Begriffserklärungen

Albträume

lebendige, sehr belastende Träume

CPAP-Therapie

kontinuierliche Maskendruckbeatmung im Schlaf

Elektroenzephalogramm

Aufzeichnen der Hirnstromkurven (EEG)

Elektrokardiogramm

Aufzeichnung der Herzaktivität (EKG)

Elektrookulogramm

Aufzeichnen der Augenbewegungen (EOG)

Elektromyogramm

Aufzeichnen der Muskelspannung (EMG)

Hertz

Schwingungen pro Sekunde (Hz)

Hypersomnie

Tagesmüdigkeit bei subjektiv ungestörtem Schlaf

Insomnie

Ein- und Durchschlafstörungen

Lux

Maß für die Helligkeit von Licht (lx)

NONREM-Schlaf

NON Rapid Eye Movement Schlaf (NONREM-SCHLAF)

Parasomnie

»para« = während und »somnia« = Schlaf

Pavor Nocturnus

Hochschrecken aus dem Schlaf

Rapid Eye Movement Schlaf

Schlaf mit Augenbewegungen (REM-Schlaf)

REM-Schlaf-Verhaltensstörung

Ausleben von Träumen im Schlaf

Restless-Legs-Syndrom

Syndrom der unruhigen Beine (RLS)

Schalldruckpegel

Lautstärkemaß (dB (A))

Schlaf-Apnoe-Syndrom

Atemaussetzer im Schlaf (SAS)

Schlafeffizienz

Schlafzeit/im Bett verbrachte Zeit x 100 %

Schlafhygiene

Regeln, die den Schlaf »pflegen« und »reinhalten«

Somnambulismus

Schlafwandeln

Sundowning

Unruhe-Zustände in der Dämmerung

ultradian

»ultra« ~ kürzer und »dies« = Tag → kürzer als ein Tag

zirkadian

»circa« = ungefähr und »dies« = Tag → ungefähr ein Tag

Vorwort

Rechnet man die Stunden zusammen, die wir im Laufe unseres Lebens schlafen, so kann man sagen, dass wir etwa ein Drittel unseres Lebens im Schlaf verbringen. Meistens ist der Schlaf für uns so selbstverständlich, dass wir ihn trotz der vielen im Schlaf verbrachten Stunden kaum bewusst registrieren. Erst wenn wir keinen Schlaf mehr finden können und uns nachts unruhig hin- und her wälzen, werden wir uns unseres Schlafes und seiner enormen Bedeutung bewusst. Menschen mit Schlafstörungen wünschen sich nichts sehnlicher, als wieder gut schlafen zu können, aber genau dieses starke Verlangen erschwert oft den Weg zurück zum erholsamen Schlaf. Daraus ergeben sich Fragen. Verhalte ich mich falsch? Oder ist es normal, dass man im Alter wirklich weniger bzw. schlechter schläft? Soll ich Medikamente nehmen? Was kann ich tun, damit ich wieder besser schlafen kann? Abgesehen von diesen wichtigen, häufig gestellten Fragen ist auch die Bewältigung des Alltags insbesondere für ältere Menschen mit Schlafstörungen sehr quälend. Sie fühlen sich durch die ständige Schlaflosigkeit abgeschlagen und versuchen dann durch kleine Nickerchen trotzdem einigermaßen aktiv durch den Tag zu kommen. Aber gerade durch dieses Verhalten kann sich die Schlafstörung möglicherweise sogar noch verfestigen. Der vorliegende Ratgeber soll Ihnen schlafmedizinische Erkenntnisse anschaulich machen. Wir hoffen, dass Sie durch die Lektüre dieses Buches Hilfe, Anregungen und Informationen erhalten, die Ihnen im Umgang mit Ihrer Schlaflosigkeit helfen oder aber auch von Ihnen betreuten älteren Menschen mit Schlafstörungen zu Gute kommen. Abschließend hoffen wir, mit diesem neuen Band aus dem Kohlhammer Verlag älteren Menschen, die unter Schlaflosigkeit leiden, etwas Hilfestellung geben zu können.

Berlin, Juli 2008

Jürgen Staedt, Yehonala Gudlowski, Marta Hauser

Einführung

Wie und wie gut wir schlafen ist im Verlaufe unseres Lebens einem stetigen Wandel unterworfen. Bestimmte Veränderung mit zunehmendem Lebensalter sind normal und gehen ohne wesentliche Beschwerden oder Einbußen der Lebensqualität vonstatten. So treten mit dem höheren Alter vor allem Veränderungen des Tag-Nacht-Rhythmus (auch als zirkadiane Rhythmik bezeichnet) auf.

Im Wesentlichen verschiebt sich dieser Rhythmus im Alter nach vorn, was bedeutet, dass ältere Menschen oft zu zeitig zu Bett gehen und entsprechend früher in den Morgenstunden aufwachen. Auch verkürzt sich die Gesamtschlafdauer im Alter, da ältere Menschen häufig bis zu einer Stunde am Tag Nickerchen machen. Dies sind jedoch im gewissen Rahmen natürliche Veränderungen, da sich z. B. auch der Tiefpunkt der Körpertemperaturkurve (niedrigste Körpertemperatur ca. 3.00 Uhr morgens) ebenfalls vorverlagert. Verstärker dieser Rhythmusveränderungen im Alter sind häufig mit der Berentung einhergehende Veränderungen des Lebensrhythmus mit weniger Aktivität und sozialen Kontakten. Anders verhält es sich hingegen mit schwerwiegenden Schlafstörungen, die durch altersbedingte körperliche wie seelische Beschwerden hervorgerufen werden. Dies betrifft besonders Störungen des Einschlafens und häufiges und langandauerndes nächtliches Aufwachen (beides wird mit dem Begriff »Insomnie« beschrieben). Untersuchungen deuten daraufhin, dass fast jeder zweite im Alter von 65 Jahren und älter unter Einschlaf- und Durchschlafschwierigkeiten leidet, wobei Frauen in der Regel häufiger als Männer betroffen sind (siehe auch Kapitel 5 Wechseljahre). Nächtliches Erwachen kann durch unterschiedliche Ursachen ausgelöst werden, so z. B. durch Schmerzen von Muskeln und Gelenken, Harninkontinenz aufgrund von Prostatavergrößerung oder Gebärmutterabsenkung, Einnahme von Medikamenten, Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Erkrankungen der Atemwege.

Auch alterstypische Erkrankungen wie Demenzen (z. B. die Alzheimersche Krankheit) gehen sehr oft mit erheblichen Schlafstörungen einher. So leiden Menschen mit Alzheimer-Demenz nicht nur unter Einschlafstörungen, sondern unter wiederholtem nächtlichem Aufwachen, was sich mit Fortschreiten der Erkrankung verstärkt und zu erheblicher Tagesmüdigkeit und längeren Schlafphasen während des Tages führt (Hilfestellungen siehe Kapitel 9.1).

Auch bei der Parkinsonschen Krankheit erschweren Zittern (Tremor) und die Unfähigkeit sich nachts im Schlaf bewegen zu können (Akinese), das Ein- und Durchschlafen. Auch sind bei dieser Erkrankung intensive Träume und Albträume ein nicht seltenes, dafür aber quälendes Phänomen. Schmerzen und Unruhe in den Beinen (siehe Kapitel 8 Restless Legs Syndrom) können im Rahmen dieser Erkrankung ebenfalls erheblich den Schlaf stören.

Bei der Parkinson Erkrankung und der Parkinsondemenz, aber auch unter Verordnung von Antidepressiva (sog. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) kann eine weitere Schlafstörung auftreten, die als REM-Schlaf-Verhaltensstörung bezeichnet wird. Hiervon sind hauptsächlich Männer (selten auch Frauen) ab dem 60. Lebensjahr betroffen. Diese Form der Schlafstörung führt dazu, dass die normalerweise während des Träumens (also in der REM-Phase, Erläuterung zu den Schlafphasen unter Punkt 1.1) gelähmte Muskulatur aktiviert wird, sodass die Betroffenen ihre Träume mit zum Teil heftigen Bewegungen ausleben, was nicht selten zu blauen Flecken und Verletzungen der Betroffenen und ihrer Bettpartner führt. Wir werden in Kapitel 9.8 und 9.9 noch genauer auf diese sog. REM-Schlaf-Verhaltensstörung und deren Therapie eingehen.

Vor dem Hintergrund internistischer Erkrankungen spielen natürlich auch Übergewicht, Bluthochdruck und Schnarchen bis hin zum sog. Schlaf-Apnoe-Syndrom für den Schlaf im Alter eine gewichtige Rolle. Hierauf wird ebenfalls in den gesonderten Kapiteln 3, 4 und 7 eingegangen.

Ferner nehmen Menschen im höheren Lebensalter oft eine Vielzahl unterschiedlicher Medikamente ein, deren angemessene Dosierung oder Kombination häufig im Langzeitverlauf nicht hinreichend vom Arzt überprüft wird und die ursächlich den Schlaf verschlechtern können. Vor allem ältere Menschen, insbesondere bei Vorliegen internistischer Erkrankungen (z. B. der Leber), reagieren oft besonders empfindlich auf verschiedene Substanzen, seien es Medikamente oder anregende Genussmittel wie Koffein oder Nikotin (siehe Kapitel 11 und 12). In diesem Zusammenhang sei abschließend noch der Einsatz von Alkohol zur Schlafförderung erwähnt. Auch wenn Alkohol zunächst das Einschlafen erleichtert, so führen doch selbst geringe Mengen zu einer Verschlechterung des Schlafes in den frühen Morgenstunden (siehe unter Kapitel 11).

1 Wie viel Schlaf braucht man eigentlich?

Gerade Menschen, die unter Schlaflosigkeit leiden, stellen häufig diese Frage – nicht zuletzt mit der Sorge, aufgrund ihrer Schlafstörungen gesundheitlichen Schaden zu nehmen. Eine allgemein gültige Antwort auf diese Frage lässt sich jedoch nicht geben. Das individuelle Schlafbedürfnis variiert von Person zu Person, es ist angeboren und lässt sich durch Umgebungsbedingungen nur wenig verändern. Die meisten Menschen schlafen zwischen 7 und 8 Stunden, nur wenige schlafen weniger und kommen z. B. mit 4–5 Stunden Schlaf aus. Andere wiederum benötigen 10 Stunden um sich ausgeruht zu fühlen. Dabei unterscheidet sich die Schlafqualität von Kurz- und Langschläfern nicht: Die Schlaftiefe ist bei Kurzschläfern nicht schlechter und die Leistungsfähigkeit nicht geringer. In der Geschichte hat es beispielsweise sowohl berühmte Kurzschläfer wie den englischen Premierminister Winston Churchill oder Langschläfer wie den Entdecker der Relativitätstheorie Albert Einstein gegeben. Allerdings sei erwähnt, dass Churchill nachts nur 5 Stunden schlief, dafür aber immer Mittagsschlaf hielt.

Zusammengefasst muss man sich zur Beantwortung der Frage also nach seiner individuellen Veranlagung richten: Man braucht genau so viel Schlaf, wie man benötigt, um seine im Alltag anstehenden Anforderungen ohne Einschränkungen durch Müdigkeit zu bewerkstelligen. Ein Unterschreiten der gewohnten Schlafdauer bewirkt ein Gefühl von Abgeschlagenheit und Konzentrationseinbußen am Tage, während ein Überschreiten der gewohnten Schlafdauer dazu führt, dass man morgens zur gewohnten Aufstehzeit nur noch leicht schläft und häufiger kurz aufwacht. Folglich bringt ein mehr an Schlaf keine verbesserte Leistungsfähigkeit, sondern kann auch Abgeschlagenheit hervorrufen. Einzelheiten über die Auswirkungen einer längerfristigen Schlafstörung auf die Gesundheit können Sie in Kapitel 3 nachlesen.

1.1 Wie untersucht man den Schlaf?

Der Schlaf lässt sich im Schlaflabor mithilfe von sog. Elektroden untersuchen, die von außen auf die Kopfhaut geklebt werden. Diese Untersuchungstechnik wird in der medizinischen Fachsprache als Elektroenzephalogramm (frei übersetzt: Hirnstromkurvenableitung) bezeichnet (Abb. 1). Viele Vorgänge im Gehirn werden in Form von elektrischen Impulsen zwischen den Nervenzellen des Gehirns bewerkstelligt. Je nach Aktivierungsgrad des Gehirns verändert sich die Aktivität der Nervenzellen, deren elektrische Impulse mithilfe auf der Haut aufgeklebter Elektroden erfasst werden. Die Häufigkeit der Impulse pro Sekunde stellt dabei das Maß der Messung dar und wird mit der Einheit Hertz (Hz) bezeichnet.

Bei entspannter Wachheit, wenn wir zum Beispiel im Sessel sitzen und an nichts Belastendes denken, arbeiten unsere Nervenzellen mit 8 – 12 Impulsen pro Sekunde, was man dann als 8–12 Hz Alpha Aktivität bezeichnet. Bei Stress oder Ängsten arbeiten die Nervenzellen schneller, mit mehr als 14 Impulsen pro Sekunde (14 Hz). Im Schlaf hingegen verlangsamt sich die Aktivität der Nervenzellen. Beim Einschlafen liegt die Aktivität der Nervenzellen bei etwa 6–7 Impulsen pro Sekunde (6 – 7Hz) und geht im Tiefschlaf auf 1 – 3 Impulse pro Sekunde (1–3 Hz) herunter. In Abbildung 2 ist zu sehen, wie sich nach dem Einschlafen mit zunehmender Schlaftiefe die Aktivität der Nervenzellen zunehmend verlangsamt, um dann am Ende des ersten Schlafzyklus wieder zuzunehmen. Dieser Zyklus wiederholt sich dann, wie auf der Abbildung 2 zu sehen ist, bis zu 4-mal pro Nacht. Beim Übergang von einem zum nächsten Schlafzyklus bewegt man sich in der Regel, was besonders im Alter bei Menschen mit Parkinson Erkrankung erschwert ist.

Zusätzlich zum Elektroenzephalogramm, welches die Gehirnaktivität misst, werden mit weiteren Elektroden die Spannung der Kinnmuskulatur und die Augenbewegungen aufgezeichnet (Abb. 1). Dies geschieht, um die Schlafstadien besser vom Wachzustand unterscheiden zu können. Das ist möglich, weil die Muskelaktivität in den Schlafstadien im Gegensatz zum Wachzustand ganz deutlich abnimmt, gleichzeitig treten in einem bestimmten Schlafstadium schnelle Augenbewegungen auf, die auf der Abbildung 2 oben rechts zu sehen sind. Diese schnellen Augenbewegungen werden englisch »rapid eye movement« genannt – und da sie ein charakteristisches Merkmal dieses Schlafstadiums darstellen, wird es als »REM-Schlafstadium«, also aus dem Englischen übesetzt als Schlafstadium mit schnellen Augenbewegungen, bezeichnet. Alle weiteren Schlafstadien nennt man entsprechend »NONREM-Schlaf« (übersetzt »Nicht-REM-Schlaf«), da hier keine schnellen Augenbewegungen auftreten. Den NONREM-Schlaf untergliedert man weiterhin in die Schlafstadien I bis IV. Wobei das NONREM-Stadium I den sehr leichten und das NONREM-Station IV den sehr tiefen Schlaf umfasst.

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Abbildung 1: Darstellung der Elektrodenlage für die Schlaf-EEG Untersuchung. Die Elektroden werden nur aufgeklebt und man kann erstaunlicherweise damit schlafen. Die Elektroden am Kinn dienen der Beurteilung der Muskelaktivität im Schlaf.
Abkürzungen: EEG = Elektroenzephalogramm zum Aufzeichnen der Hirnstromkurven; EOG = Elektrookulogramm zum Aufzeichnen der Augenbewegungen und EMG = Elektromyogramm zum Aufzeichnen der Muskelspannung

Der Schlafzyklus beginnt immer mit dem NONREM-Schlaf und endet mit dem REM-Schlaf. Ein Schlafzyklus dauert ca. 90 bis 120 Minuten und wiederholt sich pro Nacht etwa 4–5-mal (s. Abb. 3).

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Abbildung 2: Schlafzyklus mit der Darstellung der Abnahme der Aktivität der Nervenzellen vom Einschlafen bis zum Tiefschlaf und der Zunahme der Aktivität im REM-Schlaf. Die Dauer eines Schlafzyklus liegt bei ca. 100 Minuten und wiederholt sich 4–5-mal während der Nacht.

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Abbildung 3: Normschlafprofil eines nicht schlafgestörten Erwachsenen
REM: Rapid Eye Movement Schlaf; NONREM I-IV: NON Rapid Eye Movement Schlaf; Stadium I-IV (NONREM I, II: leichter Schlaf; NONREM III, IV: tiefer Schlaf)

1.2 Wie verändert sich der Schlaf im Alter und wie häufig sind Schlafstörungen im Alter?

Die Schlaftiefe und die Schlafdauer verändern sich mit zunehmendem Alter. Das oben dargestellte charakteristische Schlafprofil verändert sich derart, dass es zu einer Verringerung der NONREM-Schlafstadien III und IV kommt, die durch eine Zunahme des leichteren Schlafstadiums I abgelöst werden. Es kommt verstärkt zu nächtlichen Wachphasen, in denen der Schlaf für einige Zeit unterbrochen wird sowie zu häufigeren Wechseln der Schlafstadien (vergleiche Abb. 3 und. 4).

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Abbildung 4: Normschlafprofil eines älteren Menschen mit Abnahme des Tiefschlafes
REM: Rapid Eye Movement Schlaf; NONREM I-IV: NON Rapid Eye Movement Schlaf; Stadium I-IV (NONREM I, II: leichter Schlaf; NONREM III, IV: tiefer Schlaf)

Hierzu ist anzumerken, dass kurze Aufwachvorgänge ganz »normal« sind, auch normale Schläfer wachen bis zu 4-mal pro Stunde kurz auf, drehen sich z.B. und schlafen sofort wieder ein. Daher erwacht auch ein »normaler Schläfer« bei einer 6-stündigen Schlafdauer kurzzeitig bis zu 24-mal! Ältere Menschen mit Schlafstörungen nehmen diese kurzen Aufwachphasen aber verstärkt wahr, da diese im Alter häufiger auftreten und länger dauern können. Hinzu kommt, dass ältere Menschen häufig bis zu einer Stunde nach dem Mittagessen schlafen und dann schon wieder gegen 21.00 Uhr schlafen gehen wollen. Die Nickerchen sollten etwa nur 10–30 Minuten lang sein, da man sich ansonsten eher unkonzentrierter, missmutiger oder sogar noch müder als zuvor fühlt. Zudem vermindern zu lange Nickerchen tagsüber den Schlafdruck, sodass das Einschlafen schwerer fällt und die Betreffenden z. B. spätestens gegen 5.00 Uhr morgens eine durchschnittliche 7-stündige Schlafzeit absolviert haben. Da aber früh morgens die meisten noch schlafen, hat man als Betroffener schnell das Gefühl, nicht ausreichend lange geschlafen zu haben. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist es leichter nachvollziehbar, dass über 40 % der Älteren über Ein- und Durchschlafstörungen klagen. Zusammenfassend sind die Veränderungen des Schlafes im Alter in den meisten Fällen nicht nur Folge einer »Altersentwicklung«, sondern vielmehr durch Veränderungen im Aktivitätsrhythmus älter werdender Menschen mithervorgerufen. Deshalb können Schlafstörungen auch zum Teil durch eine bewusste Änderung der Lebensführung positiv beeinflusst werden. In Kapitel 10 wird erläutert, wie sich Schlafstörungen aus Veränderungen des Lebensrhythmus heraus entwickeln und sich durch ungünstige Verhaltensweisens sogar noch verfestigen. Oftmals ist eine Verbesserung des Schlafes schon durch eine einfache Aufklärung über die Ursachen und Veränderung des Schlafes im Alter zu erreichen. Diese altersbedingten Veränderungen des Schlafes finden sich bei älteren Menschen mit einer Alzheimer-Demenz jedoch noch stärker ausgeprägt. Aber auch hier kann man durch Informierung der Angehörigen und Betreuer und der Betroffenen selbst zu einer Verbesserung des Nachtschlafes beitragen (siehe Kapitel 9.1).

Bei Schlafstörungen im Alter müssen selbstverständlich auch körperliche Faktoren oder Erkrankungen unbedingt ausgeschlossen werden. Insbesondere spielen hier nächtliche Atempausen (das sog. »Schlaf-Apnoe-Syndrom«, abgekürzt: SAS) einerseits und andererseits das Syndrom der unruhigen Beine (englisch: »Restless Legs Syndrom«, abgekürzt: RLS), ein wichtige Rolle. Auf die Zusammenhänge mit diesen beiden körperlichen Erkrankungen wird in den Kapiteln 7 und 8 noch ausführlich eingegangen werden. Mit dem Einfluss anderer körperlicher sowie seelischer Erkrankungen auf den Schlaf befassen sich die Kapitel 3, 4 und 5.

1.3 Verschiedene Formen von Schafstörungen

Wer unter Schlafproblemen leidet, wird sich eventuell irgendwann entscheiden, diesbezüglich einen Arzt zu konsultieren. Dieser muss sich dann ein genaues Bild von den Schlafproblemen machen, um die richtige Behandlung einleiten zu können, denn es gibt verschiedene Arten von Schlafstörungen, die einer unterschiedlichen Behandlung bedürfen. Die Schlafstörungen kann man grob in 4 verschiedene Kategorien unterteilen:

Im Folgenden werden wir genauer auf die einzelnen Formen der Schlafstörungen eingehen.

1.4 Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien)

Charakteristischerweise kommt es bei den Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien) durch Probleme beim Einschlafen und/oder durch nächtliches Aufwachen, also durch eine Verkürzung der Schlafzeit, zu einem Mangel an Schlaf. Viele Menschen kennen diese Art von Schlafstörungen von sich selbst als vorübergehende Reaktion auf Stress, bevorstehende aufregende Ereignisse oder im Rahmen körperlicher Erkrankungen. Solche vorübergehenden Schlafstörungen von einigen Tagen bis hin zu 3 Wochen führen Menschen eher selten zum Arzt oder in psychotherapeutische Behandlung. Die Auftretenshäufigkeit dieser vorübergehenden Schlafstörungen ändert sich übrigens nicht mit zunehmendem Lebensalter. Anders hingegen sieht es mit den chronischen Schlafstörungen aus: Das Auftreten von chronischen Schlafstörungen ist in der Altergruppe der über 65-Jährigen am höchsten, wobei besonders ältere Frauen viel häufiger als jüngere Frauen über Schlafstörungen berichten. In einer großen Untersuchung mit 6000 älteren Teilnehmern gaben 29 % Einschlafstörungen und 42 % Ein- und Durchschlafstörungen an. Die höhere Auftretenswahrscheinlichkeit längerfristiger Schlafstörungen im Alter steht v.a. in Beziehung zu in der Medizin bereits gut bekannten biologischen Faktoren. Hier sind in erster Linie Funktionen unseres Körpers gemeint, die innerhalb von 24 Stunden einmal einen minimalen und maximalen Wert aufweisen. Diese zirkadianen Rhythmen (von lat. »circa« = ungefähr und lat. »dies« = Tag), z.B. die der Körpertemperatur und des Schlafhormons Melatonin, verschieben sich nach vorne und auch die maximale Auslenkung wird geringer. Zudem wird unsere zirkadiane Rhythmik natürlich auch stark durch die Umwelt und die Art, wie wir unseren Tag gestalten, geprägt. So haben wir bei der Geburt noch einen ultradianen Rhythmus (von lat. »ultra« = über ~ kürzer und lat. »dies« = Tag), daher laufen unsere Rhythmen in einem 3- bis 4-stündigen Rhythmus ab. Durch die Kontakte mit den Eltern und das Stillen zu festgesetzten Zeiten gewöhnen wir uns langsam an den 24-stündigen, zirkadianen Rhythmus, sodass wir meisten ab dem 4. Monat nachts durchschlafen (siehe Abb. 5). Ab dem 8. Lebensjahr benötigen wir auch keinen Mittagsschlaf mehr und unser Rhythmus wird maßgeblich durch die Schule mit geprägt. Nach der Pubertät ändert sich eigentlich nichts, die Rhythmen unserer Schlafhormonausschüttung und der Körpertemperatur bleiben stabil, trotzdem verspüren wir den Drang, nachts länger aufzubleiben und auszugehen, und schlafen kompensatorisch tagsüber. Spätestens die Ausbildung und die Aufnahme der Berufstätigkeit zwingen uns dann allmählich wieder in einen ganz festen Schlaf-/Wachrhythmus, der sich erst viel später mit dem Auszug der Kinder und/oder der Berentung ändert. Hier können z. B. berentungsbedingte Einschränkungen der sozialen Kontakte, aber auch im Alter verstärkt auftretende körperliche und seelische Erkrankungen unsere Aktivität am Tage einschränken und dadurch Schlafstörungen begünstigen. Bestehen im Alter Schlafprobleme länger als einen Monat, sollten Sie ein Schlaftagebuch führen (siehe Anhang) und die Bedingungen, unter denen die Schlafstörungen auftreten, genau analysieren! Sowohl in der Bevölkerung als auch speziell unter Ärzten kursiert leider noch immer das Vorurteil, dass die Entwicklung von Schlafstörungen im Alter ein »normaler Alterungsprozess« sei!

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Abbildung 5: Veränderung und Beeinflussung der menschlichen Schlaf-/Wachrhythmen über die Lebensspanne. Schwarze Balken = Schlafphasen (aus Staedt & Riemann Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen, 2007).

1.4.1 Ursachen von Ein- und Durchschlafstörungen im Alter

Schauen wir uns die Ursachen für chronische Schlafstörungen im Alter noch mal genauer an: Mit zunehmendem Alter kommt es zu einigen Veränderungen im Schlaf, die bereits in Kapitel 1.2 erwähnt worden sind und die zur Entwicklung von Ein- und Durchschlafstörungen beitragen können. So nehmen die langsamen Hirnstromwellen in den tiefen NON-REM-Schlafstadien III und IV ab, während der sog. leichte Schlaf des NONREM-Stadiums I zunimmt. Hierzu sei angemerkt, dass allerdings allein die im Alter abnehmende Höhe (Amplitude) der Hirnstromwellen noch keine Aussage über die Abnahme der Schlafqualität erlaubt. Weiterhin finden sich mehr Wechsel zwischen den Schlafstadien und mehr Aufwachvorgänge. Die Aufwachvorgänge finden zusätzlich zu dem auch bei jüngeren Erwachsenen üblichen Erwachen aus dem REM-Schlafstadium verstärkt im NONREM-Stadium II statt. Zusammenfassend finden