© 2011 Geschichtswissenschaftliche Gesellschaft Wien

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-8448-4278-4

Inhalt

Vorwort

Jahwes Pannenserie von der Schöpfung bis zur Sintflut

Die 1. Schöpfung: Die Elohim erschaffen Mann und Frau gleichzeitig

Die 2. Schöpfung: Jahwes Adam ist aus Staub gemacht und allein

Jahwes 1. Panne: Adam ist allein

Jahwes 1. Korrektur: Tiere sollen dem Menschen Hilfe sein

Jahwes 2. Panne: Kein Tier ist dem Menschen eine Hilfe

Jahwes 2. Korrektur: Die Erschaffung der Männin

Jahwes 3. Panne: Die Schlange ist schlauer als alle anderen Tiere

Jahwes 4. und 5. Panne: Die Schlange verführt Eva und diese Adam

Jahwes 3. Korrektur: Er verflucht die Schlange

Jahwes 4. Korrektur: Er verflucht die Männin

Jahwes 5. Korrektur: Er verflucht den Ackerboden

Jahwes 6. Panne: Er hat die Menschen nackt erschaffen

Jahwes 6. Korrektur: Jahwe tötet Tiere für Fellkleider

Jahwes 7. Panne: Er vertreibt die Menschen aus dem Paradies

Jahwes großer Wandel vom Bauerngott zum Hirtengott

Jahwes 8. Panne: Er kann den Mord an Abel nicht verhindern

Jahwes 9. Panne: Er schützt den Mörder Kain

Jahwe bleibt 1550 Jahre verschollen

Jahwes 10. Panne: Die Gottessöhne nehmen sich Menschentöchter

Jahwes 11. Panne: Er vernichtet die gesamte Schöpfung

Jahwes 12. Panne: Die babylonische Sprachverwirrung

Jahwes Bündnispolitik, seine Versuche als Gott anerkannt zu werden

Jahwe bleibt wiederum 400 Jahre verschollen

Jahwes 1. Verheißung an Abram

Abrams Inzucht mit Sarai

Jahwes 2. Verheißung an Abram

Jahwes 3. Verheißung an Abram

Jahwes 4. Verheißung und 1. Bund mit Abram

Jahwes 5. Verheißung und 2. Bund mit Abram

Jahwes Verheißung an Hagar, der Sklavin von Sarai

Jahwes 6. Verheißung und 3. Bund mit Abram

Jahwes 7. Verheißung und 4. Bund mit Abraham

Jahwes 8. Verheißung und 5. Bund mit Abraham

Jahwes Bund mit Isaak

Jakob betrügt Esau um das Erstgeburtsrecht und den Segen

Jahwes 1. Bund mit Jakob

Jahwes 2. Bund mit Jakob

Jahwes 3. Bund mit Jakob

Jakob baut einen Altar für den Gott Israels und nicht für Jahwe

Jahwe ist eindeutig nur der Gott Jakobs

Jakob, der Aramäer

Vorwort

Die biblische Schöpfung wird gerne als gleichwertiger Gegenpol zur naturwissenschaftlichen Evolutionstheorie gesehen. Betrachtet man sie allerdings näher, so muss man feststellen, dass es nicht nur eine sondern zwei grundlegend unterschiedliche gibt, und dass sogar diese selbst nicht einmal widerspruchsfrei sind.

Bei der ersten Schöpfung wird der Mensch von den Elohim sozusagen als Krönung am sechsten Tag erschaffen, bei der zweiten wird Adam von Jahwe am Anfang des Schöpfungsprozesses gebildet und danach werden eigentlich nur noch Korrekturen für die bei seiner Schöpfung aufgetretenen Pannen angebracht.

Diese beiden Schöpfungen entstehen aus der Konkurrenzsituation zwischen den „Elohim“ und „Jahwe“. In den deutschen Bibeln werden beide Wörter mit „Gott“ übersetzt, deshalb verschwimmen viele interessante Details. Daher habe ich bei den zitierten Bibelstellen dort, wo ich es für sinnvoll und notwendig gehalten habe, die ursprüngliche Bezeichnung in eckigen Klammern eingefügt. Außerdem habe ich bei den Bibelzitaten diejenigen Wörter, Satzteile oder Sätze fett gedruckt, die mir für das Verständnis besonders wichtig erschienen, damit der Leser schnell die wichtigsten Aussagen findet, auf die ich im Text hinweise. Ich habe aber auch ganz bewusst nicht nur jene oft kurzen Verse zitiert, damit der Leser diese Aussagen im Kontext lesen kann und sie nicht durch eine unzulässige Kürzung verfälscht oder ins Gegenteil verkehrt werden.

Der Bogen spannt sich vom Versuch, Adam Tiere anstelle einer Frau als Hilfe zu schaffen, über das Kaschieren der Nacktheit bis zum ungewollten Erlangen des eigenen Denk- und Urteilsvermögen des Menschen, das Jahwe ein Dorn im Auge ist.

Nach der Vertreibung aus dem Paradies lässt sich Jahwe bis zur Sintflut nicht blicken, dabei entgleiten Jahwe offensichtlich seine menschlichen Geschöpfe aber auch seine eigenen Gottessöhne, die sich an den Menschentöchtern vergehen.

Dafür löscht Jahwe mit Hilfe der Sintflut fast seine gesamte Schöpfung aus, doch auch die Nachkommen Noachs spuren nicht so, wie er es sich vorstellt, und wieder greift er störend ein, indem er ihre Sprache verwirrt und damit den Grundstein für spätere Katastrophen legt.

Doch Jahwe gibt nicht auf, zur Zeit der Patriarchen – Abraham, Isaak und Jakob – taucht er plötzlich wieder auf, und versucht verzweifelt, wenigstens einen Menschen zu finden, der sich ihm unterordnet und ihn als Gott anerkennt.

Er macht Versprechungen, Verheißungen und schließt Bünde am laufenden Band. Jedes Mal, wenn er einem der Patriarchen etwas verspricht, nennt er andere Bedingungen bzw. erinnert sich nicht mehr, dass er das Gleiche oder in der Kernaussage nahezu identische Versprechen schon längst jemand anderem gemacht, allerdings nicht eingehalten hat.

Es sieht also wesentlich mehr danach aus, als würde Jahwe händeringend ein Volk suchen, als dass die von ihm Angesprochenen einen Bedarf für einen bzw. einen neuen Gott hätten. Dies zeigt sich vor allem auch dadurch, dass umgekehrt sogar die Menschen dem angeblichen Gott Bedingungen stellen können, unter denen sie – so er die Bedingung einhalten kann – bereit sind, ihn als ihren Gott anzunehmen.

Jahwes Pannenserie von der Schöpfung bis zur Sintflut

Die zwei biblischen Schöpfungen

Wenn man heute Christen nach der Erschaffung des Menschen in der Bibel fragt, dann bekommt man in etwa folgende Antwort: „Gott hat Adam am sechsten Tag erschaffen, er hat ihn aus dem Staub der Erde geformt, und ihm den Odem des Lebens in die Nase eingehaucht.“

Dieser Satz besteht aus mehreren Aussagen, die, jede für sich genommen, richtig sind, die aber in dieser Kombination ganz eindeutig nicht im AT stehen. Daher ist diese Aussage unhaltbar und somit falsch. In der Bibel werden nämlich zwei völlig voneinander unabhängige Schilderungen der Erschaffung des Menschen wiedergegeben, die in keiner Weise miteinander verbunden und vermischt werden können und sollen.

Sowohl der Schöpfer, die Geschöpfe als auch die Art, wie der Schöpfungsakt vor sich geht, unterscheiden sich ganz gewaltig.

Weitere gravierende Differenzen gibt es bezüglich des Zeitpunktes der Erschaffung des Menschen innerhalb der gesamten Schöpfung. Wurden die Tiere vor dem Menschen oder danach geschaffen, und letztlich, der wohl bedeutendste Unterschied, wurden Mann und Frau in einem Schöpfungsakt gleichzeitig erschaffen, oder wurde die Frau als Hilfe für den Mann (Hilfe wofür?) geschaffen, nachdem die Tiere zu seiner Hilfe nicht tauglich waren? Es kann nicht ein und dasselbe Ereignis auf zwei gänzlich unterschiedliche Arten geschehen sein.

Noch weniger können die einander widersprechenden Schilderungen gleichzeitig wahr sein.

Doch schauen wir uns beide Schöpfungsgeschichten im Detail und im Originalwortlaut an, dann bekommen wir einen besseren Einblick in das, was damals geschehen ist, zumindest aus der Sicht des AT bzw. aus der Sicht derjenigen Glaubensgemeinschaften, die sich darauf stützen und die behaupten, dass dies wirklich Gottes (welchen Gottes?) Wort und daher wahr sei.

Die 1. Schöpfung: Die Elohim erschaffen Mann und Frau gleichzeitig

In Gen 1,1–25 erfahren wir, dass die Götter [elohim], nachdem sie in fünfeinhalb Tagen bis auf die Menschen schon alles erschaffen hatten, Menschen (wohlgemerkt mehrere Menschen und nicht nur einen Menschen) machen wollten, als ihr Abbild, ihnen gleich.

Hier finden wir den ersten offensichtlichen Beweis dafür, dass Jahwe und die Elohim nicht identisch sind, denn die Elohim gehen die ganze Sache viel klüger an, indem sie die Menschen von Beginn an bereits als Mann und Frau erschaffen.

Wenn Jahwe und die Elohim identisch wären, dann würde Jahwe nicht ein Kapitel später versuchen, erneut einen Menschen zu erschaffen. Außerdem erweist sich Jahwes Adam als „Fehlproduktion“, denn bereits nach kurzer Zeit muss Jahwe erkennen, dass Adam nicht so funktioniert, wie er es gern gehabt hätte. Doch bevor wir uns dem unseligen Schaffen Jahwes widmen, möchte ich noch kurz die Erschaffung der Menschen durch die Elohim im Originalwortlaut anführen:

(Gen 1,26) Dann sprach Gott [elohim]: Lasst uns Menschen [adam] machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. (27) Gott [elohim] schuf also den Menschen [adam] als sein Abbild; als Abbild Gottes [elohim] schuf er ihn. Als Mann [zakar] und Frau [neqebah] schuf er sie. (28) Gott [elohim] segnete sie, und Gott [elohim] sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen. (29) Dann sprach Gott [elohim]: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen. (30) Allen Tieren des Feldes, allen Vögeln des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, was Lebensatem in sich hat, gebe ich alle grünen Pflanzen zur Nahrung. So geschah es. (31) Gott [elohim] sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: der sechste Tag.

Eigentlich müssten all diese Sätze im Plural geschrieben werden, um der echten Aussage zum Durchbruch zu verhelfen, denn Elohim ist die Mehrzahlform von Eloah oder Eloha:

(Gen 1,27) Die Götter schufen also den Menschen als ihr Abbild; als Abbild der Götter schufen sie ihn. Als Mann und Frau schufen sie sie

Das allererste Gebot, dass die Elohim den von ihnen geschaffenen Menschen – Männern und Frauen – gaben, war: „Seid fruchtbar und vermehret euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Lande regen.“ Als Nahrung dienen ohne Ausnahme alle Bäume, die samenhaltige Früchte tragen. Ein Verbot, die Früchte des Baumes des Lebens und/oder des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, gibt es nicht.

Ich möchte an dieser Stelle gleich auf einen bedeutsamen Aspekt hinweisen, und zwar auf den Kalender bzw. genauer gesagt, auf die Art der Tageszählung. Am Ende eines jeden Tages heißt es bei der Schöpfung der Elohim: „Es wurde Abend, und es wurde Morgen: der x-te Tag.“ Alle ursprünglichen Kalendersysteme, die den Tag mit dem Morgen, also dem Sonnenaufgang beginnen lassen, können letztlich auf die Anbetung eines Sonnengottes oder der Sonne als Leben spendendes Zentralgestirn zurückgeführt werden. Diese Art von Kalender ist typisch für Ackerbaukulturen, denn für diese ist die Sonne weit wichtiger als der Mond.

Im Gegensatz dazu lassen Kulturen, die in irgendeiner Form den Mond oder eine Mondgöttin verehren, den Tag mit dem Abend beginnen. Diese Art von Kalender ist typisch für Hirten- und Nomadenvölker, denn der Tau, der in der Nacht fällt, bringt in der Summe oft mehr Feuchtigkeit als der seltene Regen. Außerdem war bei den altorientalischen Nomadenvölkern der Wechsel von der Winter- zur Sommerweide ein entscheidendes Ereignis im Jahreslauf, der idealerweise in einer Vollmondnacht durchgeführt wurde, denn da hatte man die ganze Nacht über genügend Licht und trotzdem nicht die Hitze des Tages für die oft weiten Märsche.

Diese grundsätzliche Kalenderfrage wird neben anderen dann speziell im Spätjudentum der Pharisäer und Essener und ganz besonders bei der Entstehung des Christentums eine Rolle spielen. Tatsache jedoch ist, dass das heutige rabbinische Judentum zumindest seit etwa 2000 Jahren einen Mondkalender verwendet.

Die 2. Schöpfung: Jahwes Adam ist aus Staub gemacht und allein

Auch hier haben wir, wie bei etlichen anderen Stellen des AT das Problem, dass Jahwe, als er die folgenden Verse diktiert, entweder nicht weiß, dass es eine ähnliche Story schon einmal gegeben hat, oder dass er wenige Verse später schon wieder vergessen, was er kurz zuvor diktiert hat. Jeder Mensch mit einem gesunden Hausverstand weiß, dass ein und dasselbe Ereignis nicht auf zwei völlig verschiedene Weisen geschehen sein kann.

Es ist bekannt, dass zwei oder mehrere Beobachter eines Ereignisses dies unterschiedlich wahrnehmen und die einzelnen Aktionen unterschiedlich bewerten, aber dies trifft hier nicht zu, denn zwischen der Erschaffung der Menschen als Mann und Frau durch die Elohim und der Erschaffung Adams durch Jahwe gibt es viel zu wenige Gemeinsamkeiten, und die Unterschiede sind einfach zu groß.

Bei der ersten Schöpfung durch die Elohim ist der Mensch die Krone der Schöpfung und wird nach den Pflanzen und Tieren als Letzter erschaffen. Im Gegensatz dazu behauptet aber Jahwe, dass er den Menschen vor den Pflanzen und Tieren gemacht hätte, und zwar ganz einfach, in dem er – bildlich gesprochen – einen Klumpen Lehm nahm und einen menschlichen Körper daraus formte.

Diese Erschaffung Adams – des Erdlings – durch Jahwe wird dann in Genesis 2,4b–8 geschildert. Diesem leblosen Terrakottakörper blies Jahwe den Lebensatem in die Nase, und – Hokuspokus – der Lehmbrocken verwandelte sich in Fleisch und Blut und erwachte zum Leben.

(Gen 2,4b) Zur Zeit, als Gott, der Herr [jahwe-elohim], Erde und Himmel machte, (5) gab es auf der Erde noch keine Feldsträucher und wuchsen noch keine Feldpflanzen; denn Gott, der Herr [jahwe-elohim], hatte es auf die Erde noch nicht regnen lassen, und es gab noch keinen Menschen [adam], der den Ackerboden bestellte; (6) aber Feuchtigkeit stieg aus der Erde auf und tränkte die ganze Fläche des Ackerbodens. (7) Da formte Gott, der Herr [jahwe-elohim], den Menschen [adam] aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch [adam] zu einem lebendigen Wesen. (8) Dann legte Gott, der Herr [jahwe-elohim], in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen [adam], den er geformt hatte. (9) Gott, der Herr [jahwe-elohim], ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse … (15) Gott, der Herr [jahwe-elohim], nahm also den Menschen [adam] und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte. (16) Dann gebot Gott, der Herr [jahwe-elohim], dem Menschen [adam]: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, (17) doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon isst, wirst du sterben.

Jahwes Adam war also bereits ein von Jahwe angestellter Bauer und Wächter. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass in der Mitte dieses Gartens Eden nur ein besonderer Baum stand, gab es dort deren zwei, wobei nur der Genuss der Früchte des Baumes der Erkenntnis verboten, der Genuss der Früchte des Baumes des Lebens jedoch gestattet war. Die implizite Erlaubnis der Elohim die Früchte aller Bäume, also auch die des Baumes der Erkenntnis zu essen und das explizite Verbot durch Jahwe stellen einen unüberbrückbaren Gegensatz dar.