cover

Leo Martin

Ich Durchschau dich!

Menschen lesen – Die besten Tricks des Ex-Agenten

AristonSchwarz.eps

Disclaimer: Alles, was Sie hier lesen werden, beruht auf wahren Begebenheiten. Zum Schutz der Informanten und Agenten sowie aus rechtlichen Gründen wurden Namen und Eigenschaften der handelnden Personen abgeändert, Orte und Sachverhalte variiert. Trotzdem werden Sie der Realität kaum näherkommen als in diesem Buch.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2012 Ariston Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Mitarbeit: Shirley Michaela Seul

Redaktion: Birgit Bramlage

Umschlaggestaltung: Weiss | Werkstatt | München, unter Verwendung eines Fotos von © Kay Blaschke

Satz: EDV-Fotosatz Huber / Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

ISBN 978-3-641-10115-2

Es kann auch Sie treffen: Es klingelt an Ihrer Tür, und da steht ein Herr, den Sie nicht kennen. Ohne Umschweife fragt er Sie: »Kann ich bei Ihnen einziehen für ein, zwei Monate?« Der Herr macht nicht den Eindruck zu scherzen, im Gegenteil. Die Lage ist ernst. Einzig und allein Ihre Wohnung kommt für den Geheimdienst infrage, um ein Zielobjekt zu beobachten. Wie reagieren Sie?

Menschenkenntnis: Die Lebensversicherung des Geheimagenten

Menschenkenntnis bedeutet, dass man andere treffsicher einschätzen kann. Manchmal hat man dafür nur den Bruchteil einer Sekunde Zeit. Wird er abdrücken oder nicht …? Nur wer andere im Alltag durchschaut, wird auch in einer Extremsituation das Richtige tun.

Der überwiegende Anteil der Probleme im menschlichen Miteinander beruht auf dem einfachen Grund, dass jeder von sich selbst ausgeht. Jeder glaubt, andere müssten die Dinge genauso sehen wie er selbst. Es braucht keine höhere Mathematik, um sich auszurechnen, dass es so nicht funktionieren kann.

Die Frage ist also: Wie tickt der andere? Und wie ticken Sie? Ticken Sie so, dass Sie glauben, alle anderen ticken wie Sie? Und diejenigen, die das nicht tun, sind … komisch, anders? Mein russischer V-Mann Tichow würde solche Leute Idioten nennen.

Nur mal angenommen, das würden die anderen auch von Ihnen denken. Nur mal angenommen, jeder tickt wirklich anders. Das wäre der blanke Horror … oder eine interessante Variante, die spannende Begegnungen ermöglicht? Die Wahrheit ist: Wenn wir nicht berücksichtigen, dass jeder anders tickt, handeln wir uns zwangsläufig Ärger, Frust, Enttäuschung und Misstrauen ein. Zum Glück gibt es nicht nur Unterschiede, es gibt auch Ähnlichkeiten. Die Kunst liegt darin, einen anderen Menschen so schnell wie möglich zu durchschauen, um dann einen gemeinsamen Takt zu finden. Nicht für immer. Aber doch so lange, bis ein Vertrauensverhältnis entsteht, das einen Rhythmuswechsel oder eine kleine oder größere Disharmonie verträgt.

Auch in diesem Buch begleiten Sie mich wieder auf einer Mission. Der Ablauf ist Ihnen bekannt, wenn Sie Ich krieg dich! gelesen haben. Wenn nicht, können Sie das gerne nachholen. Es ist aber keine Voraussetzung für Ihren Einsatz. Ich bin sicher, dass wir auch so ein starkes Team bilden. Damit Sie Ihre Agentenkompetenz weiter schulen können, verrate ich Ihnen einige grundlegende Entschlüsselungscodes zum Thema Menschenkenntnis. Machen Sie sich darauf gefasst, dass diese Informationen Ihren Blick auf die Menschen in Ihrer Umgebung gravierend verändern werden. Und Ihr Verhalten … und das der anderen. Wo Agenten unterwegs sind, verändert sich die Welt – im Großen wie im Kleinen. In diesem Buch habe ich oft die grammatisch männliche Form gewählt, betrachten Sie diese bitte als Deckmantel. Selbstverständlich ist mir bewusst, über welche herausragenden Fähigkeiten Agentinnen … und Leserinnen verfügen!

Wer andere durchschaut

20072-Martin_DRUCK.pdf hat mehr Einfluss

20072-Martin_DRUCK.pdf versteht Mitmenschen und Situationen schneller und besser

20072-Martin_DRUCK.pdf erkennt Hindernisse frühzeitig und kann sie deshalb umgehen oder beseitigen

20072-Martin_DRUCK.pdf kommuniziert erfolgreicher

20072-Martin_DRUCK.pdf vermeidet Missverständnisse, böse Überraschungen und Enttäuschungen

20072-Martin_DRUCK.pdf erreicht seine Ziele rascher und angenehmer

20072-Martin_DRUCK.pdf genießt ein schönes Leben

Für Agenten und Agentinnen ist Menschenkenntnis eine Grundvoraussetzung. Ein Agent beim Geheimdienst muss vorhersehen, wie V-Leute, Zielpersonen, aber auch Chefs und Kollegen sich in brenzligen Situationen voraussichtlich verhalten werden. Von der Menschenkenntnis eines Agenten hängen Menschenleben ab. Sie besteht nicht nur aus Erfahrung und Intuition, sondern basiert auf solidem Wissen über menschliche Denk- und Verhaltensmuster. Beides werden Sie sich in einem Fall im Milieu von Schleusern und Menschenhändlern erwerben. Keine Angst, Sie werden nicht unvorbereitet in die kriminellen Kreise geschickt. Im Agentenhandbuch, dem theoretischen Teil Ihres Trainings, erfahren Sie stets alles Wissenswerte, um die Herausforderungen zu bestehen und sich den Zugang zur nächsten Mission zu erwerben.

Das Thema Menschenkenntnis ist so alt wie die Menschheit selbst. Seit den 1950er-Jahren versuchen auch Wissenschaftler, innerhalb und außerhalb der Geheimdienste, mit mehr oder weniger ausgefeilten Tests die Persönlichkeit des Menschen hochdifferenziert zu erfassen. Der Vorteil dieser wissenschaftlichen Modelle liegt im Gegensatz zu den kulturgeschichtlichen Modellen darin, dass sie für die statistische Auswertung auf große Datenmengen zurückgreifen und in ihrem Vorgehen auf Wertungen verzichten. Sie stellen einfach dar, bilden ab, was ist, und verzichten auf eine Klassifizierung in gut/schlecht, positiv/negativ oder richtig/falsch. Auch die Modelle aus dem Agentenhandbuch, die Sie gleich kennenlernen werden, verzichten ganz bewusst auf diese Einordnung.

Manche dieser modernen Modelle haben allerdings auch einen kleinen Nachteil: Sie sind nicht alltagstauglich, denn aufgrund ihres hohen Differenzierungsgrades erfordern sie aufwendige schriftliche Analysen und eine wissenschaftliche Auswertung durch Experten. Das hilft weder dem Agenten im Untergrund noch dem Trainer mit seiner Mannschaft, dem Verkäufer im Außendienst, dem Chef mit seinem Team, der Mutter mit ihren Kindern, noch Ihnen auf Ihren Missionen.

Stellen Sie sich vor, wir müssten Menschen beim Kennenlernen zuerst einmal bitten, einen zehnseitigen Fragebogen auszufüllen, um uns mit ihren Vorlieben, Fähigkeiten und Gewohnheiten vertraut zu machen. Oder Sie müssten einen Menschen, der Ihnen zum ersten Mal begegnet, im Geiste nach fünfzehn oder noch mehr Kriterien einordnen …

Schnell wäre unser Gehirn überfordert – vor lauter Überlegen: Welchem dieser vielen Typen ist mein Gegenüber zuzuordnen und wie soll ich darauf reagieren?

In Ich durchschau dich! lernen Sie die Modelle aus dem Agentenhandbuch kennen, die Ihnen im Alltag helfen, Ihr Gegenüber zu durchschauen, und lernen zielführend, mit ihm zu kommunizieren.

Das Abschöpftreffen: reine Routine?

München, Donnerstag, 2. September, 14:05 Uhr

Um 14:30 Uhr war ich mit meinem V-Mann Tichow verabredet und soeben im Begriff, das Haus, wie wir Agenten unser Hauptquartier intern nennen, zu verlassen. Da klopfte Sabine, meine Kollegin aus der Fallanalyse, an die Tür.

»Leo, ich hab da was!« Sie legte eine Mappe auf meinen Tisch. Schwarz, nicht rot. Ich entspannte mich. Schwarz warf keine Pläne um. Schwarz konnte warten, bis ich zurück war.

»Ich fahr gleich auf Treff.«

»Okay, dann bis nachher.«

»Mit dem größten Vergnügen«, grinste ich, und sie grinste zurück. Wir arbeiteten schon eine Weile zusammen und hatten gewisse Spielchen etabliert.

Agenten treffen ihre V-Leute regelmäßig, immer an wechselnden Orten. Die Treffpunkte werden niemals per Telefon besprochen. Man verabredet sich dort »Wo neulich dem Jungen das Eis auf den Boden gefallen ist«, »Wo du letztes Mal aus dem Auto ausgestiegen bist« oder »An der Halle, wo die Paletten gestapelt sind«.

Dieses Vorgehen ist ein Relikt aus der Zeit, als Nachrichtendienste sich noch gegenseitig bekämpften und keine Leitung sicher war. Seinerzeit war das eine notwendige Vorsichtsmaßnahme. In der Spionageabwehr ist diese Vorsicht bis heute geboten. Im Milieu der organisierten Kriminalität, in dem mein V-Mann Tichow verkehrte, konnte sie auch mal vernachlässigt werden. Tichow war als Geldkurier für die Russenmafia unterwegs gewesen, als ich ihn für den Dienst anwarb. Wo er sonst noch überall mitmischte, konnte ich nur ahnen. In den letzten Monaten hatte er sich zu einem wahren Ass entwickelt und war, was ich ihn allerdings niemals würde wissen lassen, mein bester Mann geworden. Eine Quelle, die sprudelte. Intern wurde er mitunter als Geheimwaffe bezeichnet. Tichow war nicht nur intelligent, er war auch flexibel, cool, clever und trotz einer gewissen Dreistigkeit überaus charmant. Vor allem war er nicht ganz so abgestumpft wie viele seiner kriminellen Kollegen. Das mochte auch an seinem chronisch kranken Sohn liegen, der bei seiner Mutter in Kasan lebte, einer Stadt in Russland, direkt an der Wolga. Schicksalsschläge können Sicht- und Verhaltensweisen stark beeinflussen.

Tichow verfügte über eine herausragende Beobachtungsgabe. Er lieferte dem Dienst präzise Informationen, die schon mehrmals zu großen Erfolgen geführt hatten. Erfolge, von denen er nur teilweise wusste. So wie ich auch nicht alles von ihm wusste. Das sah ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Lieber wäre es mir gewesen, Tichow hätte über alles mit mir gesprochen. Realistisch war eine solche Erwartung nicht. Ein guter V-Mann betreibt seine eigenen Geschäfte, nebenbei. Nur wer immer irgendwie im Geschäft und im Gespräch bleibt, kommt im Milieu an die wichtigen Informationen.

Es gab lediglich fünf Menschen, die Tichows wahre Identität kannten. Sabine, sie hatte Tichow getippt – so nennt man es, wenn jemand mit V-Mann-Potenzial in der Szene auffällt und zur Ansprache vorgeschlagen wird. Wie so oft hatte sie einen guten Instinkt bewiesen. Ich hatte Tichow angeworben. Außer uns beiden kannten nur noch unser Chef und zwei Mitarbeiter aus dem Bereich für operative Sicherheit seine wahre Identität. Für alle anderen Agenten des Geheimdienstes, selbst die Kollegen, die eng mit uns zusammenarbeiteten, war er lediglich Deckname Tichow. Auch das ist eine Sicherheitsmaßnahme, ein Standard, um V-Männer zu schützen. Quellenschutz ist das oberste Prinzip des Nachrichtendienstes. Die Bibel des Agenten. Auch Tichow musste seine Zusammenarbeit mit uns streng geheim halten. Weder seine Frau, seine Freundin, noch seine besten Freunde durften jemals davon erfahren – zu seinem eigenen Schutz. Sollte er unsere Bekanntschaft dennoch offenlegen, würden wir sogar abstreiten, ihn zu kennen. Vermutlich würde ihm sowieso niemand glauben. Ein guter V-Mann hat keine Schwierigkeiten. Das ist seine Lebensversicherung, und auch sie basiert auf seiner Menschenkenntnis. Sobald sein Nebenjob für den Geheimdienst innerhalb des Milieus auffliegt, kann es unangenehm für ihn werden. Er verliert nicht nur seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und sein soziales Umfeld, es kann um alles gehen: sein Leben.

Die erste Spur: der Geruch der Angst

Um 14:30 Uhr stieg Tichow in meinen dunklen BMW mit den getönten Scheiben.

»Hallo Leo«, sagte er mit seinem russischen Akzent.

»Servus«, erwiderte ich.

Wie immer machte er Anstalten, sich eine Zigarette anzuzünden, und wie immer sagte ich: »Die Viertelstunde wirst du noch aushalten.«

Grinsend steckte er die Kippe zurück in die Packung. Er hatte gute Laune. Schön. Manchmal war Tichow schwermütig, dann waren die Treffen mühsam. Wenn er gute Laune hatte, sprudelte er nur so heraus und erzählte mir manches, was ich hören wollte, und vieles, was ich nicht hören wollte. Aus Erfahrung wusste ich, dass sich bei ihm die Perlen zwischen den Zeilen verstecken konnten. Er servierte sie nicht unbedingt auf dem Silbertablett, denn oft wusste er nicht, worin ich eine Perle entdeckte. So blieb ich wachsam, während ich den Wagen über den Mittleren Ring Richtung Westen lenkte. Mit Tichow fuhr ich immer an Orte, an denen wir nicht mit seinen Kollegen rechnen mussten, meist in den Speckgürtel um München. Bei schlechtem Wetter blieben wir im Wagen sitzen, manchmal tranken wir Kaffee bei McDonald’s oder liefen eine Runde zu Fuß. In der Regel dauern solche Abschöpftreffen zwischen sechzig und neunzig Minuten. Ziel der Treffen ist es, die aktuellen News aus dem Untergrund zu erhalten. Wer macht wann, mit wem, welche Geschäfte? Gibt es etwas Neues im Umfeld, Gerüchte, Trends, Tendenzen? All diese Informationen würde Sabine nach unserem Treffen überprüfen. Vieles, das war üblich, würde sich als heiße Luft herausstellen. Doch in einem Dutzend Infos gab es auch immer mal einen Treffer. Heute sah es nicht danach aus. Tichow quatschte mir während zwanzig Kilometern Autobahn ein halbes Ohr ab. Erzählte mir von einem neuen Restaurant, das er entdeckt hatte, beschrieb mir bis aufs Kleinste gemahlene dunkelgrüne Pfefferkorn, sein Hauptgericht, und das Muster auf den schwarzen Strümpfen der Bedienung. Wie immer, wenn er sich in solchen Details verlor, spürte ich, wie die Unruhe in mir zu brodeln begann. Warum kam er nicht endlich auf den Punkt! Allmählich müsste er doch mal begriffen haben, worum es mir ging und was mich interessierte. Nein, Tichow erzählte, wie er nach Hause gefahren war, welche Schleichwege er diesmal ausprobiert hatte, um sein Navi zu ärgern, und welche Autos um diese Uhrzeit noch unterwegs waren. »Sehr viele Audis bei Ingolstadt!« O Wunder. Obwohl die Verlockung abzuschalten groß war, blieb ich aufmerksam. Ich unterbrach ihn nicht und zügelte meine Ungeduld, indem ich ihm innerlich Anerkennung für seine außerordentliche Beobachtungsgabe zollte. Als ich den Wagen auf einem Feldweg zwischen mannshohem Mais parkte, der daran erinnerte, dass der Sommer sich seinem Ende zuneigte, war Tichow bei seiner neuen Flamme angelangt.

»Aber du hast doch schon drei Frauen«, erinnerte ich ihn.

»Ist ja nichts Festes.«

»Dass dir das nicht zu stressig ist«, wunderte ich mich.

»Weißt du Leo, Leben ist bunt.«

»Irgendwann wird dir eine von denen die Hölle so richtig heißmachen. Vermutlich die, mit der du verheiratet bist«, scherzte ich.

»Die ist weit weg«, grinste er. »Außerdem: Habe ich immer Glück im Leben, Leo. Auch gestern.«

»Wollen wir da runterlaufen?«, fragte ich ihn. Später, als ich das Gespräch Revue passieren ließ, dachte ich, dass ich hier schon hätte nachfragen sollen. Ich unterließ es wohl, weil ich befürchtete, mein eigentlicher Auftrag, aktuelle Informationen abzuschöpfen, könnte in einem weiteren Schwall zahlreicher Details zu privaten Nebensächlichkeiten untergehen. Obwohl ich in den letzten Jahren an meiner Ungeduld gearbeitet hatte, hörte ich mir ungern akribische Schilderungen belangloser Ereignisse an. Wenn es um einen Fall ging, ja, dann konnte ich nicht genug Details kriegen. Das Intervall der Ampelschaltung an der Georgenstraße im Vergleich zu dem an der Belgradstraße gehörte nicht dazu. Auch nicht, wenn eine hammermäßige Rothaarige im Z3 nebenan saß.

Tichow stieg aus. »Du willst immer spazieren gehen, nur, damit ich in deinem Auto nicht rauche! Scheiß drauf, ist doch ein Dienstwagen!« Er griff sich einen der jungen Maiskolben, drückte ihn prüfend, brach ihn aber nicht ab, und zündete sich eine Kippe an. Dann gingen wir los. Endlich erzählte Tichow die Geschichten, die für mich interessanter waren. In seiner Berliner Clique war ein Typ aus St. Petersburg aufgetaucht, der ständig mit einem Oleg telefonierte, von dem er irgendwelche Anweisungen erhielt. Tichow konnte noch nicht sagen, worum es ging, doch die Sache konnte Potenzial haben. »Kann ich dir nicht erklären, Leo. Ist nur so ein Gefühl. Da bleib ich dran.«

»Sonst noch was?«, fragte ich. So richtig konkret war das nicht, aber egal. Beim nächsten oder übernächsten Mal oder nächsten Monat würde er mehr dazu wissen. Agentenalltag. Tichow war immer für eine Überraschung gut. Davon abgesehen war sein »Gefühl« ein verdammt treffsicherer Instinkt. Seine feine Spürnase hatte schon einige Fälle im Vorfeld gewittert.

Als alle aktuellen Fälle abgehakt waren und wir zum Wagen zurückgingen, lenkte ich das Gespräch zu privaten Themen. Die Abschöpfung war für mich beendet.

»Was machst heut noch?«, fragte ich ihn.

»Ich geh jetzt auf’n Bier zu Wasilij.«

»In den Zockerladen am Hauptbahnhof? Da hängst du aber oft rum in letzter Zeit.«

»Das ist kein Zockerclub«, widersprach er empört. »Das ist ein erstklassiges Casino. Und wenn Sophia da ist …« Er schnalzte mit der Zunge.

»So heißt also deine neue Flamme«, kombinierte ich.

»Sehr heiß!«, bestätigte er.

»Verzock nicht deine ganze Kohle wegen der!«

»Ich verzock da gar nix, ich geh da mit mehr Kohle raus, als ich rein bin.«

»Wie meinst du das?«

»Kennst du Bülent?«

»Den Chef von dem Busunternehmen neben dem … erstklassigen Casino?«

Tichow nickte. »Der ist Stammgast. Hat er mich gefragt, ob ich jemand nach Detmold fahre. Bus hat sich nicht gelohnt. Waren nur zwei. Hat mir 150 Euro angeboten. Habe gesagt, bist du blöd. Rechne mal. Brauche ich allein 300 Euro für Sprit. Habe ich 1000 gesagt, hat Bülent 800 gesagt.« Strahlend hielt er mir ein Bündel 50-Euro-Scheine unter die Nase.

»Bülent gibt dir 800 Euro dafür, dass du zwei Leute in die Pampa fährst?«, staunte ich.

»900. Ich bin ein sehr guter Fahrer!«

»Sicher.«

»Die zwei waren komisch.«

»Wo kamen die denn her?«

»Iran, Irak, irgendwo. Habe nichts verstanden.«

»Wie habt ihr euch unterhalten?«

»Gar nicht. Bülent hat mir einen Zettel gegeben mit Adresse in Detmold. Kennst du Detmold, Leo? Da gibt es …«

Nun unterbrach ich ihn doch, ehe er mir die Schwanensee-Ballerina auf dem Plakat des Landestheaters, wegen der er unbedingt noch mal dorthin musste und sich vorübergehend vermutlich brennend für Tanz und Kultur interessieren würde, bis in die letzte Spitze beschrieb. Bei Tichow gab es mehr Tage, an denen er sich in den letzten Klitzekleinigkeiten verlor als solche, an denen er sich auf das Wesentliche konzentrierte. Womöglich hing das mit seiner Form zusammen. Oder mit dem Thema. Wenn er müde war oder genervt, sprach er auch deutlich schlechter Deutsch, und weniger. Genau, wie dann, wenn er nicht verstehen wollte.

»Wie alt waren die Männer?«

»Der eine jünger als ich. Dreiundzwanzig, fünfundzwanzig, der andere um die dreißig.«

»Also so alt wie du«, erinnerte ich ihn.

»Aber komische Leute, Leo. Bin ich natürlich schnell gefahren, weil ich wollte zurück. Haben die immer große Augen gemacht«, Tichow riss seine blauen Augen auf, sodass ich befürchtete, sie würden ihm gleich rausfallen. »Hatte schon Angst, die kotzen mir ins Auto. Musste ich langsamer fahren. Unter zweihundert.«

»Da bist du ja kaum vom Fleck gekommen«, nickte ich mitfühlend.

Er grinste. Und dann wurde es doch noch interessant. Warum hatte er das nicht gleich erzählt: »Einmal, Leo, sind wir hinter den Bullen hergefahren. Haben die zwei geschwitzt wie Schweine. Alles nass, Gesichter rot. Besonders der Alte. Hat mir gezeigt, dass er mal muss. Aber ich glaube, die wollten nur weg von den Bullen. Bin ich auf Parkplatz gefahren. Hat mich schon wieder Zeit gekostet. In Detmold an der Ampel stand noch ein Bullenwagen neben uns. Da haben sie erst recht geschwitzt. Und gestunken, Leo. Ich habe Angst gerochen.« Er blähte die Nasenflügel. Dann regte er sich auf: »Das habe ich nicht gewusst!«

Wie echt seine Entrüstung war, konnte ich nicht beurteilen. Aber etwas anderes: Sicher erzählte er mir die Geschichte erst jetzt, weil er ein schlechtes Gewissen hatte. Er konnte nie sicher sein, was ich schon wusste, und was nicht. Aber er wusste, wenn er mit einer Straftat aufflog, und sei es nur als Fahrer zweier Flüchtiger, illegal Eingereister oder Drogenkuriere oder sonst was, dann würde er mit den Konsequenzen leben müssen. Ich würde ihm keinesfalls helfen. Sonst wäre er als V-Mann enttarnt. Außerdem könnte er durch solche eigenmächtigen und riskanten Aktionen unsere Operationen gefährden, wenigstens unnötig erschweren.

»Hast du Bülent darauf angesprochen?«, erkundigte ich mich.

Empört holte Tichow Luft. »Ich zu Bülent. Hey du Arschloch! Was waren das für welche? Wenn ich Stress mit den Bullen krieg wegen dir! Das vergisst du nicht. Hat Bülent gesagt: ›Hast du gutes Geld verdient.‹ Habe ich gesagt: …«, er ließ einen kernigen Fluch in russischer Sprache folgen. Auf die Übersetzung verzichte ich hier.

»Musst du lernen meine Sprache, Leo!«, verlangte Tichow, schlagartig wieder gut gelaunt. Der Fluch schien Wunder gewirkt zu haben. Ich würde mich hüten, meinem V-Mann anzuvertrauen, dass ich mehr verstand, als ihm lieb war. Bei den Flüchen gab es allerdings noch Lücken. Tichow klopfte mir auf die Schulter. »Egal. Habe gutes Geld verdient. Sprit extra. Hat Bülent mir dann noch gegeben.«

»Super Deal«, beglückwünschte ich ihn.

»Да«, bestätigte er mit dem russischen Ja, »Da« gesprochen.

20072-Martin_DRUCK.pdf

Aus dem Agentenhandbuch

Lupe oder Weitwinkel?

Tichow erzählte mir nicht nur detailliert vom Geruch der Angst und von dem Muster auf der Strumpfhose der Kellnerin. Er war ein Lupentyp. Seine Aufmerksamkeit richtete sich häufig auf Details – was ihn zum V-Mann prädestinierte. In anderen Situationen konnte er sich auch einen Überblick verschaffen. Aber diese Gelegenheiten waren seltener. Somit verfügte er über zwei wichtige Eigenschaften: Detail- und Überblicksorientierung. Keines von beiden ist besser. Es gibt Momente, in denen ist der Überblick wichtiger als ein Detail, und es kann genau umgekehrt sein. Jeder von uns beurteilt dies von Fall zu Fall. Was ist jetzt wichtiger? Und das ist dann seine Realität. Hier gibt es kein Richtig und kein Falsch. Für uns Agenten ist es wichtig zu wissen, dass gewisse Dominanzen bestehen, dass Menschen sich je nach Typ und Kontext eher so oder eher anders verhalten können. Wenn wir die jeweilige Präferenz erkennen, können wir unser Verhalten anpassen, um eine Mission besser zum Erfolg zu führen. Bekommt unser Gegenüber das, was es gerade erwartet, fühlt es sich verstanden und aufgehoben. Die inneren Türen bleiben offen für uns. Der andere ist bereit, auf unsere Vorschläge einzugehen und unsere Angebote anzunehmen.

Die Modelle zur Menschenkenntnis, die ich Ihnen in diesem Buch vorstelle, sind eine Auswahl jener Muster, von denen ich in meinem Agentenalltag am meisten profitieren konnte. Agenten und Agentinnen sind Meister der Informationsbeschaffung – nicht nur bei geheimen Ermittlungen, sondern auch in den Methoden und Techniken zur Informationsbewertung – ihrem psychologischen Handwerkszeug. Dabei geht es nicht darum, das Rad neu zu erfinden, es geht auch nicht darum, sich in jedes kleinste Detail der unzähligen Erklärungsmodelle für menschliches Verhalten zu verbeißen. Wir konzentrieren uns auf pragmatische und für den Alltag taugliche Ansätze. Hier ist uns jedes Mittel recht. Egal ob altbewährt oder brandneu. Hauptsache, es versetzt uns in die Lage, Menschen besser zu durchschauen.

Wenn man die Facetten menschlichen Verhaltens nicht zu deuten weiß, kann es passieren, dass man öfter falsch liegt, als richtig. Oder, dass man sich ständig unverstanden fühlt, vielleicht sogar respektlos behandelt oder gar persönlich angegriffen. Man fühlt sich schlecht und ärgert sich. Aber warum? Weil der andere in einem anderen Takt tickt. Steht ihm das nicht zu? Eigentlich schon, schließlich nehmen wir das auch für uns selbst gern in Anspruch. Also können wir auch, was andere betrifft, etwas toleranter sein, oder? Agenten jedenfalls wissen, dass jeder in seiner eigenen Realität lebt.

Mancher Chef und manche Abteilungsleiterin wissen das nicht:

Der Chef Christian bittet seine Abteilungsleiterin Anika, kurz den Status eines Projektes zu schildern.

»Wir sind im Zeitplan«, erwidert Anika und möchte das Chefbüro flugs wieder verlassen, um im Zeitplan zu bleiben. Denn was soll sie sonst noch sagen?

»Wie, im Zeitplan?«, fragt Chef Christian nach, dem diese Antwort nicht genügt.

Abteilungsleiterin Anika führt in leicht genervtem Ton aus, dass die beauftragten Firmen pünktlich geliefert haben und man nun dabei sei, alles zusammenzuführen.

»Und sonst?«, fragt Christian.

Die Atmosphäre wird unangenehm. Anika fragt sich, was er von ihr will. Mehr als ihm zu versichern, dass alles prima läuft, kann sie doch nicht. Misstraut er ihr? Stimmt das Gerücht, dass er plant, die Abteilungen umzustrukturieren und ihre zwei besten Mitarbeiter in ein anderes Team versetzen will? Was hat er gegen sie?

Chef Christian fragt sich, was Abteilungsleiterin Anika vor ihm verheimlicht. Er würde gern mehr Details wissen. Welche Firma wann geliefert hat, in welchem Zustand die Ware ankam, ob die Mitarbeiter Überstunden machen, wie das Problem mit der Plastikfolie gelöst wurde … Da er das alles nicht hört, muss er davon ausgehen, dass das Projekt den Bach runtergeht.

Es erspart eine Menge Ärger, wenn man erkennt, was der andere gerade erwartet, zu welcher Sorte Mensch er zählt: detailorientiert oder überblicksorientiert. Nicht nur im Job, auch im Privatleben!

Lisa und Robin sind erst kürzlich zusammengezogen und laden zu einer Housewarmingparty ein. Das führt zum ersten dramatischen Krach in der Beziehung. Lisa will alles ganz genau durchplanen. Sie will Listen schreiben. Wer was einkauft, die Reihenfolge, in der die Speisen zubereitet werden, welche Deko in welchen Farben, Einladungskarten mit Füller schreiben oder am Computer ausdrucken.

Robin findet das total albern. »Es reicht doch, dass wir wissen, wie viele Leute kommen und dass genug Getränke da sind.«

Lisa und Robin haben verschiedene Möglichkeiten. Sie können sich gegenseitig vorwerfen, sich nicht zu verstehen, sie können todunglücklich sein und sich allein fühlen – oder sie können erkennen: Du bist so und ich bin anders. Wie können wir ein Team werden?

Jeder von beiden kann nach seinen eigenen Vorlieben und Stärken zum Gelingen der Party beitragen, wenn ihnen diese bewusst sind. Dasselbe gilt für ein Team im Job. Deshalb sollten Sie, wenn Sie einen neuen Mitarbeiter oder eine neue Mitarbeiterin einstellen, unbedingt herausfinden, ob er oder sie sich lieber um die Details kümmert oder das große Ganze plant. Als Agenten wissen Sie, wie Sie Ihrem Gegenüber die nötigen Informationen entlocken: Sie lassen sich eine Situation, einen Ablauf oder ein Erlebnis beschreiben und achten auf die Schilderung und Wortwahl Ihres Gesprächspartners. Womöglich weiß er selbst gar nicht, ob er ein Lupentyp oder ein Weitwinkler ist. Aber Sie wissen es dann. Natürlich kennen Sie Ihre eigenen Präferenzen. Und Sie wissen: Defizite sind die besten Hinweisgeber auf das Potenzial eines Menschen! Jemand ist nicht so, weil er so ist und Punkt. Jemand ist so – Punkt, Punkt, Punkt. Machen Sie das Beste draus!

Viele Menschen beherrschen Lupe und Weitwinkel und wechseln je nach Anforderung zwischen ihnen hin und her. Dennoch sind sie bei genauer Betrachtung detail- oder überblickslastig, zeigen eine deutliche Dominanz in die eine oder andere Richtung.

Wie gut kennen Sie sich? Wann richten Sie Ihren Blick eher auf das große Ganze und wann auf die Details?

Stellen Sie sich vor, ich würde Sie in einen Fall einweisen. Wäre es Ihnen lieber, wenn ich Ihnen zuerst einmal die relevanten Eckpunkte erläutern würde? Oder hätten Sie es lieber, ich würde ganz von vorne beginnen, damals, als Tichow zwei Männer nach Detmold chauffierte? Manche Menschen können das Gesamtbild erst erkennen, wenn Sie die Details auflisten. Sie erobern sich den Wald Zweig für Ast und Baum für Baum. Andere können sich den Details erst widmen, wenn sie den Zusammenhang insgesamt einmal erfasst haben. Sie sehen zuerst den Wald und erkennen später, dass darin ja Bäume stehen. Und da hängen doch glatt Äste dran. Und Zweige obendrein!

Und wie ist das mit Ihrem Kunden, dem Sie gern einen Laptop verkaufen würden? Wieso ihn mit Details über Bits und Bytes vollquatschen, wenn ihn das gerade gar nicht interessiert? Er will doch bloß wissen, ob er das Gerät an den Fernseher anschließen kann. Wenn Sie unsicher sind: Fragen Sie Ihr Gegenüber, um Fehler zu vermeiden. »Soll ich Ihnen erst mal einen groben Überblick geben oder interessieren Sie sich für ein bestimmtes Detail?«

Die wenigsten Menschen möchten ausschließlich die Details oder das Gesamtbild kommunizieren. Als Agenten entwickeln Sie im Laufe der Zeit ein Gespür, wann was sinnvoll ist.

Gut ist es, die grundsätzliche Dominanz für das eine oder andere zu erkennen, dies gibt schon mal die grobe Richtung vor, Ihr Gegenüber wird berechenbar.

Aber Vorsicht vor pauschalen Bewertungen! Entscheidend ist es herauszubekommen: Ist mein Gegenüber jetzt, in diesem Augenblick, in diesem konkreten Fall, bei dieser einen Sache an Details oder am Überblick interessiert? Braucht die Person jetzt gerade jedes technische Detail, alle Informationen zum Hersteller, zum Kundenservice und zur Garantie oder will sie das iPad einfach schnell bezahlen und raus aus dem Laden? Auch wenn der Käufer sonst immer größten Wert darauf legt, bestens informiert zu sein und alle Kriterien recherchiert hat, nie ohne Rückversicherung durch die Stiftung Warentest entscheidet. Heute ist es eben anders, das kommt vor. Agentinnen und Agenten sind flexibel.

Woran erkennen Sie den Lupentyp?

Er fasst die Welt in Einzelteilen auf, erobert sie sich Schritt für Schritt, setzt ein Puzzle zusammen zu seinem Bild. Er nimmt nicht alles auf einmal wahr, sondern teilt auf in für ihn angenehme Portionen. Er gewinnt einen Überblick durch die Details. Er spricht gern in Folgen: Wenn, dann. Er beschreibt alles sehr genau. Personen und Orte nennt er beim Namen und legt ihre Bezüge offen. Er erklärt, wie das eine zum anderen kommt, und zählt häufig auf: erstens, zweiten, drittens. Er kommt gern, wie man so schön sagt, vom Hölzchen aufs Stöckchen. Vorgestern, ich hatte gerade Zähne geputzt, wobei ich bemerkt habe, dass ich dringend Zahnpasta kaufen muss, letztens war sie mir ja mal ausgegangen, das ist noch nie passiert, jedenfalls war ich total spät dran, als ich dann endlich losgefahren bin, dabei wollte ich auf keinen Fall unpünktlich zu der Verabredung kommen, davon hing ja immerhin einiges ab, wie du weißt, habe ich wochenlang auf den Termin gewartet, aber wie zu erwarten, geriet ich wieder in diesen Stau, weil die doch diese Umleitung von nach über …

Wenn er unterbrochen wird, fängt der Lupentyp gern wieder am Beginn der jeweiligen Sequenz an, in der er unterbrochen wurde. Das kennen wir übrigens alle, wenn wir etwas alphabetisch einsortieren und von A durchzählen, bis wir wissen, wann R kommt, oder wenn wir beispielsweise einen Schlager oder ein Kinderlied nur singen können, wenn wir mit der ersten Strophe beginnen. An einer einzigen Zeile würden wir scheitern, wir müssen die Sequenz von vorne abrufen, Detail für Detail, um so zu einem Gesamtbild zu gelangen.

Lupentypen eignen sich hervorragend für Aufgaben, bei denen höchstes Augenmerk auf die Einzelheiten gerichtet werden muss, die ein Überblicksorientierter womöglich gar nicht erkennen könnte. War da was?

Wie möchte der Lupentyp behandelt werden?

Er möchte Zeit haben, seine Details gewürdigt wissen und nicht ständig unterbrochen werden. Darauf reagiert er unwirsch, weil es seine Denkprozesse stört. Details sind wichtig, da er aus ihnen ja ein Gesamtbild formt. Er bemüht sich, einen Sachverhalt für andere Menschen so darzustellen, wie er ihn selbst erklärt bekommen möchte. Im Umgang mit diesem Menschentyp sollte man keine Ungeduld an den Tag legen. Der Lupentyp versteht nicht, was man von ihm möchte, wenn man ihn auffordert, zum Punkt zu kommen. Genau das macht er doch gerade! Er ist aktiv dabei, einen Überblick herzustellen. Sie brauchen übrigens nicht zu befürchten, dass die Beschreibungen nie enden werden. Nach einer gewissen Zeit hat der Lupentyp sein Gesamtbild gefunden. Diese Zeit sollten Sie ihm geben.

Woran erkennen Sie den Weitwinkeltyp?

Er will sich einen Überblick verschaffen, ehe er sich um Details kümmert, und reagiert unwirsch, wenn er mit Details bombardiert wird, die seine Denkprozesse stören. Zu viele Details verwirren ihn obendrein. Er findet keinen roten Faden, nur Fasern. Leider finden seine Gegenüber oft auch keinen roten Faden, da der Weitwinkler sich manchmal so vage ausdrückt, dass keiner versteht, worum es eigentlich geht, was er wiederum gar nicht begreift. Für ihn ist die Sache klar. Gern verwendet er Wörter wie »allgemein« oder »generell«, und er spricht vom Wesentlichen, wonach er auch gezielt fragt, der Zusammenhang ist ihm wichtig. Sein Augenmerk ist auf Eckpunkte gerichtet. Er kümmert sich erst um die tragenden Säulen, dann kommt der Rest. Bei Zeitungen genügen ihm häufig die Überschriften, um im Bild zu sein.

Wie möchte der Weitwinkeltyp behandelt werden?

Er möchte vorab einen Überblick. Und keine langatmigen Beschreibungen, sondern den klaren, knappen Sachverhalt. Deshalb ist dieser Abschnitt auch so kurz. Halten Sie den Weitwinkeltypen nicht ohne Not mit Details auf. Und helfen Sie ihm, Sie zu schätzen, indem Sie hin und wieder mit einer Gesamtschau locken.

Agenten-Eignungstest

Wie gut kennen Sie sich selbst?

Je besser Sie sich kennen, desto leichter fällt es Ihnen, andere zu durchschauen. Sind Sie der Lupen- oder der Weitwinkeltyp? Welches Muster dominiert? In welchen Situationen sind Ihnen Details wichtiger? Bei welchen Themen bevorzugen Sie den Überblick?

Auftrag für Weitwinkel-Agenten:

1. Finden Sie eine detailorientierte Person in Ihrem Umfeld. Spitzen Sie die Ohren und hören Sie gut zu, wie andere sprechen. Auch im Fernsehen finden Sie detailorientierte Personen heraus. Sobald jemand in einem Interview frei spricht, verrät er seine Denkweise.

2. Verhalten Sie sich gegenüber Personen, die Sie einordnen können, übungshalber so geschmeidig wie möglich. Lassen Sie ein Klima entstehen, in dem sich Ihr Gegenüber wohlfühlt. Reagieren Sie nicht gelangweilt oder genervt! Bleiben Sie wachsam! Manche Perle schlummert im Monolog. Und vergessen Sie Ihre eigenen Details nicht. Achten Sie vor allem darauf, dass Sie Ihrem Gegenüber vor lauter Überblick nicht unkonkret erscheinen. Sie wollen nichts vor ihm verbergen. Deshalb bringen Sie auch einige Details zur Sprache. Und dann leiten Sie die Unterhaltung in die Richtung, in die Sie wollen.

Auftrag für Lupen-Agenten: