Leider besteht unser Leben nicht nur aus Sonnenschein, Harmonie und glücklichen Augenblicken. Angst und Gewalt bestimmen in weiten Teilen den Alltag auf der Welt. Drogensucht, Kindesmissbrauch, Verbrechen und Krieg sind in der Gesellschaft fast allgegenwärtig. Ebenso häufig existieren Todessehnsüchte, unbestimmte Ängste und Fantasien. Vor diesen Dingen die Augen zu verschließen, wäre wenig hilfreich. Der Dichter hat, will er ernstgenommen werden, geradezu die Pflicht, nicht nur die Schokoladenseite des Lebens in Verse zu fassen, sondern eben auch Albträume und Ängste zu thematisieren.
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© 2021 Wolfgang Walther, 2. überarbeitete Auflage
Alle Rechte vorbehalten
www.wolfgangwalther.de
Foto Seite 32 und 73 = Melling Rondell
Foto Seite 96 = Günter Havlena – Pixelio.de
Alle anderen Fotos einschließlich Umschlag – Wolfgang Walther
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 9783753413372
Manchmal verspürt, wie frisch getaut,
Hauch deiner Seele, meine Haut,
berühret mich so zart und glatt,
fast wie vom Rosenstrauch ein Blatt.
Dann weiß ich, dass du an mich denkst
und deinen Blick zum Himmel lenkst
und bittest ihn, er möge mich
erinnern, dass ich denk' an dich.
Ich ruf' zurück und sende dir,
nein, keinen Brief, kein Blatt Papier,
mein Traum fliegt hoch, weit in die Nacht
und findet dich, im Schlummer sacht.
Dort eint er sich mit den Gedanken,
die sich aus deinen Träumen ranken.
Gemeinsam steigen sie empor
und schweben durch der Zeiten Tor.
Dem Tor zu einer and’ren Welt,
die alle Träume einbehält.
Sie werden dort, noch in der Nacht,
zu feinem Sternenstaub gemacht
und wiederum zurückgesandt,
in unser Träume Wunderland.
Gott sei Dank! Nur ein Traum!
Erleichtert stellen wir fest, dass unsere Verfolger in einer anderen Welt zurückgeblieben sind, dass der Mord nicht wirklich geschehen ist, dass es keinen bodenlosen Abgrund gibt, in den wir fallen.
Schade, es war nur ein Traum.
Bedauernd schauen wir den schwindenden Gedanken hinterher. Versuchen, sie noch ein paar Augenblicke lang festzuhalten. Vergeblich. Je wacher wir werden, umso mehr verblassen die Bilder der Nacht.
Was sind Träume?
So ganz genau weiß das keiner.
Sind sie Abbild der Wirklichkeit, Spiegel unserer Seele? Tragen sie unsere geheimen Wünsche und Sehnsüchte mit sich? Führen sie uns bei Nacht auf dem Weg weiter, den wir am Tag beschritten haben? Zeigen sie uns, wie es hätte sein können? Warnen sie uns? Machen sie Hoffnung?
Im Traum des Schlafes erleben wir die Wirklichkeit, wie sie nie sein wird. Aber wir sind, während wir träumen, felsenfest von der Realität überzeugt und haben nicht den geringsten Zweifel an der Wirklichkeit des Geschehens, in dem wir agieren.
Ganz im Gegensatz zum Tagtraum. Hier stellen wir uns die Wirklichkeit in ihren Möglichkeiten vor, wie sie sein könnte, wie wir sie uns wünschen, uns träumen. Hier wissen wir, dass es nur Träume sind und auch bleiben. Wir malen uns kein Bild der Zukunft, wie sie vielleicht einmal sein könnte. Wir träumen uns Dinge und Situationen herbei, die nie oder zumindest nicht so passieren werden. Wir wünschen uns Eigenschaften, die wir nicht besitzen. Wir träumen uns ein Märchen.
Manchmal jedoch werden Träume wahr.
Die Tibeter beschreiben in ihrem „Totenbuch“ den Traum als die andere Realität der Seele, an die wir im Schlaf mit einer goldenen Kette gebunden sind.
Wenn uns aber etwas vorzeitig aus unseren Träumen hole, wie z.B. das Klingeln eines Weckers und wir uns erschrecken würden, sei der Ruck an der Kette oft so heftig, dass wir uns deshalb nicht mehr an sie erinnern könnten. Aber wenn wir unseren Körper am Ende des jetzigen Lebens verlassen dürfen, risse diese Kette und wir befänden uns, losgelöst von unserer sterblichen Hülle, in dieser „anderen Realität“, und träumten vom nächsten Leben.
Träume sind „Lichtgestalten“. Nicht greifbar! Nicht angreifbar! Nicht unerfüllbar! Nur, wenn wir uns den einen Traum erfüllt haben, müssen wir dafür Sorge tragen, einen anderen in petto zu haben. Lessing lässt seinen Rächer in „Nathan der Weise“ sagen: „Wenn denn nun einer meiner Wünsche wärmster, innigster, erfüllet ist, was dann? Ah, ich erschrecke!“
Träume sind wie Wünsche. Wünsche, die nicht immer erfüllt werden müssen, die uns wach halten. Bis auf die wenigen, gottlob flüchtigen Augenblicke des „Wunschlos-Glücklich-Seins“.
Das Streben nach dem „All-Eins-Sein“, lässt uns lieben, weiterleben, weiterträumen.
Solange wir leben, träumen wir, solange wir träumen, leben wir. Denn die Träume treiben uns voran. Sie lassen uns immer wieder nach Neuem suchen, nach Veränderung streben, vorwärts eilen.
Der Tag erwacht,
es flieht die Nacht,
der Amsel Lied begrüßt den Morgen.
Leicht ist mein Sinn,
wie froh ich bin,
fernab von allen meinen Sorgen.
Gedanken sind
schnell wie der Wind
und Träume flüchtiger als Nebel.
Ich hol' sie vor,
brech' auf das Tor,
nehm' die Erinnerung zum Hebel.
Hab' ich's getan,
kommt purer Wahn,
den ich, weiß Gott, nicht sehen wollte
und stoß’ zum Glück
ihn schnell zurück,
dorthin, wo er auch bleiben sollte.
Mein Traumgescheh'n
mag ich nicht seh'n,
mit wachem Geist an hellem Tage.
Ich fände dort
manch' dunklen Ort,
nach dem Woher käm' auf die Frage.
Der Traum ist schön,
wenn wir ihn seh'n,
und tief darinnen mit ihm träumen.
Doch wagt es nicht,
das Traumgesicht
zu pflücken von des Schlafes Bäumen.
Gott ist mein Zeuge,
ich hab' es versucht.
Ich wollte vergessen,
die Träume verflucht,
die mich quälten, mich riefen,
bei Tag wie bei Nacht,
die Seele und Herz
zum Brennen gebracht.
Nicht mehr sträuben, nicht wehren,
bin besiegt und muss geh'n.
Wohin wird mein Weg führen?
Hat der Wind mich geseh'n?
Wo ich war, muss ich fort,
kann nicht sein, wo ich bin,
Manche Tür ist verschlossen,
macht das alles noch Sinn?
Ich bitt' dich, Traum, bleibe,
und bist du auch fern,
so leuchten uns immer,
gleicher Mond, gleiche Stern.
Quält dann mich die Sehnsucht,
und reißt mich entzwei,
kann nichts mehr mich halten,
dann flieg’ ich mich frei!
Träume fliegen ...
Wispergras an Sonnentagen,
Kuckucksruf und Finkenschlagen,
lieg' im weichen, grünen Moos
und schick' meine Träume los.
Schick' sie zu den Sahnewolken,
die der Himmel frisch gemolken,
und im Winde, sanft und lau,
treiben sie durch's helle Blau,
fliegen über satte Wiesen,
wo die Butterblumen sprießen
und wo manch' gefleckte Kuh
kaut in ihrer Mittagsruh'.
Gleiten über Fluss und Auen,
werden nimmer satt vom Schauen,
fliegen über's weite Land,
von den Bergen bis zum Strand.
... kommen wieder
Und ich lasse sie enteilen,
lass' sie nirgendwo verweilen,
lass' sie schauen, Stück für Stück,
und hol' schließlich sie zurück.
Lausche ihnen beim Erzählen,
wenn sie sich mit mir vermählen,
und trink' gierig jedes Bild,
das sich nach und nach enthüllt,
Spür' der Träume sanftes Beben,
denn sie wollen mehr erleben,
hör' voll Neid auf jedes Wort
und schick' sie auf's neue fort.
... werden Wünsche
Ach, könnt' ich mit ihnen fliegen,
einmal nur die Macht besiegen,
die auf dieser schönen Welt
mich so fest am Boden hält,
hoch und höher würd’ ich steigen,
ließ mir alle Sterne zeigen,
würde kreisen, wenn ich kann,
auf der Erdenumlaufbahn.
Niemals altern und nicht sterben,
um die Gunst der Sonne werben,
eins zu sein mit Nacht und Licht,
etwas and'res wollt' ich nicht.
... bringen Fragen
Weit und weiter würd' ich fliegen,
würde Raum und Zeit verbiegen,
bis zur fernsten Galaxie,
und der Sternen Melodie
sollte meinen Weg begleiten.
Irgendwann, nach Ewigkeiten,
wenn am Mittelpunkt der Welt
ich die Reise eingestellt,
und der Anfang allen Lebens
vor mir liegt, und ich vergebens
nachgefragt nach dessen Sinn,
spür' ich, dass ich müde bin.
... suchen Antwort
Was das hungrig' Aug' gesehen,
kann das Herz oft nicht verstehen,
und für alle Zeit verging,
woran manche Frage hing.
In dem Drang, es zu erkennen,
drohte ich, am Licht zu brennen,
weil die Sehnsucht mich betrog
und mich immer weiterzog.
... und versinken
Müsst nun endlich Ruhe geben,
hier und heut' geschieht mein Leben!
Fliegt, ihr Träume, fliegt davon!
Was ich brauche, hab' ich schon.
Lasst mich hier, bei meinen Wäldern,
meinen Wiesen, meinen Feldern.
Lockt die Welt auch, bunt und weit,
bin zum Reisen nicht bereit.
Warum sollte ich nach fernen
Monden suchen, oder Sternen?
Jede Antwort, die gelingt,
doch nur neue Fragen bringt.
Jedes Sehnen, jedes Hoffen
lässt schon wieder Wünsche offen,
und in manchem, was gescheh'n,
wird so manches auch vergeh'n.
So lass’ mich geh’n, du falscher Zwang,
ich mag nicht mit dir handeln,
in dir war ich doch viel zu lang,
jetzt ist es Zeit zum Wandeln.
Im Wolkendunst, eiskalt und grau,
bin ich so schwer gefangen.
Du fehlst mir so, mein Himmelsblau,
wie muss ich um dich bangen!
Hol’ mich zu dir, du freier Wind,
mit deinen rauen Schwingen,
wohin du wehst, folg’ ich dir blind
und werde mit dir singen.
Flieg’ Vogel Traum, und nimm mit hin,
mein Hoffen und mein Sehnen,
befreie mich und meinen Sinn
und schick‘ mir keine Tränen.
Wie nasses Tuch liegt Nebel auf dem Land, schwer und satt. Kaukasenhündin Jana dreht den Kopf.
‘Willst du wirklich da raus?’, fragt mich ihr Blick.
Unlustig trabt sie los.
Die Sonne hat es nicht geschafft, ihre Strahlen bis zur Erde dringen zu lassen. Nun fallen dicke Tropfen von den feuchten Ästen. Hoffentlich wird es am Wochenende schön.
Nach wenigen Schritten hat uns der milchige Dunst aufgenommen. Wir können nur ein paar Meter weit sehen. Kein Laut unterbricht die unheimliche Stille. Voraus am Wegesrand winken vielarmige Riesen mit krummen Fingern, hocken bucklige Zwerge - verwandeln sich beim Näherkommen in Bäume und Büsche. Der Hund schnuppert kaum und schaut, dass er weiterkommt. Die Feuchtigkeit scheint alle Spuren und Gerüche zu überlagern. Ich schlage meinen Kragen hoch und lege auch einen Schritt zu. Mittlerweile sind wir durchnässt und haben keine Lust mehr.
Wir gehen unsere übliche Runde, jedoch will ich heute eine Abkürzung nehmen. Bei diesem Wetter muss der Spaziergang nicht unbedingt ausgedehnt werden. Hauptsache der Hund erledigt sein Geschäft ordentlich.
Im Moment hat sie jedoch nichts dergleichen im Sinn, schnüffelt lustlos an Grasbüscheln und Pferdeäpfeln und trottet den kleinen Hügel hinauf, ich hinterher. Es heißt hier höllisch aufpassen, um nicht in eines der glänzenden Andenken an Ausritte zu treten. Obwohl die Leute vom nahen Ponyhof die Gesetze kennen und ganz genau wissen, dass sie im Wald nichts zu suchen haben, führen sie ihre