Katja Brandis
Feuerblüte III
Das Mond-Orakel
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Abschied von Gilmor
Ärger im Roten Bezirk
Totensee und Lebensbaum
Das Orakel
Mit Axt und Schwert
Der Geschichtenerzähler
Zeit der Wahrheit
Torreventus
Ein schlechter Tausch
Boten des Schattenreichs
Mit Adlerschwingen
Tal der Blumen
Gefangen im Eis
Relgan
Die Hüterin der Vulkane
Nicht stark genug
Auf eigene Gefahr
Anderskind
Die Falle
Alenas Weg
Freund oder Feind
Wie alles begann
Tief unten im Berg
Im goldenen Turm
Dem Tod so nah
In der Falle
In Flammen
Schlangenzahn
Zwischenreich
Drei Kinder und ein Baum
Dank
Weitere Romane von Katja Brandis
Impressum neobooks
Einen frisch verliebten Vater zu haben, war ein eigenartiges Gefühl. Alena gönnte ihm sein Glück und freute sich, dass Tavian so viel heiterer wirkte als sonst. Doch manchmal musste sie all ihre Geduld aufbringen, um den ungewohnten Alltag in Gilmor hinzunehmen. In der Schmiede durfte Tavians neue Gefährtin Sukie jeden Tag die Glut in der Esse entzünden, was in der Feuer-Gilde eine hohe Ehre für einen Gast war, tagsüber umarmten und küssten sie und Tavian sich ständig, und abends wurden der Reihe nach Sukies Lieblingsgerichte gekocht. Eigentlich war das alles nur erträglich, weil Alena inzwischen wusste, wie sich so was anfühlte. Sie musste auch ständig an Jorak denken und hätte am liebsten jeden Tag mit ihm verbracht. Was leider nicht immer möglich war – heute hatte ihr Vater ihn zum Beispiel zum nächsten Handelsposten mitgenommen.
„Kann es sein, dass Liebe so eine Art vorübergehende Geistesstörung ist?“, fragte Alena ihren besten Freund Cchraskar. Vielleicht war ein Iltismensch für solche Fragen nicht der beste Ansprechpartner, aber andere waren gerade nicht in Sicht.
„Sssieht fast so aus, fast“, maunzte Cchraskar amüsiert. „Du und Jorak, ihr tut ja so, als wolltet ihr euccch auffressen. Das kann nicht normal sein!“
„Ach, was weißt du schon“, grinste Alena, zog eine Schutzhaube über die Augen und setzte mit dem Fußpedal den Schleifstein in Gang, um einem Kurzschwert den ersten Schliff zu verpassen. Sonnenhelle Funken sprühten auf und erhellten die Schmiede einen Moment lang. Es war dunkel und warm und gemütlich hier, nur die heiße Glut der Kohlen erleuchtete die beiden Ambosse und die geschwärzten Wände, an denen Zangen, Hämmer und andere Werkzeuge hingen.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte eine helle Stimme hinter ihr. Sukie!
Alena setzte das Schwert ab und blickte auf.
Zum Glück war Sukie wenigstens nett. Sie war erst zweiundzwanzig Winter alt, hatte heitere, rauchgraue Augen und rote Locken. So recht hatte Alena immer noch nicht verstanden, was sie mit einem Mann wie ihrem Vater wollte, einem Witwer, der doppelt so alt war wie sie und der als ehemalige rechte Hand des Propheten des Phönix den schlechtesten Ruf von ganz Tassos hatte. Musste wohl etwas mit der vorübergehenden Geistesstörung zu tun haben.
„Du könntest mir ein paar Klingen härten“, schlug Alena vor und deutete mit dem Kinn auf zwei fertig geformte Rohlinge. „Weißt du, wie das geht? Du erhitzt das Metall stark und gleichmäßig, dann löschst du es in dem Eimer mit Öl da hinten ab.“
„Mach ich gerne.“ Sukie legte die beiden Klingen in die Esse und murmelte eine Formel. Hell loderten die Flammen auf, fast eifrig gehorchten sie ihrem Befehl. Schon nach wenigen Atemzügen glühte das Metall im richtigen hellgelben Farbton. Mit der bloßen Hand nahm Sukie die Schwerter und trug sie zum Eimer. Zischend stieg Dampf auf, als die Klingen eintauchten.
Alena beobachtete Sukie fasziniert. Rostfraß, auch wenn sie selbst ebenfalls zur Feuer-Gilde gehörte, wäre ihr eine fette Brandwunde sicher gewesen, wenn sie das ohne Handschuhe und Zangen gemacht hätte! Eine so enge Beziehung zum Feuer wie Sukie hätte Alena auch gerne gehabt. Eine Waffe zu tragen wie alle anderen Menschen der Feuer-Gilde hatte sie nicht nötig. Wenn jemand Sukie dumm kam, röstete sie ihn wahrscheinlich einfach mit einer Salve blauen Feuers.
Am Nachmittag kehrten ihr Vater Tavian und Jorak zurück, schwer beladen mit Rohstahl und Barren von Kupfer, Telvarium, Silber und Caradium. Alena und Sukie hasteten aus der schwarzen Eisenpyramide, in der sich Schmiede und Wohnräume befanden, nach draußen, um den beiden Männern beim Einräumen ins Lager zu helfen.
„Puh.“ Jorak setzte seine Ladung ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Das reicht bestimmt wieder für ein paar Wochen, oder?“
Alena konnte nicht anders, sie musste einfach zu ihm gehen und ihn küssen. Jorak zog sie in seine Arme, und momentelang vergaß Alena die Welt um sich herum und alle anderen Menschen darin. Als sie und Jorak sich wieder voneinander lösten, waren ihr Vater und Sukie dabei, die Barren zu sortieren, und Cchraskar grinste von Ohr zu Ohr. Seine Fangzähne kamen dabei blendend zur Geltung.
Alena zog ihm eine Grimasse und fragte Jorak: „Wie war´s beim Handelsposten?“
„Toll war, dass mir dein Vater eine Menge über Metalle beigebracht hat. Aber sonst ... schrecklich. Niemand hat mit mir gesprochen und sie haben den Kopf über deinen Vater geschüttelt, dass er sich mit jemandem wie mir abgibt.“ Jorak seufzte und griff sich ein Bündel Kupferstäbe, um sie ins Lager zu bringen. „Hätte ich mit dem Händler – einem Kerl aus der Luft-Gilde – reden dürfen, hätte ich sicher einen besseren Preis für uns raushandeln können.“
Weil man normalerweise wegen eines schweren Verbrechens seine Mitgliedschaft in einer der vier Gilden verlor, wurden Gildenlose in Daresh behandelt wie Dreck. Die Leute konnten nicht wissen, dass Jorak aus einem anderen Grund gildenlos war. Trotzdem machte die Art, wie die Menschen mit ihm umgingen, Alena wütend. „Das ist bitter. Du kannst es wahrscheinlich kaum noch erwarten, nach Ekaterin zurückzukommen, was? Da hast du wenigstens Freunde.“
„Ja.“ Jorak blickte sie an. „Kommst du mit?“
Eine Woge tiefen Glücks stieg in Alena auf. Sie nahm sich einen Moment lang Zeit, Jorak einfach nur anzusehen. Sein schmales Gesicht mit den intelligenten grünbraunen Augen, seine dunkelbraunen Haare, die er sich selbst mehr schlecht als recht schnitt, seine einfache Tunika, die von einem Ledergürtel zusammengehalten wurde. Auf der Straße hätte niemand ihm einen zweiten Blick gegönnt. Und doch war er einzigartig, ein ganz besonderer Mensch.
„Ja, ich komme mit“, sagte Alena ernst, fast ein wenig feierlich.
„Mit mir reden sie auch nicht – zumindest hier in Gilmor“, bemerkte Sukie mit einem schiefen Lächeln. „Die Leute glotzen mich entweder an oder schauen schnell weg, wenn ich vorbeigehe. Ich bin eben die seltsame Fremde ...“
„Mach dir nichts draus, das wird schon noch“, sagte Alena und schnappte sich ein halbes Dutzend Iridium-Stahl-Stäbe, aus denen einmal kostbare Meisterschwerter entstehen würden. „So ist es eben in Dörfern. Ich wüsste nur zu gerne, was die Leute hier anfangen würden, wenn sie mich und meinen Vater nicht hätten, um sich über uns aufzuregen.“
„Wahrscheinlicch würden sie darüber diskutieren, wer sicch die schöneren Popel aus der Nase holt“, meinte Cchraskar und kratzte sich mit einer Pfotenhand hinter dem pelzigen Ohr.
Ihr Vater war aus dem Lager zurückgekehrt und hatte die letzten Sätze gehört. Er trug wie so oft die traditionelle schwarze Tracht der Feuer-Gilde, in der lockeren, aufrechten Haltung des erfahrenen Schwertkämpfers stand er da. „Wir sollten uns nichts vormachen“, sagte er und verschränkte die Arme. „Sukie und Jorak werden hier nie akzeptiert. Deshalb habe ich gestern mit Palek gesprochen. Er wäre daran interessiert, die Schmiede zu kaufen. Damit wäre der Weg frei, anderswo hinzuziehen. In eine größere Stadt, zum Beispiel nach Carradan. Was hältst du davon, Alena?“
Alena blieb vor Schreck beinahe der Mund offen stehen. Ihr Vater verkaufte ihr Zuhause, nach so vielen Wintern in Gilmor? Hier hatte sie mit Schwert, Hammer und Amboss umgehen gelernt, ihren allerersten Kuss bekommen, Gedichte geschrieben, im Phönixwäldchen ihren Tagträumen nachgehangen.
Das waren die guten Erinnerungen. Aber es gab auch schlechte. Den Streit mit vielen Nachbarn und Zarkos Bande, die Einsamkeit, die Langweile an einem Ort, in dem nie etwas zu geschehen schien. Ja, eigentlich hatte sie wegziehen wollen und keine große Lust gehabt, die Schmiede zu übernehmen. Und das wusste ihr Vater. Was wehtat, war, dass er sie erst jetzt in seine Pläne einweihte. Interessiert er sich überhaupt dafür, was ich darüber denke, wie ich mich fühle?, fragte sich Alena bitter. Oder dreht sich jetzt wirklich alles nur noch um seine neue Geliebte?
„Ich werde mal darüber nachdenken“, sagte sie und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, was ihr durch den Kopf ging. „Carradan ist schon etwas ganz anderes als Gilmor ... aber für Sukie wäre es natürlich viel besser, dorthin zu ziehen ...“
„Es tut mir leid, dass das alles jetzt so schnell geht – wir haben erst gestern Abend darüber gesprochen“, meinte Sukie mit einem entschuldigenden Blick zu Alena. „Ist nicht leicht, auf einmal eine Stiefmutter zu haben, was?“
Stiefmutter. Das Wort brannte in Alena. Sie hatte noch nie so über Sukie gedacht, und alles in ihr sträubte sich dagegen, es jetzt zu tun. Was bildete sich diese Frau eigentlich ein?
„Du könntest meine Mutter sowieso nie ersetzen“, sagte Alena mit spröder Stimme. Sie legte die Stahlstäbe wieder hin, drehte sich um und ging weg. Sie wollte jetzt nicht mit Sukie reden, nicht mit ihrem Vater, mit niemandem.
Instinktiv schlug sie den Weg zum Phönixwald ein, ihrem Lieblingsplatz. Doch sie hatte Pech. Ein Lehrlingsmädchen im Dorf, mit dem sie mal befreundet gewesen war, sah sie und fing sie ab.
„Sag mal, Alena – stimmt es, dass dieser Gildenlose dein Freund ist? Dass ihr zusammen seid und er sogar bei euch übernachten darf?“ Marvy sah gleichzeitig angeekelt und fasziniert aus. Ihre Stupsnase zuckte leicht und ihre Augen unter dem mausbraunen Haarschopf blickten fast schon gierig.
„Ja, es stimmt“, sagte Alena knapp. Wahrscheinlich würde Marvy als Nächstes fragen, ob es nicht unerträglich widerlich war, einen Ausgestoßenen zu küssen. Dabei war Alena sich ziemlich sicher, dass Marvy noch nie einen Jungen geküsst hatte und sowieso nicht beurteilen konnte, wie sich das anfühlte.
Alena wusste, dass ihr Vater damit, einen Gildenlosen zu beherbergen, ein großes Risiko einging. Sie war dankbar, dass er darüber nie ein Wort verlor. Bisher hatte noch niemand im Dorf sie beim Rat der Gilde angeschwärzt, und Alena hoffte, es möge auch so bleiben. Trotzdem schaffte sie nicht, richtig freundlich zu Marvy zu sein. „Ich muss los“, sagte sie nur, winkte Marvy zum Abschied zu und beschleunigte ihre Schritte, bis das Mädchen endlich aufgab und zum Dorf zurücktrottete. Endlich allein! Nur sie und die kargen schwarzen Silhouetten der Phönixbäume, die vor ihr aufragten.
Doch überrascht sah sie, dass an ihrem Lieblingsplatz schon jemand auf sie wartete. Cchraskar und Jorak! Die beiden hatten geahnt, wohin sie flüchten würde. Alena setzte sich zu ihnen und Jorak legte wortlos den Arm um sie. Es tat gut, so gehalten zu werden, und Alena spürte, wie der Tumult in ihrem Inneren sich allmählich legte.
„Eigentlich ein bisschen albern“, sagte Alena und wischte sich kurz über die Augen. Vor Jorak konnte sie weinen, das wusste sie. Aber sie tat es trotzdem nicht gerne, es war noch zu tief in ihr verwurzelt, dass man als Mensch der Feuer-Gilde auf gar keinen Fall Tränen vergoss. „Ich war ja noch klein, als meine Mutter starb. Ich kann mich überhaupt nicht an sie erinnern. Trotzdem ist es ein komisches Gefühl, dass Pa jetzt eine andere Frau hat. Glaubst du, er wird Alix vergessen?“
„Das glaube ich nicht“, sagte Jorak und strich ihr sanft über die Wange und über die schulterlangen, glatten rotbraunen Haare. „Sie war schließlich seine große Liebe, oder? Aber er hat vierzehn Winter um sie getrauert und irgendwann geht das Leben weiter. Ich glaube, dein Vater war ein sehr einsamer Mensch, bevor er Sukie getroffen hat.“
Alena seufzte tief. Sie war auch einsam gewesen, bevor sie Jorak richtig kennengelernt hatte. „Weißt du, was besonders schlimm ist? Dass ich nichts mehr habe, was mich an sie erinnert. Mein Umhang, der mal ihr gehört hat, ist mir ja in Rhiannon verlorengegangen.“
Sie hatten das eigenartige Reich Rhiannon bei ihrer gefährlichen Reise über die Grenzen von Daresh hinaus gefunden – seit die magische Grenze wieder belebt war, gab es keine Möglichkeit, dorthin zurückzukehren. Selbst, wenn sie das gewollt hätten.
„Deswegen musst du deine Mutter nicht aufgeben“, sagte Jorak. „Du könntest versuchen ihr näher zu kommen, sie wiederzuentdecken ...“
Was für eine seltsame Bemerkung. Wiederentdecken. Wie sollte das gehen bei jemandem, der längst tot war? Doch Alena fragte nicht nach. Vielleicht war das etwas, was sie selbst herausfinden musste. Sie spürte, wie die Trauer in ihr etwas von ihrer Schwere verlor. „Ich glaube, das hätte ich schon viel früher tun sollen. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät dafür.“
Daran, dass es auch riskant sein könnte, dachte sie nicht.
Es war seltsam. Schon auf dem Rückweg zur Schmiede spürte Alena, dass sie dabei war, sich von Gilmor zu lösen. Die anderen Pyramiden des Dorfes, die Schänke, der große Versammlungsplatz, die Menschen, die sie im Vorbeigehen grüßten – das alles hatte nicht mehr wirklich etwas mit ihr zu tun, sie betrachtete es wie aus weiter Entfernung. Eigentlich habe ich mich schon entschieden, dachte Alena.
An diesem Abend wartete sie, bis ihr Vater eine Pause bei der Arbeit einlegte, und setzte sich dann neben ihn. „Ich bin einverstanden, dass du die Schmiede verkaufst.“
„Das ist gut“, sagte er, legte Alena den Arm um die Schultern und drückte sie kurz. „Glaub mir, der Abschied fällt mir auch nicht ganz leicht.“ Nur selten zeigte ihr Vater seine Freude so offen. Alena war nachträglich froh, dass sie ihm seine Pläne, die ihm so viel bedeuteten, nicht verdorben hatte.
„Ich muss nur noch ein paar Aufträge abschließen, hilfst du mir, die restlichen Schwerter zu schleifen?“, fuhr Tavian fort. „Und es gibt viel zusammenzupacken.“
„Natürlich helfen wir. Jorak ist gut im Packen, weil er schon viele Expeditionen vorbereitet hat.“
Doch Jorak musste schneller abreisen, als er gedacht hatte – am nächsten Tag kam eine Botschaft für ihn aus Ekaterin. Sein Kompagnon und bester Freund Kerrik würde schon in einer Woche zu einer längeren Expedition in den Lixantha-Dschungel aufbrechen, und vorher galt es noch einiges zu erledigen und zu planen.
Der Abschied fiel Alena furchtbar schwer. „Ich komme nach, sobald ich kann“, versprach sie. Doch das konnte noch ein paar Tage dauern – schließlich musste sie helfen, den Umzug nach Carradan vorzubereiten.
Traurig machte sie auch, dass sie sich von Kilian und Jelica verabschieden musste. Im Laufe des letzten Winters waren die Geschwister gute Freunde geworden.
Kilian seufzte tief, als er die Neuigkeiten hörte. „Ich würden auch gerne nach Carradan ziehen“, sagte er. „Da ist wenigstens was los! Aber ich fürchte, wir gehen erstmal nirgendwo hin, bis wir selbst Meister sind.“
„Ganz schön gemein, dass du uns hier alleine in Gilmor zurücklässt.“ Jelica tat, als würde sie schmollen. „Nein, im Ernst, wir werden dich vermissen.“
„Ja, allerdings“, schob Kilian nach. „Aber irgendwie war mir immer klar, dass du nicht lange in diesem mickrigen Dorf bleiben würdest. Du passt einfach nicht hierher.“
„Kann sein“, sagte Alena. „Aber ihr werdet mir fehlen!“
In den nächsten Tagen war sie düsterer Stimmung, sie vermisste Jorak und es half auch nicht, dass Sukie und sie nun verkrampft und vorsichtig miteinander umgingen. Schade eigentlich, dachte Alena. Wir hätten Freundinnen werden können. Habe ich das jetzt kaputtgemacht? Sie hoffte fast darauf, dass Sukie wieder in die Schmiede kommen und ihr helfen würde, vielleicht konnte Alena sich dann ... entschuldigen oder so etwas. Oder sie könnten einfach Seite an Seite miteinander arbeiten, ab und zu etwas reden, bis alles wieder in Ordnung war. Doch Sukie kam nicht.
Nur einen Tag darauf nahm ihr Vater sie beiseite. „Vielleicht ist es besser, wenn du schon morgen reist.“
Alena spürte, wie sich alles in ihr zusammenzog. Was sollte das – wollte er lieber mit Sukie allein sein? Oder hatte Sukie sich über sie beklagt? Heiße Wut auf Sukie, auf ihren Vater, auf die Welt brodelte in ihr hoch. „Und warum, wenn ich fragen darf?“
Falls Tavian ihre Wut spürte, dann ließ er sich das nicht anmerken. Ruhig blickte er sie mit seinen goldgefleckten Augen an. „Ich habe ein schlechtes Gefühl bei dem Gedanken, dass Jorak wieder in Ekaterin ist.“
Verdutzt blickte Alena ihn an. Sie spürte, dass er die Wahrheit sagte – er war immer ehrlich, selbst wenn es wehtat. Doch diesmal tat es nicht weh, es überraschte sie nur. „Ein schlechtes Gefühl? Was meinst du damit?“
Ihr Vater hielt das kostbare juwelenbesetzte Schwert, an dem er gerade arbeitete, waagrecht und spähte die Klinge entlang. Der blanke Stahl glänzte im Licht des Feuers. „Schwer zu sagen. Ich kenne ihn ja noch nicht so lange.“ Er wandte sich wieder ihr zu. „Aber ich weiß, dass man nicht zurückgehen sollte an einen Ort, den man einmal gekannt oder geliebt hat. Das bringt nur Kummer und Gefahr.“
Alena runzelte die Stirn. „Ich fürchte, das musst du mir erklären.“
„Ich habe dir doch mal erzählt, dass ich Söldner geworden bin, um aus meinem Dorf wegzukommen“, begann ihr Vater zögernd zu erzählen und legte das Schwert beiseite. „Dabei habe ich, als ich mal mit drei Dutzend Kameraden auf dem Weg zu einer Fehde war, durch Zufall ein Tal gefunden ... es war ein verzauberter Ort, völlig überwachsen mit blühenden Kletterpflanzen, mitten hindurch schlängelte sich ein kristallklarer Fluss. Wir lagerten nur eine Nacht dort und zogen in der Morgendämmerung weiter – doch ich beschloss irgendwann einmal zurückzukommen.“
„Und das hast du getan?“
„Ja. Aber erst zehn Winter später. Da war von der wilden Schönheit des Tals schon nichts mehr übrig. Meine ehemaligen Kameraden hatten dort eine große Siedlung gegründet.“ Tavians Augen richteten sich in die Ferne, blickten ins Nichts. „Ich bekam bei einem einstigen Waffengefährten Quartier für die Nacht, doch wir merkten, dass unsere Ansichten sich sehr geändert hatten, und gerieten in Streit darüber, was mit dem Tal geschehen war. Um ein Haar hätten wir uns bei dem Duell gegenseitig getötet.“
Alena schwieg einen Moment lang. Jetzt verstand sie besser, warum ihr Vater sich Sorgen machte. „Na ja, aber du warst sehr lange weg, wir nur ein paar Wochen“, wandte sie schließlich ein. „Und Jorak lebt schon seit vielen Wintern in Ekaterin, er kennt es in- und auswendig und hat dort jede Menge Leute, die ihn unterstützen. Er kommt schon klar.“
„Ich hoffe beim Feuergeist, dass du recht hast“, sagte Tavian. „Aber es ist nicht immer so, dass der Ort sich verändert, während man weg ist. Es kann auch sein, dass man sich selbst verändert – dafür reichen schon ein paar Wochen aus. Und dann gibt es erst recht keinen Weg zurück.“
Als Jorak aus dem Geflügelten Dhatla trat, merkte er, dass ein Krug Polliak weniger besser gewesen wäre. Als er den Kopf drehte, um sich von Kerrik zu verabschieden, wurde ihm dabei beinahe schwindelig.
Auch Kerrik sah aus, als sei ihm schwindelig – aber das lag wohl eher daran, dass Jorak ihm in der Schänke erzählt hatte, was er und Alena in Rhiannon, dem Reich der Wolkentrinker, erlebt hatte. „Nicht zu fassen“, sagte Kerrik schon zum fünften Mal an diesem Abend. „Ich meine, ich gönne es dir natürlich, aber beim Erdgeist, ich wünschte, ich wäre dabei gewesen!“
„An deiner Stelle wäre ich heilfroh darüber, dass du nicht dabei warst“, sagte Jorak. Er blickte zum dunklen Himmel hoch und sah am Stand der Sterne, dass der dritte Mond bald aufgehen würde. „Ich muss los. Grüß Lilas von mir und pass auf dich auf im Dschungel!“
„Mach ich.“ Kerrik schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter, was durch seine Kraft eine etwas schmerzhafte Angelegenheit war, und bog in den Weg zum Grünen Bezirk ein. Die meisten Menschen der Erd-Gilde wohnten dort.
Mit einem warmen Gefühl im Inneren blickte Jorak ihm nach. Die Verlegenheit zwischen ihnen war weg, sie hatten miteinander reden können wie früher. Sieht so aus, als wäre unsere Freundschaft auf einem guten Weg, dachte er. Ich könnte mir sogar vorstellen, wieder Expeditionen mit ihm zusammen zu führen. Immerhin ist die Sache mit Alena jetzt geklärt, sie hat sich entschieden, wen von uns beiden sie wirklich will.
Er schulterte sein Reisegepäck und machte sich auf den Weg zu seinem Quartier. Vorsichtig bewegte er sich am Stadtrand entlang und kaute dabei auf einem Stück Brot, das er aus dem Gasthaus mitgenommen hatte. Hier in der Nähe war der Schwarze Bezirk, in dem die anderen Gildenlosen lebten. Prompt heftete sich einer von ihnen auf seine Fersen – so, als hätte der Kerl das Essen gerochen.
Jorak kannte ihn. Fenk war ein Schläger, der ihm früher oft die wenige Nahrung abgejagt hatten, die Jorak irgendwo zusammengekratzt oder gestohlen hatte. Unter den Gildenlosen galt das Recht des Stärkeren, jeder war sich selbst der Nächste und kämpfte mit Zähnen und Klauen darum, am Leben zu bleiben. Doch in den letzten Wintern hatte Jorak gelernt, mit seinem Dolch umzugehen, und Kerle wie Fenk wussten inzwischen, dass sie ihn besser in Ruhe ließen. Warum kam er diesmal so dreist näher?
Bloß keine Schwäche zeigen, dachte Jorak und drehte sich um. „Na, Fenk, knurrt dir der Magen schon so laut, dass du dich mit mir anlegen willst?“, sagte er, grinste dabei und setzte den gemeinsten Blick auf, den er schaffte.
„Hab gehört, du hattest ´ne Audienz bei der Regentin“, knurrte Fenk und kam noch näher. Seit Jorak ihn das letzte Mal gesehen hatte, schien es ihm nicht gut ergangen zu sein. Unter seinem dünnen Hemd konnte man die hervorstehenden Rippen sehen, und sein Gesicht, auf dem ein struppiger Bart wucherte, wirkte hager und eingefallen. In seinen Augen war ein fiebriger Glanz, der Jorak beunruhigte.
„Geht dich nichts an, Fenk.“ Jorak achtete darauf, dem anderen keinen Moment lang den Rücken zuzudrehen.
„Hast bestimmt viel mitbekommen, was? Gold, Juwelen, Wegzehrung frisch aus den Speisekammern?“ Fenk leckte sich die Lippen.
Jorak spürte, wie Ärger in ihm aufstieg. „Gar nichts habe ich bekommen. Nur den neuen Umhang. Wahrscheinlich, weil sie vergessen haben, ihn zurückzufordern.“
Er merkte, dass Fenk nicht zuhörte. Das verstand Jorak gut. Wenn man Hunger hatte, echten Hunger, der schmerzhaft in den Eingeweiden wühlte, der die Kraft aus dem Körper stahl, dann genügte der Gedanke an etwas zu Essen, um einen schier um den Verstand zu bringen. Besser, ich mache mich aus dem Staub, und zwar schnell, dachte Jorak. Bevor Fenk auf die Idee kommt, mich anzuspringen und niederzuschlagen. Jorak hatte keine Lust, sich auf einen Kampf einzulassen. Der Lärm würde weitere Gildenlose heranlocken, die sich womöglich auf Fenks Seite schlugen.
Zum Glück war ein verlassenes Haus in der Nähe, das Jorak kannte – dank einer seiner Gewohnheiten. Er hatte einmal beschlossen, jeden Tag irgendetwas zu tun, was er nie zuvor getan hatte. So hielt er seinen Geist beweglich. Das Haus zu erkunden, war eines dieser Dinge gewesen.
Jorak riss die Tür auf, hechtete ins Innere und warf von innen den Riegel vor, der zwar rostig war, aber noch funktionierte. Brüllend wie ein verwundetes Dhatla warf Fenk sich auf die morsche Tür und machte sich daran, sie zu demolieren. Das störte Jorak nicht weiter. Zwei Atemzüge später war er aus der Hintertür geschlüpft.
Der Appetit war ihm allerdings vergangen. Er schenkte den Rest des Brotes einem mageren, verschüchterten Mädchen, das an einer Straßenecke bettelte. Auch sie war gildenlos, eine Ausgestoßene. Wenn sie ihren Körper jetzt noch nicht anbot, würde sie es vermutlich bald tun.
Nach der Sache mit Fenk ahnte Jorak, dass er den Schwarzen Bezirk in nächster Zeit besser mied. Vielleicht musste er sogar ganz aus Ekaterin verschwinden. Es würde sich in Windeseile herumsprechen, dass er jetzt „reich“ war – ein halbes Dutzend Banden würde versuchen ihn zur Strecke zu bringen. Ein Gildenloser stand nicht unter dem Schutz des Gesetzes, er war eine leichte Beute.
Jorak überlegte kurz, ob er es riskieren konnte, statt durch den Schwarzen Bezirk quer durch den Roten zu gehen. Gildenlose wie er durften sich dort nicht aufhalten. Aber die Straßen von Ekaterin waren um diese Zeit fast leer, und gerade erst war eine Patrouille der Stadtwache vorbeigekommen. Bis die hier wieder nach dem Rechten schaute, würde es noch dauern. Was soll´s, dachte Jorak und tauchte wieder in die Gassen des Vergnügungsviertels ein. Natürlich waren ihm auch die Schänken hier verboten, aber die Wirtin des Geflügelten Dhatla, in dem er mit Kerrik gewesen war, kannte ihn und riskierte es, ihn hier ab und zu einen Krug trinken zu lassen. Eine ihrer Schwestern war selbst gildenlos – ausgestoßen worden, weil sie Amulette gefälscht hatte, um einen höheren Meistergrad vorzutäuschen.
Die kühle Nachtluft klärte Joraks Kopf. Wie immer ging er schnell und verzichtete auf eine eigene Fackel. Seine Gedanken schweiften zu Alena und er kostete die Vorfreude aus, dass sie bald in Ekaterin sein würde. Unglaublich, ein paar Tage konnten einem erscheinen wie ein langer, eisiger Winter – nur weil man ohne den Menschen auskommen musste, den man liebte ...
Eine Straße weiter rief jemand etwas, ein Mann lachte. Jorak schreckte aus seinen glückgetränkten Gedanken auf. Da kamen Leute – und er hatte es viel zu spät gemerkt! Wieso war er nicht auf der Hut gewesen, besonders nach dem Zwischenfall vorhin?
Er schätzte, dass es vier oder fünf Männer waren. Ihrer Sprechweise nach Feuer-Gilde und ihrem Lärm nach ziemlich berauscht. Zum Glück verzweigte sich die Gasse hier. Schnell bog Jorak ab, um die Gruppe zu meiden. Doch als er sah, wer am anderen Ende gerade aus einem Haus kam, drehte er sofort wieder um. Ach du große Wolkenschnecke, eine zweite Patrouille. Jetzt saß er in der Falle.
Jorak entschied sich, es lieber mit den Feuerleuten zu riskieren. Er zwang sich zu gleichmäßigen, ruhigen Schritten und schlug den Kragen seiner Tunika hoch, damit man nicht so leicht sah, dass er kein Gildenamulett trug. Die vier Kerle waren jetzt nur noch fünf Menschenlängen entfernt und kamen schnell näher. Es waren kräftige Burschen, zwar nicht größer als er, aber breitschultriger und muskulöser. Alle vier trugen Schwerter.
Jorak ließ seinen Blick gleichgültig an den Männern vorbeistreifen, als sie ihn passierten, und versuchte keinerlei Unsicherheit zu zeigen. Das war seiner Erfahrung nach das beste Rezept, Ärger zu vermeiden. Doch diesmal nutzte es nichts.
„He, du da!“, grölte einer der Männer und trat ihm in den Weg.
Jorak schlug einen leichten Ton an. „Falls ihr mich ausrauben wollt, sucht euch lieber jemand anders – ich hab meine letzten Münzen gerade im Geflügelten Dhatla gelassen.“
Zwei der Männer lachten, der dritte sagte: „Ach wo, wir wollen nur wissen, wie wir von hier aus zum Gildenhaus kommen, tanu, Gildenbruder ... du bist doch einer von uns, oder?“
Einen Moment lang entspannte sich Jorak. Er wusste, dass er mit seinen dunkelbraunen Haaren und dunklen Augen wie ein Mensch der Feuer-Gilde aussah, und im schwachen Licht der Gasse erst recht. Vielleicht würde er doch noch davonkommen. Nur wäre es besser gewesen, wenn er seinen Calonium-Armreif abgelegt hätte, hoffentlich verriet ihn das Ding nicht. „Da müsst ihr die Straße hoch, dann links und anschließend bei der kleinen Statue rechts ...“
„Klingenbruch, der trägt ja gar kein Amulett – dafür spür ich irgendein komisches Metall an ihm!“, mischte sich einer der Männer ein und packte Jorak an der Vorderseite der Tunika. „He, Leute, das ist ein Gildenloser, mitten im Roten Bezirk!“
Jorak reagierte sofort. Flink wie ein Iltismensch riss er sich los, glitt zwischen den Männern hindurch und rannte die Gasse hinunter. Er war vielleicht nicht so stark wie sie, aber dafür viel schneller. Und während sie anscheinend nur auf der Durchreise waren, kannte er jeden Fußbreit dieser Stadt.
Er hörte, dass die Feuerleute ihn verfolgten, doch sein Vorsprung wurde immer größer. Bis er zum dritten Mal in dieser Nacht Pech hatte. Aufmerksam gemacht von dem Lärm kamen ihm zwei Männer der Luft-Gilde, wahrscheinlich Händler, entgegen. Viele Händler, die in Ekaterin lebten, kannten und mochten Jorak, aber diese beiden waren Fremde. Und als sie ihn fliehen sahen, versperrten sie ihm den Weg und kamen drohend auf ihn zu.
Jorak stoppte ab, sah sich um. Kein Ausweg in Sicht. Jetzt blieben ihm nur noch die Formeln. Natürlich durfte ein Gildenloser sie nicht benutzen, aber daran hatte er sich nie gehalten. Er konzentrierte sich und murmelte die Formel, die Feuer aus der Luft rief. Eine Flamme loderte zwischen ihm und den beiden Neuankömmlingen auf und ließ sie erschrocken zurückweichen.
Doch die Flamme war längst nicht so groß, wie er geplant hatte. Und als er versuchte, die Formel für die drei Tornados hinzukriegen, spürte er, dass auch das nicht klappen würde. Verdammt, ich habe zu viel getrunken, dachte Jorak verzweifelt. Außerdem fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Immer wieder musste er daran denken, was passieren würde, wenn sie ihn zu fassen bekamen. Dann konnten sie ihn nicht nur straffrei verprügeln, sondern sogar töten, und die Stadtwache würde gar nicht daran denken, einzugreifen. Was für eine Ironie – hatte er die furchtbare Außengrenze Dareshs und den brutalen Stadtstaat Rhiannon überlebt, nur um hier auf seinem Heimatterrain erledigt zu werden?
Konzentrier dich, Jo, dachte er und schloss die Augen, um seine Kräfte zu sammeln. Wenn dieser letzte Versuch nicht klappte, musste er seinen Dolch ziehen und kämpfen.
„Moment mal“, sagte jemand laut. Eine klare, weibliche Stimme. Jorak erkannte sie sofort und sein Herz setzte einen Schlag aus. Alena!
Er riss die Augen wieder auf und sah, dass sich hinter den beiden Männern der Luft-Gilde die schlanke Gestalt eines Mädchens gegen den Hintergrund des Fackelscheins abzeichnete. Alena zog ihr Schwert und ging in Kampfpose, alles in einer einzigen geschmeidigen Bewegung. Das Licht glänzte auf der Klinge, auf dem grünen Edelstein im Griff ihrer Waffe.
„Ihr hattet doch nicht etwa vor, meinem Freund zu schaden?“ Die kalte Wut in Alenas Stimme ließ die beiden Händler zurückweichen. Sie verzichteten auf eine Antwort und verdrückten sich in eine Seitengasse. Doch gleich darauf echote der Lärm von rennenden Füßen, von aufgeregten Stimmen in der Gasse – die vier Feuerleute waren eingetroffen! Sie starrten Alena verblüfft an, dann rissen auch sie ihre Waffen heraus.
Besser, ich gehe aus dem Weg, dachte Jorak und zog sich in den Eingang eines kleinen Lagerhauses zurück. Keinen Moment zu früh, schon klang ihm das Geräusch von Stahl, der auf Stahl trifft, in den Ohren.
Es war ein ungleicher Kampf. Alena kämpfte leichtfüßig, mit kühler Präzision, während die vier Männer plump und langsam versuchten ihrer Klinge auszuweichen und dabei selbst irgendwie anzugreifen. Als ihnen klar wurde, mit was für einer Gegnerin sie es zu tun hatten, war es fast zu spät. Nach zehn mal zehn Atemzügen machten sich die Männer taumelnd und fluchend in Richtung der Gasthäuser davon. Jorak musste grinsen. Wetten, dass die Kerle nie jemandem von dem kleinen Zwischenfall erzählen würden? Wahrscheinlich hätte ihnen sowieso niemand geglaubt, dass sie zu viert nicht gegen ein siebzehnjähriges Mädchen angekommen waren. Aber auch er selbst hatte wenig Lust, jemandem von der Sache zu erzählen. Dass er sich von seiner Freundin retten lassen musste, war schon ein wenig peinlich.
Alena steckte das Smaragdschwert weg und kam besorgt auf ihn zu. „Alles klar mit dir?“
Jorak nickte, obwohl ihm noch immer die Knie zitterten. „Die Zeit in Rhiannon hat mich wohl unvorsichtig gemacht. So knapp ist es schon lange nicht mehr gewesen. Was machst du eigentlich hier? Du wolltest doch erst in ein paar Tagen nachkommen?“
„Bedank dich bei meinem Vater“, meinte Alena. „Der hatte irgendwie eine Vorahnung und hat mir geraten früher abzureisen. Erst habe ich drüber gelacht, dann hab ich´s doch getan.“
Sie nahmen sich in die Arme, küssten sich. Es war ein unglaubliches Gefühl, Alena wieder bei sich zu haben, und Jorak genoss jeden Atemzug. Doch viel Zeit hatten sie dafür nicht. „Besser, wir verziehen uns“, sagte er. „Bevor die Stadtwache doch noch auf die Idee kommt nachzuschauen, was hier los ist.“
***
Ohne sich abzusprechen, schlugen sie eine ganz bestimmte Richtung ein. Hier in Ekaterin hatten sie ein Versteck, das ganz ihnen gehörte und das für sie beide ein magischer Ort war. Alena wusste, dass sich der Haupteingang hier in der Nähe befand, aber um ihn zu erreichen, mussten sie ein stückweit in den Schwarzen Bezirk hinein, die Gegend der Gildenlosen. Alena schauderte, als ihr der Gestank nach menschlichen Ausscheidungen und verrottenden Dingen entgegenschlug. Im schwachen Licht konnte sie die ersten Hütten und selbst gegrabenen Erdhöhlen erkennen. Kein Wunder, dass Jorak das Risiko einging, immer irgendwo anders in der Stadt unterzuschlüpfen.
„Wo hast du eigentlich Cchraskar gelassen?“, fragte Jorak jetzt leise.
„Ach, der jagt sich gerade sein Abendessen. Ich schätze, er wird bald wieder auftauchen.“
Sie fanden die richtige Erdhöhle und krochen hinein. Alena war unruhig. Würde alles noch so sein wie letzten Winter oder hatte jemand das Versteck entdeckt? Vielleicht hatte sich irgendein anderer Gildenloser im Vorraum eingenistet, sodass sie nicht durch die geheime Tür in Keldos ehemalige Gemächer kamen?
„Keine Sorge“, flüsterte Jorak, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Gleich nachdem ihr aus Ekaterin weg wart, habe ich eine Familie von Iltismenschen gebeten, hier einzuziehen. Seither hat sich niemand mehr hergetraut.“
Alenas Gedanken wanderten zu Keldo. Der reiche Händler war, wie sich erst nach seinem Tod herausgestellt hatte, ihr Verbündeter gewesen. Ohne sein geheimes Wissen hätten sie und ihre Gefährten den Kampf gegen den Propheten des Phönix nicht überlebt. Und Keldos Kammern, in denen er sich vor der Welt zurückgezogen hatte, waren zu ihrem Versteck geworden. Ob es Keldo Recht gewesen wäre, dass sie und Jorak immer wieder hierherkamen? Bestimmt, dachte Alena. Schließlich ist auch er von seiner Gilde – den Wasser-Leuten – ausgestoßen worden.
Die Iltismenschen waren gerade auf der Jagd, und so durchquerten Alena und Jorak den Vorraum schnell und öffneten die verborgene Tür. Abgestandene Luft flutete ihnen entgegen. Alena nahm einen Kerzenhalter, rief eine Flamme herab und sah sich um. Sie wanderten durch die prächtigen Räume, in denen sich edle geschnitzte Möbel befanden, die Kissen darauf mit Goldfäden bestickt. Auf den Tischen standen kunstvoll geschmiedete Schalen und Kerzenleuchter. Der große Vorratsraum war gefüllt mit ganzen Krügen voller Wasserdiamanten, Ballen edler Stoffe, Gewürze und seltener Kräuter; in einer Ecke häuften sich Oriak- und Schneehörnchen-Felle.
„Sieht alles noch genauso aus wie zuvor“, stellte Alena fest. Plötzlich war sie verlegen. In jeder Ecke schienen Erinnerungen zu lauern. Als sie das letzte Mal zusammen hier, in Keldos Versteck, gewesen waren, hatte sie Jorak noch nicht ausstehen können. War sie damals ein anderer Mensch gewesen? Oder er? Ja. Und wahrscheinlich einfach zu blöd, um zu kapieren, dass er jemand Besonderes war.
Rasch durchsuchten sie den Lagerraum neben der Küche und sortierten mit spitzen Fingern alles aus, was in der Zwischenzeit verdorben war. Zum Glück waren noch genügend getrocknete Kräuter da. Sie brauten daraus einen Krug frischen Cayoral und setzten sich an den großen Tisch im Hauptraum. Jorak nahm seinen Becher in beide Hände und wärmte sich daran. Er ist ganz schön still, dachte Alena. Sie hätte gerne gewusst, was ihm durch den Kopf ging.
„Ich kann so nicht weiterleben“, sagte Jorak plötzlich. Seine Stimme klang gepresst. Als Alena ihm erschrocken die Hand auf den Arm legte, fühlte sie die Anspannung in seinem Körper.
„Früher hat mir das nicht ganz so viel ausgemacht“, fuhr er fort. „Ein Ausgestoßener zu sein, mich durchschlagen zu müssen, ständig auf der Hut zu sein. Aber seit Rhiannon ...“
Alena nickte und musste daran denken, was ihr Vater gesagt hatte. „Auf der anderen Seite der Grenze bist du ein paar Wochen lang ein normaler Bürger gewesen. Wenn du dortgeblieben wärst und dem Rat der Fünf nicht die Meinung gesagt hättest, dann müsste ich mich wahrscheinlich vor dir verbeugen und dich ´edler Herrscher´ nennen oder so was. Und hier ...“
Sie brauchte nicht weiterzusprechen, der Schreck über den Angriff vorhin saß ihnen beiden noch in den Knochen. Also fragte sie einfach: „Was wirst du tun?“
Jorak blickte hoch, sah ihr direkt in die Augen. „Gilt dein Angebot noch? Du weißt schon, welches.“
„Das war kein Angebot, das war ein Schwur. Natürlich gilt er.“ Alena wusste noch genau, was sie ihm in der Felsenburg der Regentin gesagt hatte. Ich schwöre, dass ich dir helfen werde von einer Gilde anerkannt zu werden. Und wenn die Vulkane von Tassos dabei verlöschen, dann sei´s drum. Alle hatten sie für verrückt erklärt. Denn Joraks Mutter gehörte der Luft-Gilde an, sein Vater der Feuer-Gilde – Jorak hatte das Pech gehabt, dass keine der beiden Gilden ihn anerkannt hatte, als er noch ein Kind gewesen war. Inzwischen war er zwanzig Winter alt. Weit über das Alter hinaus, in dem man sich noch um Mitgliedschaft bewerben konnte.
„Aber du musst dir überlegen, in welche Gilde du überhaupt eintreten willst“, fiel Alena ein. „Feuer oder Luft. Beides geht nicht.“ In ihren Tagträumen sah sie ihn längst im Schwarz der Feuerleute, das neue Amulett mit dem Flammensymbol um den Hals. Doch sie hatte nicht vor, ihm das zu gestehen.
Jorak verzog das Gesicht. „Das wird schwer. Beides wäre am besten, ich fühle mich ziemlich halb-halb. Lass mich darüber nachdenken, ja? Immerhin muss ich über meine Zukunft entscheiden. Morgen sage ich es dir.“ Er zögerte. „Übrigens ... es könnte sein, dass ich den Calonium-Armreif eine Weile ablegen muss. Das Ding verrät mich, jeder Mensch der Feuer-Gilde spürt es an mir.“
Ihre Armreife waren ein Symbol ihrer Liebe, sie hatten sie gemeinsam geschmiedet. Alena schmerzte es, dass Jorak den Armreif ablegen wollte, aber sie verstand seine Gründe. „Du kannst ihn abgeschirmt bei dir tragen“, erklärte sie ihm. Zum Glück fanden sie in Keldos Lager einige flache Dosen aus Nachtholz, in die der Armreif genau hineinpasste.
In dieser Nacht lagen sie lange wach. Alena starrte mit hinter dem Kopf verschränkten Armen in die Dunkelheit. Sie hatte eine bittere Ahnung davon bekommen, was es bedeutete, einen Ausgestoßenen als Gefährten zu haben. Wenn er gildenlos bleibt, dann werden wir ständig kämpfen müssen, dachte Alena. Wir werden nie einfach so in eine Schänke gehen, zusammen durch einen der Bezirke schlendern können. Zusammen leben? Können wir vergessen, die Gilde würde mich sofort ächten. Ich dürfte ja eigentlich nicht mal mit ihm reden. Ein kleiner Fehler und mein Leben ist genauso ruiniert wie seins.
Und was war mit ihrer eigenen Zukunft? Sie wusste noch immer nicht, was ihr Weg war, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen sollte – daran hatten ihre Erkundungen jenseits der Grenze nichts geändert. Alle anderen jungen Meister hatten längst ihren Platz im Leben gefunden, nur sie driftete noch herum und hatte nicht einmal eine vage Ahnung von dem, was sie machen konnte und wollte. Nicht mal die Schmiede ihres Vaters zu übernehmen ging jetzt. Natürlich, sie konnte ihre eigene Schmiede aufmachen, aber das reizte sie nicht wirklich.
Alena fühlte sich fast erdrückt von all diesen Problemen. Aber dann dachte sie trotzig: und wenn schon. Wir schaffen das – irgendwie. Und ich gebe Jorak nicht auf – komme, was wolle!
Es war das erste Mal, dass Rena eine Todes-Zeremonie der Wasser-Gilde miterlebte. Still stand sie neben Tjeri, ihrem Gefährten, zwischen den anderen Leuten und wartete ab. Ihre bloßen Füße gruben sich in den feuchten Sand des Ufers und fühlten sich an, als würden sie bald abfrieren. Es war früher Morgen, noch schwebte Nebel über dem Heiligen See nahe Xanthu. Mit einem Schauder sah Rena, dass sich Hunderte von weißen Fischen im Flachwasser eingefunden hatten – sie wussten aus Erfahrung, was bald kommen würde.
Nur wenige Schritte von den Fischen entfernt, am Ufer, hatte sich eine dichte Menschenmenge versammelt. Der Große Udiko war ein berühmter Sucher gewesen, er hatte vielen Bewohnern Dareshs geholfen. Viele von ihnen waren heute gekommen, um Abschied zu nehmen. Rena bemühte sich mit ihnen gemeinsam das Ner´uljipa zu sprechen, die Abschiedsformel der Wasser-Gilde. Sie ärgerte sich darüber, dass sie sich im fünften Satz verhaspelte, und bewegte lieber nur noch die Lippen.
Sie spürte, wie Tjeri neben ihr mit den Tränen kämpfte, und nahm tröstend seine Hand. Als er von Udikos Tod erfahren hatte, hatte er seinen Suchauftrag in Alaak sofort abgebrochen, um hier sein zu können.
Udikos massiger Körper wurde in ein Kanu getragen und von zwei Hütern hinausgerudert. Rena wandte den Blick ab, als die Leiche in den See fiel – sie wollte nicht sehen, wie sich die Fische darüber hermachten. Tjeri hatte ihr das Ritual schon oft erklärt, aber so richtig hatte sich Rena nie an diese Art der Bestattung gewöhnen können. Sie war einfach zu verschieden von dem, was sie aus der Erd-Gilde gewohnt war. Wie der Grund des Gewässers wohl aussah – der Boden dicht bedeckt von weißgebleichten Knochen und Schädeln?
Die Hüter des Heiligen Sees hatten sich zurückgezogen, hielten sich im Hintergrund. Es war die Aufgabe der Gäste, die Totenreden zu halten. Jeder, der eine Erinnerung beitragen wollte, konnte es tun. Tjeri war der Erste, der vortrat.
Rena ließ die Augen nicht von ihm. Er sah gut aus in seiner förmlichen dunkelblau-silbernen Tunika. Sein kurzes dunkles Haar glänzte wie poliertes Nachtholz. Zwei Libellen umschwirrten ihn, und aus dem Gestrüpp an den anderen Seiten des Sees lugten viele Augen; auch seine nichtmenschlichen Freunde spürten seine Trauer und blieben in seiner Nähe.
„Dass Udiko mich damals als seinen letzten Lehrling annahm, hat mein Leben bestimmt“, sagte Tjeri. Er hatte sich wieder gefangen, und nur wer ihn gut kannte, konnte hören, dass seine Stimme leicht zitterte. „Der Alte konnte ein echter Bastard sein, grob und respektlos. Besucher, die ihm nicht gepasst haben, hat er einfach aus der Kuppel geworfen. Aber wer ihn besser kennengelernt hat, der merkte schnell, dass er ein wunderbarer Mensch war, einer, dem man bedenkenlos vertrauen konnte.“ Tjeri erzählte ein paar Anekdoten aus seiner Zeit mit Udiko. Dann sagte er schlicht: „Er hat mir mehr bedeutet als mein wirklicher Vater“, senkte kurz den Kopf und überließ dann seinen Platz einer Frau, die berichtete, wie Udiko ihrem Kind das Leben gerettet hatte.
Es dämmerte schon, als endlich der letzte Besucher seine Erinnerung an Udiko vorgetragen hatte. Renas Füße schmerzten und fühlten sich gleichzeitig an wie Eisklumpen; am liebsten hätte sie sich vor einem Lagerfeuer aufgetaut. Doch als Tjeri vorschlug „Lass uns in einem See übernachten, unter freiem Himmel“, nickte sie. Sie wusste, dass er das jetzt brauchte.
Langsam wanderten sie Richtung Norden und ließen sich in das ruhige silberne Wasser des Vanatu-Sees gleiten, der sich Hunderte von Baumlängen weit erstreckte, bis fast vor ihre Haustür. Im Wasser war Tjeri in seinem Element, er schwamm kraftvoll und geschmeidig. Aber nach fünfzehn Wintern mit ihm in Vanamee war auch Rena eine gute Schwimmerin, und sie schaffte es, mitzuhalten.
Als sie ein gutes Stück vom Festland entfernt waren, gaben sie etwas Luft in die Schwimmhaut, ließen sich auf dem Rücken treiben und blickten in den sternbesetzten Himmel. Nur die Rufe der Gelbspötter und das leise Sirren einzelner Mücken begleiteten sie. Sie begannen zu reden – über das Leben, über das Sterben, über Freunde, die sie an den Tod verloren hatten. Schon seltsam, wie man nach einer Bestattung auf einmal über so was spricht, dachte Rena. Dabei zähle ich erst fünfundreißig Winter und Tjeri ist nicht viel älter.
„Ich muss unbedingt mal wieder meinen Baum besuchen“, sagte Rena.
„Ja, mach das“, meinte Tjeri. „Möchtest du, dass ich mitkomme?“
„Das wäre schön. Du musst dir ganz genau einprägen, wo er steht. Du weißt ja, was du zu tun hast, falls ich vor dir sterbe ...“
Er grinste. „Ich habe mir längst gemerkt, wo er steht. Du hast mal wieder vergessen, dass du den Bund mit einem Sucher geschlossen hast.“
„Gib bloß nicht so an“, gab Rena lächelnd zurück, rollte die Kapuze ihrer Schwimmhaut aus und legte den Kopf hinein, um zu schlafen. Sie war froh, dass es Tjeri schon etwas besser ging.
Sie hatte ihren Baum im Alter von zehn Wintern gefunden, als ihr Onkel sie mal wieder zum Holzsammeln in den Weißen Wald ausgeschickt hatte. Erschöpft und hungrig war sie auf eine Lichtung gehinkt – und hatte die Luft angehalten beim Anblick einer großen, freistehenden Viveca, die ihre Äste majestätisch über die Lichtung wölbte. Ihre Blätter waren silberweiß und glänzten, als der Wind in die Baumkrone fuhr, wie Tausende von kleinen Spiegeln im Sonnenlicht. Wie alle Menschen der Erd-Gilde konnte auch Rena Bäume im Wind sprechen hören, und das Gedicht, das die Viveca flüsterte, verzauberte sie mit seiner schlichten Schönheit.
Sofort entschied sich Rena, bei diesem Baum zu rasten. Um ihn herum wuchs dichtes weiches Wintergras, und Rena machte es sich darin gemütlich und lehnte sich gegen den Baumstamm. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick über die Lichtung. Es war ein kalter Tag, doch der Stamm schien Wärme auszustrahlen. Zwischen den Blättern hingen noch ein paar kleine dunkle Früchte, ein wenig verschrumpelt, aber süß von der Herbstsonne. Rena brauchte nur die Hand auszustrecken, um sie zu pflücken. Sie fühlte sich geborgen wie selten zuvor.
Seit diesem Tag kehrte sie immer wieder zu der Viveca zurück, zu ihrem Lieblingsplatz. Im Frühling und Sommer blühte der Baum in prachtvollem Rot, im Herbst war er überladen mit schmackhaften Früchten, die er freigiebig anbot. Dieser Baum war ein einziges Geschenk, das Wunder ihrer Kindheit.
Als ihr Onkel und Lehrmeister sie drängte, endlich einen Lebensbaum zu pflanzen – so war es in der Erd-Gilde Sitte –, sagte Rena: „Brauche ich nicht. Ich habe schon einen.“ Als er die Stirn runzelte, nahm sie ihn zum ersten Mal mit auf die Lichtung, zu der Viveca. Ihr Onkel warf einen langen Blick auf den Baum und nickte. Dann half er ihr, den grünen Stoffstreifen mit ihrem Namenszeichen am Stamm zu befestigen und sich mit dem Baum bekannt zu machen. Seitdem war die Viveca ganz offiziell ihr Baum und Renas Herz klopfte vor Freude.
Inzwischen wohnte Rena mehrere Tagesreisen entfernt an der Grenze zu Vanamee, sie konnte ihren Lebensbaum nicht mehr so oft besuchen. Zu ihm zurückzukehren war wie immer ein Fest. Obwohl es Spätsommer war, blühte die Viveca noch und der Duft durchzog die geschützte, sonnenbeschienene Lichtung. Tjeri ließ sich ein Stück entfernt im Gras nieder und stützte sich auf einen Ellenbogen. „Lass dich nicht stören, ich schaue unauffällig zu ...“
Rena setzte sich neben den Stamm und streckte sanft die Hand aus, legte sie auf die glatte Rinde. Die Aura der Viveca war stark und warm, hüllte Rena ein wie eine Umarmung. „Ich bin es“, sagte Rena leise, aber das war gar nicht nötig, schon veränderten sich die Gedichte, die ihr Baum im Wind flüsterte, hießen sie willkommen.
„Kann gut verstehen, dass du hier begraben sein willst“, seufzte Tjeri zufrieden und kaute auf einem Grashalm. „Das hier ist einer der schönsten Flecken von ganz Daresh. Das Seenland mal ausgenommen.“
Rena ging zu ihm hinüber. „So, jetzt muss ich dir noch genau zeigen, wo ich später mal zwischen den Wurzeln liegen will. Du wirst das schließlich mal organisieren müssen.“
Doch Tjeri schüttelte den Kopf und zog sie neben sich ins weiche Gras. Sanft nahm er ihre Hand. „Erklär das vielleicht besser auch jemand anders.“
„