Helga Kotthoff / Damaris Nübling
unter Mitarbeit von Claudia Schmidt
Genderlinguistik
Eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht
A. Francke Verlag Tübingen
Umgekehrt formuliert: Geschlecht wird in dieser Einführung niemals für Genus verwendet, auch wenn dies in der öffentlichen und leider auch in der linguistischen Diskussion immer wieder passiert. Zur „begrifflichen Kontamination“ (Irmen/Steiger 2005, 217) von Geschlecht in der Bedeutung und von Genus sowie zur „Sexualisierung der Grammatik“ (218) s. Irmen/Steiger (2005), Leiss (1994), Hornscheidt (1998), Doleschal (2002).
Einige Ausführungen zu Goffmans Forschungsprogramm greifen auf Kotthoff 1994b zurück.
Vgl. dazu die bekannten Analysen zu der einer Kindererzählung entstammenden Äußerung The Baby cried. The mommy picked it up., die unser selbstverständliches Verstehen dieses Zusammenhangs erläutern (Sacks 1992, 236ff.).
https://www.zalando.de/skinny-jeans/ (Aufruf 15.08.2018).
Perlenketten, Stöckelschuhe und enge Röcke spielen in verschiedenen „Drag“- und Transgenderszenen bemerkbare Rollen (Barrett 2017).
Dieser Terminus entstammt der Semiotik. Wir verwenden hier auch den Alltagsbegriff des Indizierens, der durchaus abdeckt, was gemeint ist.
Diese Kopplung ist oft beobachtbar. Unterschichtigkeit geht einher mit der Kommunikation von Grobheit, die wiederum geeignet ist für die Kommunikation von Männlichkeit. Beispielsweise gilt auch Fluchen als typisch für die Unterschicht und eignet sich wegen der Konnotation von Unfeinheit zur Kommunikation von Männlichkeit.
Auf graf(olog)ischer Seite entsprächen dem geschlechtsspezifische Handschriften. Diese Annahme hält keiner wissenschaftlichen Überprüfung stand. Manche glauben, dass Frauen weitere, rundere Formen bevorzugen, Männer gedrungenere, kleinere und mit starken Ausschlägen nach oben und unten.
www.berliner-zeitung.de/25800540 (Aufruf 15.08.2018).
https://www.swr.de/swr2/musik/frauenstimmen-tiefer-gesang/-/id=661124/did=21085010/nid=661124/12kj0fu/index.html (Aufruf 15.08.2018).
Auch bei den Neutra ist Belebtheit irrelevant.
Die umlautlosen Maskulina gehen auf die ahd. a-Klasse zurück, die wegen a-haltiger Endungen keinen phonologischen Umlaut auslöste (z.B. Tag/Tage). Die umlautenden Maskulina gehen auf die i-Klasse zurück, deren i-haltigen Endungen i-Umlaut auslösten (z.B. Gast/Gäste). Im Sg. verhielten sich beide Klassen gleich. Nach ihrem mhd. Zusammenschluss zu einer Klasse fand eine Umsortierung des Umlauts nach Frequenz und Belebtheit des Nomens statt, d.h. einige frühere Umlauter habe heute keinen mehr und umgekehrt lauten heute viele Maskulina um, die nicht aus der i-Klasse hervorgehen. Dieser neue, nichtphonologische Umlaut nennt sich tertiärer, morphologischer, funktionaler oder analogischer Umlaut.
Bei diesem Prozess spielen auch prosodische und phonologische Faktoren eine Rolle, denn Trochäen mit auslautendem Schwa verzögern das Verlassen dieser Klasse (z.B. Rábe). Für den Verbleib am wichtigsten ist jedoch Belebtheit bzw. Menschlichkeit (s. eingehend Köpcke 1993, 1995).
Auf die alte Femininform geht heutiges wie zurück.
Genauer: Sie hatten im Singular keine monofunktionale Genitivendung (diese Endung hat im Ahd. meist den Dativ mitmarkiert), aber im Plural, z.B. ahd. Gen.Pl. zung-ōno ‚(der) Zungen‘.
Zur Geschichte der Sexualisierung von Genus in der Sprachwissenschaft s. Bußmann (1995).
Damit lässt sich ein Ur- oder Frühzustand von Genus rekonstruieren noch ohne Verweis auf Geschlecht. Hier kann man beobachten, wie ein grammatisches Verfahren zur Geschlechtsdifferenzierung entsteht, wie also Geschlecht in die Sprache kommt (Hirschauer 2003).
Pronomina konservieren in aller Regel die drei Genera, weil sie als suppletive Formen einander extrem unähnlich sind, lautlich also (ungleich den Artikeln) nicht von Zusammenfall bedroht sind. Deshalb werden sie sekundär funktionalisiert, indem sie mit den wichtigsten Unterscheidungen Belebtheit und Geschlecht aufgeladen werden.
Dass in Abb. 4-2 die Pronomen weggelassen wurden, liegt daran, dass sie bis auf die 3.Ps.Sg. genuslos sind und damit kein Geschlecht bezeichnen. Dies hat gute Gründe: Die Pronomen der 1. und 2. Person (ich, wir und du, ihr, Sie) verweisen direkt auf die anwesenden KommunikationspartnerInnen, deren Geschlecht visuell und/oder akustisch (z.B. am Telefon) evident und damit mehrfach abgesichert ist. Sprachlich wäre eine Geschlechtsmarkierung redundant (was nicht heißt, dass es keine Sprachen gäbe, die hier dennoch Geschlecht markieren, z.B. span. vosotras [2.Ps.Pl.f.] vs. vosotros [2.Ps.Pl.m.]). Da dritte Personen abwesend und damit unsichtbar, ja sogar unbekannt sein können, findet hier – auch im Deutschen – am ehesten eine Genus- und damit Geschlechtsanzeige statt (sie vs. er), in manchen Sprachen auch im Plural (span. ellas [3.Ps.Pl.f.] vs. ellos [3.Ps.Pl.m.]).
Nicht zuletzt spricht für die Verweiskraft von Genus auf Geschlecht die Tatsache, dass Transgender-Personen Genus sehr kreativ zur Geschlechtsanzeige nutzen. So etwa wird ein Transmann von seiner Tochter seit seiner Transition der Mutti genannt (s. Nübling 2017b).
Allerdings ersetzt Kuh immer mehr Rind als Oberbegriff, wahrscheinlich weil Kühe häufiger vorkommen bzw. sichtbarer sind als Bullen (Kubczak 1991).
Solche Stereotype manifestieren sich häufig besonders deutlich in der Literatur. So wurde festgestellt (z.B. von Leibring 2015, 58f.), dass fiktive (literarische) Hunde männlich benannt zu werden pflegen und somit als Rüden konzipiert werden. Dies zu überprüfen (vergleichend zu Katzen), harrt noch einer sicherlich aufschlussreichen Untersuchung.
Dass humane Maskulina auch in sog. generischer Verwendung mehrheitlich männlich gelesen werden, ist Thema von Kap. 5.
Allerdings ist da Vorsicht geboten, solange Untersuchungen zu der Frage fehlen, ob die Spinne und ihr Männchen bzw. das Männchen der Spinne häufiger vorkommt/akzeptabler ist als die Spinne und ihr Weibchen/das Weibchen der Spinne. Linke (2002, 122) weist auf das Weibchen des Pottwals hin.
Die umgekehrte Richtung scheint bei Animata kaum beschritten worden zu sein; hierzu gehört allenfalls die Waise (seit dem 18. Jh. für beide Geschlechter), die im Fall männlicher Waisen öfter zu der Waise wird. Auch Hanswurst hat sein Genus von f. > m. gewechselt.
Ausgeschlossen wurden lexeminhärent sexusspezifizierte Bezeichnungen wie Erpel, Henne, Kater, ebenso geschlechtsambige Vornamen wie Flecki, Brummel, und schließlich Tierfamiliengeschichten, da bei Familien in aller Regel feste geschlechtsspezifische Rollen besetzt werden.
Braun/Haig (2010) untersuchen nur die Pronominalisierung von (neutralem) Mädchen, sofern weitere Informationen über das Referenzobjekt und dessen Alter vorliegen.
Noch nicht richtig erforscht ist die Frage nach der biografischen Reichweite der Lexeme Mädchen und Junge, wenngleich gesichert ist, dass das Mädchenstadium länger an.
So z.B. in den Duden-Grammatiken bis 1995, in Kalverkämper (1979, 60) und – besonders weit gefehlt – in Löffler (1992, 43): „Offensichtlich besteht im alltäglichen Sprachgebrauch keine zwingende Beziehung zwischen grammatischem Geschlecht und natürlichem Sexus, ja man könnte sogar den Eindruck gewinnen, dass im Alltag der soziale Geschlechtsunterschied sprachlich gar nicht wahrgenommen werden soll. Anders könnte man nicht die häufig grammatisch neutralen Personenbezeichnung[en] erklären: das Kind […], das Mädchen, ‚es‘ im Schweizerdeutschen als Pronomen für alle weiblichen Wesen. […] Das grammatische Geschlecht von Personenbezeichnungen wird jedenfalls für die Unterscheidung gesellschaftlicher Geschlechterfunktionen nicht systematisch genutzt, ohne dass deswegen die Sprache gleich als ‚patriarchalisch‘ angesehen werden muss“.
Bei das Ekel und das Mensch erfolgt zur Abwertung ausschließlich ein Genuswechsel vom Maskulinum zum Neutrum. Die eindeutige Funktion des Neutrums tritt auch bei substantivierten Adjektiven zutage: Schau mir in die Augen, Kleines! könnte weder einen Mann noch einen Jungen meinen.
Damit sind referenzielle Verwendungen gemeint (da kommt das Großmaul), keine prädikativen, wo deutlich weniger Beschränkungen gelten (er/sie ist ein Großmaul).
Corbett (2013b) erwähnt verschiedene Sprachen, die ‚Frauenklassen‘ von ‚Männerklassen‘ unterscheiden. Devianzen pflegen bei den Frauenklassen vorzukommen: „There are some curious effects of status, usually within the feminine gender“ (ebd.). Sie kreisen meist um unverheiratete bzw. unfortgepflanzte Frauen, die sich grammatisch (und wohl auch sozial) deviant verhalten.
Angeblich können im Amerikanischen z.B. Räuber mit it pronominalisiert werden – ein großer sprachlicher Distanzierungsgestus.
Geschlechtsabstrahierendes hen, das 2015 offiziell in Svenska Akademiens Ordlista aufgenommen wurde, hat sich längst etabliert, auch in Kinderbüchern. Karin Milles stellt nach einigen Jahren fest: „Hen har gått från att vara en het potatis till att bli en ljummen bulle“ [‚Hen ist von einer heißen Kartoffel zu einem lauwarmen Brötchen geworden‘] (zit. in Språktidningen 6/2017, 20).
Seit neuestem führt das Duden-Wörterbuch auch die movierte Form Gästin auf (mit dem Vermerk „selten“) und folgt damit dem Bedarf an Movierung (ähnlich bei Vorständin, Aufsichtsrätin). Historisch ist Gästin (bzw. gestin) allerdings schon früh belegt (DWB).
www.badische-zeitung.de/ringsheim/one-woman-show-auf-kurzweil-gepolt/ (Aufruf 15.08.2018).
Dass es theoretisch ja auch der Partner des Mannes sein könnte, lassen wir hier und in den folgenden Sprachbeispielen (oft den Tests entnommen) deswegen außer Acht, da wir es mit verbreiteten Alltagsannahmen (und nicht persönlichen Einstellungen oder Überzeugungen) zu tun haben; dazu gehört (noch) nicht die gleichgeschlechtliche Ehe.
Graham (1975) hat amerikanische Schulbücher aus den 1960ern ausgewertet und festgestellt, dass – nur bezogen auf Personal- und Possessivpronomina – viermal so häufig männliche wie weibliche Formen vorkommen. Von den 940 he-Nennungen erwiesen sich praktisch alle als geschlechtsdefinit-männlich (etwa indem sie im Text durch Personennamen ‚aufgelöst‘ werden). Nur bei 32 he-Vorkommen blieb das dahinterstehende Geschlecht offen und damit eine geschlechtsübergreifende Lesart möglich (s. auch Khosroshahi 1989).
Vergleichbar ist das Dilemma dem Toponym Amerika, der eigentlich auf Süd- und Nordamerika referiert, oft aber – zum Ärger von SüdamerikanerInnen – nur Nordamerika meint (bzw. – nun zum Ärger Kanadas – nur die USA). Deshalb wird in Südamerika sprachlich konsequenter zwischen Süd- und Nordamerika unterschieden (Sichtbarmachungsstrategie).
Das gleiche Heft (Hauptthema: „Gender“) hat für die Genderlinguistik einem linguistischen Laien und Gegner geschlechtergerechter Sprache eine Plattform geboten: Ohne jegliche linguistische Grundkenntnisse poltert er seitenlang gegen sprachliche Gleichstellung. Dieses Beispiel zeigt, dass die meisten Medien die Linguistik für verzichtbar halten.
Unlängst hat dies Pusch (2016, 131–136) anlässlich der Berichterstattung über die Opfer des Germanwings-Absturzes 2015 kritisiert: Hierbei waren 16 „Schüler“ aus Haltern umgekommen, auf die die Medien so referierten. Der Ausdruck Schüler war hochreferenziell, was die Relevanz von Geschlecht steigert (Tab. 5-1) und (fast) nur männliche Schüler aufruft. Die Mehrheit dieser Gruppe stellten jedoch 14 Schülerinnen. Ihr Geschlecht wurde sprachlich verdeckt, wiewohl andere Spezifikationen wie Nationalität, Herkunft und Alter vorgenommen wurden.
So der Wortlaut, gemeint und linguistisch exakt: maskulin.
Allerdings ist die Streuung zwischen den Einzelwerten sehr hoch, der Effekt des GM schwankt beträchtlich. Der errechnete Mittelwert ist von nur begrenzter Aussagekraft (Dank an Andreas Klein!).
So haben Vpn des 1. Tests teilweise die Intention erkannt, was für den 2. Test ausgeschlossen wurde.
In diesen Aufsätzen werden auch andere, hier nicht referierte Untersuchungen diskutiert wie Rothermund (1998), Braun et al. (1998), Irmen/Roßberg (2004).
Schriftliche Sätze sind prosodisch immer unterspezifiziert, oft ist die Akzentposition wichtig. Frauen sind in diesem Satz dann als Teilgruppe einer beidgeschlechtlichen Gruppe denkbar, wenn der Akzent auf Frauen liegt.
S. aber Irmen/Roßberg (2004), die bei Feminina einen schwächeren Effekt auf entsprechende Geschlechtervorstellungen feststellen als bei Maskulina und von einem „people = male bias“ sprechen.
Gabriel et al. (2008) stellen fest, dass Stereotypizitätsbewertungen maskuliner Personenbezeichnungen dann in ihrem Männlichkeitsgehalt abgeschwächt werden, wenn man sie mit weiblichen Formen flankiert: „Our results are a further indication that explicitly referring to the fact that roles could be filled by women heightens women’s visibility, but only if it is done in a prominent way – that is, by placing the feminine versions first“ (212).
Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt Khosroshahi (1989) bzgl. der Wirkung von engl. he, they und he or she: Letztere Paarform erzielt die ausgewogensten Repräsentationen (34 % Frauen, 66 % Männer). Ähnlich wie Pinguine marginale Repräsentanten für die Kategorie Vogel seien, so stellten auch Frauen nicht-prototypische Menschen dar.
Als hätte es diese Kontroverse und fast 40 Jahre feministische Linguistik nicht gegeben, belehren Gauger (2017) und Wegener (2017) ihre Leserschaft auf demselben Niveau und mit der gleichen Verabsolutierung von Sprache wie damals Kalverkämper.
Diskordanzen zwischen Genus und semantischem Geschlecht werden bspw. unterschiedlich stark abgelehnt: So erzielt der Satz Diese Lehrerin ist mein Mann weniger Akzeptanz als der Satz Dieser Lehrer ist meine Frau. Dies unterstreicht das größere referenzielle Spektrum des Maskulinums (Motschenbacher 2015, dort mit weiteren Referenzen).
Schoenthal (2000, 2079) zufolge soll Angela Merkel als Ministerin Staatssekretärin Sabine Bergmann-Pohl mit „geehrter Kollege Bergmann-Pohl“ angesprochen haben.
Schon Georg von der Gabelentz schrieb 1901: „Das grammatische Geschlecht bringt es […] mit sich, daß wir Deutschen nie eine Frauensperson als einen Menschen und nicht so leicht einen Mann als eine Person bezeichnen“ (235, zit. nach Hausherr-Mälzer 1990, 103/4). Auch Christen (2013) liefert Evidenz für eine enge Genus-Sexus-Beziehung: „Das Femininum Person lädt offenbar dazu ein, […] als weibliche Personenbezeichnung gebraucht zu werden“ (93).
Weitere Zitate: Oskar Lafontaine: „Auch die serbischen Menschen haben Frauen und Kinder, die um sie weinen.“ (DIE ZEIT, 06.05.1999). Otto Rehhagel über Fußballer in Trainingscamps: „Kein gesunder Mensch kann drei oder sechs Wochen ohne Frau auskommen.“; „Briefe von berühmten Menschen an ihre Ehefrauen oder Geliebten sind so eine Sache.“ (Georg Patzer, zit. nach Pusch 2013).
Die VerfasserInnen unterscheiden zwischen Bewertungen und Elizitierungen solcher Selbstbezeichnungen.
Leider greifen fast alle Studien aus praktischen Gründen auf (junge) Studierende (meist der Psychologie oder der Linguistik) als Vpn zurück. Auch hier wäre der Einbezug möglichst vieler Bevölkerungsgruppen wünschenswert, bzgl. ihres Alter, ihrer Herkunft, ihrer Bildung etc. (wie dies Klein 1988 und Oelkers 1996 getan haben).
Auch Neutra wie Individuum werden zuweilen männlich sexuiert: „Das menschliche Individuum […] sucht […] sich eine Frau, die mit ihm das Leben teilt“ (Scheele/Rothmund 2001, 88).
S. auch Bär (2004, 157) sowie Diewald/Steinhauer (2017). Weder substantivierte Partizipien und Adjektive noch eingestreute Feminina und Maskulina wurden bislang gezielt auf ihre Verarbeitung hin getestet. Hinweise auf eine geschlechterausgewogenere Referenz von Partizipialformen bei neutralem Kontext liefern Bülow/Jakob (2017).
Substantivierte Adjektive und Partizipien sind im Singular sogar besonders eng mit Geschlecht assoziiert, was maßgeblich die Leistung des am Wort overten Genus ist (Suffixe). So hat Pusch (1984) schon früh den Einheitseintrag „Der Inhaber dieses Passes ist Deutscher“ in Pässen kritisiert (was später korrigiert wurde). Nach wie vor finden sich zuhauf als GM intendierte, aber männlich endende Formulierungen wie in der F.A.Z. (Bericht über die ETA): „Wenn es einen Toten gab, nun ja – irgendetwas würde der Mann schon getan haben“ (18.01.2018).
Zu jedermann wird ab den 1980ern auch jedefrau gebildet, zunächst (nach Ausweis von Haß-Zumkehr 2003) paarformelartig verbunden (jedermann und jedefrau). Später löst es sich ab.
Das Neutrum nach jemand (sowie niemand und wer) scheint auf die Reanalyse eines Genitivs zurückzugehen. Regional ist auch Maskulinkongruenz möglich (jemand Fremder), was zeigt, dass jemand Fremdes als Neutrum empfunden wird (doch mit anaphorischem Mask.: jemand Fremdes, der …).
Ein pluralisches und damit genusneutrales Possessiv, wie es im Englischen praktiziert wird (Who has lost their tickets?), funktioniert im Deutschen nicht, da es mit dem Fem.Sg. homophon ist: Wer hat ihren-PL./FEM.SG. Lippenstift vergessen? ist ambig.
Harnisch (2009, 79) identifiziert noch eine ältere genusübergreifende und geschlechtsindifferente Verwendung von was mit Bezug auf Personen: Früh übt sich, was ein Meister werden will; alles, was Beine hat.
Dass -leute sich für die geschlechtsinklusive Verwendung eignen würde, zeigt das Beispiel Eheleute (*Ehemänner) als Plural zu Ehefrau und Ehemann.
Diese Verstärkung ist in Dialekten wie dem Alemannischen ausgeblieben, wo – mit alemannischem n-Schwund – der alte Nominativ auf -i bzw. auch -e bis heute fortgesetzt wird: Puur – Püüri ‚Bauer – Bäuerin‘, Choch – Chöchi ‚Koch – Köchin‘ etc. Auch weibliche (dialektale) Familiennamen wie die Müllern, die Schulzen enthalten reduziertes altes -in (s. Schmuck 2017).
www.sprachlog.de/2015/12/17/fluechtlinginnen-und-fluechtlinge/ (Aufruf 15.08.2018).
Auch Freund und Freundin trennt mehr als Geschlecht: Da oft im Sinn von ‚Geschlechtspartner‘ verwendet, ist es von Belang, ob sie oder er viele Freundinnen bzw. Freunde hat.
Es sei denn, es handelt sich um individualisierte, benannte und damit anthropomorphisierte Exemplare in Tiergärten und Zoos. Korpusbelege zeigen, dass Seehündin oft als Apposition zu einem Eigennamen verwendet wird: Seehündin Dorle, Seehündin Evi, ja sogar Patenseehündin Zola.
Schröter et al. (2012) vergleichen diesbezüglich Deutschland und die Schweiz und ermitteln leichte Unterschiede bei der Akzeptanz maskuliner Prädikatsnomina mit Bezug auf Frauen, v.a. aber zwischen älteren und jüngeren Personen. Für die Tatsache, dass Jüngere eher zum prädikativen GM greifen als Ältere, erwägen die AutorInnen ein undoing gender.
Pusch (1984) hat schon früh bei Pässen den Einheitseintrag „Der Inhaber dieses Passes ist Deutscher“ kritisiert. Später stand in den Pässen von Frauen „Die Inhaberin dieses Passes ist Deutsche“. Heute steht dort „Staatsangehörigkeit: Deutsch“. So einfach geht undoing gender.
So stand in einer Todesanzeige: „Am […] verstarb meine liebe Frau und guter Lebenskamerad“.
Duden-Zweifelsfälle (2011, 577) empfiehlt auch nach dem Neutrum Mädchen sexuskonforme Femininkongruenz: „Dieses Mädchen ist eine gute Rechnerin (selten: ein guter Rechner)“.
Referenzialität erklärt auch den in Gorny (1995, 523) zitierten und dort als willkürlich empfundenen Fall, dass die Duden-Redaktion 1991 empfahl, „Unsere Tochter lernt Auto-Mechaniker“ zu verwenden, aber „Die Werkstatt leitet eine Auto-Mechanikerin“.
So bemerkt Schoenthal (2000, 2079): „Da in der früheren DDR jede Form autonomer Interessenvertretung unterbunden war (Diehl 1992, 390), konnte eine unabhängige Frauenbewegung nicht entstehen“. S. dazu auch Trempelmann (1998).
Auch dass die Tiergeschlechter mit Weibchen und Männchen ausschließlich über Diminution vom Menschen abgegrenzt werden, sagt viel über die hierdurch etablierte Hierarchie aus. Kleinheit kann nicht der Grund sein, überragen doch viele Weibchen und Männchen den Menschen.
Auch das Derivat mannbar findet sich nur auf weiblicher Seite (*fraubar sucht man vergeblich), was die weibliche Relationalität zum Mann unterstreicht.
Nur Tieren mutet man dies zu, hier stellen sich zu den Weibchen die Männchen.
Nimmt man nur das (sehr produktive) Suffix -li mit der reinsten Diminutivsemantik (es gibt weitere, beschränktere Suffixe wie -el, -i, -(t)schi), dann polarisiert sich das Geschlechterverhältnis zu 91 % Frauen- und 9 % Männernamen.
Als sehr ergiebig würden sich Geburts- bzw. Entbindungsanzeigen aus dem 19. und 20. Jh. erweisen, wenn man sie denn (eingehender als bisher) auf Geschlechterkonstruktionen hin analysierte. Dort stehen nämlich häufig Töchterchen neben Söhnen, Knaben, Bengeln und Stammhaltern. Auch die Attribute differieren, etwa (im 19. Jh.) muntere Töchterchen neben strammen Jungen, prächtigen Bengeln, kräftigen Knaben (s. Frese 1987; Linke 2009).
Im Laufe der Zeit können sich solche Konversionen zu echten Substantiven entwickeln, die dann die Adjektiv- zugunsten der Substantivflexion aufgeben (Kap. 4), z.B. bei Junge, Greis.
Anders Eisenberg (2013b, 138), der auch den maskulinen Singular (der Angestellte) für ‚generisch‘, (geschlechtsneutral) hält (neben der männlichen Lesart). Speziell hierzu fehlen Perzeptionsstudien. Was der (in guter Absicht gebrauchte) Singular anrichten kann, zeigt die Überschrift eines Zeitungsartikels: „Unbekannter in Wohnung eingebrochen“. Hier kann nur ein Mann in Verdacht geraten (zumal Einbrecher männlich genderisiert sind).
Quellen: https://info.arte.tv/de/fluechtlinge-salam-schlaeft-auf-der-strasse; www.savethechildren.ch/de/projekte/projekte_weltweit_2/europa/?128/ ; www.cafebabel.de/…/urteil-des-eugh-menschenrechte-gelten-auch-auf-hoher-see.html (Aufrufe 07.02.2018).
Gibt man in Google „darunter auch Männer“ ein, dann erscheinen sie als Opfer von (sexueller) Gewalt oder als Unterstützer gleichstellungspolitischer Maßnahmen.
www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/weiblichkeit-in-den-medien-eine-frau-ist-kein-hulk-a-1200041.html (Aufruf 15.08.2018).
Für die Erstellung und Verfügbarmachung von Abb. 7-1 bis 7–4 danke ich herzlich Anne Rosar. Für die Berechnung der mit Microsoft Excel 2013 erstellten linearen Trendlinien gilt folgende Gleichung: y = mx + b.
Diese ca.-Werte erklären sich durch die Berücksichtigung verschiedener Textsorten.
Dies bestätigt auch Ott (2017a, 231ff.) für Schulbücher vom Ende des 19. Jhs. bis heute. Vor allem die Wendung Vater und Mutter nimmt ab und verschwindet sogar bis 1980. Sie wird durch das entsprechend zunehmende Kollektivum Eltern ersetzt (als eine Form des undoing gender).
Jessica Nowak (pers. Information) stieß bei einer Untersuchung von Todesanzeigen im Hamburger Abendblatt noch in den 1970er Jahren auf die Ordnung, zuerst die männlichen und dann die weiblichen Verstorbenen aufzuführen.
Auch hier unlängst mit Erschütterungen für die Gläubigen, wie Spektrum der Wissenschaft 2/2018 zu entnehmen ist: „Typisch weibliches Gehirn? Neuroforscher räumen mit einem Mythos auf“. Bislang wird in langer Tradition dem weiblichen Gehirn Devianz unterstellt, das männliche bildet die Norm.
Zu der Wurzel ie. gen(ə) ‚erzeugen, gebären‘ gesellen sich auch lat. genus ‚Art, Gattung‘, schwed. kön ‚Geschlecht‘, an. kind ‚Geschlecht, Kind, Stamm‘, engl. kind ‚Art, Gattung‘ sowie nhd. Kind ‚Erzeugtes‘ und König (< mhd. kuning, vgl. engl. king) ‚Mann eines vornehmen Geschlechts‘ (Pfeifer 1997).
Allerdings weist Kochskämper (1999) nach, dass ahd. man faktisch nur auf Männer referiert. Auch als reihenbildendes Zweitglied ahd. Rufnamen bildet es nur Männernamen (Hermann).
Genaugenommen sind es mehr, und alle definieren sich durch Bezug zum Mann, z.B. ahd. kebisa ‚Kebse, Nebenfrau, Dirne‘, ahd. huora ‚Hure‘, mhd. juncvrouwe, juncfer ‚unverheiratete Frau‘ > nhd. Jungfrau, Jungfer ‚unberührte Frau‘, nhd. Fräulein ‚unverheiratete Frau‘. Generell spielt(e) das sog. Virginitätskriterium bei Frauen eine enorme Rolle. Neuerdings kann Jungfrau prädikativ auch auf Männer bezogen werden: er ist noch Jungfrau.
Die Irrelevanz der Ehe für einen Mann und umgekehrt das große Interesse daran, ob eine Frau verheiratet ist und mit wem, zeigt sich nicht nur in entsprechend asymmetrischen Erwähnungen heutiger Wörterbücher (Kap. 8.6), sondern in Porträts von Frauen vs. Männern in Zeitungen und anderen Medien sowie im Literaturbrockhaus (s. Pusch 1999, 87–92).
Ob, wie Hausherr-Mälzer (1990, 89) behauptet, es ungrammatisch sei, Otto ist Ernas Witwer zu bilden, während Erna ist Ottos Witwe ganz normal sei, ist zu bezweifeln.
Frauenzimmer basiert auf einer metonymischen Verschiebung von ‚Gemach der Herrin/Aufenthaltsort der Frauen‘ (15. Jh.) > ‚weibliche Dienerschaft‘ (16. Jh.) > ‚Frau‘ (17. Jh.) (nach Pfeifer 1997).
Die kontrastive Genderforschung hat gezeigt, dass Pejorisierungen weiblicher Personenbezeichnungen auch in Kulturen fern jeglichen Galanteriegebots vorkommen. Croft (1997) bemerkt in einer Rezension zu Keller, dass die Abwertung der Bezeichnungen für Schwarze in den USA (colored, negro, black) keinesfalls auf Höflichkeit, Galanterie oder irgendeine Art von Aufwertung zurückgehen könne (da nie vorhanden), sondern einzig auf Rassismus.
Noch nicht recht gedeutet, aber mit dem Ausdruck von Respekt verbunden ist ein dialektaler Befund, der es verbietet, Mütter (und evt. auch Väter) zu pronominalisieren, d.h. hier kann man bei einer bereits vorgenannten Mutter (z.B.: Gestern hatte meine Mutter Geburtstag) nicht sagen, *Sie ist 45 geworden, sondern man muss sie immer renominalisieren: Die Mutter ist 45 geworden. Das pure Pronomen wirkt respektlos, ähnlich wie das Zeigen mit dem Finger auf eine Person (Dank an Simone Busley für diesen Hinweis).
Vgl. www.dwds.de bzw. www.ids-mannheim.de/cosmas2/.
Im Internet kursieren sog. Warmduscher-Listen mit ca. 600 solcher Wörter, die Männer abwerten. Dahinter steht die als bedrohlich oder verunsichernd empfundene Besetzung oder Passierung der sozialen Mann/Frau-Grenze: Ein Mann definiert sich primär dadurch, keine Frau zu sein.
In der Unterhaltungsbranche ist der weibliche Anteil höher (Sängerinnen, Schauspielerinnen), in der Wirtschaft niedriger. Auch spielt das Alter bei Frauen eine entscheidende Rolle: Ältere und alte Frauen verschwinden vollkommen aus der medialen Öffentlichkeit. Auch werden Frauen deutlich seltener mit ihrem Namen genannt als Männer. Zu Zahlen, die seit der Ersterhebung 1995 langsam ansteigen, s. den (deutschen) Journalistinnenbund und das Global Media Monitoring Project sowie Kap. 14.2.
Äußerungen wie „Sicherheit für unsere Frauen und Töchter!“ (Wahlslogan der AfD in Hessen 2018) zeugen von der Selbstverständlichkeit männlichen Sprechens über Frauen. Dies beschränkt sich nicht nur auf die AfD
Diese männliche Autonomie findet sich nach wie vor in der Berichterstattung. Interessanterweise wird in Biografien berühmter Personen die Vererbung des Genius immer im Vater verortet, er, sein Beruf und seine soziale Stellung werden regelmäßig genannt, während Mütter bei der Vererbung guter Eigenschaften, ja selbst der Prägung von Kindern kaum eine Rolle spielen.
Auch im Universalwörterbuch von 2006 werden die weiblichen Formen konsequent als eigenes Stichwort gebucht mit Verweis auf die männliche Form (Eickhoff 2012).
Bußmann (1995, 127) beobachtet in Langenscheidts Wörterbuch Lateinisch/Deutsch, dass feminine Beispielsubstantive semantisch ein unspezifisches Durcheinander bilden (insula ‚Insel‘, res ‚Sache‘, oratio ‚Rede‘), während Maskulina wie folgt besetzt sind: dominus ‚Herr‘, puer ‚Knabe‘, vir ‚Mann‘, consul ‚Konsul‘, orator ‚Redner‘, rex ‚König‘ etc.
Auch hier böte sich eine umfassende Untersuchung darüber an, wer wen „hat“ bzw. „heiratet“. Bei Paaren sollte man von Reziprozität ausgehen. Auffallend ist, dass im öffentlichen Diskurs meist der Mann die Agensposition besetzt, z.B. „Der Kaiser [F. Beckenbauer] sagt Ja“ (Pusch 2009, 105f.). Auch ist die Namensnennung von Belang, vgl. „Franz Beckenbauer hat seine Heidi geheiratet“ (ebd.).
Zum langen Konflikt zwischen Selbst- vs. Fremdbenennung von Lesben und Schwulen Ende der 1980er Jahre s. Pusch (1999, 27–67).
Wie es mit der Darstellung und Repräsentation der Geschlechter in Schulbüchern früher und heute bestellt ist, ist Ott (2017a, b) zu entnehmen, wie es sich damit in DaF-Lehrwerken verhält, Lutjeharms/Schmidt (2006).
Allerdings kam dieses they bereits im 18. Jh. vor. Vielmehr ist die 1850 erfolgte präskriptive Festschreibung von he als einzig gültiger Form „ein bemerkenswertes Beispiel von patriarchalem normativem Eingreifen“ (Doleschal 2002, 41).
Teile dieses Kapitels basieren auf Kap. 7.2.4 und 7.3.3. der Einführung in die Onomastik von Nübling et al. (2015).
In der Onomastik spricht man eher von Ruf- als von Vorname, da ein Vorname auch einen Nachnamen impliziert. Es gibt jedoch Gesellschaften mit nur einem Rufnamen (Island). Daher ist es am unverfänglichsten, von Ruf- und Familienname zu sprechen.
Die erwähnte intergeschlechtliche Person Sandrao kombiniert diese beiden geschlechtsexklusiven Endungen (Androgynisierung).
Was der Griff ins „falsche“ Nameninventar verursachen kann, besingt Johnny Cash in dem Lied „A boy named Sue“, das das Leid eines so benannten und verhöhnten jungen Mannes schildert, der dafür Rache an seinem Vater nehmen will. Inspiration für das Lied war ein Richter namens Sue Kerr Hicks aus Tennessee, dessen Mutter bei seiner Geburt starb und deren Namen er deshalb bekam.
Dies gilt jedoch nicht für a-Ausgänge mit morphologischem Status (Movierungssuffixe). Solchen Namen ist ein männliches Korrelat inhärent: Martina oder Paula dürften im Gegensatz zu Luca oder Elia nie eine Chance haben, an Jungen vergeben und damit degenderisiert zu werden.
In den Niederlanden segregiert die Schreibung noch stärker als in Deutschland: Noa wird ausschließlich an Mädchen vergeben und nahm 2012 Rang 15 ein, während der homophone, aber heterografe Name Noah an Jungen vergeben wird und 2012 auf Rang 17 stand (s. hierzu Schmuck 2018).
In vielen Sprachen werden Familiennamen noch heute moviert, z.B. im Russischen, Bulgarischen und Polnischen, auch im Litauischen. In Litauen waren Frauen bis 2003 sogar verpflichtet, über ein spezifisches Suffix ihren Familienstand, d.h. ihre Verfügbarkeit und auch ihr ungefähres Alter zu vermelden. Dem entsprach in Deutschland bis in die 1970er Jahre präponiertes Fräulein, das lange verteidigt und mit deutscher Tradition begründet wurde.
Der Begriff Personenname (und nicht Menschenname) macht bereits deutlich, was Namen leisten: Die Personalisierung von Menschen zu vollen, anerkannten Mitgliedern der Gesellschaft (s. hierzu Debus 2015, Hoffmann 2018).
http://www.spiegel.de/politik/ausland/buerokratie-in-den-usa-wo-frauen-nur-noch-bessere-haelften-sind-a-783783.html (Aufruf 15.08.2018).
https://www.waz.de/panorama/tina-turner-berichtet-von-ihrer-ehe-hoelle-id212375027.html (Aufruf 15.08.2018).
www.woman.at/a/whereismyname-identitaetslose-frauen-in-afghanistan (Aufruf 15.08.2018). Anlass für diesen Artikel der afghanischen Schriftstellerin Somaia Ramish war die unerhörte Tatsache, dass der Präsident in einer Rede seine Frau namentlich erwähnte (https://thefeministani.wordpress.com/2017/07/31/an-afghan-woman-speaks-call-me-by-my-name/; Aufruf 15.08.2018).
www.namenforschung.net/weibliche-rufnamen-im-neutrum/projektvorstellung/ (Aufruf 15.08.2018).
Das lat. Wort für ‚Ehe‘, matrimonium, verweist auf die zu erwartende Mutterschaft. Finn. huolen ‚heiraten‘ bedeutet wörtlich ‚Frau werden‘ (Hausherr-Mälzer 1990, 62). Auch sei auf Corbett (1991, 2013b) verwiesen, der in seinem typologischen Überblick bei Devianzen sprachlicher Klassenzuhörigkeit immer wieder auf unverheiratete Nicht-Mütter stößt. Deren klassifikatorische Exkommunikation muss dabei nicht ‚unfreundlich‘ sein, vermutlich da sie männerperspektivisch noch verfügbar sind. Umgekehrt fügen sich verheiratete Frauen und Mütter am ehesten in ihre ‚Frauenklasse‘ (meist Fem. oder Klasse II, denn Klasse I ist in aller Regel dem Mann vorbehalten, Kap. 8.7).
Dass es speziell für diese „femineutralen“ Namen dialektale Sonderpronomen gibt (z.B. alem. ääs im Nom. und ihns