Christiane Wünsche wurde 1966 in Lengerich in Westfalen geboren. Seit dem vierten Lebensjahr lebt sie in Kaarst am Niederrhein und ist dort in der Kinder- und Jugendarbeit tätig. Kreativität und Phantasie haben in ihrem Leben schon immer eine besondere Rolle gespielt. Als Kind erdachte sie Geschichten, um einschlafen zu können, schrieb Gedichte, malte und zeichnete. Ihren Schwestern tischte sie zum Beispiel überzeugend das Märchen vom »Tiger im Rhabarberfeld« auf. Heute bringt sie ihre Kreativität so oft es geht in die Arbeit mit ein und schreibt darüber hinaus täglich an Manuskripten oder Gedichten.
Christiane Wünsche hat eine fast erwachsene Tochter, zwei Hunde und einen Oldtimerwohnwagen, mit dem sie im Urlaub zusammen mit Freunden quer durch Europa reist.
Dieses Buch ist ein Roman. Handlung, Personen und manche Orte sind frei erfunden oder wurden für die Glaubwürdigkeit der Geschichte verändert. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.
Namen wurden ausgewählt, weil sie typisch für eine bestimmte Gegend oder ein Land sind. Der Büttger »Verein für Brauchtum und Tradition« existiert nicht und hat nie existiert.
An der Braunsmühle wurde meines Wissens nie ein Verbrechen verübt. Im Gegenteil: Die Mühle ist ein friedlicher, schöner, geschichtsträchtiger Ort, ein Denkmal und Museum, das es unbedingt zu besuchen lohnt.
© 2013 Hermann-Josef Emons Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagmotiv: © mauritius images/Loop Images
Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch
eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
ISBN 978-3-86358-315-6
Niederrhein Krimi
Originalausgabe
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Die Last, die ich trug,
War tonnenschwer.
Jetzt bin ich leer.
Beschädigt.
Ein gesprungener Krug,
Mir selbst nicht genug.
Erledigt.
Hör auf, mich zu quälen
Und tröste mich nicht.
Spar dir die Phrasen.
Denn was einmal zerbricht,
Wird nie wieder dicht.
Weder Seelen
Noch Vasen.
Christiane Wünsche
EINS
Es war neblig. Wenige Meter entfernt stemmte sich die alte Windmühle trutzig aus dem Boden, um sich weiter oben in milchigen Schwaden zu verlieren. Einfach perfekt, die Atmosphäre. Perfekt, die Perspektive.
Ella setzte sich auf einen moosbewachsenen Mühlstein und zog den Zeichenblock aus der Tasche. Novemberfeuchtigkeit kroch durch ihre Jeans unter die Haut. Sie ignorierte das klamme Gefühl, denn das Einzige, was in diesem Moment zählte, war Schaffenskraft. Sie packte den Bleistift mit steifen Fingern. Um gerade mal halb neun war es empfindlich kalt. In den nächsten Tagen sollte es sogar Schnee geben. Schnee im November, völlig untypisch für das milde Klima am Niederrhein. Sie war froh, es zeitig aus dem Bett geschafft zu haben.
Vielleicht stellte dieser Dienstagvormittag die letzte Chance dar, die Mühle zu zeichnen, ohne vom Regen durchnässt zu werden oder im Schnee zu versinken. Bevor sie im Januar nach Münster umzog.
Die Braunsmühle … Wie gepflegt das alte Gemäuer inzwischen anmutete. Ella erinnerte sich an ihre Jugend, als die Windmühle bei Büttgen nicht mehr als eine Ruine gewesen war, mit zerbrochenen Flügeln, Löchern im Putz und zerschlagenen Fensterscheiben, das Grundstück verwildert und zugewachsen. Düster und verkommen. Kein Vergleich zu heute.
Die Mühle im holländischen Baustil strahlte nun wieder den altehrwürdigen Stolz aus, der ihr zustand. Das Holz der Flügel glänzte neu lackiert vor dem blendend weißen Fassadenanstrich. Saftiger Rasen umschmeichelte den verklinkerten Fuß. Das adrette Café im Hintergrund wartete auf die Gäste an den Sommerwochenenden, wenn man Leinensegel auf die Flügel spannte und die Mühle in Betrieb genommen wurde und wenn Führungen durch die verschiedenen Stockwerke bis hinauf auf den Mehlboden stattfanden.
Die Stimmung war eine völlig andere als vor dreißig Jahren. Keine Spur mehr von Tristesse, Melancholie oder Morbidität.
Ellas Finger flogen über den Block, während sie diese Vergleiche anstellte. Dann versickerten ihre Gedanken im Tun. Bald war sie nur noch Künstlerin, Interpretin und Überträgerin des Räumlichen auf die Zweidimensionalität des Papiers. Die Motorengeräusche der Autos auf der nahen Umgebungsstraße nach Neuss nahm sie nicht mehr wahr. In ihr und um sie herum wurde alles still.
Sie skizzierte den Mühlenturm von unten heraus in den trüben Himmel ragend. Den Nebel nahm sie als natürliche Begrenzung des Bildes. Die schwarze drehbare Haube und das Fenster darunter waren nur noch zu erahnen. Auch besser so.
Ella schluckte. Erinnerungen. Leid. Aufhören.
Sie holte tief Luft, sammelte sich und zog kühne horizontale Striche, die den Erdboden markieren sollten. Gut, das musste reichen. Gleich würde sie noch ein Foto machen, als Gedächtnisstütze für die Farbgebung des späteren Gemäldes.
Unvermittelt riss sie ein Brausen aus der Versunkenheit. Brüllend laut ratterte es heran. Ella fuhr zusammen; ihre Ohren klingelten, der Boden bebte. Schnell beruhigte sie sich wieder. Bloß die S-Bahn sauste hinter dem Grundstück entlang, von Neuss nach Mönchengladbach oder umgekehrt.
Der Lärm verging, aber mit Ellas Konzentration war es vorbei. Sie packte Block und Stift in die Umhängetasche und kramte stattdessen die Digitalkamera hervor. Dann ging sie über Gras und Matsch einige Meter rückwärts.
Doch die Mühle passte nicht ins Display. Was das Auge schafft, schafft die Technik lange nicht, dachte sie irgendwie befriedigt und machte ein paar weitere Schritte nach hinten, während sie den Blick auf den Bildausschnitt in der Kamera gerichtet hielt.
Da trat sie in etwas erst Weiches, Schwammiges, dann unnachgiebig Hartes. Es fühlte sich seltsam an, nicht wie ein Zweig, nicht wie ein Stein, nicht wie Erde. Fremd und doch sehr vertraut. Ella drehte sich um.
Kalli Schmittke zog die Gummistiefel aus. Die Schwere des Morgens machte ihm zu schaffen. Wie eigentlich jeden Tag. Aber heute war alles noch schlimmer. Er hatte Schneewittchen gesehen, tot. Das verwirrte und ängstigte ihn. Geräuschvoll zog er die Nase hoch und strich sich mit steifen Fingern durch das schüttere graue Haar. Es war feucht vom Morgennebel.
Kallis Bewegungen waren schwerfällig, er fühlte sich unendlich müde. Er schob die Füße mit den löchrigen Socken in die Badelatschen und schlurfte zu der behelfsmäßigen Küchenzeile. Erst mal einen Grog trinken, dachte er. Der wärmt die alten Knochen wieder auf.
Ella war auf eine Hand getreten. Mit offenem Mund starrte sie erst auf den Arm, dann auf den toten Körper. Ja, kein Zweifel, der Junge war tot. Sein Gesicht war violett verfärbt, blaue Augen stierten sie anklagend und gleichzeitig blicklos an. Aus der zarten Nase verlief die Spur eines getrockneten Blutfadens. Das Kabel um den Hals quetschte diesen in zwei Teile.
Automatisch hob Ella den Fotoapparat. Es ist einfacher, etwas so Schreckliches durch eine Linse zu erfassen, ging ihr durch den Kopf, während sie immer wieder abdrückte. Der Junge war noch klein. Ella schätzte ihn auf höchstens zehn Jahre. Viel jünger, als Antonia gewesen war.
Stopp.
Erschreckt hielt sie inne. Sie versenkte die Kamera in der Tasche und stolperte zu dem alten Backsteinhaus hinüber, das direkt neben der Mühle lag.
»Zu vermieten«, verkündete ein vergilbtes Pappschild, das man in eines der blinden Fenster geklebt hatte. Hier wohnte offenbar schon länger keiner mehr. Ratlos schaute sie sich um und kramte schließlich ihr Handy hervor. Polizei, dachte sie. Du musst die Polizei verständigen. Dann brauste es in ihren Ohren, viel lauter als eben beim Vorbeirasen der S-Bahn.
Ella taumelte zurück zu dem Mühlstein und ließ sich darauf fallen. Jetzt bloß nicht ohnmächtig werden.
Auch zu Hause konnte sie nicht mit dem Weinen aufhören. Sie hatte gar nicht geglaubt, noch so viele Tränen zu haben. Das Bild des toten Jungen ließ sich nicht von der Netzhaut verbannen. Wieder und wieder tauchte es auf, ob sie vom Balkon herunter auf die Straße sah, ob sie Kaffeepulver in die Kaffeemaschine gab oder die Wäsche aus dem Trockner holte.
Immer war da das verfärbte Gesichtchen, das an gemeißelten Marmor erinnerte, die anklagenden Augen mit den geplatzten Äderchen, das fast schwarze Haar. Der Junge hatte einen langen, schorfigen Kratzer auf der Wange gehabt, und seine Nägel waren an den blau angelaufenen Fingern rissig und schmutzig gewesen. Was brauche ich Fotos?, fragte sie sich, während die Tränen ungehindert liefen und sich unter dem Kinn sammelten. Das Bild des toten Jungen hatte sich eingebrannt in ihr Gedächtnis und in ihr Herz.
»Danil Bodrow«, hatte der trockene Kommentar des Polizisten gelautet. Bestätigt wurde das durch den Schülerausweis in der Jackentasche des Jungen. »Kennen wir. Zwölf Jahre. Siebte Klasse Hauptschule Büttgen. Schulschwänzer. Alleinerziehende Mutter. Fünf Kinder. Hartz IV.«
Er rasselte die Fakten runter wie ein Mantra. Als ob sie alles erklärten. Dem Beamten war wohl gar nicht bewusst gewesen, dass Ella noch am Tatort war und zuhörte.
Fast beiläufig nahmen ihre Ohren auf, was der Mann von der Gerichtsmedizin in sein Diktiergerät sprach:
»Leichte Zyanose des Gesichts, wenig Dunsung, Blutaustritt aus den Atemöffnungen, Petechien an den Wangen, sieben Zentimeter langer, null Komma fünf Millimeter breiter Kratzer vom linken Augenwinkel bis zum Mundwinkel, Strangulationslinie unterhalb des Kehlkopfes …«
Das Bild des toten Jungen zog an ihr vorbei, während sie, mit der Kaffeetasse in der Hand, raus in den Regen auf die Kaarster Straße sah. So klein war er gewesen, so zart, und das mit zwölf Jahren. Ella schluchzte. Sie war auf seine Hand getreten, diese kleine Hand mit den schmutzigen Fingernägeln. Sie hatte ihm wehgetan.
Irgendwann rief sie Bine an. Auf dem Handy. Normale Menschen arbeiteten ja um die Zeit noch.
»Komm bitte vorbei«, bat sie, und ihre Stimme klang ein bisschen hysterisch. »Ich hab ein totes Kind gefunden, heute Morgen, an der Braunsmühle.«
Paul sorgte sich schon den ganzen Morgen lang. Danil war nicht zur Schule gekommen. Inzwischen hatten sie die sechste Stunde, Mathe bei Kleinmeyer, dem Klassenlehrer, und er war nicht aufgetaucht. Der Platz neben ihm blieb leer. Nicht, dass es ungewöhnlich gewesen wäre, dass Danil blaumachte. Aber dieses Mal hatte sein bester Freund nicht mal eine SMS geschickt. Und bei seinem Handy sprang sofort die Mailbox an. Paul knibbelte mit dem Zeigefinger an der Nagelhaut des Daumens herum. Der Schmerz an den entzündeten Stellen tat gut. Er bewies, dass er am Leben war.
Als der Bulle den Klassenraum betrat, vermutete Paul sofort, dass es mit Danils Fehlen zusammenhing. Wahrscheinlich hatte der mal wieder was angestellt und war dabei erwischt worden. Und jetzt wollte die Polizei mit dem Rest der Clique sprechen.
Aber so war es nicht. Denn der Polizist wandte sich direkt an Kleinmeyer und flüsterte ihm etwas zu. Der wurde weiß wie die Wand.
»Entschuldigt bitte, ich bin gleich wieder da«, sagte er, und beide gingen raus.
Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, wurde es laut im Raum. Kaum einer blieb auf seinem Platz sitzen. Federmäppchen und Papierkügelchen flogen. Ein Stuhl kippte um. Mädchen kreischten. Zwei Jungen kritzelten Sprüche an die Tafel. Nur wenige Schüler schauten sich beunruhigt an. Darunter natürlich Kevin, Jacky und er.
Wo war Danil?
Bine hielt Ellas Hand.
»Trink noch einen Killepitsch«, drängte sie. »Du brauchst Alkohol, das ist doch klar.«
Ella musste lächeln, ihre geschwollenen Augen schmerzten bei der Grimasse. Typisch Bine. Saufen als Lösung für alles. Auch nach Ellas endgültiger Trennung von Max im Sommer hatte Bine ihr geraten, ihr Leid in Schnaps zu ertränken. Es grenzte an ein Wunder, dass sie nicht längst zur Alkoholikerin geworden war.
»Musste es denn ausgerechnet die Braunsmühle sein?«, schimpfte Bine jetzt, und ihr sorgfältig geglätteter blonder Pagenkopf wippte. »Wieso bist du eigentlich dort hingefahren? Die Mühle zeichnen, was für ein Blödsinn! Und überhaupt, die Sache damals mit Antonia … Da kriegen mich keine zehn Pferde mehr hin! Und du stolperst direkt über eine Leiche. Typisch!«
Ella zuckte zusammen. Über eine Leiche stolpern, auf eine kleine Hand treten …
Bine war noch nie die Feinfühligkeit in Person gewesen, machte sie sich bewusst. Auch damals nicht, als sie noch Sabine Vossen geheißen und mit ihr dieselbe Schulklasse besucht hatte. Aber immerhin war sie zuverlässig und ehrlich. Garantiert zur Stelle, wenn man sie brauchte, und garantiert, wenn man sie nicht brauchte. Und sie war Ellas beste Freundin.
»Ich hatte schon lange vor, die Mühle zu malen«, versuchte sie, Bine begreiflich zu machen, »gerade wegen der Sache mit Antonia. Damit ich ein Stück von ihr mitnehmen kann, wenn ich nach Münster ziehe. Kannst du das nicht verstehen?«
Bine zog bedauernd die Schultern hoch.
»Nöö, ehrlich gesagt nicht. Das alles ist schon so lange her, zwei Drittel unseres Lebens. Und die Sache mit Münster halte ich eh für eine Schnapsidee. Das weißt du genau. Apotheken gibt es auch hier wie Sand am Meer. Da muss es ja nicht gerade eine am Arsch der Welt sein.«
Ella schmunzelte. Das provinzielle Kaarst am Niederrhein, mehr Kaff als Stadt, eigentlich nur grob aus fünf Dörfern zusammengezimmert, stellte für Bine das Zentrum des Universums dar. Sie konnte sich überhaupt nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Ella kannte keinen Menschen, der lokalpatriotischer als Bine war.
Jetzt kam diese, zielstrebig wie üblich, zum Ausgangspunkt des Gesprächs zurück.
»Der arme kleine Junge«, sagte sie leise, »es muss schrecklich gewesen sein, ihn dort liegen zu sehen. Erdrosselt …«
Ella schossen erneut die Tränen in die Augen.
»Ja, das war wirklich furchtbar. Ich seh das Bild unentwegt vor mir. Und ich muss immer an seine Mutter denken. Alleinerziehend ist sie, sagt die Polizei. Da bleibt ihr nichts anderes übrig, als allein damit fertig zu werden, dass ihr Sohn tot ist. Das ist doch gar nicht zu schaffen.«
»Gibt es noch Geschwister, um die sie sich kümmern muss?« Bine ging die Sache pragmatisch an, so, wie es ihre Art war, aus der Perspektive der stets beschäftigten, umsorgenden Mutter.
Ella nickte nachdenklich. »Ja, vier. Hat der Polizist am Tatort gesagt, und dass sie alle von Hartz IV leben.«
Bine seufzte.
»Eine Problemfamilie, ja?« Bedauernd schüttelte sie den Kopf. Dann runzelte sie die Stirn und fragte: »Sag mal, was hatte dieser Junge überhaupt frühmorgens an der Braunsmühle verloren, mitten in der Woche? Der musste doch zur Schule.«
»Keine Ahnung.«
Mit einem Mal wurde es Ella zu viel, dieses nüchterne Gespräch über Danil. Noch kämpfte sie mit ihrem Schock. Detektivische Gedankengänge hatten da keinen Platz. Ein zwölfjähriger Junge war tot, brutal ausgelöscht. Nie mehr würden Danil Bodrows Augen jemanden anschauen, nie mehr würde er etwas mit seinen Fingern berühren, nie mehr würde sich jemand darum kümmern müssen, dass er regelmäßig die Schule besuchte.
»Ich werde zu seiner Beerdigung gehen«, sagte sie.
Das Ding zertrümmerte die Fensterscheibe, als Kalli gerade ein Butterbrot aß. Erschreckt zog er den Kopf ein.
»Komm raus, perverse Sau!«, brüllte es von draußen.
»Kinderschänder! Mörder!«, schrie eine andere, weibliche Stimme.
Dann flog ein zweiter Gegenstand, groß wie ein Kindskopf. Eine Futterrübe! Die schmissen tatsächlich Futterrüben. Die schmutzverkrustete, gelblich weiße Feldfrucht landete direkt auf dem Küchentisch. Der wackelte. Die Teetasse kippte um. Kalli glitt ungelenk zu Boden. Auf allen vieren kroch er durch die Glasscherben zum Telefon.
Hastig wählte er die Nummer, die er längst auswendig kannte.
»Helfen Sie mir«, flüsterte er in den Hörer, »die wollen mich lynchen. Bitte kommen Sie schnell. Gleich sind sie im Haus! Mühlenweg, Sie wissen ja, wo.«
In dem Moment krachte ein Schuss.
Vorsichtig spähte er durch die Scherben des zerschlagenen Fensters.
»Verschwindet von meinem Grund und Boden!«, hörte er Martha kommandieren.
Breitbeinig stand sie mitten in den dunklen Hof gepflanzt, das verwitterte Gesicht grimmig entschlossen. Bekräftigend wedelte sie mit dem Gewehr vor der aufgebrachten Meute herum. Einige Strähnen ihres mausgrauen Haares hatten sich aus dem Dutt gelöst.
»Lasst meinen Bruder in Ruhe. Er hat mit dem Tod des Jungen nichts zu tun!«
»Mach dir doch nichts vor, Martha!«, rief eine junge Frau zurück. Hinter ihr war schemenhaft der Rübenberg zu erkennen, den Martha und er im Oktober aufgeschichtet hatten. »Einmal Kinderschänder, immer Kinderschänder!«
»Haut ab hier! Sonst kriegt ihr eine Ladung Schrot in den Balg!« Martha Schmittke ließ nicht mit sich reden. »Kalli hat heute nicht den Hof verlassen! Er war’s nicht. Basta!«
In dem Moment ertönte schrill ein Martinshorn. Ein blausilberner Streifenwagen schlingerte in hohem Tempo und mit quietschenden Reifen auf den pfützenübersäten Hof. Dreck spritzte. Die Leute sprangen aufgeschreckt zur Seite. Einige ließen die dicken Rüben fallen, die sie eben noch umklammert hatten.
Kalli Schmittke traute sich erst aus dem Anbau des Bauernhofes, nachdem beide Polizisten aus dem Auto gesprungen waren und den Mob in Schach hielten. Hemdsärmelig und nur mit den Schlappen an den Füßen schlurfte er über den rissigen Beton.
»Nehmen Sie mich mit«, flehte er, »die bringen mich sonst um.«
Ängstlich linste er in Richtung der geifernden Menge, die sich dort aus Rechtschaffenheit und Hass zusammengeballt hatte.
Einer der Bullen seufzte genervt. Kein Wunder, Kalli Schmittke hatte ihnen wahrscheinlich schon mehr Ärger verursacht als jeder andere Kaarster Einwohner. Seit er vor einem Dreivierteljahr mit dreiundsiebzig Jahren aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden und im heruntergekommenen Hof seiner Schwester bei Büttgen untergeschlüpft war, hagelte es Beschwerden und Anzeigen bei der Kaarster Polizei. Besorgte Bürger hielten wochenlang Wache vor dem Schmittke-Hof. Anwohner meldeten, Kalli dabei beobachtet zu haben, wie er im Dorf kleinen Kindern nachstieg. Andere wiederum wollten ihn im Gebüsch an der Grundschule gesichtet haben. Der Mord heute Morgen hatte die Lage zum Eskalieren gebracht.
»Ich möchte, dass Sie alle nach Hause gehen. Sofort!«, rief einer der Polizisten in den trüben, kalten Abend hinein. Der Überdruss war seiner Stimme deutlich anzuhören. »Herr Schmittke hat ein Alibi für die Tatzeit. Das ist längst geklärt. Wir haben keine Verdachtsmomente gegen ihn.«
Jetzt mischte sich sein Kollege ein. Sein Bierbauch, den nur die Uniform einigermaßen in Schach hielt, wackelte bedrohlich, während er auf die Leute zustapfte.
»Was Sie hier tun, ist Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und versuchte Körperverletzung. Und Selbstjustiz ist noch nie eine Lösung gewesen«, schimpfte er.
»Dann sperren Sie den Pädophilen doch endlich wieder hinter Schloss und Riegel, da, wo er hingehört!«, konterte Markus Peschrath, seines Zeichens Vorsitzender des Büttger Fördervereins für Brauchtum und Tradition.
Mit seinem schicken Anzug, den teuren Schuhen und dem gestriegelten grauen Kurzhaarschnitt wirkte er völlig fehl am Platz hier auf Marthas dreckigem Hof. Hinter ihm machte Kalli eine blonde Frau in weißem tailliertem Regenmantel und hohen, hellen Stiefeln aus. Ihre Frisur saß wie ein Brett, die Schminke in ihrem Gesicht ließ es wie eine glatte, steinerne Büste aussehen.
Vanessa Peschrath. Auch die noch! Kalli erinnerte sich an ihr Foto und den Artikel im Kaarster Käseblatt, in dem sie gefordert hatte, dass »der Kinderschänder und abartige Mörder« sofort aus der Gegend wegziehen solle. Andernfalls müsse man ihn rund um die Uhr polizeilich bewachen lassen. Mindestens eine elektronische Fußfessel sei dringend nötig. Obwohl die Sicherungsverwahrung bis zum Tode natürlich das geeignetste Mittel wäre, die Bevölkerung vor einem solchen Monster zu beschützen.
Dem dünneren Bullen wurde es jetzt zu bunt.
»Kommen Sie, Herr Schmittke. Wir nehmen Sie erst einmal in Gewahrsam. Zu Ihrem eigenen Schutz.«
Er legte Kalli einen Arm um die schmalen Schultern.
Es war ein reiner Reflex, dass er furchtsam zurückwich. Dann, als er merkte, dass der Bulle ihm nicht wehtun wollte, ging er mit und ließ sich schließlich erleichtert auf den Rücksitz des Streifenwagens plumpsen. Müde rieb er seinen Unterarm, dort, wo ihm die Zellengenossen vor Urzeiten das Wort »Kinderficker« in ungelenken Lettern hintätowiert hatten.
Bloß weg von dem Hass der Leute, dachte er. Bloß weg von den misstrauischen Blicken der Schwester.
»Wo bist du gewesen, heute Morgen vor sieben?«, hatte sie ihn panisch angeherrscht, um nach seinem Schulterzucken in stumpfe Hilflosigkeit zu verfallen. »Ich weiß, dass du draußen warst, obwohl ich der Polizei was anderes gesagt habe.«
Max rief an.
»Ella, es tut mir so leid«, sagte er sehr sanft. Seine Stimme legte sich heilend auf den Schmerz. »Bine hat gerade angerufen und es mir erzählt. Es muss schrecklich für dich sein. Soll ich kommen?«
Ella nickte nur, dann fiel ihr ein, dass Max das am anderen Ende der Leitung wohl kaum sehen konnte, und sie hauchte:
»Nur, wenn du willst.«
Dabei konnte sie die wilde Freude, die in ihr hochstieg, kaum bändigen.
Sich dann in seine Arme zu kuscheln und Schutz zwischen den breiten Schultern zu suchen, tat gut. Ella sog genüsslich seinen vertrauten Geruch ein. Große Hände strichen sanft über ihren Rücken.
»Ist ja schon gut«, murmelte Max beruhigend. »Ich bin ja da.«
Das grelle Flurlicht bestrahlte sie wie ein Bühnenscheinwerfer. Ella fühlte sich wie auf dem Präsentierteller. Es ist verboten, Max zu umarmen, mahnte sie sich. Du hast Schluss gemacht, weil du es nicht mehr ausgehalten hast. Weil es einfach nicht richtig ist. Und jetzt stehst du hier und tust, als wäre alles wie eh und je.
»Komm bitte mit ins Wohnzimmer«, bat sie leise.
Natürlich tat er, was sie sagte. Das war schon immer so gewesen. Nur nicht das, was wirklich für sie zählte. Das Einzige, was wichtig gewesen wäre. Da hatte er sich gesperrt, war unnachgiebig geblieben. Trenn dich von deiner Frau. Endlich. Nein. Heftiges Kopfschütteln. Du weißt doch, dass das unmöglich ist …
Im indirekten Schummerlicht aus Kerzen und kleinen Tischlampen kam Ella ihr Tun weniger verwerflich vor. Wie mit dem Weichzeichner verwischt. Hier auf dem kuscheligen Sofa in sanften Erdtönen zwischen den bauschigen Kissen konnte man sich einigeln und den Rest der Welt vergessen.
Danil, fuhr es ihr auf einmal durch den Kopf. Danil Bodrow, nein, dich vergesse ich nicht.
»Erzähl mir von dem kleinen Jungen«, bat Max, als hätte er Ellas Gedanken gelesen.
»So klein war er gar nicht mehr«, schränkte sie zögernd ein, und es kam ihr wie Verrat vor, so, als spiele sie die Grausamkeit des Mordes damit irgendwie herunter. »Schon zwölf. Aber er sah aus wie höchstens zehn. Sehr zart, sehr … zerbrochen.«
»Zwölf Jahre …«
Max schaute nachdenklich drein. Sein Blick wanderte in die Ferne, geradewegs durch die Ritzen des Fensterrollos hindurch, in eine vergangene Welt.
Ella betrachtete fasziniert seine Gesichtszüge. Sie sah die ihren in ihnen widergespiegelt: im Abstand der Augen, in der geraden Linie der Nase mit den ausgeprägten Nasenflügeln, wie sie sich in typischer Weise blähten, in den markanten Wangenknochen, in der hohen Stirn. Max war ihr Ebenbild, ihr männliches Pendant. Bloß war Ellas störrisches Haar kastanienrot, seines eher rotblond, ihre Haut blasser und sommersprossiger. Aber das waren Farben, nicht Formen. Wenn man malt, entwickelt man einen Sinn für Proportionen. Man erkennt Entsprechungen.
Warum konnte Max die nicht sehen? Warum beharrte er darauf, bei einer Frau zu bleiben, die so gar nicht zu ihm passte? Optisch wie charakterlich? Ella merkte zu spät, wie sich das alte Gedankenkarussell zu drehen begann. Achtung, du fällst in die üblichen Muster.
»Zwölf Jahre wäre heute auch unser Kind.«
Mit Erstaunen nahm sie das Bedauern in seinen Worten wahr. Unser Kind. Der Schmerz flammte auf, brennend, quälend, eine entzündete, eitrige Wunde.
»Ja«, sagte sie leise, »so alt wie Danil. Und ich wäre eine Mutter, die trauert, oder eine, die sich jetzt ganz besonders um ihr Kind ängstigt. Weil da draußen ein Mörder herumläuft.«
»Ist der Junge sexuell missbraucht worden?«, erkundigte sich Max behutsam. Es schien, als wollte er sie vorsichtig von dem sensiblen Thema ablenken, das er selbst angestoßen hatte.
»Keine Ahnung.«
Ella hielt verwirrt inne. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Danil war vollständig bekleidet gewesen, als sie ihn fand. Zwar viel zu dünn für die Jahreszeit, aber komplett mit Jacke, Jeans und Schuhen. Er war erwürgt worden, mit einem Kabel. Mehr wusste sie nicht.
Zog ein Vergewaltiger sein Opfer nach der Tat wieder an? Sie konnte sich das irgendwie nicht vorstellen. Dann fiel ihr plötzlich dieser entlassene Sexualstraftäter ein, Schmittke hieß der, der seit ein paar Monaten auf einem Bauernhof zwischen Holzbüttgen und Büttgen wohnte. Sie erinnerte sich an den Wirbel, den die Bevölkerung um den alten Mann gemacht hatte. War der etwa der Täter?
Vielleicht, dachte sie. Oh Gott, der arme Junge.
Paul, Kevin und Jacky rauchten schweigend. Der Qualm sammelte sich in dichtem, trägem Nebel unter der Holzdecke des Spielhauses.
»Treffen auf dem Spielplatz, 20 Uhr«, hatte Paul den anderen gesimst, und sie waren gekommen. Pünktlich.
Jackys Augen sahen verquollen aus im Licht der Taschenlampe, die er zwischen sie in den Sand gelegt hatte. Jacky war verknallt gewesen in Danil, das wussten alle. Dabei hatte er sie meistens wie ein Stück Scheiße behandelt. Grob, überheblich. Wie alle Mädchen. Danil hatte keinen Bock auf Mädchen gehabt. Die sind alle gleich, hatte er gesagt. Bitches, Fotzen. Als ob er etwas davon verstanden hätte.
Paul wurde traurig, als er Danils Stimme in seinem Kopf hörte. Diese leise, sanfte Stimme, die oft so brutale, krasse Dinge gesagt hatte. Danil war eben kein Opfer gewesen, sondern einer, der den Ton angab. Ein echter Bestimmer. Einer, der sich nichts gefallen ließ. Wie konnte ihn jemand umgebracht haben? Dass sich jemand das getraut hatte.
»Dieser Perverse hat ihn gekillt«, behauptete Jacky nun. Es klang fassungslos. Sie nickte und strich sich mit den Fingern durch das lange strähnige Haar. »Der Kinderficker hat Danil abgeschlachtet. Sagen meine Eltern.«
»Der alte Opa?« Kevin schüttelte heftig den Kopf. »Glaub ich nicht. Danil war doch tausendmal schneller als der. Das hätte der nicht geschafft. Niemals. Never.«
Paul holte drei Flaschen Bier aus seinem Rucksack.
»Kommt, lasst uns erst mal einen trinken.«
Er merkte, dass seine Stimme bebte, und ärgerte sich gleichzeitig darüber. Stark sein, mahnte er sich. Cool bleiben. Es hilft Danil nicht, wenn wir abkacken.
Kevin öffnete die Flaschen mit dem Feuerzeug. Es ploppte dreimal.
»Wir müssen rausfinden, wer Danil umgebracht hat«, sagte er. Es klang wie ein grimmiges Knurren. »Das sind wir ihm schuldig. Wie gesagt, der Kinderficker war es garantiert nicht.«
»Aber wer dann?«, fragte Jacky piepsig. Es hörte sich an, als würde sie schon wieder heulen. »Und warum?«
Paul lachte rau auf.
»Da würden mir tausend Gründe einfallen.«
»Echt mal.« Die Pickel auf Kevins Stirn leuchteten im Licht der Taschenlampe rot wie Laserpointer. »So wie Danil drauf war, auf jeden Fall.«
»Stimmt.« Jacky nickte ernst. »Aber was ist dann mit uns? Ich mein ja nur. Was wäre, wenn die Sache mit Danil nur der Anfang war? Wenn … wenn … es jemand genauso auf uns abgesehen hat?« Sie schniefte; ihre speckigen Schultern zuckten.
»Dann stecken wir voll in der Scheiße.« Das kam von Kevin.
Paul fröstelte und nahm einen tiefen Schluck Pils. Es lief eiskalt seine Kehle hinunter. Er räusperte sich und sagte:
»Wir müssen eben schneller sein als dieses Arschloch.«
Es klirrte laut durch die kalte Novembernacht, als die Freunde die Flaschen aneinanderstießen und sich verschwörerisch zuprosteten.
Max blieb bis nach zweiundzwanzig Uhr. Natürlich hatten sie Sex gehabt. Auf dem Sofa, zwischen den cremefarbenen Kissen. Vertrauten, rhythmischen, eingespielten Sex. Sex, wie er sein sollte.
»Ich muss wirklich los«, sagte Max jetzt und strich Ella sanft über die Wange, »du weißt ja …«
Sie drehte den Kopf weg. Ärgerte sich über ihn, ärgerte sich über sich selbst. Ärgerte sich über Bine, die Max mit ihrem Anruf auf den Plan gerufen hatte.
»Und du weißt ja, wo die Tür ist«, grollte sie.
Dann war er weg.
Unter der Dusche kam die Trauer zurück. Wieder flimmerte Danils Gesicht vor ihr auf. Es durfte nicht wahr sein, dass dieser kleine Junge tot war. Zu jung zum Sterben. Viel zu jung zum Sterben.
Später holte sie sich die Bilder auf den Monitor.
Der Computer befand sich im Atelier auf dem Dachboden, in dem Raum ihrer Wohnung, den sie am allerliebsten mochte. Den man über eine Leiter erklimmen musste. In beide Seiten der Dachschräge waren je drei Veluxfenster eingelassen, die das Atelier tagsüber verschwenderisch mit Licht versorgten. Genau richtig zum Malen. Absolut perfekt.
Nur wegen dieses Zimmers hatte Ella die Wohnung auf der stark befahrenen Kaarster Straße überhaupt genommen. Ansonsten hätten sie der Verkehrslärm und die fehlenden Parkmöglichkeiten davon abgehalten. Aber so … Es war keine Frage der Entscheidung gewesen. Sie hatte einfach keine andere Wahl gehabt. Malen, direkt im Himmel. Mein Gott, etwas Besseres gab es gar nicht.
Jetzt, am späten Abend, war der Himmel vor den Fenstern tiefschwarz. Allein der Bildschirm versorgte den Schreibtisch mit verhaltener Helligkeit. Es war sehr still. Wie hypnotisiert betrachtete Ella Danils Gesicht auf dem Desktop.
Er musste ein hübscher Junge gewesen sein. Im Leben. Ohne die lila verfärbte Haut und die geröteten Augen. Ohne das Kabel um den Hals. Sie ertappte sich dabei, wie sie mit dem Zeigefinger über den Bildschirm strich. Da, wo sich unter dem Glas seine Wange befand, die mit dem langen Kratzer. Sie klickte weiter. Das nächste Bild zeigte Danils ganzen Körper. Er lag da wie weggeworfen. Erschreckend schmal und klein. Und viel zu dünn angezogen.
Zorn schwemmte Ellas Traurigkeit weg. Danil musste gefroren haben in diesen dürftigen, ärmlichen Klamotten. Nur eine dünne Windjacke hatte er angehabt. Unter dem halb geöffneten Reißverschluss lediglich ein labbriges T-Shirt! Stoffschuhe! Warum hatte seine Mutter nicht für warme Kleidung gesorgt? Und wie hatte sie ihn unbeaufsichtigt lassen können? Nicht sichergestellt, dass er wohlbehalten in der Schule ankam? Wer Kinder hat, muss sie hegen und pflegen. Aufpassen, dass sie geschützt heranwachsen. Egal, wie viel Kraft und Mühe das abverlangt.
Hätte sie selbst ein Kind …
Wütend klickte sie weiter. Eine Nahaufnahme. Danils weit geöffnetes, strahlend blaues Auge, sein Ohr. Ella erkannte einen winzigen Ohrstecker darin. Sie zoomte das Bild näher. Der Stecker war silbern und stellte ein Marihuanablatt dar. Zweifellos.
Mein Gott, der Junge war erst zwölf gewesen. Ob er gewusst hatte, dass er sich mit einem Kiffersymbol schmückte? Ob er gar schon Gras geraucht hatte? So klein noch. So alleingelassen.
Sie scrollte weiter runter, bis zu Danils Kehle, die brutal eingeschnürt und stellenweise zerfetzt von diesem weißen Kabel war. Die Gewalttätigkeit, die sich an dem schmalen nackten Hals offenbarte, schockierte sie.
Wie kann man nur?, fragte sie sich entsetzt. Der Todeskampf des Jungen musste entsetzlich gewesen sein. Wieso hatte der Täter nicht aufgehört, bevor Panik und Schmerzen für sein Opfer unerträglich geworden waren? Wer tat so etwas? Wer schaffte es, eine solche Tat bis zum Ende durchzuführen?
Jemand mit großem Hass oder in großer Angst oder jemand, der besonders kaltblütig war?
Ein Triebtäter vielleicht. Einer, der perverse Befriedigung beim Töten eines Kindes empfand. Dieser Schmittke womöglich.
Die arme Mutter, dachte sie. Wie schrecklich, mit der Schuld leben zu müssen, durch Unachtsamkeit ein Kind verloren zu haben. An ein Monster. Wie schrecklich.
Gedankenverloren schaute sie auf das dünne Kabel, verfolgte seine Windungen mit dem Cursor, nahm die beiden münzgroßen Ausbuchtungen am Ende wahr. Kopfhörer, merkte sie erstaunt auf, ganz winzig kleine, vielleicht von einem MP3-Player. Vermutlich Danils eigenes Gerät.
Und mit einem Mal kam ihr der Verdacht, der Mord könne spontan geschehen sein, in heftiger Wut, mit einer Tatwaffe, die rein zufällig da gewesen war. Kein Sexualverbrechen, nichts perfide Geplantes, stattdessen ein Mord aus einem Impuls heraus. Eine Entladung. Als Konsequenz einer Vorgeschichte.
Und wenn später jemand fragte, Max oder Bine etwa, ab wann sie denn – um Gottes willen – beschlossen habe, auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen, dann antwortete sie: als ich gesehen habe, dass Danil mit seinem eigenen Kopfhörerkabel erwürgt worden ist. Als ich ahnte, dass er kein beliebiges Opfer war, sondern im Zentrum einer Geschichte stand, die ich nicht kannte.
Noch nicht.
ZWEI
Die Beerdigung fand eine Woche später statt. An einem tristen grauen Mittwochvormittag. Ella hatte sich in Schwarz gehüllt, was ihr nicht weiter schwerfiel. Ihre Garderobe bestand sowieso zu achtzig Prozent aus dunklen Klamotten. Also trug sie eine schwarze, dick gefütterte Winterjacke, einen schwarzen Schal, schwarze Handschuhe, schwarze Jeans und schwarze Lederstiefel. Außerdem hatte sie einen schwarzen Regenschirm dabei, denn es schüttete. Schon den ganzen Morgen.
In der Kapelle auf dem Büttger Friedhof drängten sich die Leute. Die Sitzplätze reichten bei Weitem nicht aus. Auch die Medien waren zahlreich vertreten. Ella entdeckte einen Kameramann und mehrere Fotografen in den Winkeln des schlichten, kargen Raumes. Ella stand ganz hinten. Auf keinen Fall wollte sie sich aufdrängen. Wegen ihrer Größe, einsfünfundsiebzig immerhin, und den hohen Hacken konnte sie trotzdem ungehindert bis ganz nach vorn sehen. So hatte sie freie Sicht auf den hellen Sarg, der unter verschwenderischen Blumenbuketts in allen Farben fast verschwand.
Ella war vor ein paar Tagen zu Ohren gekommen, dass die Nachbarschaft von Danils Familie zu einer Spendenaktion für eine würdevolle Beerdigung aufgerufen hatte. Denn Galina Bodrow verfügte über kein Geld für Sarg oder Blumenschmuck, geschweige denn für eine Grabstelle oder für die Dienstleistungen des Bestatters.
Es war einiges zusammengekommen, das konnte man sehen. Auch Ella hatte gespendet. Natürlich.
Jetzt betrachtete sie die Menschen in der ersten Reihe, Danils Familie. Die hagere dunkelblonde Frau in der Mitte musste seine Mutter sein. Ella sah nur ihren durchgedrückten Rücken und die spitz vorstechenden Schulterknochen. Ihre Finger spielten nervös mit den Falten des zerknitterten Rocks. Rechts neben ihr erkannte Ella einen jungen Mann, vielleicht achtzehn Jahre alt, der nervös nach allen Seiten blickte. Als er sich einmal ganz herumdrehte, um die Menge hinter sich in Augenschein zu nehmen, erfasste sie die Ähnlichkeit mit Danil.
Vielleicht hätte er so einmal ausgesehen, wenn es ihm erlaubt gewesen wäre, erwachsen zu werden. Groß, schlank, symmetrische Gesichtszüge, in denen die Augen alles beherrschend waren: prüfend, abgeklärt und von großer Schönheit. Nur hatte dieser Bruder helles, nicht dunkles Haar.
Neben ihm befand sich eine mollige Jugendliche mit dickem hellbraunem Zopf. Ella schätzte sie auf vierzehn oder fünfzehn. Sie wirkte viel ruhiger als ihr Bruder, schaute nur gelegentlich zur Mutter hoch. Ella betrachtete den Schwung ihrer vollen Lippen und die Linie der geraden, kleinen Nase. Ein hübsches Mädchen, dachte sie. Stark und weich zugleich.
Wie so oft erlag sie der Versuchung, aus den Proportionen eines Gesichts auf den Charakter zu schließen. Typische Unart einer Künstlerin. Interpretation des Gesehenen. Immer wieder. Ein Zwang geradezu.
Ellas Blick irrte nach links. Zwei noch sehr kleine Jungen, der eine vielleicht fünf, der andere sieben, standen dort kerzengerade neben ihrer Mutter. Kleine, verletzliche, dünne Körper, zarte Gesichter, große, ungläubige Augen, weizenfarbenes Haar. Unter dem Ansturm von Anteilnahme und Sensationslust schwankten sie wie Grashalme im Wind. Trotzdem hielten sie sich weder aneinander noch an der Mutter fest. Ihre Verlorenheit erinnerte an die von Danil. Ella kamen die Tränen.
In dem Moment setzte Musik aus den Lautsprechern ein, knarzend, knackend. All jene, die einen Stuhl ergattert hatten, nahmen Platz. Die anderen, viele, die die Wände dicht an dicht flankierten, mussten stehen bleiben. Sphärische Keyboardklänge hallten durch den Raum, von einer einzigartigen, unverkennbaren Stimme begleitet. »Who wants to live forever« von Queen. Ausgerechnet! Was für eine seltsame, absurde Wahl.
Ein junges Leben war ausgelöscht worden. Von Unendlichkeit konnte keine Rede sein. Und überhaupt. Ob ein Zwölfjähriger wie Danil die Band und das Lied gekannt, geschweige denn gemocht hatte? Ella bezweifelte es stark.
Paul konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Freddy Mercury, dachte er. Ausgerechnet. Der Tipp war bestimmt von Kleinmeyer gekommen. Paul war froh, hier zwischen Jacky und Kevin eingeklemmt in der vierten Reihe zu sitzen, ein ganzes Stück entfernt vom Klassenlehrer und den Mitschülern. Heuchler, hatte er vorhin noch abfällig gedacht. Keiner von euch hat Danil gemocht. Gehasst habt ihr ihn. Euch vor Schiss fast in die Hosen gemacht. Und jetzt seid ihr froh, dass er tot ist. Was habt ihr bei seiner Beerdigung zu suchen?
»Who wants to live forever«, sang Mercury, und Paul schluchzte auf. Natürlich musste er an die Klassenfahrt im September denken. Jugendherberge Mönchengladbach-Hardt. Für mehr hatte das Geld der Eltern nicht gereicht.
Am Nachmittag des zweiten Tages war es gewesen. Er und Danil hatten gelangweilt im Partyraum herumgehangen, sich die Musikanlage angeschaut und an den Drehknöpfen des uralten Mischpults gespielt. Fahles Licht war durch speckige Fensterscheiben auf die staubigen Flächen und den schmutzigen Boden gefallen. Eine andere Schulklasse hatte gestern Abend hier gefeiert, und es war noch nicht geputzt worden.
Auf dem DJ-Pult hatten einige alte CDs gelegen, und Danil interessierte sich dafür. Kleinmeyer war reingekommen und sofort darauf angesprungen. Der hatte sich echt Mühe gegeben mit Danil. Richtig eingeschleimt hatte er sich bei ihm. Und Paul ahnte auch, warum: Danil war der Anführer in der Klasse gewesen. Der, der das Sagen hatte. Die anderen machten, was er befahl. Und wenn Danil jemanden auf dem Kieker hatte, zum Beispiel den fetten Robin, dann gab es keine Gnade. Danil brachte jeden zum Heulen, und alle machten mit.
»Der Fetti ist ein Opfer«, behauptete er. »Macht ihn fertig.«
Was er sagte, war Gesetz. Klar, dass Kleinmeyer versucht hatte, sich an Danil ranzumachen.
»Der will mich knacken«, hatte Danil irgendwann zu Kevin und Paul gesagt, als sie sich am Rand des Schulhofs im Gebüsch einen Joint teilten, »der denkt, wenn ich ihm vertrau, hör ich auf mit Scheißebauen. Aber das kann er vergessen.«
Na ja, in der Jugendherberge kam es Paul schon so vor, als hätte es Kleinmeyer irgendwie geschafft, Danil zu »knacken«. Und zwar über die Musik.
»Freddy Mercury war ein überragender Sänger. Genial«, erklärte er Danil, der sich aufs Pult gesetzt hatte und eine CD-Hülle nachdenklich hin- und herwendete. Die Musik von Queen waberte durch den Raum. »Außerdem lebte er so, wie es ihm passte. Sex, Drugs und Rock 'n' Roll.«
»Er war ’ne Schwuchtel, oder?«, sagte Danil abfällig. »Ist an Aids krepiert.«
»Stimmt«, bestätigte Kleinmeyer geduldig, »er war homosexuell. Aber er stand dazu. Ohne Wenn und Aber. War mutig und cool. Selbst als die Krankheit ihn fest im Griff hatte – damals gab es noch nicht die Medikamente wie heute –, ist er weiterhin aufgetreten. ›Who wants to live forever‹ hat er noch gesungen, da ging es ihm schon sehr schlecht. Aber er hat dem Tod ins Gesicht gespuckt. Hat weitergemacht bis zum Schluss.«
In dem Moment merkte Paul, dass sich Danils Verhalten Kleinmeyer gegenüber änderte. Dass er jetzt wirklich zuhörte.
»Ich will auch nicht ewig leben.«
Seine Stimme war voller Trauer. Paul kriegte es mit der Angst zu tun. Was sollte das Gerede vom Sterben?
»Du bist sehr jung«, lautete Kleinmeyers ruhige und sanfte Antwort. Paul würde es nie vergessen. »Du hast noch viel vor dir. Und wenn du willst, auch viel Schönes. Du musst nur genug Mut haben, dich darauf einzulassen. Nicht nur auf das, was du kennst.«
Paul erkannte das Flackern in Danils Augen. Die Gefahr, den Freund zu verlieren. Auch Kevin, der plötzlich im Türrahmen stand, hatte sofort gecheckt, was Sache war.
»Komm, Danil«, rief er mit einem alarmierten Seitenblick zu Paul, »wir wollten doch noch in den Ort. Die anderen warten.«
Und es klappte. Der Bann war gebrochen. Danil schaute auf, grinste und drückte Kleinmeyer achtlos die CD-Hülle in die Hand.
»Ich komm schon. Ich hol eben nur meine Jacke.« Kein Blick mehr hin zu dem Lehrer.
Und dann deckten sie sich in dem Geschäft im Ort mit Alkohol und Zigaretten ein. Danil klaute sogar noch eine Flasche Wodka. Hammerhart wie immer.
Und jetzt war er tot.
»Who wants to live forever …«
Paul stöhnte auf.
Ella hörte kaum, was der Pfarrer sagte. Es waren sowieso nur Plattitüden, nichts Persönliches, auf den Toten Abgestimmtes, das wurde ihr schon nach den ersten Worten klar. Stattdessen beobachtete sie den weinenden Jungen in der vierten Reihe. Ella sah ihn im Halbprofil.
Das Elend schien ihn förmlich wegzuschwemmen. Seit dem Queen-Song schluchzte er ununterbrochen. Lang und schlaksig war er, mit dichtem braunen Haar, einer überlangen Höckernase und zartem Flaum über der Oberlippe. Er schien älter als Danil zu sein, zumindest zeigte er schon die typischen Anzeichen der Pubertät. Aber das musste nichts heißen. Kinder reiften schließlich unterschiedlich schnell heran. Danil war zum Beispiel sehr klein für sein Alter gewesen.
Links neben dem großen Jungen hockte ein unförmiges Mädchen mit fettigen Haaren. Es hatte einen Arm um seine knochigen Schultern gelegt. Dem bulligen, pickeligen Jungen auf der anderen Seite schien das Gebaren seines Nachbarn eher peinlich zu sein. Trotzdem musterte er ihn ab und zu besorgt.
Die drei mussten Schulfreunde von Danil sein. Vielleicht sollte sie sich mal mit denen unterhalten.
Und dann ging es zur Grabstelle. Ella folgte dem Sarg ganz am Ende der Schlange. Es regnete stetig, und der Weg durch die Grabreihen war schlammig und rutschig. Ella spannte ihren Schirm auf.
Kalli Schmittke lebte seit letztem Dienstag in ununterbrochener Todesangst. Zwar hatte ihm Martha ein Alibi gegeben, aber vor dem Hass und der Verachtung der Leute schützte es nicht. Und auch die Nacht in Polizeigewahrsam schob die Sache nur auf. Irgendwann würden sie ihn erwischen und kaltmachen.
Ein Vierteljahrhundert hatte Kalli in den verschiedensten Haftanstalten Nordrhein-Westfalens eingesessen, und das war kein Zuckerschlecken gewesen. Pädophile standen in der Rangordnung der Gefangenen ganz unten. Kalli war oft verprügelt und einige Male vergewaltigt worden, bis er aufgrund seines Alters und des körperlichen Verfalls uninteressant für seine Peiniger wurde. Die letzten Jahre hatte man ihn in Ruhe gelassen.
Manchmal wünschte Kalli sich wieder in den Bau zurück. Vor allem in den letzten Tagen. Ans Telefon ging er inzwischen gar nicht mehr. Die täglichen Droh- und Schmähanrufe hielten ihn davon ab. Auch zu seinem Therapeuten traute er sich nicht. Dazu müsste er über die Feldwege zum Büttger Bahnhof laufen, um mit der S-Bahn nach Neuss zu fahren. Und überall würde er Menschen begegnen.
Martha und er hatten das kaputte Fenster mit Brettern zugenagelt. Zwar war es nun dunkel in seiner Wohnung, dafür aber halbwegs sicher.
Gewissenhaft nahm Kalli Tag für Tag die Pillen, die die gefährlichen Phantasien unterdrückten. Die Angst konnten sie ihm nicht nehmen. Dafür trank er Schnaps, manchmal bis zur Besinnungslosigkeit.
Auch jetzt, gegen Mittag, genehmigte er sich mit zitternden Fingern den ersten Korn des Tages. Frühstückskorn, wie passend.
Heute war die Beerdigung des Jungen. Schneewittchen. Kalli traten Tränen in die Augen, als er an den kleinen, toten Körper dachte, wie er am Fuß der Mühle gelegen hatte. Früh am Morgen.
War er etwa schuld? Unmöglich zu sagen. Er hatte nur den Schmerz gefühlt, als er den Jungen dort liegen sah. Abgrundtiefen Schmerz, vermischt mit einem Hauch von Erleichterung. Weit weg von jeder Befriedigung.
Ella erwischte Galina Bodrow kurz vor dem Friedhofsausgang an der Driescher Straße. Der Regen war heftiger geworden, der Wind ebenfalls. Ella klappte den Schirm ein, um sich schneller durch den Pulk der Anteilnehmenden winden zu können. Binnen Sekunden klebte ihr das Haar nass am Kopf. Rücksichtslos drängte sie sich an Schülern und Erwachsenen vorbei und tippte Danils Mutter auf die Schulter.
Die drehte sich auf den Hacken um. Wie elektrisiert, gespannt wie ein Flitzebogen, und Ella sah sich Danils Augen gegenüber, in einem verhärmten Gesicht, bar jeder Weichheit. Tiefe Falten schnitten in die Mundwinkel der Frau, die vor ein paar Tagen ein Kind verloren hatte. Ihre Augenringe waren bläulich verfärbt und erinnerten an Danils Gesichtshaut nach der Strangulation. Ihr Blick war kalt.
»Was soll das?«, spuckte sie aus. »Warum fassen Sie mich an?«
Ella erschrak, zog die Hand zurück, bis dicht an den Körper. Die Aggressivität der Frau schüchterte sie ein.
»Entschuldigung«, formulierte sie sorgsam, »ich bin diejenige, die Danil gefunden hat. Dienstagmorgen, an der Braunsmühle. Ich wollte Ihnen nur mein Beileid aussprechen …«
Verlegen mied sie Galina Bodrows Blick und streifte stattdessen die unbewegte Miene von Danils großem Bruder. Der starrte sie schweigend an. Direkt in sie hinein. Bis ins Herz. Unheimlich.
»Spasibo. Danke.«
Ein Ruck ging durch die Frau. Die Härte wich und machte etwas anderem Platz. Verletzlichkeit, Erschöpfung, von beidem etwas.
»Tut mir leid, dass ich … unhöflich war.« Galina Bodrows Stimme klang brüchig, wie dünnes Eis auf einer Pfütze, das unter den Füßen zerspringt. »Ich dachte, Sie sind von der Presse. Haben mich schon vorhin so … gemustert. Das kann ich nicht gebrauchen, wissen Sie.« Sie rollte das »R«. Es verlieh ihren Worten Nachdruck.
Hinter ihnen bildete sich eine Menschenschlange, die nicht an ihnen vorbei und daher nicht vom Friedhof hinunterkonnte. Ella machte das nervös.
»Verstehe ich«, flüsterte sie, »aber ich bin nicht von der Zeitung. Vielleicht könnte ich Sie ja mal besuchen, wenn … wenn dieser ganze Rummel hier vorbei ist. Ich denke oft an Danil, wissen Sie …«
»Mami, komm jetzt«, rief nun das kleinste der Bodrow-Kinder und riss der Mutter am Arm, »du hast mir versprochen, ich krieg Kuchen …«
»Ladoschki. Okay«, sagte Frau Bodrow, sowohl zu dem kleinen Jungen als auch zu Ella, »machen wir. Auf jeden Fall.«
Und weg war sie, verschwunden hinter Regenschleiern und drängelnden Leibern. Das Letzte, was Ella von der Familie sah, war der bohrende Blick des ältesten Sohnes, bis schwarze Schirme ihn verdeckten.