Ammianus-Verlag

Der Autor

Michael Kuhn M.A., Jahrgang 1955, studierte in Aachen Geschichte und Politische Wissenschaften. Im Anschluss war er in unterschiedlichen historischen Projekten involviert und organisierte in eigenen Unternehmen geschichtliche Events. Zurzeit arbeitet er neben seiner Tätigkeit als Autor in der Archäologie.

Das Anliegen, bei seinen Mitmenschen Interesse und Verständnis für die faszinierende Welt der Geschichte zu wecken, durchzieht seine bisherige Vita wie ein roter Faden.

So steht der vorliegende Band am Beginn einer Buchreihe, die den Leser mit Spannung und Information auf eine Zeitreise in die aufregendsten Epochen unserer Vergangenheit mitnimmt.

Zurzeit schreibt Michael Kuhn an der Fortsetzung der abenteurerlichen Lebensgeschichte des römischen Offiziers Marcus Junius Maximus.

Michael Kuhn

Marcellus Graf von Arduena

Band II

Impressum

Ebook basiert auf erster Auflage von November 2012

Copyright © by Ammianus Verlag, Aachen
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Umschlaggestaltung und Bildbearbeitung: Thomas Kuhn & Aleksandra Stojkovic (Helmabbildung Cover: mit freundlicher Genehmigung des Landesmuseums Mainz)
Zeichnungen und Kartenmaterial: Tatjana Lehnen
Fotos:
wenn nicht anders angegeben, Michael Kuhn und Lars Neger
Wissenschaftliches Lektorat: Dr. Sebastian Ristow
Lektorat: Angelika Kiel
E-Book-Gestaltung: Michael Mingers

Ebook-ISBN: 9783945025260
Print-ISBN: 978-3-9812285-6-4

www.ammianus.eu
www.facebook.com/AmmianusVerlag

Widmung

Für Angelika und Melanie, willkommen im Team von Ammianus

Das Herrschaftsgebiet der fränkischen Könige an Rhein, Mosel und Maas zu Beginn des 6. Jahrhunderts nach Christus

Alamannisches Dorf – Lauchheim

Antunacum – Andernach

Aquis – Aachen

Arduena – Erden

Bodobriga – Boppard

Bonna – Bonn

Bononia – Boulogne-sur-Mer (F)

Burungum – Haus Bürgel, Monheim

Cameracum – Cambrai (F)

Colonia – Köln

Confluentes – Koblenz

Divodurum – Metz (F)

Durnomagus – Dormagen

Iuliacum – Jülich

Mettis / Divodurum – Metz (F)

Mogontiacum – Mainz

Parisia – Paris (F)

Remis – Reims (F)

Rigomagus – Remagen

Runde Berg – Bad Urach

Suessonis – Soisson (F)

Tolbiacum – Zülpich

Traiectum – Maastricht (NL)

Treveris – Trier

Turnacum – Tournai (B)

Dramatis Personae

Die Familie

Marcellus: Ehemann, Vater, Krieger

Hilka: Ehefrau, Freundin Clothildes

Pippin: der gemeinsame Sohn

Die Gefährten

Sebastianus: Romane aus der Treveris

Quirinus: Romane aus Bodobriga

Wulfram: Burgunde, väterlicher Freund

Ullrich: der Tapfere

Tassilo: Sohn einer Toten

Das Königshaus der Merowinger

Chlodwig*: der Merowinger

Clothilde*:Chlodwigs Gemahlin, Tochter Chilperichs von Burgund

Theuderich*: Bastard, ältester Sohn des Merowingers

Remigius*: Bischof von Reims, Berater am Hofe Chlodwigs

Hortarius: Militär und Ratgeber

Die fränkischen Kleinkönige und ihr Gefolge

Sigibert*: König der Rheinfranken

Chloderich*: „der Parasit“, Sigiberts Sohn und Thronfolger

Silinga: Chloderichs Frau, heimliche Königin

Rotrudis: rechte Hand Chloderichs, Freundin Silingas

Folmar: Gefolgsmann wider Willen

Ursula: Folmars Frau

Ragnachar*: König von Cameracum

Farro*: Berater Ragnachars

Chararich*: König von Bononia

Allowin: Chararichs Sohn

* Historische Persönlichkeiten

Prolog

Es hatte Jahre gedauert, bis Chlodwig, König der Franken, sich entschloss, sein Versprechen einzulösen. Lange hatten seine Berater und Königin Chlothilde auf ihn eingeredet, das zu tun, was er an jenem denkwürdigen Tag zu Turonum gelobt hatte.

Mit finsteren Blicken musterte der König durch das Fenster das geschäftige Treiben vor der Bischofskirche. Alle Edlen und die hohen Kleriker seines Reiches waren herbeigeeilt, Zeuge des Tages zu werden, an dem er, der große Merowinger, sein Haupt unter der Taufe beugen sollte. Ein Lächeln überzog seine markanten Züge, als er die Kleinkönige Chararich und Ragnachar erkannte, die im weißen Taufgewand auf das Kirchenportal zustrebten.

„Du tust gut daran, unserem Herrn Jesus Christus endlich zu Willen zu sein.“

Chlodwig, in dessen Haar und Schnauzbart sich die ersten grauen Strähnen mischten, wandte seinen Kopf der Türe zu, durch die eine Frau und ein Mann den Raum betraten.

An Chlothilde, seiner Frau und Königin, schienen die Jahre spurlos vorüber gegangen zu sein. Immer noch mädchenhaft schlank und von liebreizendem Äußeren, bedachte sie ihren bulligen Gemahl mit einem prüfenden Blick ihrer blassblauen Augen. Hinter ihr überschritt Bischof Remigius die Schwelle, der gerade im vergangenen Winter erheblich an Körperfülle gewonnen hatte.

„Das wird der heutige Tag zeigen“, grantelte der König. „Murren die Krieger, dass ihr Gebieter den Göttern den Rücken kehrt?“

„Im Gegenteil“, rang der Bischof in gespielter Empörung die Hände.

„Es ist, als ob Jesus Christus und der heilige Martinus alle Bedenken und Vorbehalte hinfort genommen hätten. Im ganzen Reich werden sich Freude und Frohlocken erheben, wenn du den geheiligten Fluten des Taufbeckens entsteigst.“

„Weil ich es so befohlen habe“, trotzte Chlodwig dem Kirchenmann.

„Bedenke“, entgegnete Remigius, „dass viele deiner Edlen die Taufgewänder angelegt haben, um es dir gleichzutun.“

Mit geringschätzigem Blick musterte Chlodwig die über einen Schemel drapierte Tunika aus weißem Leinen. „Das ist nicht das Gewand eines Kriegers, sondern das Hemd eines Büßers.“

„Rein und unbefleckt sollst du vor deinen Gott treten.“ Ein leises Zittern schwang in der Stimme des Bischofs, als ob er fürchtete, dass sich der König im letzten Augenblick anders besinnen könnte.

„So wie Chlothildes Erstgeborener?“, herrschte Chlodwig den Bischof an. „Er starb noch im Taufhemd, bevor man es ihm ausziehen konnte.“

„Als Christ und ohne Sünde standen ihm die Pforten des Himmels weit offen“, verteidigte sich Remigius mannhaft.

Chlothilde war bei der Erwähnung des tragischen Kindstodes zusammengezuckt, hielt aber dem Blick ihres Mannes stand.

„Es gibt kein Zurück, Chlodwig“, unterstützte sie den Bischof. „Hast du nicht den anderen Königen befohlen, es dir gleichzutun? Du zierst dich, wo Chararich und Ragnachar in ihren Taufgewändern frierend deine Ankunft erwarten.“

Bei der Erwähnung seiner Erbfeinde, die ihm im Jahr der Schlacht von Tolbiacum nach dem Leben getrachtet hatten, erhellte sich die Miene des Merowingers.

„Und hoffen nicht Tausende rechtgläubiger Westgoten und Burgunden, aus den Klauen ihrer arianischen Bedrücker befreit zu werden?“ Remigius verschränkte die Arme vor der Brust und nickte Chlodwig aufmunternd zu.

Es arbeitete im Gesicht des Königs, der sich nur ungern in seinen wahren Beweggründen ertappen ließ.

Was ging ihn, den Begründer des fränkischen Großreiches, das Gezeter des Gottesmannes und seiner Gemahlin um sein Seelenheil an? Wenn ihm der Gott der Christen, wie einst dem großen Imperator Constantinus, bei der Mehrung seiner Macht von Nutzen sein könnte, war ihm dieser Jesus willkommen. Thyr und Wodan sähen es ihm nach, wenn er sich an diesem nasskalten Tag vom Bischof mit Wasser übergießen ließe. Was und an wen er glaubte beziehungsweise woran nicht, war alleine seine Sache.

Wichtiger war es, dass seine Untertanen, Franken wie Romanen, auch in ihren Überzeugungen vereint würden und ihn die katholischen Untertanen seiner Feinde als den wahren, rechtgläubigen Herrscher anerkannten.

„Chloderich“, wechselte er den Gesprächsgegenstand, „der Sohn des Rheinfranken Sigibert hat sich meinem Willen widersetzt und weigert sich, die Taufe zu empfangen.“

„Weil er den Zorn seines Vaters fürchtet“, kam Chlothilde einer unüberlegten Entgegnung des Bischofs zuvor. „Seine Gemahlin, meine Base Silinga, hat mir berichtet, dass Sigibert imstande sei, ihn als Thronerben zu übergehen, wenn er noch einmal etwas Unüberlegtes unternehmen würde. Du erinnerst dich doch an die unbewiesene Verschwörung gegen dein Leben, an der er beteiligt gewesen sein soll.“

„Was für ein König“, spottete Chlodwig, den gescheiterten Anschlag übergehend. „Sigibert schickt Chloderich, weil er selber nicht kommen kann. Weil ihn sein lahmes Bein schmerzt, das er seit der Schlacht von Tolbiacum immer dann als Ausrede anführt, wenn er mir nicht begegnen will.“

„Woran du nicht schuldlos bist“, entgegnete der Bischof. „Wärst du ihm damals gegen die Alamannen früher zu Hilfe geeilt, wäre er nicht verwundet worden. Das war eine Sünde.“

„Wären dieser Marcellus und seine Freunde nicht gewesen, wäre Sigibert jetzt tot und sein Reich an das unsere gefallen, und ich hätte Chloderich und seine Mitverschwörer längst zu ihren Ahnen geschickt. Stattdessen muss ich sie weiter ertragen und auf einen günstigen Augenblick hoffen.“

„Der noch nicht gekommen ist“, warf Chlothilde ein. „Ohne die Mithilfe von Ragnachar, Chararich und den Rheinfranken wird es schwer, gegen die Burgunden und Westgoten zu bestehen.“ Chlothilde unterbrach sich, ehe sie fortfuhr. „Mir wurde berichtet, dass sich Marcellus und seine Hilka in der Stadt befinden. Sie haben es sich nicht nehmen lassen, dem denkwürdigen Ereignis deiner Taufe beizuwohnen.“

„Weil ich allen Gefolgsmännern befohlen habe, sich hier zu versammeln“, schnaubte Chlodwig.

„Dann tätest du gut daran“, fuhr Chlothilde ungerührt fort, „einen Zusammenstoß zwischen Marcellus und Chloderich zu verhindern. Was, wenn Sigibert im bevorstehenden Krieg gegen die Burgunden die Seiten wechselt, weil seinem Sohn und Thronfolger der ihm zustehende Respekt verweigert wurde?“

„Das würde ich zu gerne sehen“, lachte Chlodwig auf. „Aber Marcellus wird es nicht wagen, meinen Zorn ein weiteres Mal zu erregen.“

„Und wenn doch?“, ließ der Bischof vernehmen.

„Dann wird es ihn einiges kosten, meine Gunst zurückzugewinnen“, dräute der Merowinger.

Endlich, es dämmerte bereits, öffneten sich die Tore des Stadtpalastes, in dessen Zimmerfluchten der Merowinger für die Dauer des Aufenthaltes sein Quartier bezogen hatte.

Jeder Stadtbewohner oder Landmann, der es ermöglichen konnte, war an diesem Weihnachtstag herbeigeeilt, um die Taufe des Königs zu sehen. Sie waren es gewohnt, am Tage der Geburt des Herrn vom Bischof mit mildtätigen Gaben bedacht zu werden. Der heutige Tag versprach jedoch, alle vorhergehenden zu übertreffen. Weilte doch nicht nur der Bischof in der Stadt, sondern es hatten sich alle Großen und Edlen des Reiches nebst ihrem Gefolge eingefunden.

Dicht gedrängt und mehrere Reihen tief säumten Männer, Frauen und Kinder die geschmückten Straßen, wobei die besten Plätze den Gebrechlichen und Kleinen vorbehalten waren. Weiße und bunte Tücher hingen aus den Fenstern oder spannten sich über die Gassen, während auf den Freiflächen und Plätzen erlesene Duftkräuter und Weihrauch verbrannt wurden. Weiß wölkte es, die Wohlgerüche des Himmels verbreitend, aus metallenen Dreifüßen und Kesseln in die Höhe.

Die Leibwachen des Merowingers und die Bediensteten des Bischofs hatten Mühe, einen Durchgang freizuhalten. Kreischen und Schreie flackerten auf, wenn die Krieger ihre Schilde und Lanzenschäfte einsetzten, um die Menge einige Schritte zurückzutreiben. Voller Unruhe musterten die Bucellarier die Massen. Ihr Befehlshaber Hortarius hatte ihnen eingeschärft, vor allem die Männer zu beobachten. Chlodwig hatte viele Feinde und darauf bestanden, dass sein Gebot, ohne Waffen zu kommen, genauestens eingehalten wurde. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ein rachsüchtiger Untertan oder gedungener Mörder versucht hätte, eine solche Situation für sein ruchloses Vorhaben zu nutzen. Alleine im vergangenen Jahr waren mehrere Anschläge auf das Leben des Königs erst im letzten Augenblick verhindert worden.

Jubelrufe brandeten auf, als Bischof Remigius und die ersten in Weiß gewandeten Täuflinge nahten.

Den Anfang machte König Ragnachar, den zwei Kleriker flankierten. Schmährufe mischten sich unter den Beifall, als die Menge seinen Berater Farro ausmachte.

Der als korrupt und intrigant geltende Romane hielt sich hinter seinen hünenhaften Gefolgsherrn, der ihn um mehr als Kopfhöhe überragte. Vor allem die Frauen des Hofes mieden die Nähe des als Lüstling verschrienen Ratgebers. Öfter als ihm lieb war, hatte ihn Ragnachar gegen den Zorn der geprellten Ehemänner in Schutz nehmen müssen. Nur unter vorgehaltener Hand raunte man sich zu, dass er sich sogar an einer Nonne vergangen haben sollte. Die bedauernswerte Frau konnte zur Wahrheitsfindung nicht mehr beitragen, da sie vor Scham ins Wasser gegangen war.

Hinter diesem ungleichen Paar schritt der beleibte Chararich in Begleitung seines Sohnes. Im Gegensatz zu Ragnachar, der eine stolze Miene aufgesetzt hatte, sah man Chararich seinen Verdruss an. Immer wieder zupfte er an den Falten seines zu engen Gewandes, das seinen mächtigen Bauch unvorteilhaft hervortreten ließ.

Ihm folgten einige einflussreiche Militärs, alles Edle aus Chlodwigs direktem Umfeld, und einige ausgesuchte Krieger, die den Aufzug komplettierten. Im Ganzen nicht mehr als dreißig Personen, die jedoch einen repräsentativen Querschnitt von Chlodwigs Gefolgschaft darstellten. Ihnen oblag es, dafür zu sorgen, dass ihre Männer ebenfalls den Weg zu Gott finden sollten.

Chloderich, Sohn und Thronfolger des Rheinfranken Sigibert, hatte sich mit seiner Frau Silinga und einigen Getreuen unter die Zuschauer gemischt und erwartete die Vorüberziehenden am Ende des Prozessionsweges. Dieser Ort war den Gästen zugeteilt worden, für die kein Platz im überfüllten Atrium und der engen Taufkapelle vorgesehen war. Als ungetaufter Heide wäre Chloderich der Zugang auch ohne diese Beschränkung verweigert worden, während die Frauen, bis auf die Königin Chlothilde, ebenfalls ausgeschlossen waren.

Verstohlen grüßte der Rheinfranke die beiden Könige und raunte Silinga etwas zu, die daraufhin ihre Augen umherschweifen ließ. Ihr Blick nahm einen unwilligen Ausdruck an, als sie fand, wonach sie gesucht hatte.

In diesem Augenblick kündigten Signalhörner das Kommen des Merowingers an. Passend zu seinem Taufgewand hatte der König einen weißen Mantel übergeworfen, der ihn vor dem schneidenden Wind schützte.

Chlothilde hatte sich für ein rotes Kleid und einen blauen Umhang entschieden, um dem unschuldigen Weiß ihres königlichen Gemahls mehr Geltung zu verschaffen. Außer einem goldenen Armreif und einer vom Gürtel herabhängenden Perlenkette hatte sie auf allen Schmuck verzichtet.

Aus den Augenwinkeln gewahrte Chlodwig den eisigen Blick, mit dem Silinga die auf der gegenüberliegenden Straßenseite wartende Hilka musterte. Die leichte Wölbung des Bauches unter ihrem Mantel sagte ihm, dass die Frau schwanger war. Neben ihr erkannte er seinen Gefolgsmann Marcellus, den er nach der Schlacht von Tolbiacum aus seinem Umfeld verbannt hatte. Er stieß Chlothilde an und wies mit einer leichten Bewegung des Kopfes auf die beiden, als sie den Zugang zum Atrium erreicht hatten, das den gedrungenen Steinbau der Kirche mit der Taufkapelle verband.

Die Königin grüßte Hilka mit einem huldvollen Lächeln, während sie die Burgundin, ihre Base, nur mit einem flüchtigen Augenaufschlag bedachte. Dann hatte der Aufzug das Atrium betreten und die beiden verfeindeten Gruppen waren sich selbst überlassen.

Im Innern des Zwischenhofes hatten die übrigen Täuflinge ihre Plätze vor dem Zutritt zum Baptisterium eingenommen und bildeten ein Spalier, das Chlodwig und Chlothilde gemessenen Schrittes passierten.

Die Türflügel standen weit offen, sodass man im Schein der Kerzen die im Hintergrund gelegene, von einem Baldachin überwölbte Einfassung des Taufbeckens erkennen konnte.

„Hast du die Blicke gesehen“, raunte Chlothilde dem Merowinger zu, „die sich Hilka und Silinga zugeworfen haben?“ Chlodwigs brummte und bestätigte mit einem Nicken.

„Was denkst du“, fuhr Chlothilde fort, „wenn der Romane und der Rheinfranke aneinander geraten?“

„Nichts Gutes.“ Der Blick des Merowingers fiel auf Florentinus, einen Offizier seiner Leibwache, den er mit einer Handbewegung zu sich befahl.

„Geh und sorge dafür, dass es keinen Streit zwischen Marcellus und Chloderich gibt.“

Der Genannte nickte und begann, sich gegen den Andrang der hineinströmenden Gäste durch das Atrium ins Freie zu kämpfen.

Remigius, der Bischof von Remis, starrte ungeduldig auf den vor der Pforte verhaltenden Chlodwig, der einen seiner Offiziere zu sich gewinkt hatte. Als wenn er befürchtete, dass es sich der Merowinger noch einmal anders überlegen könnte, öffnete er beide Arme und suchte den Blick des Königs.

Von Chlothilde am Arm genommen und leicht nach vorne gestoßen, gab sich Chlodwig einen Ruck und betrat die feuchte, kühle Taufkapelle. Er blinzelte, bis sich seine Augen an das nur vom Kerzenschein durchdrungene Halbdunkel gewöhnt hatten. Nur undeutlich gewahrte er die verschwommenen Gesichter seiner Getreuen und der Großen des Reiches vor dem Hintergrund der an den Wänden angebrachten weißen Laken und bunt bestickten Tücher.

Von zwei Diakonen geleitet, die ihn rechts und links bei den Armen fassten, erklomm er über ein hölzernes Podest den Rand des Taufbeckens, wo er sich seiner Schuhe entledigte. Dann raffte er sein Gewand bis zu den Knien und stieg die wenigen Stufen in das eisige Wasser hinab, das seine Beine umspülte.

Chlothilde und die meisten Anwesenden konnten ein besorgtes Raunen nicht zurückhalten, als Chlodwig auf dem glitschigen Untergrund beinahe ausgeglitten und gestrauchelt wäre.

‚Man hätte das Becken wenigstens reinigen können’, schoss es dem Merowinger durch den Kopf, als er endlich einen festen Stand gefunden hatte, während die Eiseskälte seinen Waden wie mit Nadelstichen zusetzte.

Remigius hatte nach ihm, eine goldene Schale in der Hand, den Rand des Beckens erstiegen. Anscheinend zog er es vor, im Trockenen zu bleiben, denn er beugte nur das Knie und tauchte das kostbare Gefäß in die glucksende Flut. Dann erhob er sich und streckte die Rechte mit der halb gefüllte Schale nach dem Haupt des Königs.

„Beuge still deinen Nacken, Sugambrer, verehre, was du verfolgtest, verfolge, was du verehrtest“, dröhnte die Stimme des Bischofs durch das modrige Gewölbe.

Der König zuckte und schloss die Augen, als es kalt über den Kopf und den Nacken hinab rann. Seine Knie zitterten, aber er musste noch ausharren, bis Remigius seinen Scheitel und die Stirn mit geheiligtem Öl gesalbt hatte. Dann war es vollbracht und er griff nach den hilfreichen Händen, die sich ihm beim Verlassen des Beckens entgegenstreckten.

Während der Merowinger mühevoll den Rand erklomm, drang von draußen ein vielstimmiges Aufbrausen an sein Ohr. Er schaute auf die Königin, die unwissend den Kopf schüttelte.

Ragnachar machte sich jetzt als nächster bereit, um mit angewiderter Miene das Becken zu betreten.

Endlich hatte Florentinus den Innenhof durchmessen und die Pforte erreicht.

Was im Baptisterium nur als fernes Brausen zu vernehmen war, schlug ihm auf dem Vorplatz als Gebrüll entgegen.

Umringt von einer Menschentraube sah er zwei Männer miteinander ringen, vor denen die Umstehenden zurückgewichen waren. Er erkannte den Romanen Marcellus, der den gegen ihn gezückten Dolch zur Seite stieß. Sein Kontrahent Chloderich verlor, mitgerissen vom eigenen Schwung, das Gleichgewicht und taumelte.

Florentinus schrie laut auf und schubste die vor ihm Stehenden.

Der Leibwächter konnte aber nicht mehr verhindern, dass der Romane mit der Rechten ausholte und dem Thronfolger der Rheinfranken die Faust ins Gesicht hieb. Es knackte, als das Nasenbein brach und Chloderich mit einem Kreischen zu Boden ging. Blutüberströmt und wimmernd wälzte sich Sigiberts Sohn auf dem Pflaster.