, der Wagner ein Rad. Es brauchte keine Vorstellung auf der Herberge, jeder sah, wer der andere war. Und beim Ludlmann, dem jüdischen Wanderhändler, der mit einem einspännigen Planwagen durch die Dörfer zog und sich auf einer Holzpfeife die Kundschaften melodisch herbeiblies, hatte Frau Eva für den Johann die nötigen Sachen, eine Schere, Nadeln und Zwirn, Lederriemen, Halstücher, Knöpfe, Seife, Hosenträger, einen Lauskamm und sonstige Ausrüstungsgegenstände für lange Wanderschaft eingetauscht. Sie gab alte Leinwand dafür hin, deren Flachs man einst selber gesponnen, Fetzen, von denen sie nicht wusste, was der Ludlmann damit anfangen könne. Und sie hatte dem Johann heimlich doch einen großen Strudel gemacht und einen Kranzkuchen, und auch eine geräucherte Speckseite dazugepackt. Dass er nicht umkehren würde, wenn das aufgezehrt war, wie der Schuster Sepp, das wusste sie. Dazu war ihr Bub zu stolz. Die Anmerich drückte ihm von ihrem ersparten Taglohn ein paar Silberzwanziger in die Hand, und die Susi gab ihm ihr Liederbuch mit. Er möge ihr überall, wohin er komme, ein schönes neues Lied einschreiben und es einst wiederbringen. Man brauche schon notwendig neue Lieder in den Spinnstuben. Er versprach es. Und es war ihm lieb, dass ihn die heimatlichen Lieder fortan begleiten sollten. Er selber war ein guter Ziehharmonikaspieler und sein Instrument nahm er mit. So wollte er auch gleich die Weisen der Lieder, die er etwa hören würde, aufschnappen und mitbringen. Am Fronleichnamstage nach der Vesper war der Johann ausgezogen, und die Geschwister und ein paar Freunde gaben ihm das Geleite bis hinaus auf die Temeschwarer Komitatsstraße. Am Vormittag hatte er noch teilgenommen an der Prozession, die durch das reichgeschmückte Dorf zog. Alle Wege waren mit Gras und Wiesenblumen bestreut, alle Gassen mit frischen grünen Zweigen abgesteckt, die Glocken läuteten, die Musikanten spielten, der Kirchenchor sang fromme Lieder und die Schützen gaben vor jedem Altar ihre Salven ab. Es war die dankbar demutsvolle Begrüßung des Wunders, das sich in der Natur draußen vollzogen hatte, eine jubelvolle Bitte um die Erfüllung alles dessen, was bis jetzt verheißen ward, um eine gute Ernte.
Da ging der Johann noch mit der Gemeinde im Gefolge der beiden Zünfte. Und sein frommer Vater als Vorsteher der einen trug auch einen Fuß des Himmels, unter dem der Herr Dechant mit dem Allerheiligsten in Händen einherschritt. Denn mit dem Dorfrichter und dem ersten Geschwornen trugen immer die Vorsteher der beiden Zünfte an diesem Tage den Himmel, zwei Bauern und zwei Handwerker. Diese waren den Bauern gleichgestellt in der Kirche, wenn sie auch in der Gemeinde selten ein Amt bekleideten. Mit dem mächtigen Eindruck des Tages im Herzen zog Johann von dannen. Seine Begleiter, Buben und Mädchen, von denen ihm eines einen Blumenstrauß anhing, waren lustig und sannen noch auf einen Schabernack. Sie geleiteten den Johann durch das Gässel, wo einer alle alten Stiefel des Dorfes flickte, der seit Jahren ein Ziel des Spottes war bei solchen Anlässen. Und so einmütig, als säßen sie in der Spinnreih, stimmten sie plötzlich das alte auf ihn gemünzte Lied an:
Der Schuster-Sepp, der wandern soll,
Weint laut und jammert sehr:
»O Mutter lebet ewig wohl,
Euch seh ich nimmermehr.«
Die Mutter greint entsetzlich:
»Das lass ich nicht geschehn,
Du darfst mir nicht so plötzlich
Aus deiner Heimat gehn.«
»O Mutter, nein, ich muss von hier,
Ist das nicht jämmerlich?«
»Mein Kind, ich weiß dir Rat dafür,
Verbergen will ich dich.
In meinem Taubenschlage
Verberg ich dich, mein Kind,
Bis deine Wandertage
Gesund vorüber sind.«
Mein guter Seppel merkt sich dies
Und tut, als ging er fort,
Nahm kläglich Abschied und verließ
Sich auf der Mutter Wort.
Doch abends nach der Glocke
Stellt er sich wieder ein,
Ritt auf dem Schusterbocke
Zum Taubenschlag hinein.
Jetzt standen sie vor des Seppels Haus und kollerten lachend ihr Lied:
Da ging er; welch ein' Wanderschaft,
Im Schlage auf und ab,
Und wartete, bis ihm zur Kraft
Die Mutter Nudeln gab.
Beim Tag war er auf Reisen,
Und auch in mancher Nacht,
Da hatt' er mit den Mäusen
Und Ratten eine Schlacht.
Begleitet von einem saftigen Fluch kam ein alter Bauernstiefel in die Mitte der Sänger geflogen, und sie beeilten sich weiter zu kommen. Aber sie schenkten ihrem Opfer auch das letzte Gesätz nicht:
Einst hatte seine Schwester Streit
Nicht weit von seinem Haus,
Er hört, wie da ein Bettler schreit
Und guckt zum Schlag hinaus.
Mein Seppelein ergrimmte,
Macht eine Faust und droht:
»Wär' ich nicht in der Fremde,
Ich schlüg' dich mausetot!«
So scherzte man sich zum Dorf hinaus. Aber als es gegen das Ende ging, schlug die Stimmung um, den Begleitern Johanns riss der Faden ab. Und es gab ein groß Händeschütteln und Glückwünschen. Johann blieb fest. Er nahm seine Ziehharmonika, die ihm an einem Lederriemen an der linken Seite baumelte, zur Hand und spielte:
Muss i' denn, muss i' denn
Zum Städtle hinaus, Städtle hinaus
und marschierte tapfer weiter, nur mit dem Kopfe den Dank nickend für all die Zurufe und Grüße der Kameraden. Nicht mehr umsehen wollte er sich. Aber als er außer Sicht seiner Begleiter war, da schwenkte er den Hut und grüßte doch noch einmal den heimatlichen Kirchturm und alle, die in seinem Schutze wohnten. Wer weiß, ob er je wiederkehrte.
Es ging ein Aufatmen durch die dreitausendköpfige Gemeinde vor dem Schnitt. Alle Frühsommerarbeit war getan, die Kartoffeln und der Kukuruz waren gehäufelt, die Weingärten aufgebunden, die Brache gepflügt. Man schnaufte aus und konnte Kräfte sammeln für die größte Arbeit des Jahres, die freudigste und schwerste zugleich. Aber die Jugend bedurfte dessen nicht, sie wollte den Sonntag vor Peter und Paul freihaben für ein Tänzchen im Großen Wirtshaus. Und die schwäbischen Dorfmusikanten putzten ihre Instrumente blank. Die Geige vermochte freilich keiner von ihnen so recht zu führen, dafür hatte bloss der Herr Oberlehrer eine Hand, aber blasen konnten sie tüchtig. Die türkische Musik, das hatte man zu Fronleichnam wieder gehört, die verstanden sie. Und ihr Kapellmeister, der Eckerts Mathes, war nicht umsonst Musikkorporal gewesen im Deutschbanater Regiment, er ließ nichts Falsches durch. Auf die vorwitzige Klarinette, die auch am Fronleichnamstag immer was Extras spielen wollte und schandbar gixte, hatte er's besonders scharf. Mit dem Lannerts Peter probte er alle Tänze durch, ehe er ihn wieder an die Klarinette ließ. Na, es ging. Die lieben alten Liedertänze, die sich die Ureltern einst aus dem deutschen Vaterland mitgebracht, die hatte er sicherer im Maulwerk als die Kirchenmusik. Ja, es ging.
Und die Jugend von Alt- und Neurosenthal strömte an dem letzten Sonntag vor der Ernte, an dem der Pfarrer über das Abendmahl und seinen tiefen Sinn gepredigt hatte, zum Tanze nach dem Großen Wirtshaus. Das Dorf lag auf einer welligen Hochfläche, die sich gegen Osten hinabsenkte in die fruchtbare Tiefebene des Maroschtales. Zwischen der älteren und der neueren Siedlung lag ein Einschnitt, ein Tal, durch das ein Bächlein floss. Und in dem Tal hausten die Handwerker, die nicht viel Raum brauchten für ihr Gewerbe, in zwei Häuserreihen. Auf der Höhe links entwickelte sich das alte Dorf, mit Kirche, Schule, Gemeindehaus und Wirtshaus, auf der Höhe rechts die neuere Siedlung. Und jede hatte eine lange, in gleicher Richtung laufende Hauptgasse mit allerlei Nebengliedern. Aber die Hauptgasse von Altrosenthal machte an ihrem Ende im Osten eine Biegung nach rechts und traf unten an der Steinbrücke, die sich über den Bach wölbte, mit der Hauptgasse von Neurosenthal zusammen. Vereint liefen sie an der kleinen Siedlung der walachischen Halter, denen man sein Vieh anvertraute, vorbei und verzweigten sich hinaus in die Wiesen und Felder und die nahen, zum Ort gehörigen Weingärten, die hauptsächlich den Altrosenthalern eigneten. In allen Gassen standen Bäume vor den blanken weißen Häusern mit den grünen Sprießelläden, die frühen Maulbeeren reiften schon, und die Linden und Akazienblüten dufteten im Abendsonnenschein. Und überall sangen verliebte Vögel.
Aus all den weitverzweigten Gassen und Gässel, in denen Hof an Hof und Werkstatt an Werkstatt grenzte, scharwenzte die verliebte Jugend hinüber nach dem Zauberort, wo ein letzter Tanz vor der Ernte winkte. Die Schönen kamen aus der Öbergass' und aus der Innergass', aus dem Tal und aus dem Grund, aus dem Pentschek und aus dem Schwarzwald, und da durften doch die aus der Herrnsgass' nicht fehlen. Dort wohnten die Allerschönsten. Die Väter saßen daheim über den Sensen und Sicheln und dengelten im ganzen Dorf um die Wette für die Ernte, die Frauen und Mütter aber, die sonst so gern rundum im Tanzsaal hockten, sich an dem Anblick ihrer Kinder ergötzten und die Lose der Zukunft aus den Ereignissen solch eines Abends beredeten, sie hatten heute viel zu viel Arbeit vor sich, auch sie blieben daheim. Sie prüften und wogen ihre Vorräte für die Erntezeit, berechneten die Bedürfnisse, suchten die Nester ihrer Hühner ab und zählten die Eier, sie hielten ihre Jüngsten an zum Butterstoßen, die Großväter mussten noch Wein abziehen oder sonstwo helfen. Es schepperte und polterte und pumperte überall an diesem Sonntag, aber die mannbare Jugend flog aus und niemand wollte sie halten. Man brauchte ihre gute Stimmung für die Erntezeit und keine verdrossenen Gesichter. »Tanzt, tanzt euch aus«, sagte auch die Frau Eva zu ihren Mädeln. Und die braune Susi und die rotbackige Kathl, die noch in den dummen Jahren war, ließen sich's nicht zweimal sagen und machten sich schön. Nur die Anmerich blieb auf Wunsch des Philipp Trauttmann daheim. Nach ihren blonden Zöpfen sollte keiner mehr langen, an denen hing er selber.
Das Große Wirtshaus, ein alter Bau von herrschaftlichem Ansehen, war eigentlich nichts als ein großer Saal mit ein paar Nebenräumen. Über einige Staffeln stieg man von der Gasse empor zu dem Eingang, der beinahe mitten in den Saal führte. Rechter Hand baute sich ein hoher bretterner Gang auf festen Pfosten auf, ein Hochsitz für die Musikanten, und an den Wänden des Saales liefen Bänke rundum für die Zuschauer. Zur Linken kam man in die schmalen Nebenräume, die sich nach dem Hoftrakt hin fortsetzten. Gegenüber der Eingangstür von der Gasse befand sich ein Ausgang, der nach dem Hausgang und über ein paar Stufen in den Hof hinabführte. Dieser Hof war von gewaltiger Ausdehnung und rückwärts von einem Einkehrschuppen für Fuhrwerke und einem Stall überquert. Eine vielbenützte Kegelbahn streckte sich hinter dem Hause. Und jenseits dieser Hofwelt lag der Gemüse- und Obstgarten des Wirtes, der immer ein Pächter war. Denn der Besitz war ursprünglich kameralisch, er gehörte der Wiener Hofkammer, ehe er der Gemeinde zufiel. Die »Arenda« wurde immer für ein paar Jahre versteigert, und diesmal hatte sie Peter Albetz errungen, seines Zeichens eigentlich ein Schuster, aber ein weltgewanderter, weltgeläufiger Mann mit den allerbesten Manieren.
Das Große Wirtshaus, neben dem es auch kleine im Dorfe gab, war ein Heim für alle Feste und Veranstaltungen, auch für Versammlungen und für die ganz großen Bauernhochzeiten, für die jedes Privathaus zu eng geworden wäre. Und auch für englische Reiter, für fahrende deutsche Komödianten und Zauberer, die sich manchmal hierher verirrten und am liebsten gegen Eintrittsgelder in Naturalien spielten. Am häufigsten aber gehörte das Haus der tanzfreudigen Jugend, die von einem wahrhaft rheinischen Karnevals- und Kirchweihfieber besessen war.
Eine Lust waren ihr solche Sommerfeste. Die Mädchen standen im Freien draußen, von der Ausgangstür nach dem Hofe zu bildeten sie eine helle Gasse, und ihre zwei Reihen reichten oft tief hinab in den Hof. Die Buben hatten ihren Sammelpunkt ebenfalls im Hofe. Und wenn die Musik zum Antritt rief, stürmten sie durch die Reihe der Mädchen und wählten sich, die ihnen gefielen. Die Übriggebliebenen standen da wie am Pranger, sie konnten nicht einmal dem Tanze zusehen oder sich als Mauerblümchen in eine Ecke drücken, als wären sie nicht vorhanden. Und eine Dorfschöne überwachte die andere in dieser Mädchengasse, man hörte jedes Wort, das da gesprochen, fing jeden Blick auf, der da ausgetauscht wurde. Was hier geschah, das wusste am nächsten Morgen das ganze Dorf.
Wer wird die Weidemanns Susi heute zum Ersten führen? Das war die Frage für alle ihre Freundinnen aus Neurosenthal. Keine hatte ihr den Maibaum gegönnt. Und sie fragte sich's selber, wenn sie Ausschau hielt nach dem Kreis der im Hofe versammelten Buben. Welcher konnte es gewesen sein? Der Mergl, der Schilling, der Knapp oder der Staudt? Oder einer aus Altrosenthal? Wer denn? Zuletzt kam sie auf den, den sie meinte, auf den kecken Luckhaups Christof, der sie schon aus der Sonntagsschule immer so gern heimbegleitet hatte. Oder der Wichner? Der Klotz? Der Theiß? Wie er verstohlen herschaute, der Christof ... Na, der soll ihr kommen. So ein hochmütiger reicher Bauernsohn. Da käm' sie schön in die Mäuler der Leute. Sie hätte sich's aber denken können. Und sie hatte sich's auch gedacht.
Musik! Die Klarinetten weit voraus. Sie lockten und jauchzten, dass der Ländler allen in die Beine fuhr.
Und die Buben stürmten in die lichte Gasse. Zehn flinke Hände wollten nach der Susi langen, aber der Christof hatte sie schon. »Oho!« sagte er. Und voll Hochmut blickte er seine Mitbewerber an. »Ich bin do.«
»Na, du bischt weiter wer«, antwortete der Schilling Franz aus Neurosenthal und nahm die Kathl.
Susi hatte es ja gewusst ... Hand in Hand mit ihm schritt sie willenlos in der Reihe der Paare dem Eingang zu, hinter ihr zischelte es her: »Er war's, er war's.« Christof sagte kein Wort, aber sie verstand den festen Druck seiner Hand. Es war ja eine Ehre für eine Handwerkerstochter, und sie wurde beneidet. Aber es wehrte sich etwas in ihr gegen diesen Überfall, eine warnende Stimme flüsterte ihr tief innen zu: »Hüte dich!« Und als er sie jetzt mit starken Armen durch den Saal schwenkte und ihr ins Ohr fragte: »Bischt mer bös, Suserl?« Da fand sie den Mut, ja zu sagen. »Ja!« – »Den Dank häb ich erwart't von dir«, lachte Christof und tanzte wie toll in die Mitte des Saales, als wäre Kirweih und er der Vortänzer. »Sie sollen's alle sehen, dass ich dich haben will, haben will, dass ich dich haben muss, haben muss«, flüsterte er übermütig im Takte der Musik, und sein heißer Atem strich über ihre Wange. Sie konnte den Kopf nicht weit genug weghalten von dem seinen, er war's imstande und hätte sie geküsst. Es waren Zuschauerinnen genug gekommen aus der Nachbarschaft des Großen Wirtshauses, und sie rissen die Augen auf. Auch die Mittanzenden bemerkten, woran sie mit dem Christof und der Susi waren. Dass sie die Schönste war im Saal, das bestritt ihr niemand, aber dass sie das erreichen sollte, glaubte keine. Die Bauerntöchter sahen sie mit scheelen Augen an, die Buben aus Neurosenthal aber steckten alsbald die Köpfe zusammen draußen im Hof und redeten dem Christof allerlei zu Gehör. Solche Schläge hätte noch keiner bekommen. Auf so eine Kirweih freuten sie sich schon lange. Er reckte sich und sah höhnisch um sich. Die Altrosenthaler standen alle zu ihm.
Susi wusste nicht, wohin sie blicken sollte, als sie wieder draußen stand in der Reihe, so viele feindliche Augen sah sie auf sich gerichtet. Zum Glück hatte sie die Kathl neben sich. Aber auch der Fratz, der noch gar nicht hierher gehörte, schien verdrossen zu sein, er antwortete nur einsilbig auf alles, was die Susi im überhitzten Eifer redete. Und als der Tanz wieder anging und die Klarinette gellend zu einem Langaus rief, da griffen die Buben aus Neurosenthal wie auf Verabredung nach anderen Mädchen, sie holten die Kathl neben der Susi fort und alle Nachbarinnen, nur sie blieb stehen. Lachend kam zuletzt der Christof und nahm sie wieder. »Die Affe! Die Schlappschwänz!« sagte er. Und sie ging trotzig erhobenen Hauptes mit ihm und drückte seine Hand wie zum Danke. Justament! Und wenn sie alle zersprangen! Sie war auch nicht mehr böse auf den Christof. Sie ließ ihn reden und flüstern und wurde aufgeräumter von Tanz zu Tanz. Sie taten, als ob sie allein wären in all dem Trubel. Wie ein Rausch war es über sie gekommen ...
Und plötzlich war die Susi vom Tanzboden verschwunden. Aber auch den Christof sah niemand mehr. Und die Kathl wollte schier in die Erde sinken vor Scham.
Vor der Sonne erhob sich Tag für Tag das ganze Dorf. Ehe noch die Schwalben auf ihren Nestern ihr Morgengebet georgelt hatten, standen die angeschirrten Pferde im Hof. Die Kirchenglocke, die frühe Mahnerin zum Tagewerk, rief zu spät zum Schnitt. Niemand fragte, ob die alte Bauernregel »Zu Peter und Paul wird die Kornwurzel faul« sich auch heuer erfüllt habe, ob man nicht doch noch ein paar Tage zugeben sollte, alles warf sich auf die Erntearbeit. Die Banater Sonnenuhr geht vor. Das Korn musste reif sein. Im Dämmerschein vor Sonnenaufgang schon rasselten die ersten Wagen fort, in allen Höfen herrschte Leben und Bewegung, man molk die Kühe im Dunkeln und trieb sie mit den Kälbern und Füllen und Schweinen auf die Gasse hinaus, denn auf die Halter warten konnte man nicht, die mochten sich das Vieh für die Weide zusammenlesen. An allen Straßenkreuzungen warteten Schnittergruppen auf die Wagen der Bauern, und manch ein junges Blut, das in Taglohn ging, hockte da verschlafen auf einem Eckstein und tunkte mit dem Kopfe bis es angerufen und aufgeladen wurde.
Auch bei den Häusern der Handwerker, die zu selbständigen Schnittern geworden waren, fuhren Wagen vor, niemand brauchte zu Fuß zu gehen, es wäre zu schade gewesen um die Zeit. Kein Rad, das noch lief, kein Gaul, der noch aufrecht ging, blieb ungenützt im Dorfe, und die Halter brachten während der Erntezeit nur Füllen auf die Weide. Leer war das weite Dorf, wenn die Glocke den Tag einläutete, und sie rief später auch vergeblich zur Messe, nur Greisinnen kamen zur Kirche. Wer nicht mehr schaffen konnte, betete für eine gute Erntezeit.
Auch die Weidmannskinder waren sämtlich im Schnitt, zehn Joch hatten sie übernommen. Die Mädeln schnitten mit den Sicheln, der Peter trug hinter ihnen das Getreide auf kleine Haufen zusammen und der Jakob band die Garben. Und manchmal wechselten sie ab, trug die Kathl das Getreide zusammen, und die Susi versuchte ihre strotzende Kraft an den Garben. Aber die Schwielen, die sie an allen Fingern bekam, verdrossen sie sehr bald, und sie überließ dieses Männergeschäft gern dem Jakob. Garstige Hände wollte sie sich doch nicht einwirtschaften für die Kirweih.