Das große Evangelium Johannes, Band 2

Studienausgabe



Jakob Lorber (Autor)


Gerd Gutemann (Herausgeber) Text aus www.j-lorber.de


Annabelle Garcia Wisser (Cover) www.annigrafik.com

Vorbemerkungen

Inhaltskurzfasssung 

 

Der Evangelist Johannes hat am korrektesten den zeitlichen Ablauf der öffentlichen Lehrzeit Jesu (wahrscheinlich 23-27 n. Chr.) in seinem Evangelium dargestellt. Was er über Jesu Lehren und Wirken berichtet, umfasst nur einen kleinen Teil des damals von Jesus Gelehrten und Gewirkten (s. Joh. 21,25). Dem Ablauf des biblischen Johannes-Evangeliums von Vers zu Vers folgend, erhielt Jakob Lorber zwischen 1851 bis 1864 sehr viel ausführlicher die Lehren, Ereignisse, Kontakte, Taten und Wunder Jesu, sowie die Reaktionen seiner Jünger und Gegner durch die 'innere Stimme' wörtlich diktiert.

 

Diese verbal-inspirierten Berichte über Jesu dreieinhalbjährige Lehrzeit sind sozusagen eine 'Biografie der Lehren und Taten Jesu aus dem Jenseits' aus der Sphäre Jesu. Sie sind so differenziert, genau und umfassend, dass sie 10 Bände mit jeweils über 500 Druckseiten füllen. Darum sind diese Bände aus Lorbers Niederschriften auch betitelt als 'Das große Evangelium Johannes'.

 

Im 2. Band werden die Verse des Johannes-Evangeliums ab Kapitel 4,54 chronologisch dargestellt. Zeitlich fallen die Schilderungen in den Sommer des ersten Lehrjahres Jesu. 


Was im biblischen Johannesevangelium in teils schwer verständlichen Gleichnissen und Entsprechungen geschildert ist, wird in Lorbers Offenbarungen unverhüllt-offen (gemäß Joh.16,25), in klaren, eindeutigen Worten von Jesus ausgelegt.

In lebendigen, spannenden, gut verständlichen Schilderungen kann man geradezu wie ein Teilnehmer das öffentliche und private Leben Jesu mitverfolgen.

Ein tieferes, besseres Verständnis der Verse des biblischen Johannes- Evangeliums entsteht dadurch, dass in dieser 'Biografie-Wiederoffenbarung' Vers für Vers erkennbar wird, wie es zu einer Lehre, einem Heilungs- oder sonstigen Wunder kam und wie die Umgebung darauf reagierte. Da nicht nur seine Zuhörer, sondern auch seine Jünger (und Bibelleser) viele Gleichnisse nicht verstanden, erhellen die wieder offenbarten Erklärungen Jesu, was unter den jeweiligen Lehren gemeint ist.

So entfaltet sich lebendig-anschaulich die Art, wie Jesus Kontakte pflegte z.B. zu Familie, Jüngern, Priestern, Pharisäern, lokalen und überregionalen römischen Machthabern und vielen weiteren Personen, die nur zum Teil in den Evangelien erwähnt werden.

Viele Details zu Personen, Orten, Landschaften, Kultur, Religion, Politik, Militär etc. - vor allem von Juden, Römern und Griechen - vermitteln auch aufschlussreiche Einblicke in die Verhältnisse um die Zeit von 23-27 n. Chr. 


Im biblischen Johannesevangelium teilt Jesus mit, dass


Jesus versprach aber, dass


Jede einzelne dieser Verheißungen und Vorhersagen Jesu hat sich durch den Propheten Jakob Lorber (1800-64) erfüllt! Jesu innerlich deutlich vernehmbare Stimme diktierte Lorber wörtlich von 1840-64 sowohl die Biografie Jesu in seiner Kindheit und Jugend und ausführlich die 3tägige Szene des zwölfjährigen Jesus im Tempel. Jesu Lehren, Taten, Zeichen und Wunder während der einstigen dreieinhalbjährigen Lehrzeit schildert Er selbst so umfangreich, dass sie 10 Bände mit ca. 5.000 Druckseiten umfassen. (s. 'Das große Evangelium Johannes').


Viele prophetische Vorhersagen haben sich in den letzten Jahrzehnten bereits erfüllt und die noch ausstehenden Prophezeiungen dürften sich in nächster Zeit auch erfüllen.


Lorbers Gesamtwerk enthält überdies Enthüllungen zu sehr vielen verschiedenen Themen. Das Gesamtwerk umfasst über 10.000 Druckseiten in rund 25 Bänden.

Auch dieser zweite (von insgesamt 10) Band beweist, dass aller oben erwähnten biblischen Vorhersagen durch Jakob Lorber äußerst präzise erfüllt worden sind!



Edition: Vergleich der eBook-Studienausgabe zur gedruckten 7. Auflage

Die in dieser eBook-Ausgabe verwendeten Texte entstammen der gedruckten 7. Auflage des Lorber-Verlages, Bietigheim-Bissingen. Zum gedruckten Buch bestehen folgende Unterschiede und Lesevorteile:


  1. Die Texte wurden einerseits möglichst urtextnah belassen, andererseits wurden sprachlich inzwischen modifizierte Worte der heutigen Sprechweise und Rechtschreibung angeglichen.
  2. Links zu den hauptsächlich zitierten externen Quellen (z.B. Bibel, www.j-lorber.de, www.prophetia.org, Wikipedia etc.) ermöglichen direkte Vergleiche mit Evangelienversen, Personenbeschreibungen, Sachverhaltsvertiefungen oder Inhaltserweiterungen. Dies macht diese Version zu einer Studienausgabe.
  3. Mit Suchworten kann der gesamte Text durchforscht werden.
  4. Es sind verschiedene Schriftgrößen und Schriftarten am Bildschirm einstellbar. (Abhängig vom eBook-Reader)
  5. Es sind Lesemarkierungen einfügbar.



1. Sinnvolle Bestrafung von Verbrechern. Warum sich die Seele bei Martern aus dem Leib entfernt. Problematik der Todesstrafe.

01] Spät am Abend kommen die Schätze aus der Höhle des Kisjonah an, bestehend in Gold, Silber und in einer schweren Masse geschliffener und ungeschliffener Edelsteine von großem Wert; denn es sind bei drei Pfund geschliffener und bei sieben Pfund ungeschliffener Diamanten, ebensoviel gleich zuständige Rubine, noch einmal soviel Smaragde, Hyazinthe, Saphire, Topase und Amethyste, und bei vier Pfund wie starke Erbsen große Perlen. Des Goldes aber waren über zwanzigtausend Pfund und des Silbers fünfmal soviel. 

02] Als Faustus diesen horriblen Reichtum in Augenschein nimmt, schlägt er die Hände über dem Haupt zusammen und spricht: »O Herr! Ich habe als der Sohn eines der reichsten Patrizier von ganz Rom doch auch Gelegenheit gehabt, große Schätze dieser Erde zu Gesicht zu bekommen; aber so was hat mein Auge noch nicht geschaut! Das geht über alle Pharaonen und über die Fabel vom Krösus, der sich am Ende vor lauter Reichtum nimmer zu helfen wusste und sich im Ernst einen Palast aus Gold erbaut hätte, wenn sein Sieger ihm das zu viele Gold nicht abgenommen hätte.

03] Jetzt sage Du, o Herr, dem alle Dinge bekannt sind, mir armem Sünder, wie möglich diese zwölf Knechte des Satans zu solchen Schätzen gekommen sind! Auf eine nur einigermaßen ehrliche Weise kann das doch nimmer möglich sein, und in einer kurzen Zeit auch nicht! - Wie sonach war Solches möglich?«

04] Sage Ich: »Freund, kümmere dich nun nicht mehr darum! Es lohnt sich auch wahrlich nicht weiter mehr der Mühe, dieses Satansdrecks wegen noch mehrere Worte zu verlieren. Dass dabei aber kein ehrlicher Stater weilt, des kannst du vollends versichert sein. Durch was für tausenderlei schändlichste Lumpereien diese Natternbrut, dieses Schlangengezücht, aber das Alles zusammengerafft und geraubt hat, wäre eine zu weitläufige Sache, so man das Punkt für Punkt dartun sollte.

05] Dass sie Spitzbuben von der allerdurchtriebensten Art sind, darüber wirst du hoffentlich keinen weiteren Zweifel haben; wie sie aber gewisserart noch mehr als Spitzbuben sind, das braucht kein Mensch mehr zu wissen. Sie haben nach den Gesetzen Roms schon lange den zehnfachen Tod verdient, bloß wegen des Verbrechens der Beraubung der kaiserlichen Steuerkarawane; und dieser Raub, den wir jetzt in den unermeßlichen Schätzen vor uns haben, ist um kein Haar besser, wennschon gerade nicht so offen die kaiserlichen Steuergelder betreffend.

06] Wenn du sonach auch Alles wüsstest, so kannst du sie dafür doch unmöglich öfter denn einmal töten. Du kannst wohl die Marter verschärfen, aber wozu? Ist die Marter schärfster Art - um in eurer Gerichtsweise zu sprechen -, so ist sie auch alsbald tödlich, und ist sie gelinderer Art, aber dafür andauernder, nun, so verspürt der Sträfling eben nicht viel mehr davon als du von einer dich belästigenden Fliege; denn die vor dem sicheren Tod ihres Leibes sich über alle Maßen fürchtende, wenn auch noch so materielle Seele zieht sich alsbald zurück in ihre innersten Gemächer und fängt freiwillig an, sich von ihrem Leib, in dem kein Bleiben mehr ist, loszulösen, und der Leib wird bei solchen Gelegenheiten völlig unempfindlich. Du kannst dann solch einen Leib quälen wie du willst, so empfindet er wenig oder auch gar nichts mehr davon. Versetzt du den Leib der Seele aber augenblicklich in einen großen Schmerz, so wird solches die Seele nicht lange aushalten, sondern sogleich einen gewaltigen Riss tun, und du kannst dann einen völlig toten Leib sieden und braten, und er wird nichts mehr fühlen von der Strafe.

07] Ich bin deshalb nicht für die Strafe mit dem Tod, weil diese weder für den Getöteten von irgendeinem Belang ist, und noch weniger irgendeiner Gerechtigkeit zum Schild und Nutzen dient; denn Einen hast du getötet, - und Tausende haben dir darum Rache geschworen! Aber einen Verbrecher unter eine allerschärfste Zuchtrute stellen und diese nicht ruhen lassen, bevor nicht eine gänzliche Besserung eingetreten ist, für das bin Ich aus der notwendigen göttlichen Ordnung ganz und gar sehr! Eine rechte Zuchtrute zu rechter Zeit völlig gerecht angewendet, ist besser als Geld und reinstes Gold; denn durch die Zuchtrute wird die Seele von ihrer Materie mehr und mehr losgestäupt und wendet sich endlich zu ihrem Geist. Und hat Solches die Zuchtrute bewirkt, so hat sie eine Seele vor dem Untergang und sonach den ganzen Menschen vor dem ewigen Tod gerettet.

08] Darum soll ein jeglicher Richter nach der Ordnung Gottes auch den größten Verbrecher nicht mit dem Tod des Leibes, der zu nichts taugt, sondern allzeit mit der Rute strafen nach dem Maß des Verbrechens. Tut er das, so ist er ein Richter der Menschen zum Himmel, tut er aber das nicht, - ein Richter zur Hölle, wofür er von Gott wahrlich ewig nie einen Lohn haben wird; sondern: für das Reich er gerichtet hat die Menschen, von demselbigen Reiche soll er auch den Lohn empfangen! - Nun weißt du genug, und lass nun die Schätze verwahren! Morgen werden auch die von Chorazin anlangen, und es soll dann sogleich die Verteilung und die Absendung all dieses Teufelsdrecks geschehen. - Nun aber begeben wir uns in den Speisesaal; denn das Abendmahl harrt schon unser! Wahrlich, diese ganze Geschichte ist Mir schon überlästig, und Meine Zeit drängt Mich schon nach Nazareth!«

09] Sagt Faustus: »Herr, dass Dir diese scheußliche Geschichte über alle Maßen zuwider sein muss, sehe ich nur zu gut ein; aber was kann man tun, wenn die Sache sich einmal so gestaltet hat? Übrigens bitte ich Dich, mein Herr und mein größter und bester Freund, dass Du nicht eher von hier ziehst denn ich; denn ohne Dich vermag ich fürs Erste nichts, und fürs Zweite würde mich ohne Dich die schrecklichste Langeweile trotz meines liebsten Weibchens hier töten! Datum bitte ich Dich, dass Du nicht eher diesen Ort verlassen wollest, als bis ich mit dieser allerlästigsten Geschichte zu Ende sein werde! Mit Deiner Hilfe hoffe ich, morgen bis Mittag mit Allem in der Ordnung zu sein!«

10] Sage Ich: »Ganz gut! Aber Ich will von all den Schätzen und den elf Pharisäern nichts mehr sehen; denn es ekelt Mich davor mehr denn vor einem Aas.«

11] Sagt Faustus: »Dafür soll gesorgt sein!«


2. Judas Ischariot als Golddieb. Satans Einfluss auf Diebe. 

01] Wir treten nun ins Zimmer, respektive in den Speisesaal, wo ein reichliches Abendmahl unser harrt. Wir aber verzehren noch kaum das Mahl, als zwei Knechte den Judas Ischariot in den Saal hereinbringen und dem Oberrichter melden, dass dieser Jünger, oder was er sonst sei, ein paar Pfunde Gold habe entwenden wollen, sie ihn aber bei der Tat ergriffen, das Gold ihm wieder abgenommen und ihn hierher zur Verantwortung gebracht haben. 

02] Judas steht hier ganz entsetzlich beschämt da und sagt: »Ich habe nicht im Entferntesten im Sinn gehabt, das Gold mir zueignen zu wollen, sondern habe ein paar Stänglein bloß versucht, ob sie wohl wirklich so schwer sind, als man sie angibt; diese Narren aber ergriffen mich sogleich und schleppten mich als einen gemeinen Dieb herein! - Ich bitte dich, Faustus, darum, dass mir dieser Fleck abgenommen werde!«

03] Sagt Faustus zu den Knechten: »Lasst ihn gehen! Er ist ein Jünger des Herrn, und ich will seiner darum schonen; (zu Judas): du aber greife in Zukunft, besonders zur Nachtzeit - außer du werdest ein kaiserlicher Taxator - ja keine Goldbarren mehr an, sonst wirst du wegen versuchten Diebstahls zur unvermeidlichen gesetzlichen Strafe gezogen werden! Hast du den Oberrichter Faustus wohl verstanden?«

04] Sagt Judas ganz entsetzlich beschämt: »Herr, es war im vollsten Ernst auch nicht die leiseste Spur von einem versuchten Diebstahl, sondern wirklich nur eine - freilich etwas unzeitige - Probe über die Pfundschwere eines Goldbarrens.«

05] Sage Ich: »Gehe, und suche dir ein Lager! Denn an diesem Übel, an dem alle Diebe sterben durch die Hand des Satans, wirst auch du in jüngster Zeit sterben; denn du warst, bist und bleibst ein Dieb! Solange dich des Gesetzes Schärfe schreckt, bleibst du wohl, der offenen Tat nach, kein Dieb noch; aber in deinem Herzen bist du es lange schon! Nehme Ich heute alle Gesetze weg, so wirst du als Erster deine Hände an die Schätze draußen legen; denn deinem Herzen sind alle Rechts- und Billigkeitsgesetze fremd. Schade für deinen Kopf, dass unter ihm kein besseres Herz schlägt! - Gehe nun schlafen, und werde morgen nüchterner denn heute!«

06] Mit diesem Verweis geht Judas groß beschämt aus dem Speisesaal in sein Schlafgemach und legt sich nieder, denkt aber bei zwei Stunden nach, wie er Dem entgehen könnte, was Ich ihm geweissagt habe; aber er findet in seinem Herzen keinen Ausweg, da dieses gleichfort seine golddurstige Stimme von Neuem erhebt, und schläft so ein. - Wir aber begeben uns auch zur Ruhe, da uns zwei vorhergehende Nächte sehr in Anspruch genommen haben. Der Morgen aber ließ nicht lange auf sich warten.

07] Als sich Faustus noch einmal umwenden wollte, um noch ein Morgenschläfchen zu machen, da kommen auch die Schätzeführer von Chorazin an, wecken ihn, und er muss von Amts wegen hinaus, die Schätze besichtigen, sie taxieren und in Empfang nehmen. Als er mit dieser Arbeit fertig ist, sind auch wir Alle auf den Füßen, und das Morgenmahl, bestehend in frischen, wohlzubereiteten Fischen, ist auch schon auf den vielen Tischen im großen Speisesaal. Faustus kommt schon nahe ganz arbeitsmüde in den Speisesaal am Arm seiner jungen Gattin und setzt sich zu Mir hin.

08] Nach dem genossenen Morgenmahl erst, bei dem ein guter Wein nicht gemangelt hatte, erzählt Mir Faustus, dass sein Morgengeschäft, das ihm sonst bei allem Fleiß eine Arbeit von ein paar Wochen gemacht hätte, nun bereits beendet und Alles an den Ort seiner Bestimmung abgegangen sei. Es seien alle Dokumente in aller Ordnung schon fertig auf dem Tisch in der großen Amtsstube und die gerichtlichen Geleitbriefe in der besten Ordnung. Der Schatz aus Kisjonahs Höhle sei richtig verteilt und mit Bestimmungsdokumenten bestens versehen, desgleichen auch die Steuergelder nebst dem großen Tempelschatz aus Chorazin, und so sei nun alles expediert; nur finde sich in der großen Amtsstube noch ein bedeutendes Zimmermannszeug vorrätig, zu dem sich noch kein Eigentümer vorgefunden habe.

09] Sage Ich: »Dort unten am Ende des Tisches, neben der Mutter Maria sitzend, sind zwei Söhne des Josef, namens Joses und Joel; diesen Beiden gehört es! Es ist ihnen als Pfand genommen worden mit der kleinen Behausung in Nazareth, und soll ihnen auch wieder zurückgestellt werden!«

10] Sagt Faustus: »Herr, samt der Behausung! Dafür stehe ich! O Herr und Freund! Was haben diese Schwarzen mir schon alles für Verdrießlichkeiten bereitet; das dumme Gesetz aber hielt ihnen die Stange, und man konnte ihnen mit dem besten Willen nirgends hinters Genick kommen. Vor meinen Augen begingen sie die grässlichsten Ungerechtigkeiten, und man konnte ihnen bei aller Macht, die einem zu Gebote steht, nichts machen; aber hier hat sie denn der Satan doch einmal sitzenlassen, und ich habe nun ein Heft in meinen Händen, vor dem diese Kerle beben sollen wie ein lockeres Laubblättchen im die Wälder durchsausenden Sturm! Der Bericht an den Oberstatthalter Cyrenius ist ein Meisterstück, den er vidimiert (beglaubigt) samt den Steuern augenblicklich nach Rom wird abgehen lassen. Von Tyrus, Sidon und Cäsarea ist das Kaiserschiff mit vierundzwanzig Rudern und bei gutem Wind sogar mit einem starken Segel und Steuerruder versehen in zwölf Tagen an der römischen Küste und so gut als in des Kaisers Händen! Freut euch in noch einmal zwölf Tagen darauf, ihr Schwarzen! Eurem Hochmut sollen ganz sonderbare Schranken gesetzt werden!«

11] Sage Ich: »Freund! - Ich sage dir: Juble nur nicht zu früh! Eine Krähe hackt der Andern die Augen nicht aus! Es wird den Elfen innerhalb der Mauern durchaus nicht wünschenswert ergehen! Sie werden zwar nicht getötet, aber dafür lebenslang in die ewige Bußkammer gesperrt werden! Aber in der öffentlichen Entschuldigung gen Rom werden sie wie Wolle weiß gewaschen werden, und man wird dann erst von dir die weiteren Berichte verlangen, und du wirst eine große Not haben, allen Fragen aus Rom zu genügen. Es wird dir zwar wohl kein Haar gekrümmt werden; aber einer gewissen Not wirst du kaum entgehen, wenn du nicht mit den gehörigen Zeugen und andern Wahrzeichen zurechtkommst. Ich überlasse dir darum den Pilah; der wird dir in Allem gute Dienste leisten. Stecke ihn aber nur geschwind in die Tracht der Römer, dass er von den in Kapernaum stationierten Kollegen nicht erkannt wird! Denn Ich kann dir sagen: Satan hat sein Regiment bei Weitem nicht so verschmitzt eingerichtet wie diese Schlangenbrut. Darum sei denn auch du nebst deiner taubenartigen Sanftmut schlau wie eine Schlange, sonst kommst du mit diesem Geschlecht nicht zurecht!«

12] Sagt Faustus: »Ewig Dank Dir für diesen Rat! Doch jetzt sollten wir, da dies Geschäft so gut als möglich abgelaufen ist, denn doch etwas mehr Erheiterndes unternehmen!«

13] Sage Ich: »Ganz wohl! Ich bin schon dabei; nur warten wir noch auf den Kisjonah, der mit seinen Kassen bald in der Ordnung sein wird!«


3. Richtlinien Jesu zur Anwendung der Wunder- und Heilgabe.  

01] Nach einer kurzen Weile kommt Kisjonah, grüßt uns Alle auf das zarteste und liebfreundlichste und sagt darauf: »Mein endlos geliebtester Freund Jesus! - So nenne ich Dich aber nur äußerlich; denn Du weißt, was und wer Du mir im Herzen bist. - Dir allein habe ich alles Das zu danken! Nur eine kleine Summe von fünftausend Pfunden im ganzen habe ich bereitwilligst gestrichen aus dem Schuldbuch der armen Bürger Kanas, und Du hast mir dafür fünfzigtausend Pfund ohne den unschätzbaren Wort der anderen Schätze, die vielleicht noch einmal soviel wert sind, zukommen lassen! Ich gelobe Dir aber auch bei all meiner unermesslichen Liebe zu Dir, dass ich all dieses zum Besten der Armen und Bedrückten verwenden werde, und es soll so aus dem Teufelsunflat am Ende doch noch Gold für die Himmel Gottes werden! 

02] Ich werde zwar das Gold und Silber den Menschen nicht in die Hand geben, denn da ist es wahrlich ein Gift für die schwachen irdischen Herzen der Menschen; aber ich werde den Dach- und Besitzlosen Dach und Besitz verschaffen mit steuerfreien Gründen und werde ihnen geben Vieh und Brot und Kleidung. Jedem aber, den ich beglücken werde, wird Dein Wort gepredigt und ihm Dein Name kundgemacht, auf dass er lebendig wisse, wem er Alles zu danken habe, und dass ich nichts als nur ein schlechter und träger Diener bin! - Du, o Herr, aber stärke mich allezeit, so ich dienen werde in Deinem Namen! Sollte es mich aber je gelüsten, nur einen Sinn der Welt zuzuwenden, dann lass schwach werden alle meine Kräfte, auf dass ich gewahr werde, dass ich ein schwacher Mensch bin und aus meiner Kraft nichts zu vollbringen imstande bin!«

03] Ich aber lege darauf Meine Hand auf sein Herz und sage zu ihm: »Freund und Bruder! Da innen behalte Mich, und es wird dir nie an Kraft zur Ausführung edler Werke mangeln! Ja, im lebendigen Glauben und in voller und reiner Liebe zu Mir und im Sinne, Gutes zu erweisen den Menschen in Meinem Namen, wirst du den Elementen gebieten, und sie werden dir gehorchen! Den Winden wird nicht unverständlich sein dein Ruf, und das Meer wird erkennen deinen Sinn. Und zu dem einen oder dem anderen Berg wirst du sagen können: "Hebe dich und stürze dich ins Meer!", und es wird geschehen, wie du es geboten hast.

04] So aber jemand des Glaubens wegen Zeichen verlangt von dir, so lass es nicht geschehen, dass dem Verlanger ein Zeichen werde; denn wer die Wahrheit der Wahrheit wegen nicht erkennen will, und diese ihm nicht ein hinreichendes Zeichen ist, für den ist es besser, dass er bleibt in seiner Blindheit; denn wird er durch ein Zeichen zur Annahme der Wahrheit gezwungen und tut aber dann doch nicht nach der Lehre, so ist das Zeichen ein doppeltes Gericht für ihn. Fürs Erste ist er durch das Zeichen gezwungen, die Wahrheit als Wahrheit anzunehmen - ob er sie in seiner Blindheit als solche erkennt oder nicht erkennt -, und fürs Zweite muss er offenbar in ein tieferes Strafgericht in sich selbst zufolge der göttlichen Ordnung verfallen, wenn er nach der durch das Zeichen ihm aufgedrungenen Wahrheit nicht handelt, gleichviel ob er die Wahrheit als Wahrheit völlig erkennt oder nicht; denn das Gelingen des Zeichens hat ihm den bindenden Beweis geliefert. Und das ist schon genug; die Einsicht oder Nichteinsicht rechtfertigt da niemanden.

05] Denn so jemand zur Bestätigung der vernommenen Wahrheit ein Zeichen begehrt und sagt: "Ich sehe zwar den Grund der Wahrheit aus deiner Rede nicht ein, wenn mir aber nach der Diktion (Art), durch die mir solche und solche Lehre unterbreitet ist, ein Zeichen als tatsächlicher Beweis geliefert wird, so will ich solche Lehre als volle Wahrheit annehmen!" Nun, es wird dann dem Verlanger das Zeichen gegeben, und er kann nun nicht umhin, die Wahrheit der Lehre anzunehmen, ob er sie als solche bis auf den Grund erkennt oder nicht; denn nun steht das Zeichen als ein unbestreitbarer Bürge da.

06] Weil es aber seiner Blindheit nicht möglich ist, auf den Grund der Wahrheit zu kommen, und er nach seinen Begriffen durch die Befolgung der Wahrheitslehre in zu bedeutende, nie gewohnte Lebensunbequemlichkeiten gelangen könnte, so denkt er dann bei sich: "Es mag wohl was daran sein, denn sonst wäre das Zeichen nicht möglich gewesen; aber ich sehe den Grund dennoch nicht ein, und tue ich danach, so kostet mich das eine entsetzliche Selbstverleugnung. Darum tue ich es lieber nicht und bleibe bei meiner angewohnten Lebensweise, die zwar ohne außerordentliche Zeichen dasteht, aber dessenungeachtet ganz wohl schmeckt!"

07] Sieh, eben darin aber liegt dann auch schon das Strafgericht, das der Zeichenverlanger sich selbst bereitet hat durch das auf sein Verlangen geleistete Zeichen, das ihm den unumstößlichen Beweis geliefert hat, gegen den er keinen Gegenbeweis aufstellen kann; er aber in seiner verkehrten Lebensweise dann doch als ein Bekämpfer der ewigen Wahrheit auftritt und sie tatsächlich weidlichst verwirft, obschon er das unvertilgbare Zeichen, das ihm zur Steuer der Wahrheit geleistet wurde, ewig nie als den Erfolg auf die ihm geoffenbarte Wahrheit als nie bestanden seiend aus dem Weg schaffen kann. Darum ist es sonach ums Unvergleichbare besser, nie ein Zeichen zur Steuer der Wahrheit zu leisten!

08] Aber zum Nutzen und sonstigen Frommen der Menschen ohne irgendeine Aufforderung magst du im Stillen Zeichen wirken, soviel du willst, und es wird das Niemandem zur Sünde und noch weniger zu einem Gericht gereichen. Hast du aber Zeichen zum Frommen der Menschen zum Voraus geleistet, so magst du hintendrein den betreffenden Menschen wohl auch eine Lehre geben, so sie ein Verlangen danach tragen; tragen sie aber kein Verlangen, so gib ihnen bloß eine ernste Vermahnung vor der Sünde. Aber in eine weitere Belehrung lass dich nicht ein; denn da sehen dich Die, denen geholfen wurde, als einen magischen Arzt an, und das Zeichen hat für sie kein weiteres Zwangsgericht.

09] Alle aber, denen die Macht gegeben wurde, im Notfall Zeichen zu wirken, sollen diesen Meinen Rat treu befolgen, so sie wahrhaft Gutes wirken wollen.

10] Vor allem aber hüte sich ein Jeder, in einer Art Aufwallung und Ärger ein Zeichen zu wirken! Denn ein jedes Zeichen kann und soll nur auf Grund der reinsten und wahrsten Liebe und Sanftmut gewirkt werden; wird es aber im Zorn und Ärger gewirkt, was wohl auch möglich ist, dann hat schon die Hölle ihren Anteil dabei, und ein solches Zeichen bringt dann nicht nur keinen Segen, sondern einen Fluch.

11] So Ich euch Allen aber schon zu mehreren Malen die Lehre gegeben habe, dass ihr sogar Die noch segnen sollt, die euch fluchen würden, um wieviel weniger soll von euch den Blinden im Geist ein Fluch bereitet werden, die euch mit keinem Fluch entgegenkommen, sondern mit eitler Blindheit ihres Herzens nur!

12] Bedenkt also Solches wohl und handelt auch so, so werdet ihr allenthalben Segen verbreiten, wennschon nicht durchgängig geistig, so doch leiblich, wie auch Ich Selbst es getan habe und noch allezeit tue; denn oft wirkt eine pur leibliche Wohltat bei einem Elenden mehr auf sein Herz und seinen Geist als hundert der besten Tugendlehren, und es ist daher auch ordnungsgemäß, bei der Ausbreitung des Evangeliums durch leibliche Wohltaten den Weg ins Herz der Elenden zu bahnen und dann erst den gesunden Gemütern das Evangelium zu predigen, als die Predigt vorangehen zu lassen und hinterher die elenden Anhörer durch ein Zeichen in ein offenbarstes Gericht, also - in ein noch größeres Elend zu stürzen, als da war ihr erstes, pur den Leib betreffend.

13] Wenn du zu einem Kranken gerufen wirst, so lege ihm vor der Predigt die Hände auf, dass es mit ihm besser werde; so er dich dann fragt und sagt: »Freund, wie war dir Solches möglich?«, so erst sage: »Durch den lebendigen Glauben an den Namen Dessen, der von Gott gesandt wurde vom Himmel zur wahrhaften Beseligung aller Menschen!« - Wird er dich dann weiter um den Namen fragen, so gib ihm dann auf Grund der Fähigkeit seiner Fassungskraft so viel einleitender Belehrung, dass er die Möglichkeit solch einer Erscheinung einzusehen beginnt.

14] Ist er soweit gekommen, dann gib ihm im gerechten Maß stets mehr und mehr kund. Findest du nach solchen Gesprächen, dass das Herz des Hörers stets reger und reger wird, so sage ihm endlich Alles, und er wird es sicher annehmen und wird glauben jedem deiner Worte. Wenn du ihm aber auf Einmal zu viel gibst, so wird es ihn erdrücken und verwirren seine Sinne, und du wirst dann mit ihm ein schweres Stück Arbeit haben.

15] Wie man aber den neugeborenen Kindern nicht sogleich gibt eines reifen Mannes Kost, die sie töten würde, so darf man um so weniger gleich anfänglich dem Geistkind eine geistig männliche, sondern nur eine solchen Kindlein höchst angemessene geistige Kost geben, sonst werden sie getötet, und es ist dann überaus schwer, sie wieder zu beleben im Geist. - Habt ihr Alle Solches nun wohl begriffen und verstanden?«

16] Sagen alle mit gerührtem Herzen: »Ja, Herr, Solches ist uns nun so klar wie die Sonne am hellsten Mittag, und wir werden es getreuest beachten!«

17] Sage Ich: »Gut, so gehen wir nun zu der Höhle hin, in der die Pharisäer ihre Schätze verborgen hatten; denn es ist in der Höhle noch eine Höhle, und wir wollen sie durchsuchen. Nehmt aber Fackeln mit in rechter Menge und desgleichen Wein und Brot; wir werden dort Wesen antreffen, die sehr hungrig sein werden.«


4. Besuch einer Tropfsteinhöhle, deren Gebilde Assoziationen an heidnische Unterweltsfiguren hervorrufen.

01] Nun lässt Kisjonah Alles hervorholen. Baram, der sich von uns noch immer nicht trennen konnte, lässt auch seine noch erübrigten Wein- und Brotvorräte holen von seinen Leuten. Jairuth und Jonael, die sich von Mir auch nicht trennen können, bitten Mich auch, ob sie diese Expedition mitmachen dürfen. 

02] Und Ich sage: »Allerdings; denn ihr seid sogar notwendig dabei, und Archiel wird uns gute Dienste leisten eigener Art! - Ich sage euch aber noch etwas, und das ist: Es verlässt soeben eine Deputation (Abordnung) von euren Erzfeinden Sichar und begibt sich hierher, um euch zur baldigsten Rückkehr zu bewegen; denn das Volk hat sich wider sie erhoben und hat vorgestern schon den neu eingesetzten Priester vertrieben. Dieser wird auch bei der Deputation sein. Sie werden noch heute abend hier eintreffen, wann wir sie ein wenig bearbeiten werden. Jetzt aber machen wir uns auf den Weg!« - Es wollten aber auch die Weiber und Mägde bei dieser Expedition zugegen sein und fragten Mich darum.

03] Ich aber sagte zu ihnen: »Meine lieben Töchter! Das ist kein Gang für euch; darum bleibt ihr nur fein zu Hause und sorgt, dass wir am Abend ein Mahl im rechten Maß antreffen!« - Die Weiber gaben sich zufrieden, auch die Maria, und sorgten fürs Haus. Die Lydia aber wäre zwar sehr gern mit uns gewandelt; aber da sie sah, dass es Mein Wille nicht war, so blieb auch sie daheim und tat, was die Anderen taten.

04] Wir aber begaben uns auf den Weg, erreichten in ein paar Stunden die Grotte oder Höhle und betraten sie mit angezündeten Fackeln sogleich. Da staunte Kisjonah über die große Räumlichkeit und über die äußerst interessante Tropfsteinformation, die in dieser Höhle wohl die sehenswürdigste von ganz Vorderasien ist, das eine große Menge solcher Höhlen zählt. Gigantische Gestalten aller Art traten da den schüchternen Beschauern entgegen.

05] Faustus selbst, dem es sonst am römischen Heldenmut nicht gebrach, wurde hier ganz kleinlaut und sagte: »Man könnte hier unwillkürlich zu der Meinung geführt werden, dass unterirdisch dennoch eine Art Götter hausen müssen, die durch ihre ungeheure Kraft solche Riesenwerke zustande bringen. Es sind da Abbilder von Menschen, Tieren und Bäumen; aber in welcher Größe! Was wären da die Riesentempel und Statuen Roms dagegen?! - Da, - dieser ganz gut geformte Araber! Wahrlich, so man ihn bis auf sein Haupt besteigen möchte und könnte, eine volle Stunde hätte man auf Stufen aufwärts zu steigen. Er hat dazu noch eine sitzende Stellung, und es schwindelt mir hinaufzuschauen zu seinem Haupt! Ah, das ist wirklich im vollsten Ernst über alle Maßen sehens- und denkwürdig! Der Zufall kann das doch unmöglich bewirkt haben!? - Da ist wieder eine Gruppe von Kriegern mit Schwert und Lanze! Dort aus dem tieferen Hintergrund grinst uns ein allerriesigster Elefant an; die Zeichnung lässt nichts zu wünschen übrig! - Herr, Herr! Wie, wie ist doch dies Alles so wunderbar entstanden?!«

06] Sage Ich: »Freund, betrachte nun Alles, was sich deinen Blicken vorstellen wird, und frage nicht viel; die ganz natürliche Erklärung wird nachfolgen. Es wird hier noch so Manches vorkommen, das dich noch in ein bei Weitem größeres Staunen versetzen wird; aber auch da frage nicht! Wenn wir aus der Grotte wieder im Freien sein werden, werde Ich euch Allen alle diese Dinge klarmachen.«

07] Wir gehen nun weiter und gelangen in eine übergroße und hohe Halle, die aber nicht finster, sondern ganz erträglich beleuchtet ist; denn in dieser Halle gibt es mehrere Erdölquellen, die schon vor gar vielen Jahren von Menschen, denen diese Grotte zur Wohnung diente, angezündet worden waren und seit der Zeit in einem fort lichterloh mit unterschiedlich mächtigen Flammen brannten und diese große Halle teilweise erleuchteten, während in diese Halle auch von einem Punkt der hohen Kuppe durch eine ziemlich weite Ausmündung ins Freie ein ziemlich starkes Tageslicht fiel, - und es war somit diese Grotte, wie gesagt, ganz erträglich beleuchtet.

08] Der Boden dieser Grotte oder Grottenhalle aber ließ allerlei Gestalten sehen. Da lagen Schlangen, riesige Kröten und allerlei andere zum Teil gut und zum Teil schlecht und nur halb gebildete Tierbildungen aller Art, sowie auch eine große Masse von kleinen und riesig großen Kristallbildungen in allen Farben, was einen ungemein überraschend schönen Anblick gewährte.

09] Da sagt Faustus: »Herr! Da gäbe es des kaiserlichen Schmucks in einer Fülle, wie von einer ähnlichen wahrlich nie einem Kaiser etwas geträumt hat! Das aber wird etwa doch wohl eine Art Tartarus sein, wie ihn der Griechen Mythe beschreibt!? Es geht nur noch der Styx, der alte Charon, die drei bekannten unerbittlichen Seelenrichter Minos, Äakus und Rhadamanthys, endlich der dreiköpfige Hund Zerberus, darauf einige Furien und am Ende gar noch Pluto mit der schönen Proserpina ab, und der Qualentartarus wäre fertig! Diese vielen Brände aus dem Boden und aus den Wänden, die tausenderlei scheußlichsten Tiergestalten am Boden - wennschon tot und versteinert - und noch eine Menge tartarusartiges Zeug mehr bekunden nur zu laut, dass wir nun entweder schon im Tartarus selbst oder doch wenigstens auf dem besten Weg dazu sind; oder, was mich nun am Wahrscheinlichsten dünkt: diese oder irgendeine andere dieser ähnlichen Grotte ist der sichere Grund zur griechischen Tartarusmythe!«

10] Sage Ich: »Das letzte hat viel Wahres an sich, wennschon nicht durchgängig Alles; denn die stets am meisten pfiffige Priesterschaft aller Völker hat es zu allen Zeiten und allenthalben stets am Besten verstanden, derlei Naturbestände zu ihrem eigenen Vorteil auszubeuten und bestens zu benutzen. Dergleichen benutzte sie auch in Griechenland und in Rom und gab dazu dann noch ihrer argen Phantasie den freiesten Spielraum, wodurch dann natürlich Völker und Völker breit- und blindgeschlagen worden sind bis auf diese Zeit und noch fortan bis ans Ende der Welt breit- und blindgeschlagen werden - bald mehr, bald weniger.

11] Solange die Erde in ihrem notwendigen, sehr verschiedenartigen Gefüge irgend beschauliche Gestaltungen aufzuweisen haben wird, so lange werden auch ihre Menschen, die aus verschiedenen Ursachen blind und lichtscheu sind im Geist, in ihrer Verstandesphantasie allerlei Zerrbilder formen und ihnen außerordentliche, göttliche Kräfte und Wirkungen beilegen, weil sie als Blinde den wahren Grund nicht ersehen mögen.

12] Da siehe aber nun auch deinen Styx, den Schiffer Charon und über dem bei zwölf Klafter breiten und allenfalls eine Elle tiefen Flusse drüben, der eigentlich nur eine Art Teich ist und an der seichten Stelle sehr leicht durchwatet werden kann, erblickst du im matten Schein auch deine drei Richter, einige Furien, den Zerberus und den Pluto mit der Proserpina, - Figuren, die sich nur in einer gewissen Entfernung so ausnehmen, in der Nähe und in stärkerem Licht aber allem Anderen eher gleichsehen als Dem, was die menschliche Phantasie aus ihnen gemacht hat. - Aber nun gehen wir, ohne dem Charon das Naulum (Fährgeld) zu bieten, zu Fuß über den Styx, und wir werden jenseits ein wenig den Tartarus in Augenschein nehmen.«

13] Wir waten an einer sehr seichten Stelle über den sogenannten Styx und dringen durch eine ziemlich enge Spalte in den Tartarus, der durch unsere Fackeln beleuchtet nur zu bald einen, noch von allen Pharisäern nicht verratenen, großen Schatz vorzuweisen beginnt, und es kommt so durch Mich Alles, was noch so verborgen war, ans Tageslicht.


5. Geschichte der Tempelschätze und grosser Perlen in einer Tropfsteinhöhle. Warum man nicht Alles wissen soll.

01] Faustus schlägt die Hände über dem Haupt zusammen und ruft sogleich den Pilah zu sich, zu ihm sagend: »Hast du keine Kenntnis gehabt, weil du mir davon nichts verraten hast? - Rede, - sonst sieht es übel mit dir aus!« 

02] Sagt Pilah: »Herr! Davon hatte ich keine Kenntnis und bin in diese Höhle noch nie so weit gedrungen wie jetzt! Die Alten werden wohl davon gewußt haben; aber sie verschwiegen solches Alles, damit ihnen am Ende aus was immer für einem Gefängnis ein Lösegeld übrigbleibe. Nimm aber Alles in Empfang; es ist gottlob von nun an dein!«

03] Faustus fragt auch Mich, ob Pilah die Wahrheit gesprochen habe, und Ich bestätige solche Aussage des Pilah und sage zum Faustus: »Freund, so jemand die Tochter eines angesehenen Hauses zum Weib nahm, so hat er mit Fug und Recht eine Mitgift zu erwarten. Du hast nun viel zu tun gehabt, und es ist dafür bei der Verteilung der früheren Güter kein Teil auf dich gefallen, - und so nimm du diesen ganzen Schatz in deinen rechtmäßigen Besitz; er ist irdischer Schätzung zufolge tausend mal tausend Pfunde wert.

04] Den größten Wert aber machen die großen Perlen aus, von denen jede die Größe eines Hühnereies hat. Eine ganze eherne Kiste, bei tausend Drachmen maßhältig, ist voll von den großen Perlen, von denen jede eigentlich einen unschätzbaren Wert hat. Solche Perlen kommen jetzt auf der ganzen Erde als neugebildet nicht mehr vor, da derlei Schaltiere nebst vielen anderen Urwelttieren nicht mehr bestehen. Diese Perlen aber wurden auch nicht aus dem Meer gefischt, sondern der König Ninias, auch Ninus genannt, fand sie in der Erde, als er die Stadt Ninive bauen ließ, bei Grabungen des Grundes. Durch die mannigfachen Schicksale kamen sie zum Teil schon zu Davids, zum größten Teile aber zu Salomos Zeiten nach Jerusalem; in diese Höhle aber kamen sie, als die Römer als Eroberer Palästina, eigentlich aber nahezu das halbe Asien, in Besitz nahmen.

05] Die Hohenpriester, denen die Höhle schon gar lange her bekannt war, haben, als sie von dem Einfall der Römer Nachricht erhielten, sogleich alle die größten und beweglichen Schätze des Tempels zusammengerafft und sie glücklich in die Höhle gebracht. Die goldenen Löwen, die den Thron Salomos trugen und zum Teil dessen Stufen bewachten, sind zur Zeit der Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier in den Schutt gekommen, aber bei der nachherigen Wiedererbauung wiedergefunden und von den Priestern für den Tempel in Empfang genommen worden. Diese befinden sich auch zum größeren Teil hier; denn man brachte alles Wertvollste, das man in der Eile zusammenraffen konnte, zur Einfallszeit der Römer hierher, so wie zur Einfallszeit der damals mächtigen Babylonier auch eine bedeutende Masse Tempelschätze in die bekannte Höhle bei Chorazin gebracht worden ist, obgleich hernach die Babylonier im Tempel dennoch genug noch, namentlich die dem Tempeldienste für immer geweihten Gefäße und Schätze, zum Mitnehmen fanden und sie nach Babylon brachten. Beordere nun deine Leute, dass sie alles Das aus der Höhle schaffen; nachher soll Archiel dieser Grotte Eingang so verrammen, dass fürder nimmer ein Mensch sie betreten solle.«

06] Faustus gebietet nun sogleich den Dienern, all diese Schätze hinauszuschaffen; als sie diese aber zu heben anfangen, so haben sie nicht Kraft genug, die vielen und schweren ehernen Kisten zu heben. Sie bitten Mich aber, dass Ich ihnen die erforderliche Kraft verleihen möchte!

07] Ich aber berufe den Archiel und sage: »So schaffe du all diesen Unflat hinaus, und zwar sogleich nach Kis ins große Magazin!« - Im Augenblick verschwanden all die vielen schweren Kisten, und Archiel war aber auch im Augenblick wieder da, so dass Niemand merken konnte, wann denn Archiel abwesend war.

08] Sagt darauf Faustus: »Das geht noch in das Allerfabelhafteste! Meine Diener hätten damit wohl drei Tage zu tun gehabt - das aber war ein unmerklicher Augenblick, und es ist von all den vielen Kisten aber auch nicht eine mehr zu entdecken! Da frage ich auch gar nicht mehr um die Möglichkeit solch einer Tat; denn dazu gehört ein göttlicher Sinn, um solche Erscheinungen zu begreifen und nach Recht zu schätzen!«

09] Sage Ich: »Ja, ja, du hast recht! Es wäre auch für den Menschen vorderhand gar nicht gut, so er Alles so bald verstände, was sich ihm als Erscheinung beschaulich darstellt. Denn es steht geschrieben: "Wenn du vom Baum der Erkenntnis essen wirst, wirst du auch sterben!" Es ist daher auch besser, jede Wundertat als das zu nehmen, was sie der Erscheinlichkeit nach ist, und sich dabei lebendig zu denken, dass bei Gott kein Ding unmöglich ist, als sie aus dem Wirkungsgrund erklären zu wollen, wo man nach der Erklärung ebensowenig begreift als vor derselben.

10] Genug, dass du siehst, dass die Erde da ist, tauglich zu tragen und zu ernähren die Menschen! Würdest du den Grund wissen, wie sie gemacht wurde, so verlöre sie für dich den Reiz, und du würdest an ihr kein Wohlgefallen haben, wohl aber eine Gier, irgendeine andere Erde auf den Grund zu erforschen. Und würdest du bei derselben den gleichen Entstehungs- und Bestandesgrund ersehen und desgleichen auch bei einer dritten, vierten und fünften, so würde dich dann weiter auch gar nicht mehr gelüsten, noch eine sechste und siebte zu erforschen: und so würdest du dann träge, lustlos, lebensverächtlich und ärgerlich das Leben zu verwünschen anfangen und verfluchen die Stunde, die dich mit solcher Erkenntnis zu bereichern begann, - und ein solcher Zustand wäre dann ein barster Tod für deine Seele!

11] Da aber nach der göttlichen Ordnung Alles so eingerichtet ist, dass sowohl der Mensch wie auch jeder Engelsgeist Alles nur nach und nach, und selbst da nur bis zu einem gewissen Grad, von der göttlichen Natur in sich wie in all den geschaffenen Dingen, einsehen kann, so bleibt ihm die stets wachsende Lebenslust und die Liebe zu Gott und zum Nächsten, durch die allein er ewig selig werden kann und wird. - Fassest du solche Wahrheit?«

12] Sagt Faustus: »Ja, Herr und Freund, ich fasse es genau! Und so will ich Dich nicht mehr fragen um den Entstehungsgrund der Gebilde in dieser Grotte.«


6. Natürliche Tropfsteingebilde-Entstehung. Geistereinwirken bei der Gestaltbildung. Unzugänglichmachung der riesigen Tropfsteinhöhle.

01] Sage Ich: »Daran liegt auch wirklich nicht viel. Ob du es weißt oder auch nicht weißt, wird dich nicht lebensärmer oder lebensreicher machen. Aber das kannst du dennoch wissen, dass daran nie eine Menschenhand etwas zu tun gehabt hat, sondern die Natur der Elemente allein bildete solches wie zufällig. Die Berge saugen stets eine auflösende Feuchtigkeit aus der Luft; dazu kommt der öftere Regen, der Schnee und die Nebel, die gar oft die obersten Kuppen der Berge einhüllen. Alle die auf den Bergen abgelagerten Feuchtigkeiten sickern zum großen Teil durch Erd und Stein der Berge, und wo sie über einen inneren hohlen Raum gelangen, sammeln sie sich in Tropfen, die nahe zur Hälfte aus aufgelöstem Kalk bestehen. Solche Tropfen fallen herab. Ihr reines Wasser sickert dann entweder noch tiefer, oder es verdunstet in solch einem Raum. Aber die schleimige Kalkmasse wird fester und fester, und es bilden sich durch die stete Vermehrung endlich allerlei Formen, die bald dem einen, bald dem anderen Gebilde auf der Erde - bald mehr, bald weniger - ähnlich sehen. Und auf dieselbe Weise entstand denn auch all das Gebilde in dieser Höhle auf einem ganz natürlichen Weg, obschon auch nebenbei anzunehmen ist, dass zur Verblendung der schwachen Menschen Satans Diener zur besseren Ausbildung von allerlei menschenähnlichen Gestalten ein Bedeutendes beigetragen haben.

02] Es ist daher besser, dass solch eine den finsteren Aberglauben sehr begünstigende Grotte für alle künftigen Zeiten unzugänglich gemacht werde. Und so begeben wir uns nun wieder hinaus ins Freie, auf dass der Archiel seinen Auftrag erfülle mit dieser Höhle!«

03] Faustus dankt Mir innigst für diese Erklärung und sagt: »Mir ist diese Erklärung um so klarer begreiflich, weil ich Solches - wenn auch mehr als eine Hypothese (Vermutung) - schon von den römischen Naturkundigen aussprechen gehört habe. Aber auch der Beisatz von der Mitwirkung Satans ist viel wert; denn der Feind des Lebens wird dergleichen Dinge sicher nicht unbenutzt lassen, und die bösen Folgen liegen in drei Weltteilen vor unseren Augen! Das ist mir nun Alles sonnenklar; aber nur ein Ding kann ich nicht so recht unters Dach bringen, - und das ist die Seligkeit Gottes!

04] Sage mir, welche Lust kann denn Gott, dem der innerste Grund alles Seins ewig fort gleich und durchdringendst bekannt sein muss, an Seinem eigenen unverwüstbaren Leben haben?! Kann denn Ihm solch eine notwendig allergleichste Klarheit, ohne Sich je irgend aus Sich Selbst verändern zu können, zu einer Lust gereichen, die doch jeden Menschen vor Langweile töten müßte?«

05] Sage Ich: »Siehe hier die Menschen! Diese sind die Lust Gottes, wenn sie in Seiner Ordnung Das werden, was zu werden sie bestimmt sind. In ihnen findet Gott Seinesgleichen wieder, und ihr stetes Wachsen an Erkenntnissen aller Art und dadurch in aller Liebe, Weisheit und Schönheit ist Gottes unverwüstbare Lust und Seligkeit! Denn Alles, was die Unendlichkeit fasst, ist allein des kleinen Menschen wegen da, und es gibt ewig nichts, das nicht da wäre allein des kleinen Menschen wegen. - Nun weißt du auch das! Aber nun gehen wir aus dieser Höhle, auf dass Archiel seinem Auftrag ehest möglich nachkommen kann!«

06] Wir eilen nun aus der Grotte und erreichen bald das Ende derselben. Als wir alle außerhalb der Grotte uns befinden, gebe Ich dem Archiel einen Wink, und in dem Augenblick geschieht ein heftiger Knall, und der äußerst geräumige Eingang zeigt sich nun als eine hohe Granitwand, durch die mit leichter Mühe wohl kein Sterblicher durchbrechen würde, so er es sich noch so ernstlich vornähme. Um aber den Eingang sozusagen gänzlich unmöglich zu machen, wurde, nachdem wir uns von der Stelle des Eingangs bei dreitausend Schritte entfernt hatten, eine Absitzung des Erdreichs bewerkstelligt, so, dass die ehemalige Eingangsstelle über hundert Manneshöhen dem zugänglichen Erdboden, der in die Tiefe geschoben wurde, entrückt wurde, und man hätte nun eine über hundert Manneshöhen hohe Leiter haben müssen, um über die senkrecht steile Wand hinauf zur gewesenen Eingangsstelle zu gelangen, - was aber dann dennoch fruchtlos gewesen wäre, weil der Eingang selbst zur festesten und steilsten Felswand geworden war.

07] Als Faustus und auch alle die Anwesenden solche Veränderung mit dieser Bergesstelle ersehen, sagt Faustus zu Mir: »Herr und Freund! Wahrlich, ich kann mich jetzt nimmer fassen! Die Erscheinungen werden zu schöpferisch groß; sie liegen bereits eine Ewigkeit von meinem Erkenntnishorizont entfernt! Ich weiß nun wahrlich nicht, ob ich noch lebe, oder ob ich träume! Es geschehen da so seltsam rätselhaft wunderbarste Dinge, dass man selbst bei der größten Nüchternheit als ein total Betrunkener dasteht und kaum mehr im eigenen Bewußtsein zu unterscheiden imstande ist, ob man dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht angehört. - Da sehe man nun diese furchtbare Felsenwand an! Wo war diese vorher, als wir ganz bequem in die Grotte auf einem recht gut zu besteigenden Fußsteig den Weg machten?

08] Und was aber eigentlich noch das Sonderbarste bei der ganzen Sache ist, besteht in Dem, dass bei der ganzen Veränderung von mehreren tausend Morgen Grundes keine Spur von irgendeiner gewaltsamen Zerstörung zu entdecken ist. Das Ding sieht doch gerade so aus, als ob hier seit dem Urbestand der Erde nie etwas verändert worden wäre!? Wahrlich, wenn hier tausend Menschen hundert Jahre lang gearbeitet hätten, so steht es dahin, ob sie solche Masse nur von der Stelle geschafft hätten so, dass eine solche Felswand, die im Ganzen gut hundertfünfzig Manneslängen Höhe und eine Breite von mehr denn einer Stunde hat, so frei gestellt worden wäre, wie sie nun, von der noch vor wenig Augenblicken keine Spur zu entdecken war, frei dasteht, geschweige in solcher von keiner Zerstörung nur eine leiseste Spur tragenden Weise! Das ist im vollsten Ernst unerhört! Ich bin nun nur neugierig, was dazu die vielen Seefahrer für ein Gesicht machen werden, so sie an der Stelle der früheren üppigen Waldgegend nun diese Riesenwand entdecken werden! - Viele werden sich gar nicht auskennen, wo sie sich befinden; und Viele werden dreinschauen wie das Rind in ein neues Tor, dessen es noch ungewohnt ist!«