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© 2015 Boris Langendorf
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf nur mit schriftlicher Zustimmung des Verfassers ganz oder teilweise wiedergegeben werden
ISBN 9783739281674
Einige halten sich viel darauf zugute, aus ihren schlechten Erfahrungen zu lernen. Ich für mein Teil ziehe es vor, aus den schlechten Erfahrungen anderer Leute zu lernen.
Mit diesem Zitat frei nach Fürst Bismarck lade ich Sie zur Lektüre eines Buches ein, das sich ganz der praktischen Anleitung für selbstständig denkende private Geldanleger widmet. Hier bekommen Sie die Chance, vom zaghaften Sparbuch-Fetischisten oder nervösen Börsen-Amateur zu einem entspannten Privatanleger zu werden.
Ein solcher ist Ihr Autor schon längst. Er hat sich diesen Status seit 1988 neben seinem Beruf hart erarbeitet und dabei alle denkbaren guten und schlechten Erfahrungen gemacht. Ein Wissen, das er mit diesem Buch an Sie weiter gibt.
Sie fallen auf keine leeren Versprechen mehr rein. Sie erkennen Chancen und Risiken genauer. Sie fahren einen ganz gelassenen Anlagestil und warten in Ruhe auf den Moment der Ernte.
Was Sie selbst mitbringen müssen sind allein Geduld, Gelassenheit und die Zuversicht, dass die Erfahrungen des Autors Ihnen helfen, Ihre materielle Umgebung zu optimieren. So dass Sie sich in Ruhe und Unabhängigkeit Ihrer Familie, Ihrem Broterwerb, Ihren Interessen oder einfach nur den Freuden des Lebens widmen können.
Sie werden hier nicht die ganz tollen Geheimtipps erfahren, mit denen Sie über Nacht reich werden1. Seien Sie darüber nicht enttäuscht. Freuen Sie sich vielmehr, dass Ihnen gerade dadurch die gewaltigsten Enttäuschungen erspart bleiben.
Dafür werden Sie nach der Lektüre wissen, wie Sie verantwortungsvoll und mit den bescheidenen Mitteln einer Privatperson das komplexe Thema Geldanlage in den Griff bekommen. Ziel ist, aus den realistischen Anlagemöglichkeiten das Optimum herauszuholen, ohne dafür unangemessene Risiken einzugehen. Gute Gewinne bei kontrolliertem Risiko.
Dies ist ein ganz subjektives Buch, das allein die Einschätzungen und Erfahrungen Ihres Autors wiedergibt. Alle hier gegebenen Hinweise erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen und sind, wo nicht ausdrücklich anders erklärt, in der Praxis erprobt.
Subjektivität bedeutet auch, dass Wertungen vorkommen. Die beruhen allein auf den Erfahrungen und Eindrücken des Autors. Seine Aussagen sind vielleicht nicht immer politisch ganz hundertprozentig korrekt, denn er hält nichts davon, seinen Lesern etwas vorzuheucheln.
Auch dort, wo Texte so verstanden werden könnten, dass sie empfehlenden Charakter hätten, sind nicht etwa Werbegelder geflossen. Auf diese Feststellung legt Ihr Autor größten Wert.
Wohl aber kann es sein, dass er in Anlagen, die hier beispielhaft genannt werden, auch selbst investiert ist. Das lässt sich kaum vermeiden. Einen Interessenkonflikt gibt es nicht: Ihr Autor ist mit diesem Buch allein seinen Lesern verpflichtet.
Fehler gehören zur Börsenkarriere. Aber Sie müssen sie nicht mehr selbst machen. Profitieren Sie von den in Jahrzehnten gesammelten Erfahrungen eines privaten Kleinanlegers und überlassen Sie die Fehler künftig den anderen.
1 dazu mehr in dem Kapitel 4: »Welchen Informationen Sie vertrauen können«
Was unterscheidet den coolen Privatinvestor vom planlosen Kleinanleger? Dass er eine durchdachte Strategie hat und diese auch befolgt. Das ist eine Sache von Temperament und Disziplin, und es ist nicht immer so einfach, wie es sich jetzt liest, was auch der Autor dieser Zeilen schon mehrfach erfahren musste. Er hat aber auch dies erfahren: Sich an Strategien zu halten, lohnt sich. Jedenfalls dann, wenn man bereit ist und es sich leisten kann, auch mal eine Durststrecke zu überstehen, ohne sich gleich verrückt zu machen.
Um die verschiedenen Anleger-Temperamente gleich klar zu adressieren, sind die nachfolgend besprochenen Strategien in aktive und passive Varianten unterteilt. Aktive Strategien sind die vorrangigen Optionen für die Kernzielgruppe dieses Buches: Für jene, denen es möglich ist und die idealerweise sogar Spaß daran haben, sich etwas intensiver um ihre Anlage zu kümmern. Und die bereit sind, hier und da auch einmal einzugreifen und etwas umzuschichten, ohne gleich ihre Entspanntheit zu verlieren. Diesen Strategien gilt der Abschnitt 3.2 im nächsten Kapitel.
Die passiven und halb-aktiven Strategien sind im Abschnitt 3.4 vorgestellt. Sie gelten dem zurückhaltenden und risikoscheuen Investor, der seine Zeit nicht mit Anlagethemen verbringen will und der andererseits im Idealfall noch viele Jahre Zeit hat bis zum dem Moment, in dem er die Früchte seiner Anlagen genießen will.
"Es gibt alte Piloten und es gibt kühne Piloten. Aber es gibt keine alten, kühnen Piloten"
André Kostolany
Ihr Navigationsgerät kann Ihnen den Weg zum Ziel nur dann richtig weisen, wenn es weiß, wo Sie starten. Nicht anders ist es bei der Geldanlage.
Lassen Sie sich in diesem Abschnitt erst einmal persönlich kalibrieren, bevor wir zu den Strategien kommen. Denn ihr Ausgangspunkt entscheidet über Ihre Strategie.
Sie sollten nicht irgendeine Anlagestrategie fahren, die Ihnen gerade jemand vorschlägt und die Ihnen einleuchtend vorkommt. Wenn Sie etwas Erfahrung mit der Finanzwerbung haben, werden Sie wissen, was für Mist einem erst einmal einleuchtend vorkommen kann.
Besser ist es, Ihren Ausgangspunkt zu ermitteln und daraufhin Ihre Strategie zu optimieren. Welches Vorgehen für Sie optimal ist, hängt im Wesentlichen von den folgenden Parametern ab:
Gehen wir diese Kriterien der Reihe nach durch.
Alter: Es leuchtet ein, dass Sie mit 30, wenn Sie wollen, eine lange Börsenkarriere vor sich haben. Ganz anders als jemand, der schon im Rentenalter ist. Das klingt banal.
In der Praxis ist es jedoch immer wieder erstaunlich schwierig, diese einfache Tatsache in die eigentlich logische Strategieentscheidung umzusetzen.
Denn dem steht die Psyche entgegen: Junge Menschen wollen oft mit dem Kopf durch die Wand. Sie wollen durch den großen Coup schnell reich werden, ohne sich lange mit ermüdenden 8-Prozent-Häppchen abzugeben. Die Einsicht, dass man mit einer langfristigen (und langweiligen) Renditestrategie viel weiter gekommen wäre (und dabei viel entspannter gelebt hätte), reift normalerweise erst zu einem Zeitpunkt, an dem es längst zu spät ist.
Ihr Autor rät also allen jüngeren Lesern dringend, ihren jugendlichen Elan zu unterdrücken oder zumindest unter Kontrolle zu halten. Setzen Sie statt dessen auf eine Anlage mit vergleichsweise geringen Risiken, aber anständigen und sicheren Renditen und schöpfen Sie damit den strategischen Riesenvorteil der längeren Anlageperspektive aus, den Sie nur jetzt noch haben.
Ihr Autor weiß sehr wohl, dass er mit dieser uncoolen Empfehlung wenig Begeisterung auslöst. Doch dies ist schon gleich die erste seiner Erfahrungen, von denen Sie, wenn Sie schlau sind, profitieren können: die Phantasie vom großen Coup, das hat Langendorf am eigenen Leibe erlebt, ist für einen jungen Anleger einfach zu verlockend, führt aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Erfolg.
Gewiss, manche (wenige, Langendorf nicht) haben es mit einem gewagten Coup tatsächlich geschafft. Doch lassen Sie sich nicht täuschen: die paar Anleger, die kühn geflogen sind und dennoch erfolgreich alt wurden, die stehen im Rampenlicht. Die große Mehrheit der Abgestürzten bleibt unsichtbar.
Ihr Autor weiß, wie schwer es fällt, so viel Disziplin aufzubringen. Doch auch, wenn Sie schon diese seine erste Empfehlung gleich in den Wind schlagen, aber im Übrigen die Hinweise dieses Buches ernst nehmen, werden Sie sich zumindest nicht so weit verzocken, dass gleich alles aus ist.
Den Lesern im fortgeschrittenen Alter sind diese Flausen in der Regel vergangen. Aber dafür haben sie einfach nicht mehr so viel Zeit für eine aufbauorientierte Renditestrategie.
Auch dann behält die strategische Komponente ihre Bedeutung, obwohl innerhalb der Anlagestruktur das Gewicht der Aufbaukomponente nachlässt und dafür der Verzehranteil größer wird. Im Idealfall hat der Anleger am Ende als Ruheständler ein hübsches Zusatzeinkommen unter Wahrung der Kapitalsubstanz.
Wie sich ein solches regelmäßiges Zusatzeinkommen mit Substanzerhalt per Aktienanlage mithilfe einer guten Strategie unter geringen Risiken verwirklichen lässt, werden wir im Abschnitt über die vorrangigen Strategien sehen.
Temperament: Unabhängig vom Alter gibt es unter Anlegern ganz unterschiedliche Charaktere, und wir wollen gar nicht verschweigen, dass es bei ansonsten gleicher Ausgangslage durchaus sinnvoll sein kann, hier auf die eigene Stimme zu hören.
Es ist ähnlich wie bei Inhabern eines persönlich geführten Einzelhandelsgeschäfts: Der eine ist Experte auf seinem Fachgebiet, dem Sortimentsangebot seines Ladens, der andere ist der geborene Entertainer. Daraus ergeben sich ganz unterschiedliche Strategien für den Laden, der eine wird seinen Kunden zum unentbehrlichen Fachberater, der andere erfreut sie mit spannenden und vergnüglichen Veranstaltungen. Der Erfolg wird demjenigen Händler winken, der die Strategie seiner Persönlichkeit anpasst und nicht versucht, sich zu verbiegen.
So auch in der Geldanlage. Tun Sie nichts ohne Bedacht und passen Sie Ihren Anlagestil Ihrer Person an (es sei denn, Sie sind von Natur aus ein Hasardeur, dann lassen Sie sich lieber bremsen).
Wenn Sie dagegen eine eher risikoscheue Anlegerpersönlichkeit sind und bleiben wollen, werden wir Sie hoffentlich dennoch davon überzeugen, dass Aktien kein Teufelszeug sind. Und wenn Sie etwas stärker dosierte Risiken nicht ertragen, dann lassen Sie eben die Finger von Hebelpapieren. Die folgenden Abschnitte werden Ihnen zeigen, wie Sie auch ohne besonderen Stress zu Ihrem schönen Zusatzeinkommen finden.
Umgekehrt: Wenn Sie den Job lieber sportlich angehen und Ihnen die Feilscherei um den letzten Zehntel-Renditepunkt langweilig ist, dann tun Sie, was zu Ihrem Charakter passt. Hauptsache, sie lassen nicht die Reißleinen außer Acht, die Sie in dem Abschnitt über das Risikomanagement kennenlernen werden.
Beschäftigungsstatus: Wie viel Zeit Sie der Beobachtung der Märkte widmen können, hängt natürlich davon ab, ob Sie
oder andererseits
Entsprechend unterschiedlich ist das Zeitbudget, das Sie in die Geldanlage investieren könnten, sofern Sie es denn wollen.
Ihr Autor geht in den nachfolgenden Ausführungen hauptsächlich von einem Anleger aus, der tagsüber einem normalen Beruf nachgeht, seine Geldanlagen locker im Blick behält, aber so aufgestellt ist, dass keine Blitzreaktionen erforderlich werden. Doch auch Anleger mit sportlicheren Ambitionen sollen in den folgenden Abschnitten auf ihre Kosten kommen.
Vermögen: Je breiter die Basis ist, auf der Sie heute schon aufsetzen können, desto breiter ist auch das Spektrum verfügbarer Strategien. Ohne viel umzuschichten auf ein sattes Einkommen aus Dividenden zu setzen geht eben nur ab einer gewissen Größenordnung.
Je weniger zum Start vorhanden ist, desto mehr Risikobereitschaft muss sein, bis die Basis breit genug ist für nervenschonendere Anlagestile. Sie werden für beide Situationen hier erfolgversprechende Strategien finden. Zur Mindestgröße eines Depots kommen in Abschnitt 3.2 einige Anmerkungen.
Kompetenzen: Nicht jeder ist in allem gleich gut. Der eine ist erbsenzählender Buchhalter, der andere Diplom-Chaot. Der eine hat sein Berufsleben lang mit Set-Top-Boxen zu tun gehabt, der andere als Verlagslektor schöngeistige Literatur auf den Erfolgsweg gebracht.
Was das mit Ihrer Anlagestrategie zu tun hat? Nun, grundsätzlich ist es eine gute Idee, sich auf Felder zu konzentrieren, auf denen man sich auskennt, wo man sich wohlfühlt, die dem eigenen Naturell entsprechen. Grundsätzlich.
Allerdings: Wer das übertreibt, engt sich unnötig ein. Dafür, sich auf Anlagen in den deutschsprachigen Ländern zu konzentrieren, weil man sich in der Heimat einfach besser auskennt, mag noch einiges sprechen, wir kommen darauf zurück. Doch die dominante oder gar alleinige Konzentration auf eine Branche, eine Region oder bestimmte Segmente, allein aufgrund persönlicher Überzeugungen, führt schnell zu einer gefährlichen Unwucht. Im Strategieteil werden Sie Beispiele dafür finden.
Was bedeutet das für Sie? Arbeiten Sie ab jetzt mit einer auf Sie maßgeschneiderten Strategie. Setzen Sie Investitionsschwerpunkte nach Ihren persönlichen Verhältnissen und Kompetenzen, aber setzen Sie dabei nicht alles auf eine Karte.
Die klassische Wirtschaftstheorie präsentiert uns als Hauptakteur den so genannten "Homo oeconomicus". Das ist ein Mensch mit beneidenswerten Eigenschaften:
Oft zitiert, nie gesehen: ein solcher Kunstmensch existiert natürlich nicht wirklich, hat aber für die Theorie durchaus seinen Sinn. Der Homo oeconomicus ist ein plausibles Konstrukt, um Abläufe und Entscheidungen in einer mathematisch orientierten Wirtschaftstheorie überhaupt ausrechenbar und skalierbar zu machen.
Es liegt freilich auf der Hand, dass dieser fiktive Mensch anders tickt als ein Anleger aus Fleisch und Blut, also anders als Sie oder Ihr Autor.
Diese Lücke zwischen Theorie und Praxis versucht die Behavioral Finance zu schließen, die verhaltensorientierte Anlagetheorie. Auf Basis der Erkenntnisse aus psychologischen Untersuchungen versucht dieser Wissenszweig, das Anlegerverhalten zu erklären und vorhersagbar zu machen und so die eigene Anlageentscheidung zu verbessern.
Wenn Sie ernsthaft an der Börse agieren wollen, sollten Sie dieses Thema keinesfalls aus dem Auge lassen. Das fällt schon deshalb leicht, weil es dazu eine Vielzahl von Büchern gibt, auch in deutscher Sprache.
Eines der ersten deutschsprachigen Standardwerke zu diesem Thema heißt schlicht und ergreifend "Behavioral Finance"2. Es ist nicht ganz neu (von 1999), aber zeitlos und sehr verständlich geschrieben. Einfach schlau.
Die Autoren, ein Praktiker und ein Wissenschaftler, halten einem den Spiegel der eigenen Irrationalitäten gnadenlos vor Augen. Sie beschreiben haarsträubende Ergebnisse psychologischer Versuchsanordnungen. Sie entlarven die Bedrohung Ihrer Anlageentscheidung durch Harmoniesucht, Kontrollbedürfnis und Geltungsdrang, und sie geben gute Ratschläge, wie Sie die Informationsflut kanalisieren und mit den Folgen Ihrer eigenen Entscheidungen fertig werden. Eines der wichtigsten Bücher, die Ihr Autor zur Geldanlage gelesen hat, und obendrein noch unterhaltsam.
Was bedeutet das für Sie? Unterschätzen Sie nicht die psychologischen Faktoren, die im Anlegerverhalten eine Rolle spielen. Lernen Sie sie kennen und machen Sie sich dieses Wissen zunutze.
Dies ist ein Buch für private Anleger, keine Werbebroschüre von Aktienemittenten. Wir werden uns am Rande auch mit anderen Anlageformen beschäftigen, die zu gewissen Situationen und Charakteren passen. Wir werden sogar über die Investments mit dem schönen Namen "Rentenpapiere" sprechen, von denen sich in der Schuldenkrise herausgestellt hat, dass die Gewissheiten, die sie einst versprachen, nicht für immer gelten müssen.
Fast alle diese Anlagevarianten, von der Lebensversicherung bis zum Zockerpapier, können unter bestimmten Bedingungen einen Sinn haben, und nur dann sollen Sie sie einsetzen. Etwa wenn sich damit eine Position absichern oder die Rendite verbessern lässt. Davon später.
Kern Ihres Investments sollte aber das Engagement in Aktien sein. Von dieser Anlageklasse ist deshalb im folgenden ersten Unterabschnitt die Rede. Danach von einer möglichen Ergänzung durch Derivate, das sind von Aktien oder Indices abgeleitete Papiere, die Ihre Aktien-Anlage in bestimmten Situationen ein wenig flexibler machen können.
Was bedeutet das für Sie? Unter den momentan (Mitte der 2010er Jahre) gegebenen Umständen sollte der Kern Ihres finanziellen Engagements aus soliden Aktien bestehen.
Fest steht: Aktien machen Sie neugierig, sonst hätten Sie dieses Buch nicht vor Augen. Aber eigentlich sind sie Ihnen vielleicht doch "zu heiß". Das sagen viele, die andererseits das Sparbuch, Staatspapiere, Versicherungen und sogar Bargeld für sichere Anlagen halten.
Schließlich bleibe Ihnen das Geld unter dem Kopfkissen ja, sofern Sie es nicht verschusseln, physisch mit seinem aufgedruckten Wert erhalten (wenn es denn nicht doch noch verboten wird). Aktien dagegen seien explizit Risikopapiere und der Anleger könne zusammen mit "seinem" Unternehmen untergehen.
Richtig, das kann er. Aber sein Vorteil ist: Dieses Risiko kann er steuern und selbst verantworten. Anders als die Zinsentwicklung und den Wertverlust seines Papiergelds.
Aktien sind Sachwerte. Für das Geld, das Sie in eine Aktie stecken, bekommen Sie einen konkreten Anteil an einem real existierenden Unternehmen.
Bei den anderen genannten Anlageformen bekommen Sie für Ihr Geld genau genommen nur Versprechungen. Und Versprechungen haben es nun mal an sich, dass sie normalerweise erfüllt werden, eigentlich immer, aber zuweilen eben auch nur mehr oder weniger. Und manchmal leider auch gar nicht.
Kaufen Sie den Anteil an einem Unternehmen, so bekommen Sie mehr als nur eine Versprechung: Sie beteiligen sich an der wirtschaftlichen Wertschöpfung. Und ein Unternehmen mit seinem Management, den Mitarbeitern, Sachwerten und Kenntnissen ist ein lebendiger Organismus. Der ist den Änderungen in den Rahmenbedingungen wie beispielsweise Zinsen und Geldwert zwar auch ausgesetzt. Aber das Unternehmen kann darauf professionell reagieren.
Ihr Vorteil: Im Management "Ihres" Unternehmens haben Sie einen kompetenten Verbündeten, der schon aus eigenem Interesse am gleichen Strang zieht wie Sie. Die Führungskräfte der AG, an der Sie sich beteiligen, haben in der Regel einen gut bezahlten Job, den sie gern behalten wollen. Und obendrein sind sie fast immer selbst Aktionäre der Firma.
Inflation? Deflation? Zins- und Währungsschwankungen? Während Sie bei Rentenpapieren all dem ausgeliefert sind, ohne daran etwas ändern zu können, leben Sie als Aktionär mit weitaus geringeren Sorgen. Schließlich sind es Fachleute, die ihr und Ihr Unternehmens-Schiff durch diese Untiefen steuern, und im Idealfall kennen sie die schadenfreie Route am besten.
Gewiss, auch Experten können irren. Die Börsengeschichte ist voll von schillernden Beispielen. Nur: Denken Sie an den Profifußball, wo auch immer die Zuschauer besser als der Trainer wissen, was zu tun ist. Und wo trotzdem klar ist, dass nichts besser würde, wenn anstelle des Trainers die Zuschauer das Sagen hätten.
So ist es auch in der Wirtschaft: Das Management steht der Aufgabe, das Unternehmen zu steuern, weitaus näher als Sie selbst, und die Interessenlage der Unternehmensleitung ist in aller Regel mit der Ihren deckungsgleich (wenn ausnahmsweise nicht, ist das ein Sonderfall, auf den Sie aber keine Anlagestrategie gründen können).
Was der Vorzug wert ist, an einem echten Unternehmen beteiligt zu sein, lässt sich sogar in Zahlen ausdrücken. Fahnden Sie einmal nach dem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis des DAX (das finden Sie unter http://www.boerse.de/dax-kgv/) oder eines Ihrem Depot vergleichbaren Index. Da wird in normalen Zeiten eine Zahl zwischen 10 und 15 herauskommen.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis zeigt an, wie der Name schon sagt, wie viel Mal höher der Kurs einer Aktie als der auf dieses eine Papier entfallende Jahresgewinn ist. Ist also heute das KGV beispielsweise 12,5, so müsste das Unternehmen zwölfeinhalb Jahre lang (unter den Bedingungen von heute) wirtschaften, um seinen aktuellen Preis zu erarbeiten.
Teilen Sie 100 durch diese Zahl, dann erhalten Sie die durchschnittliche Gewinnrendite des Unternehmens, in diesem Falle also 8 Prozent. Davon schütten Aktiengesellschaften erfahrungsgemäß 40 bis 45 Prozent aus, das wären in diesem Beispiel 3,2 bis 3,6 Prozent Dividende.
Vergleichen Sie diese Dividendenrendite jetzt mit dem aktuellen Ertrag langfristiger Staatsanleihen, und Sie wissen, wo Sie besser liegen. Die zehnjährige Bundesanleihe, ein Standard für als sicher geltende Anlagen, brachte im September 2015 ganze 0,5 Prozent Zins.
Hinzu kommt, dass Sie durch eine gute Auswahl Ihrer Aktien ja mit Ihrer Dividendenrendite auch den Durchschnitt Ihres Index schlagen können. Und von den möglichen Kursgewinnen war hier noch gar nicht die Rede.
Angst vor Kursverlusten? Kurzfristig vielleicht, langfristig nicht. Denn auch dafür, was die Kursentwicklung langfristig leisten kann, gibt es Erfahrungswerte. Im DAX versammeln sich die 30 großen deutschen Aktiengesellschaften, und diesen Index gibt es seit 1988. In den ersten 25 Jahren seines Bestehens lag die Wertentwicklung des DAX allein mit Kursgewinnen im Durchschnitt bei 5,6 Prozent, einschließlich Dividenden sogar bei 8,5 Prozent pro Jahr.
Und das trotz aller zwischenzeitlichen Höhen und Tiefen, trotz Internetblase und Schuldenkrise. Einmal angenommen, diese Entwicklung bleibt so, dann bedeutet das für einen langfristig denkenden 30-Jährigen, dass er den Betrag, den er heute anlegt, mit 65 Jahren in 17,2-facher Höhe im Depot stehen hat. Ohne weiteres Zutun, nur an das Geld darf er zwischenzeitlich nicht ran und die Dividenden muss er immer wieder anlegen.
Aus 100.000 Euro werden auf diese Weise gut 1,7 Millionen. Selbst angenommen, die Rendite geht auf 7 Prozent zurück, wird sich sein heutiger Einsatz bis dahin mehr als verzehnfacht haben.
Was ist, wenn die Inflation wieder anzieht? Als Anteilseigner einer gut gemanagten AG kann Ihnen dabei eigentlich gar nichts passieren, denn die Preise, die das Unternehmen für seine Leistungen verlangt, wachsen ja im gleichen Tempo wie die allgemeine Teuerung. Mit einem fest verzinsten Konto oder gar Bargeld stehen Sie dagegen im Inflationsfall auf dem Schlauch.
Nur mal so als Denkmodell: Wenn Sie Ihre Ziele noch etwas höher als den DAX-Durchschnitt setzen, können Sie langfristig noch viel erstaunlichere Ergebnisse erzielen. Sollten Sie es von Ihrem 30. bis zum 65. Geburtstag durchhalten, in jedem Monat nur 1 Prozent hinzuzugewinnen und alles im Depot zu lassen, dann hätten Sie bis zum Rentenalter sogar das 65-fache Ihres Ausgangskapitals auf dem Konto. Das schafft nur leider niemand.
Auf den möglichen Einwand, dass Sie, lieber Leser, kein hoffnungsvoller 30-Jähriger mehr sind, ist Ihr Autor vorbereitet. Deswegen geht es gleich im nächsten Unterabschnitt um die spekulativere Variante, die Derivate.
Was bedeutet das für Sie? Mit einem gut diversifizierten Aktiendepot haben Sie Sachwerte im Besitz, mit denen Ihnen nach menschlichem Ermessen auf lange Sicht nur Gutes passieren kann.
Auch wenn deshalb die Aktie im Vordergrund Ihrer Überlegungen stehen sollte, können auch andere, sportlichere Anlagemedien eine Betrachtung wert sein. Und da Ihr Autor unmöglich alle seine Leser persönlich kennen kann, gibt er an dieser Stelle einfach einmal wieder, was sich allgemeingültig über die riskanteren derivativen Anlagemedien für verschiedene Lebenslagen eines Privatanlegers sagen lässt.
Denn einen strukturellen Nachteil haben die hier so überzeugt empfohlenen Aktien doch: Sie bringen Ihnen nur in Aufwärtstrends etwas ein.
Sind Sie allein auf Aktien fixiert und es geht mit den Börsenkursen abwärts (und Sie bemerken das rechtzeitig), dann können Sie eigentlich nur verkaufen, mit den dazu gehörigen Transaktionskosten. Und danach müssen Sie darauf vertrauen, dass es noch ein weiteres Stück abwärts geht. Und darauf lauern, dass Sie rechtzeitig erkennen, wenn sich die Kurse wieder nach oben begeben.
Und selbst wenn Ihnen dies gelingt (und es gelingt leider nur in seltenen Fällen), dann gilt: Sie haben zwar mit Ihren Aktien wenig verloren, aber auch noch nichts gewonnen.
Deshalb sollten Sie sich, wenn Sie nicht ganz defensiv veranlagt sind, auch um derivative Anlageinstrumente kümmern.
Derivate, das heißt Abkömmlinge, und derivative Anlageprodukte sind solche, deren Wert oder Preis sich aus der Kursentwicklung einer anderen, echten Sachanlage (oder auch eines Index) ableitet.
Derivate sind also selbst keine Sachwerte, sondern (kriegen Sie jetzt keinen Schreck) letztlich Wettinstrumente. Man nennt sie auch Zertifikate, aber dieser Name kommt nicht etwa daher, dass sie besonders sicher wären. Sondern daher, dass jemand Ihnen etwas versichert, was Sie nun einfach mal glauben sollen.
Dafür haben diese Papiere aber auch ihre Vorteile, denn mit denen können Sie auf aufwärts und abwärts wetten. Und entsprechend können Sie flexibler auf die Märkte reagieren:
Für die Wette auf den Abwärtstrend wählen Sie "Put"- oder "Short"-Derivate. Im Seitwärtstrend bringen Ihnen (Capped) Bonus Zertifikate einen Gewinn, sogar und gerade dann, wenn die zugrunde liegenden Aktienkurse oder Indices gar nicht steigen. Und natürlich gibt es auch für den Aufwärtstrend etwas, nämlich die "Call-" oder "Long-"Papiere.
Wozu brauchen Sie so was im Aufwärtstrend, wo doch dann Ihre Aktien sowieso steigen? Mal ganz unverblümt gesagt: Das ist für Anleger, die den Hals nicht voll kriegen können. Solche Papiere haben einen "Hebel" von seriöserweise 2 bis 20. Ein Hebel von beispielsweise 3,5 bedeutet, dass ein Anstieg des zugrundeliegenden Aktienkurses oder Indexwerts um 10 Prozent bei Ihrem Wett-Papierchen ein Plus von 35 Prozent auslöst.
Der Schuss geht natürlich ebenso gehebelt nach hinten los: Macht der Basiswert um 10 Prozent schlapp, verlieren Sie mit dem Abkömmling mehr als ein Drittel. Und dann gibt es meist noch eine "Knock-out"-Schwelle, an der Ihr Derivat zu Null oder mit einem symbolischen Restwert verfällt.
Ein Fall also für spekulatives Spielgeld, falls Sie so etwas übrig haben. Nicht jedoch für die Gelder, die Sie für Ihre Altersversorgung später mal brauchen. Sie wollen doch Ihr Vermögen zuverlässig mehren und dabei ruhig zusehen. Und nicht auf einem Pulverfass sitzen.
Nebenbei bemerkt: Diese Art der Geldanlage ist erfunden worden, damit Unternehmen sich gegen Preis- und Kursschwankungen in der Zukunft absichern können. Also kein pures Teufelszeug, was manche Ideologen immer vergessen, die Derivate am liebsten verbieten würden. Für Sie als Privatanleger sind solche Zertifikate allerdings tatsächlich keine Investition, sondern schlicht und einfach eine Wette.
Erwähnen wir der Vollständigkeit halber auch noch das Emittentenrisiko, denn diese Papiere sind ja, wie erwähnt, kein Sachwert, sondern ein Wettschein. Der Emittent, also der Verkäufer der Zertifikate, verspricht dabei, Ihnen in dem und dem Fall so und so viel auszuzahlen. Geht jetzt der Emittent, zum Beispiel Ihre Bank, während der Laufzeit pleite, haben Sie schlechte Karten: Er wird sein Versprechen nicht mehr erfüllen können.
Ganz anders als wenn Sie Anteile an Unternehmen besitzen, für die es egal ist, ob ein Emittent oder Ihre Hausbank pleite geht (es sei denn, Sie haben zufällig Aktien eben dieser Ihrer pleite gehenden Hausbank). Selbst wenn die Bank für Sie das Depot führt und die Papiere verwahrt, ist sie in diesem Fall nicht selbst Akteur, sondern nur der Dienstleister und muss die Aktien im Konkursfall herausrücken. Nur das Unternehmen selbst, an dem Sie beteiligt sind, darf nicht das Handtuch werfen.
Eines sollten Sie außerdem noch wissen: Mit derivativen Wettpapieren wetten Sie nicht etwa gegen Ihre Bank. Wie oft kommt es vor, dass ein Optionsschein knapp ausgeknockt wird, und kurz darauf wendet sich der Basiswert wieder in die eigentlich gewünschte Richtung. Dann sind Sie furchtbar böse auf Ihren Broker und sehen vor dem geistigen Auge die Banker, wie sie in ihren noblen Büros sitzen und sich über Ihre Naivität totlachen.
Alles falsch! Die Bank, die Ihnen ein Zertifikat verkauft, sichert das ihrerseits durch Gegengeschäfte ab. Sie gewinnt also weder daran, dass Sie verlieren, noch verliert Sie bei Ihrem Gewinn. Die Bank verdient nur an der Provision, das aber mit Sicherheit. Deshalb wäre die Bank schön blöd, Sie unnötig zu ärgern. Im Gegenteil liegt ihr Interesse an zufriedenen Kunden, die weiter ihr Geld dort investieren und auch künftig für schöne Provisionen sorgen. Insofern steht Ihre Bank bei Zertifikaten durchaus auf Ihrer Seite.
Was bedeutet das für Sie? Derivate sind kein Sachwert, sondern eine Wette. Mit ihnen können Sie Positionen absichern oder, wenn es denn sein muss, auch mal ein wenig spielen. Ihr eigentliches Engagement sind aber die Aktien. Deren Abkömmlinge sind nur als Ergänzung sinnvoll.
2 Goldberg, von Nitzsch: Behavioral Finance; Finanzbuch Verlag 1999 20
Fangen wir gleich mit einer Glaubensfrage an: Glauben Sie, dass Sie eher der fundamental ausgerichtete Typ sind oder eher der Charttechniker?
Am "eher" können Sie schon sehen, dass es nicht um ein "entweder -oder" geht, sondern darum, welchen Schwerpunkt Sie setzen wollen. Denn wie auch immer, Sie sollten beides kennen: Als Fundamentalist müssen Sie die charttechnischen Aspekte mitberücksichtigen können und umgekehrt.
In diesem Kapitel befassen wir uns mit den Reinkulturformen dieser beiden Ansätze.
Beide Varianten haben überzeugende Argumente auf ihrer Seite, beide haben aber auch bedeutende Schwächen. Keine können wir als alleinige Option empfehlen, nur die Kombination aus beiden. Sehen wir uns die fundamentale und die technische Denkweise näher an.
"Fundamental" meint, der Anleger richtet sich bei der Beurteilung eines Wertpapiers nach dessen materiellen Grundlagen und Perspektiven. Also die "harten" Tatsachen. Durch den Vergleich dieser Werteinschätzung mit der Marktkapitalisierung (dem Börsenwert, also der Summe dessen, was die Aktien dieses Unternehmens an der Börse zusammen kosten) versuchen die Fundamentalisten, unterbewertete Gesellschaften herauszufinden, auf es sich zu setzen lohnt. Denn sie gehen von der an sich logischen Erwartung aus, dass sich ein bestehendes Ungleichgewicht zwischen dem fundamentalen Wert und einer schwächeren Kursbewertung früher oder später abbauen muss und das heute unterbewertete Unternehmen dann zu einem "fairen", sprich höheren Preis gehandelt wird, man ergo einen schönen Kursgewinn hat.
Das klingt auf Anhieb so selbstverständlich, dass man sich fragt, wie man jemals auf andere Ideen kommen könnte. Dennoch gibt es gegen die fundamentale Strategie drei ernst zu nehmende Einwände:
1. Unsichere Substanzbewertung: Die "harten" Fakten sind gar nicht immer so hart, wie sie zunächst aussehen. Gewiss gibt es Daten, die unverrückbar erscheinen, wie etwa die Umsatz- und Gewinnentwicklung. Doch spielen selbst bei solchen scheinbar objektiven Kennzahlen schon Ermessensspielräume hinein. Ein tüchtiger CFO (Finanzvorstand) kann Gewinne durch Bewertung oder zeitliche Verlagerung in einem gewissen Rahmen in die Richtung steuern, in der sie das Management gerne hätte. Beispielsweise, um in guten Jahren einen Teil des Gewinns auf das als schwächer erwartete Folgejahr zu schieben.