N. Bernhardt
Buch VIII: Freund und Feind
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch VIII: Freund und Feind
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954183-82-1
www.null-papier.de/hymal
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Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Große Pläne
Zweites Kapitel: Beschwörung für Anfänger
Drittes Kapitel: Beschwörung für Fortgeschrittene
Viertes Kapitel: Beschwörung für Verzweifelte
Fünftes Kapitel: Verdiente Strafe
Sechstes Kapitel: Der Tag danach
Siebtes Kapitel: Endlich Meister!
Ausblick
Nach diesem Hochzeitsfest hält den Jungen nichts mehr in Sinál. Auf der eigenen Burg gibt es ohnehin genug zu tun. Auch nach Skingár führen ihn die Geschäfte, wo der Nekromant natürlich wieder eine Lektion parat hat.
Diesmal läuft jedoch so einiges anders. Ist der Graf von Skingár wirklich, wer er zu sein vorgibt? Führt es nicht doch Übles im Schilde oder wollen andere Mächte den Adepten manipulieren? Es gilt, eine wichtige Entscheidung zu treffen, die den Werdegang des Jungen entscheidend verändern kann.
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Nikko wäre es lieber, wenn er sich gar nicht mehr an die vergangene Nacht erinnern könnte, wie damals im Freudenhaus von Zundaj. Doch ganz so betrunken war er diesmal nicht gewesen. Leider. Sonst könnte er ja alles auf den Rausch schieben.
Er hätte sich verweigern können. Nein, er hätte sich verweigern müssen! Auch wenn die Herzogin ihn ziemlich überrumpelt hatte. Was war bloß in die Frau gefahren? Und warum hatte er mitgemacht?
Oje! Wie war er nur schon wieder in einen solchen Schlamassel geraten? Gerade Fydal so etwas anzutun, war unverzeihlich. Wie sollte er dem Freund und Gönner je wieder in die Augen sehen können?
Es war nun schon gegen Mittag des Tages nach dem großen Fest. Nikko hatte sich in seiner Kammer im Turm verkrochen und verspürte keinerlei Verlangen, diese je wieder zu verlassen. Er wollte niemanden sehen, mit niemandem sprechen. Es war schlimm genug, sich selbst ertragen zu müssen.
Was sollte er nun machen? Ewig konnte er ja nicht in seinem Quartier bleiben. Doch liefe er draußen stets Gefahr, dem Herzog über den Weg zu laufen. Oder, viel schlimmer noch, dessen Ehefrau.
Nein, hier in Sinál konnte er nicht bleiben. Er musste weg. Weit weg. Am besten sofort. Es hielt ihn hier ja auch kein Amt. Peryndor hatte ihm den Posten des Hofmagiers schließlich weggeschnappt. Zwar hatte der Adept Fydal versprochen, am Hofe zu bleiben, aber der Junge würde schon irgendeine Ausrede finden.
Halfuár oder doch gleich Skingár? Eine schwierige Entscheidung. In Skingár wäre es leichter, etwas Abstand zu gewinnen und all das Geschehene zu vergessen. Doch hatte er schon den ganzen Sommer dort verbracht. Halfuár hingegen war sein eigentliches Heim. Dort war er es, der das Sagen hatte. Aber könnte er auf der eigenen Burg den Kopf überhaupt wieder freibekommen?
Nikko hatte sich erst im Teleportraum entschieden, zunächst nach Halfuár zu reisen. Ohne ein Abschiedswort hatte er sich in den Keller des Turms geschlichen und dort den Zauber gewirkt. Daran, dass man ihn vermissen könnte, hatte er dabei kaum einen Gedanken verschwendet.
Nun war er also wieder auf der eigenen Burg. Weit genug weg von Sinál. Doch würden ihn die Geschäfte hier nicht unentwegt an Fydal erinnern? Die Zeit heilt so manche Wunden, machte er sich Mut. Wenigstens brauchte er hier nicht zu fürchten, dem Herzog über den Weg zu laufen. Das musste fürs Erste Erleichterung genug sein.
Der Adept verspürte noch immer keine Lust, jemanden zu sehen und schlich sich so hinauf auf sein Zimmer, wo ihm nur der untote Diener Gesellschaft leisten würde. Morgen hätte er dann hoffentlich die Kraft, sich selbst um die Geschäfte der Burg zu kümmern. Er sollte schließlich den Anschein von Normalität wahren. Hier in Halfuár brauchte ja niemand zu wissen, warum er aus Sinál geflohen war.
In seiner Turmkammer hatte sich nichts verändert. Das war auch so zu erwarten gewesen. Immerhin bewachte der Untote diese seit vielen Monaten. Nun, da der Junge hier wieder längere Zeit wohnen würde, könnte man das Gemach einmal ordentlich sauber machen und vielleicht auch etwas verschönern. Oder sollte er als Burgherr und Graf sich nicht ohnehin ein angemesseneres Domizil im Haupthaus suchen?
Wenigstens einen Augenblick lang hatte ihn diese Frage von der eigenen Scham abgelenkt. Leider eben nur einen Augenblick. Seufzend holte Nikko seine untote Ratte aus dem Rucksack und kraulte ihr den Kopf. Heute war mit dem Adepten wirklich nichts mehr anzufangen. Am besten, er versuchte jetzt erst einmal, sich ordentlich auszuschlafen. Zu sehr steckten ihm die Geschehnisse des gestrigen Tages noch in den Knochen.
Nikko fühlte sich erstaunlich wohl, als er am nächsten Morgen aufwachte. Er musste über einen halben Tag lang geschlafen haben und hatte die Erholung offenbar auch bitter nötig gehabt. Jetzt aber ging es ihm wieder bestens. Mit klarem Kopf wollte er nun lieber für die Zukunft planen, als sich von den Peinlichkeiten der Vergangenheit weiterhin die Laune verderben zu lassen.
Vielleicht war ja alles besser so, wie es letztlich gekommen war. Immerhin war die Burg sein neues Heim. Zu oft war er ihr schon fern geblieben. Zu lange hatte er ihr Schicksal in die Hände anderer gelegt. Er war hier der Herr und würde sich fortan um ihre Geschicke kümmern.
Hofmagier? Pah! Sollte der eitle Peryndor sich doch in dieser Rolle gefallen! Der junge Adept hatte Besseres zu tun. Er würde es allen zeigen und Halfuár aus eigner Kraft zu alter Blüte führen. Außerdem gab es noch immer unendlich viel zu lernen, um später ein großer Meister zu werden.
Ja, es war gut, dass dieser Kelch an ihm vorbeigegangen war. So konnte er sich schließlich auf all die Dinge konzentrieren, die ihm wirklich wichtig waren. Was war ein Posten in der ersten Reihe schon wert, wenn er doch nur die Eitelkeit befriedigte? Nichts, versuchte er sich selbst zu überzeugen.
Nun aber war es endlich Zeit für Taten! Was war indes zu tun? Zunächst würde er sich über die Lage berichten lassen und dann entscheiden, wie weiter vorzugehen war. Ganz einfach. Also hieß es, seine Getreuen zusammenzutrommeln.
Schon am späten Morgen hatten sich der Kastellan, Aco von Abâr, der Burgkommandant, Major von Peryl, und der heute übellaunig wirkende Kommandeur der gräflichen Truppen, Hauptmann von Baldhon, im Besprechungsraum versammelt. Mit dabei war auch wieder ein Protokollant.
»Eure Erlaucht«, verbeugte sich der Kastellan, der wie die anderen hinter seinem Stuhl stand. »Es ist schön, dass Ihr einmal mehr hier weilt.«
»Habt Dank«, lächelte Nikko und setzte sich auf seinen Thron. »Nehmt bitte Platz, die Herren.«
»Berichtet mir zunächst über den aktuellen Stand der Dinge«, fuhr der Junge fort und versuchte dabei, selbstbewusst zu wirken. »Fangt Ihr bitte an, von Abâr.«
»Mit größtem Vergnügen«, lächelte der Kastellan, als sich alle gesetzt hatten. »Viel gibt es jedoch nicht, was erwähnenswert wäre. Tatsächlich hat sich in der Woche Eurer Abwesenheit nur… wenig getan.«
»Nun, ähm…«, druckste er dann. »Major von Peryl… wollt Ihr?«
Was ging hier vor? Warum stammelte der Kastellan so herum? Das hörte sich ja gar nicht nach guten Nachrichten an.
»Eure Erlaucht«, begann der Major und schien etwas peinlich berührt. »Wie Ihr sicherlich wisst, mangelt es uns noch immer an Holz. Gerade jetzt, da der Winter bald an die Pforten klopfen wird, müssen wir größere Mengen Brennmaterial einlagern.«
»Das Problem ist mir bekannt«, erwiderte Nikko, als der Soldat einige Momente geschwiegen hatte. »Habt Ihr denn nicht mehr Holz aus Sinál angefordert?«
»Sicherlich«, antwortete der Kastellan. »Doch ist Holz auch dort Mangelware, wie überall in Hymal.«
»Überall?«, höhnte der Major. »Überall außer hier, wo der Wald im Norden uns Holz genug für das ganze Herzogtum böte.«
»Ich hatte Euch vor den… Bewohnern des Waldes gewarnt, Major«, zischte der Hauptmann. »Nun haben wir den Ärger!«
»Was ist denn passiert?«, wollte der Adept genau wissen, obwohl ihn schon eine üble Vorahnung beschlich.
»Ich hatte einen Trupp Männer zum Wald geschickt, dort unsere Holzvorräte aufzubessern«, zuckte der Major die Schultern. »Sie wurden jedoch von wildem Waldvolk überrascht. Es gab… einige Verletzte… und… auch ein paar Tote.«
»Über die Hälfte meiner Männer ist gefallen!«, schnauzte der Hauptmann. »Und das alles trotz meiner Warnung.«
»Habt Euch nicht so, Hauptmann«, entgegnete der Major. »Man kann eben nicht jede Schlacht gewinnen. Wir fordern einfach Ersatz an.«
Das waren ja wieder einmal tolle Nachrichten! Kaum war der Adept eine Woche weg, hatte der Kommandant schon die halbe Burgbesatzung an die Elfen verloren.
»Warum habt Ihr nicht auf den Hauptmann gehört, Major?«, fragte Nikko in einem Ton, der die Wände zu gefrieren drohte.
»Eure Erlaucht«, senkte der Kommandant den Blick und stammelte: »Einem Hauptmann, der vor kurzem noch… Leutnant war, kann man nicht… den nötigen… taktischen… ich meine… seine Einschätzung der… ähm… Lage…«
»Seine Einschätzung der Lage?«, wurde der Junge langsam verärgert. »Im Gegensatz zu Euch war der Hauptmann dabei, als wir damals auf die Elfen stießen. Er war dabei, als ich mit ihnen zu einer… Übereinkunft kam. Wie kommt Ihr überhaupt dazu, Euch darüber hinwegzusetzen?«
»Verzeiht, Eure Erlaucht«, schluckte der Major. »Von einer Übereinkunft war mir gar nichts bekannt.«
»Habt Ihr ihm denn davon nichts erzählt?«, zischte der Adept den Hauptmann an.
»Von Eurem Gespräch mit dieser… Elfenfrau hatte ich nicht viel mitbekommen, Eure Erlaucht«, verteidigte sich der Kommandeur.
Da konnte der Kerl sogar Recht haben. Nikko hatte ihm ja auch nichts vom Inhalt der Unterredung erzählt. Nun gut, es war wohl besser, nicht länger auf diesem Vorfall herumzureiten. Der Major hatte eben einen Fehler gemacht. So etwas passierte.
»Also gut«, keuchte der Junge, »vergessen wir die Angelegenheit. Major, sorgt dafür, dass die Verluste alsbald ersetzt werden.«
»Jawohl, Eure Erlaucht«, schien der Offizier jetzt erleichtert.
»Es schmerzt mich, Euch daran erinnern zu müssen, dass unser Holzproblem dadurch noch lange nicht gelöst ist, Eure Erlaucht«, schaltete sich der Kastellan wieder in das Gespräch ein. »Es ist schließlich nicht von der Hand zu weisen, dass wir im Winter deutlich mehr Brennholz brauchen werden.«
Da hatte der Beamte natürlich Recht. Es führte kein Weg daran vorbei, ein für alle Mal genügend Holz zu besorgen. Doch wie? Magie? Sicherlich, er könnte es herbeizaubern. Aber dies wäre eine riesige Plackerei. Holz war schließlich viel massiver als der Proviant, den er damals beschwören hatte müssen, um von Baldhons jämmerlichen Trupp durchzufüttern. Auch brauchte er Unmengen Holz, um die Burg den ganzen Winter lang mit Brennmaterial zu versorgen.
»Ich werde über dieses Problem nachdenken, von Abâr«, beschwichtige der Junge. »Doch lasst uns nun über andere Punkte sprechen.«
»Wie Ihr wollt, Eure Erlaucht«, lächelte der Kastellan. »Worüber würdet Ihr gerne reden?«
»Wir können nicht auf Ewigkeit von Lieferungen aus Sinál abhängig bleiben«, stellte der Adept mit fester Stimme klar. »Wir müssen irgendwann auf eigenen Beinen stehen können.«
»Da habt Ihr natürlich Recht, Eure Erlaucht«, schien der Kastellan etwas verwirrt. »Doch herrscht ja noch Krieg hier im Herzogtum. Sollten wir nicht den ersten Schritt vorm Zweiten machen?«
»Der Krieg ist längst gewonnen«, wiegelte der Junge ab und wurde sich erst da bewusst, dass man hier noch gar nichts davon wissen konnte. »Die Truppen des Großherzogs und die königlichen Legionen werden Hymal noch vor dem Wintereinbruch verlassen.«
»Tatsächlich?«, freute sich der Major. »Das sind ja ausgezeichnete Nachrichten!«
»Dem kann ich nur beipflichten«, lächelte der Hauptmann. »Dann ist es wohl in der Tat Zeit, zum zweiten Schritt anzusetzen.«
»Ich stimme dem voll und ganz zu«, nickte auch der Kastellan. »Da die Gefahr durch die Orks nun gebannt ist, sollten wir über die Zukunft Halfuárs nachdenken.«
»Ich will, dass mein Lehen ein Vorbild für alle anderen ist«, spornte Nikko seine Getreuen an. »Ich möchte nicht von Lieferungen aus der Hauptstadt abhängig sein.«
»Langsam, Eure Erlaucht«, lachte der Kastellan. »Wie wollt Ihr das denn bewerkstelligen?«
»Ich meine ja nicht, dass wir dies von heute auf morgen schaffen können«, ruderte der Adept zurück. »Dennoch müssen wir ja irgendwie anfangen.«
»Dem ist selbstverständlich zuzustimmen«, nickte der Major. »Die Ebene scheint mir fruchtbar und Wasser haben wir genug. Beste Grundlagen, um das Land zu beackern oder Vieh zu halten.«
»Dann könnten wir zumindest für unser eigenes Essen sorgen«, freute sich Nikko. »Sehr gut. Wir sollten also Dörfer bauen und Felder anlegen.«
»Wo wollt Ihr denn die Bauern und Hirten hernehmen, Eure Erlaucht?«, schüttelte der Kastellan sein Haupt. »Es steht zu vermuten, dass Seine Hoheit das Augenmerk zunächst auf Sinál und dessen Umgebung legen wird, um dort einen Keim des Wohlstands zu schaffen.«
Da hatte der Beamte wieder einmal Recht. Es schien ja auch schwierig, Bauern und Handwerker von anderen Regenten zu kaufen. So jedenfalls hatte es der Seneschall in einem früheren Gespräch erklärt.
Hocatin! Der Herzog war doch offiziell auch der Fürst des vom Feind besetzten Landes. Waren dessen Bewohner somit nicht seine Untertanen, nicht die des Aggressors? Was sagte der Kodex zu dieser Situation?
»Wie wäre es mit Hocatin?«, kam sich der Junge gerissen vor. »Seine Hoheit, der Herzog von Hymal ist schließlich auch der gekürte Fürst von Hocatin.«
»Das stimmt«, nickte der Kastellan. »Solange Seine Majestät die Kür nicht für ungültig erklärt, wovon mir nichts bekannt wäre, sind die Gewöhnlichen des Fürstentums allesamt Leibeigene der Ritter, die wiederum Vasallen des Fürsten sind. Eine ausgezeichnete Idee, Eure Erlaucht.«
»Es ist zudem kaum denkbar, dass Seine Hoheit etwas dagegen hätte, Bauern aus Hocatin hier in Halfuár anzusiedeln«, pflichtete der Major bei. »Ja, so könnte es tatsächlich funktionieren.«
»Dann sind wir uns ja einig«, suhlte sich Nikko im Glanze seiner tollen Idee.
»Aber wie wollt Ihr die Untertanen hier herholen?«, meinte von Baldhon. »Der Herzog von Khondharr wird wohl kaum einfach so zusehen, wenn wir ihm die Untertanen abwerben.«
»Wir müssen dezent vorgehen«, antwortete der Kastellan. »Bestimmt haben wir noch Kontakte in Hocatin, oder?«
»Sicherlich«, grinste der Adept. »Vor allem in Skingár, wo sich viele Flüchtlinge aufhalten. Auch meidet der Herzog von Khondharr dieses Tal. Wenn wir die Willigen in Skingár oder Vylrahdo sammeln, können wir sie unbehelligt über den Vyldampass führen.«
»Das könnte klappen«, nickte der Hauptmann, der dem Namen nach ja selbst aus Hocatin stammte. »Wir bräuchten einige Werber, die die Flüchtlingslager abgehen und dort gewillte Leute für uns gewinnen. Diese müssten sie dann nur noch ins Tal schicken.«
»Wenn wir die Werber zusätzlich mit reichlich Klimpermünzen ausstatten, sollen wir so eine gehörige Anzahl Freiwilliger zusammenbekommen«, freute sich der Kastellan. »Wir brächen dadurch noch nicht einmal das Gesetz.«
»Die Werber sollten aber Leute aus Hocatin sein«, meinte der Hauptmann. »Die kennen sich dort schließlich am besten aus und gewinnen auch schneller das Vertrauen der Leute.«
»Haben wir denn genügend geeignete Männer aus Hocatin hier?«, wollte der junge Zauberer wissen.
»Genügend aus Hocatin, ja«, lachte von Baldhon. »Doch ob sie geeignet sind?«
»Wir können sie ja gut vorbereiten oder ihnen erfahrende Unterhändler zur Seite stellen«, nickte der Kastellan. »Wir haben schließlich den ganzen Winter lang Zeit, die Aktion genau zu planen.«
»Den ganzen Winter?«, war Nikko erschrocken. »Warum so lange warten?«
»Ich vermute, dass der Pass schon jetzt schwer zu überqueren ist«, rechtfertigte sich der Beamte. »Es wäre wohl besser, bis zum Frühling zu warten.«
»Unsinn!«, wiegelte der Junge ab. »Ich teleportiere die Werber direkt nach Skingár. Von dort aus kommen sie noch vor dem Winter nach Hocatin.«
»Im Fürstentum an sich sind die Winter meist mild«, pflichtete der Hauptmann bei. »So können die Werber die nächsten Monate schon nutzen, um alle Willigen ins Tal zu schicken.«
»Keine schlechte Idee«, nickte der Major. »Im kargen Winter, wenn alle am Hungertuch nagen, sind auch mehr Leute gewillt, sich in ein solches Abenteuer zu stürzen.«
»Da könntet Ihr Recht haben, Kommandant«, lachte von Abâr. »Dann sind wir uns also einig, die Herren!«
»Reichen Euch zwei Wochen zur Auswahl und Vorbereitung der Unterhändler?«, wollte Nikko wissen.
»Ich denke schon«, lächelte der Kastellan. »Wir werden uns alsbald ans Werk machen.«
»Sehr gut«, war der Junge zufrieden. »Ich werde die Zwischenzeit nutzen, mir über unser Holzproblem Gedanken zu machen.«
Seit der Besprechung hatte ihn dieses Problem nicht mehr losgelassen. Holz. Immer wieder Holz. Dass ein riesiger Wald in der Nähe war, machte den Mangel zur schieren Ironie. Nein, eher zur Provokation! Sollte er den Elfen ein für alle Mal den Garaus machen?
Keine gute Idee. Danuwil hatte ihn ja gewarnt gehabt, dass es weiter im Süden noch große Elfenreiche gab. Sollte es zum offenen Krieg mit denen im Wald kommen, könnte er das ganze Reich in Gefahr bringen. Gerade Fydal hatte schon genug Probleme in Hymal. Ein Elfenheer auf Rachefeldzug käme ihm da wohl kaum gelegen.
Der Junge selbst hatte allerdings auch überhaupt keine Lust, die nächsten beiden Wochen lang nur Holz herbeizuzaubern. Es war zudem schwer abzuschätzen, wie viel er davon beschaffen konnte. Schließlich wäre es ungleich schwieriger, hartes Holz zu beschwören als weiches Brot.
Beschwören? Eigentlich war dies keine gute Beschreibung dessen, was da geschah, wenn er etwas herbeizauberte. Dabei erschuf er ja etwas aus der Kraft. Beschwören hieße aber, es von irgendwo hierher zu bewegen. Moment! War das die Lösung?
Gar keine so schlechte Idee! Anstatt das Holz selbst zu erschaffen, was eine Plackerei ohne Gleichen wäre, könnte er es doch einfach herschaffen. Aber von woher? Per Teleport aus irgendeinem Wald? Das könnte funktionieren. Leider kannte er aber nur die Muster für Skingár und Sinál, sowie natürlich das der eigenen Burg. Gerade in Skingár gab es allerdings jede Menge Wald.
Natürlich! Warum war er da nicht eher draufgekommen? Er würde das Zeug einfach in Skingár kaufen. Der dicke Fodaj könnte sicherlich einen Kontakt herstellen. Dann müsste er das Holz nur noch hier her teleportieren und das Problem wäre gelöst.
Perfekt, freute sich der Adept. Es war ohnehin keine schlechte Idee, den Grafen schon einmal vorzuwarnen. Schließlich musste er die Unterhändler in zwei Wochen zur Burg Skingár teleportieren, von wo aus sie sich dann auf den Weg nach Hocatin machen würden. Da sollte er den Nekromanten vorher natürlich um Erlaubnis fragen.
Schon am Abend desselben Tages saß Nikko mit Fodaj in der schartigen Spitzhacke, wo sie das Geschäft mit kräftigen Zügen aus ihren Bierkrügen besiegelten.
Es musste bald ein Jahr her sein, als er das erste Mal hier in der Kneipe des Dorfes Skingár gesessen hatte. Damals war Fodaj ganz unverhofft hereingepoltert, was sich letztlich als Beginn der Kür Fydals zum Fürsten von Hocatin herausgestellt hatte.
Der Adept hatte sich einige Stunden zuvor nach Skingár teleportiert. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Nekromanten, der glücklicherweise nichts gegen Nikkos Pläne einzuwenden hatte, war der Junge gleich ins Dorf gegangen, um Fodaj aufzusuchen.
Dieser hatte dann sofort alles in die Wege geleitet. Holz gab es hier in den Bergen schließlich genug. Doch musste es zurechtgeschnitten werden, um in den Teleportring zu passen. Alles kein Problem für den Händler, der dabei auch den einen oder anderen Silberling an Provision einsackte.
»So, jetzt er