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Das Praxisbuch für Markenhersteller, Vendoren und Seller
Marc Aufzug, Dominik Bors
Lektorat: Ariane Hesse
Redaktionelle Mitarbeit: Liv Odenthal
Copy-Editing: Sibylle Feldmann, www.richtiger-text.de
Satz: III-satz, www.drei-satz.de
Herstellung: Stefanie Weidner
Umschlaggestaltung: Michael Oréal, www.oreal.de, unter Verwendung eines Fotos von © iStock by Getty Images, BirdImages
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
978-3-96009-067-0 |
|
978-3-96010-330-1 |
|
ePub |
978-3-96010-331-8 |
mobi |
978-3-96010-332-5 |
1. Auflage 2019
Copyright © 2019 dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17
69123 Heidelberg
Dieses Buch erscheint in Kooperation mit O’Reilly Media, Inc. unter dem Imprint »O’REILLY«. O’REILLY ist ein Markenzeichen und eine eingetragene Marke von O’Reilly Media, Inc. und wird mit Einwilligung des Eigentümers verwendet.
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Vorwort
1Der E-Commerce und die Rolle von Amazon
Die E-Commerce-Landschaft – ein aktueller Überblick
Amazon: der Gigant im deutschen E-Commerce
Strategische Ausrichtung und Funktionsweise von Amazon
Warum man eine Amazon-Strategie braucht
2Vendor vs. Seller – Welches Modell passt für wen?
Amazons Kooperationsformen
Seller Central: Amazon als Marktplatz
Vendor Central: Amazon als Händler
Stärken und Schwächen der Modelle im Vergleich
Hybridmodelle – zwischen Vendor und Seller Central
Seller Central inklusive Fulfillment by Amazon (FBA)
Sonderfall für Markenhersteller: der Manufacturer-Account
3Einstieg in den E-Commerce mit Amazon
Einstieg als Vendor
Initiale Vertragsverhandlungen
Einrichtung des Vendor-Central-Accounts
Erstellung des eigenen Produktkatalogs
Einstieg als Seller
Produktauswahl
Kontoeinrichtung
Angebote erstellen und neue Produkte listen
Logistikoptionen
Exkurs: Das Broker-Modell
4Amazon als Produktsuchmaschine
Die Onlineproduktsuche beginnt auf Amazon
Amazons Suchalgorithmus
Relevanzfaktoren
Performancefaktoren
Maßnahmen zur Verbesserung des organischen Rankings
5Produktdaten und Content
Aufbau und Inhalt der Produktdetailseite
Content-Relevanz-Analyse
Keyword-Recherche
Initiales Brainstorming
Major und Longtail Keywords
Ein produktspezifisches Keyword-Set erstellen
Exkurs: Sponsored Ads und Content-Optimierung
Erstellung des optimalen Contents
Amazons Anforderungen an Produktdetailseiten
Produktdatenfelder optimal nutzen
Produktbilder
Varianten
A+ Content
Fazit und Ausblick
6Sponsored Ads
Relevanz und Chancen von Sponsored Ads
Die drei Anzeigentypen: SB, SP und PDA
Aufbau und Funktionsweise der Sponsored Ads
Sponsored Brands
Sponsored Products
Product Display Ads
Strategischer Einsatz von Sponsored-Ads-Kampagnen
Kampagnenstrategien: ein Überblick
Strategische Ermittlung und Auswahl von Keywords
Mitbewerberanalyse als Vorbereitung für offensive Kampagnen
Taktische Umsetzung der Kampagnenstrategien
Kampagnen erstellen und strukturieren
Recherche, Definition und Optimierung von Keywords
Kniffe für das Produkt-Targeting
Aussteuerung und Anpassung der CPC-Gebote
Kontinuierliche Analyse und Optimierung
Zukünftige Entwicklung der Sponsored Ads
Amazon Stores
Aufbau eines Amazon Stores
Kniffe für den Einsatz von Amazon Stores
7Amazon Demand Side Platform (DSP)
Media- und Display-Marketing für Fortgeschrittene
Funktionsweise und Aufbau der DSP
Werbemittel der DSP
Standard Display Ads
Dynamic eCommerce Ads (DEAs)
Video Ads
Setup und Steuerungsmöglichkeiten
Targeting-Optionen
Auslieferung der Werbemittel steuern
Strategische Einsatzmöglichkeiten der DSP
DSP plus Sponsored Ads: Kunden über den gesamten Sales Funnel erreichen
Weitere Kampagnenstrategien
DSP-Kampagnen bewerten und optimieren
Analyse des Kampagnenerfolgs
Best-Practice-Tipps für die Optimierung
Case Study Wacom: ein Praxisbeispiel für den DSP-Einsatz
Fazit
8Preisbasierte Kampagnen
Angebotstypen
Blitzangebote (Lightning Deals)
Sonderangebote (Best Deals)
Preisnachlässe (Price Discounts)
Coupons
Einsatzmöglichkeiten von Rabattaktionen
Kombinierter Einsatz mit Amazon Advertising
9Vendor-Account-Handling
Funktionsbereiche von Vendor Central
Bestellungen
Artikel
Zahlungen
Werbung und Marketing
Einstellungen
Fälle eröffnen
Datenanalyse mit Amazon Retail Analytics (ARA)
ARA Basic und ARA Premium
Grundlegende Auswahlmöglichkeiten
Übersicht über zentrale ARA-Berichte
Erstellung ganzheitlicher Reportings
Full Management zentraler Einflussfaktoren
Rezensionsmanagement
Profitabilität
Verfügbarkeit
Buybox
ASIN-Duplikate
Organische Sichtbarkeit
Marketingaktivitäten der Wettbewerber
Wechselwirkungen relevanter Einflussfaktoren
Softwarelösungen
Sellics
Amalyze
Kenshoo
factor-a suite
Internationalisierung
Index
In der Anfangsphase von factor-a wurden wir oft gefragt, ob wir über unsere Beratung hinaus auch Lektüre zum Thema Amazon empfehlen können. Zwar konnten wir hier auf unsere kostenlosen Whitepaper zu Amazon-Strategien und Amazon Advertising verweisen, aber für einen ganzheitlichen Überblick hatten wir auch keine Lösung. Das Thema war einfach zu neu, und es gab noch kein überzeugendes Standardwerk in Sachen Amazon. Mit dieser Erkenntnis reifte bei Dominik Bors und mir der Gedanke, ein eigenes Buch zu schreiben. Wie so oft dauern die Dinge länger, als man denkt – und so vergingen vom ersten Kontakt zu unserer Lektorin bei O’Reilly bis zur Veröffentlichung ganze zwei Jahre (unglaublich!). Nun aber haben wir es geschafft und sind sehr stolz darauf, mit diesem Buch die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Amazon legen zu können. Viel Spaß beim Lesen und vor allem viel Erfolg bei der Umsetzung!
Amazon ist in aller Munde. Mittlerweile gibt es kaum mehr jemanden, der keinen Amazon-Account besitzt, nicht Amazon Prime nutzt, auf Amazon nach den passenden Produkten sucht, während der Cyber Monday Week oder dem Prime Day auf Schnäppchenjagd geht, Prime Video schaut, seine Daten in AWS speichert oder eine Alexa im Wohnzimmer stehen hat.
Wenn 90% der Onlineshopper in Deutschland auf Amazon einkaufen und die Mehrheit aller Produktrecherchen dort beginnt, scheint diese Plattform etwas zu liefern, das man sonst in dieser Kombination nirgendwo anders bekommt. Auswahl, Verfügbarkeit, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit sind nirgendwo besser. Marken, die auf Amazon nicht vertreten sind, finden für die Zielgruppe häufig gar nicht mehr statt. Für Hersteller stellt sich also die Frage, ob sie diese Entwicklung mitgehen oder sich davon fernhalten. Ein Dilemma: Die Strategie, sich fernzuhalten, geht nur auf, wenn alle Marken einer Kategorie es genauso handhaben. In der Realität und aufgrund des Seller/Vendor-Modells wird dies nicht eintreten. Ich stelle mich als Hersteller also schlechter, wenn ich einer der wenigen bin, die nicht auf Amazon vertreten sind, und besser, wenn ich mitspiele. Wir als factor-a stellen uns dieser Realität und helfen unseren Kunden, Amazon besser zu verstehen, die Stärken von Amazon für die eigene Marke zu nutzen und letzten Endes die zentralen Kennzahlen wie Umsatz, Marktanteil und Sichtbarkeit auf Amazon zu optimieren und zu maximieren. Wir sehen es jeden Tag – wenn man es richtig macht, ist Amazon eine wahre Umsatzmaschine!
Amazon sitzt auf einem riesigen Datenschatz: Niemand sonst – weder Google noch Facebook – weiß so genau Bescheid über die Kaufinteressen und das Kaufverhalten vom größten Teil der Konsumenten in der westlichen Welt. Für Werbetreibende eröffnen sich damit nie da gewesene Targeting-Möglichkeiten. Über das Search Advertising auf Amazon und das Programmatic Advertising auf und vor allem außerhalb von Amazon steht Onlinemarketern und Media-Verantwortlichen ein breites Feld neuer Werbemöglichkeiten zur Verfügung – mit einem präzisen Targeting und entsprechend geringerem Streuverlust sowie einem höheren ROI. Amazon konnte innerhalb kurzer Zeit auf Platz drei der größten Advertiser vorstoßen und weist beeindruckende Wachstumszahlen vor. Mussten wir vor zwei Jahren noch erklären, dass es Amazon Advertising überhaupt gibt und dass dies Werbetreibenden herausragende Chancen bietet, so ist das Thema mittlerweile auf oberster Ebene bei Herstellern und Marken angekommen. In jeder Marketingstrategie eines Herstellers, in globalen Media-Plänen und bei der Verteilung von Marketing- und Media-Budgets spielt Amazon nun eine Rolle. Und diese Bedeutung wächst rasant. Das Retail- oder E-Commerce-Advertising fängt gerade erst an – Begrifflichkeiten und KPIs werden definiert, Daten aus unterschiedlichen Kanälen integriert, Tools und Kampagnenstrategien optimiert – und wir von factor-a sind stolz darauf, dieses Gebiet von Anfang an mitzugestalten.
Natürlich freuen wir uns sehr über Fragen und Feedback jeglicher Art. Was können wir an diesem Buch besser machen? Was hat Ihnen besonders gut gefallen? Wo haben Sie eine völlig andere Meinung? Wie konnte Ihnen dieses Buch helfen, erfolgreicher auf und in der Zusammenarbeit mit Amazon zu sein?
Schreiben Sie uns gerne an: buch@factor-a.de.
Wenn Sie dauerhaft auf dem Laufenden bleiben möchten, folgen Sie uns auf:
Ich möchte mich bei allen bedanken, die an der Entstehung dieses Buchs mitgewirkt haben – allen voran Liv Odenthal, die mit Professionalität, Durchhaltevermögen und großem Einsatz dieses Projekt durch alle Höhen und Tiefen vorangetrieben hat. Ohne Liv würde es dieses Buch nicht geben.
Dazu gilt ein großer Dank dem gesamten factor-a-Team (www.factor-a.de). Was wir in den vergangenen drei Jahren gemeinsam aufgebaut haben, ist außergewöhnlich – und sich neben diesem rasanten Wachstum auch noch die Zeit zu nehmen, fachlichen Input zu jedem der folgenden Kapitel zu geben, verdient großen Respekt. Besonders hervorzuheben und stellvertretend für deren jeweiligen Fachbereich sind an dieser Stelle Nils Zündorf (Paid Advertising), Michael Hajut (Account Management), Alexander Ortner (Business Development), Lara Müller (Content und Redaktion), Roberto Russo (Produktmanagement), Amir Samari (Operatives Consulting) und Sara Goebels (Marketing). Weiterhin möchten wir uns bei Kira Schims, Katharina Lurz, Sebastian Brückner, Timo Kosak, Dennis Kreutzer und Kimberly Maggard für ihre tatkräftige Unterstützung bedanken.
Wir sind sehr dankbar, mit euch und den mittlerweile über 120 weiteren Kollegen von factor-a zusammenarbeiten zu dürfen und jeden Tag gemeinsam mit euch einen großen Impact auf die Leistung und den Erfolg von fast 200 Herstellern und Marken auf Amazon in 10 Ländern realisieren zu können! Auch unserer neuen Heimat Dept und den 1.000 neuen Familienmitgliedern möchten wir für ein wunderbares erstes Jahr und das große Vertrauen danken.
Darüber hinaus gilt unser Dank auch all denjenigen, die uns außerhalb von factor-a unterstützt und an uns geglaubt haben. Unseren Kunden, unseren Ansprechpartnern bei Amazon, unseren Gesellschaftern und allen voran unseren Familien und Ehefrauen – Gabi Aufzug und Claudia Bors –, ohne deren Support die Erfolgsgeschichte von factor-a unmöglich gewesen wäre.
– Marc Aufzug
In diesem Kapitel:
Vom kleinen Onlineshop für Bücher hat sich Amazon schon lange zum Giganten im Bereich Onlineshopping erhoben. Mehr als jede zweite Bestellung im deutschen E-Commerce wird über Amazon getätigt. Mittlerweile ist Amazon jedoch weit mehr als ein bloßer Onlinehändler, es ist für zahlreiche Innovationen im E-Commerce verantwortlich. Den Begriff »Kundenfreundlichkeit« hat das Unternehmen neu definiert. Als Produktsuchmaschine Nummer eins hat Amazon einen nicht zu unterschätzenden Einfluss darauf, wie Verbraucher heutzutage Marken entdecken und Produkte kennenlernen. Es ist die treibende Kraft, wenn es um Brand-Discovery geht. Wer sich hier nicht rechtzeitig positioniert, wird auf lange Sicht von der Bildfläche verschwinden – oder taucht gar nicht erst im Bewusstsein seiner potenziellen Kunden auf.
Händler und Hersteller sollten sich jedoch nicht blind und planlos in den Amazon-Großstadtdschungel begeben, denn er ist ein hartes Pflaster. Dieses Buch begleitet den Leser von den ersten Erkundungstouren durch das unbekannte Terrain bis hin zur Entwicklung von ausgefeilten Strategien. Das Ziel? Aus Amazon so viel wie möglich für das eigene Unternehmen herauszuholen.
Um erfolgreich mit Amazon zu arbeiten, müssen viele verschiedene Faktoren beachtet werden. Grundlegende Voraussetzung ist, den Onlineriesen und seine Funktionsweise zu verstehen sowie seine Rolle im E-Commerce einschätzen zu können.
Es ist kein Geheimnis, dass immer größere Marktanteile vom stationären Handel in den Onlinehandel hinüberwandern. Dies bekommen Händler und Hersteller weltweit zu spüren. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit verzeichneten Fachgeschäfte, Einkaufszentren und Markenstores mit Abstand den meisten Umsatz. Dieser Anteil wird laufend schmaler. Im Gegenzug wächst der Gesamtumsatz im E-Commerce immer stärker und schneller.
Hinweis
Folgende Zahlen belegen die wachsende Bedeutung des Onlinehandels: In Deutschland liegt der Gesamtumsatz des Einzelhandels 2018 bei 525,0 Milliarden Euro. Der Anteil des B2C-E-Commerce beläuft sich dabei mit 53,4 Milliarden Euro auf über ein Zehntel des Gesamtumsatzes.1
Hersteller und Händler sollten daher nicht den Fehler begehen und diese Entwicklung als einen vorübergehenden Trend abstempeln. Nicht wieder aufzuholende Umsatzeinbußen können die Folge sein. Viele Akteure haben das verstanden und nutzen die Chancen, die der E-Commerce ihnen bietet.
Vor den Zeiten des elektronischen Handels waren vor allem Hersteller auf Händler angewiesen, um ihre Kunden überhaupt erreichen zu können. Diese Abhängigkeit brachte oft geringe Margen und Kontrollverluste mit sich. Führten Händler beispielsweise Rabattaktionen durch oder verfolgten eine stark kundenfreundliche Preispolitik, musste der Hersteller das mittragen. Wollte er diesem Druck nicht nachgeben, drohte ihm die Auslistung. Das heißt, der Händler nahm seine Artikel aus dem Sortiment. Doch die Machtverhältnisse haben sich inzwischen verschoben.
Das Internet eröffnet für Hersteller ganz neue Vertriebsmöglichkeiten. Sie können ohne allzu hohen Arbeits- und Kostenaufwand einen Kundenstamm aufbauen und pflegen. In vielen Bereichen ist der Direktvertrieb zum Regelfall geworden. Dies gilt auch für zahlreiche große Markenhersteller, die zuvor ausschließlich an Händler und nicht an Endkunden verkauft haben.
Suchen Verbraucher heute Produkte einer bestimmten Brand, gehen sie den direkten Weg über das Internet und die Website des Herstellers. Der stationäre Handel und auch Onlinehändler dienen Markenherstellern zum Teil nur noch als Zuarbeiter. Viele Verbraucher schauen sich Produkte im Ladengeschäft an, nur um sie anschließend online zu erwerben. Oder sie bestellen das erste Paket bei einem Onlinehändler und werden durch Flyer und Gutscheincodes zum Onlineshop des Herstellers geführt. Dieser sitzt in vielen Fällen nun am längeren Hebel.
Doch ganz ohne Zwischenhändler kommen selbst die großen Player nicht aus. Gerade wenn es um Umsatzsteigerung und Neukundengewinn geht, sind die Möglichkeiten eines eigenen Onlineshops beschränkt. Darüber hinaus ist ein eigener Webshop nicht für jedes Geschäftsmodell der effizienteste Vertriebsweg.
Für Unternehmen aller Segmente und Größenordnungen findet sich in der breit gefächerten E-Commerce-Landschaft ein Platz – sei es in Form eines eigenen Onlineshops, über Onlinehändler oder auf digitalen Marktplätzen:
Eigener Onlineshop
Für Hersteller ist der eigene Onlineshop das digitale Aushängeschild ihrer Marke und ein wichtiges Branding-Werkzeug. Er dient im E-Commerce analog zum stationären Handel als Flagship-Store. Der Vorteil bei diesem Distributionskanal liegt in der vollen Kontrolle über die eigenen Produkte und ihren Vertrieb. Hersteller können selbst entscheiden, wie sie ihre Artikel präsentieren und zu welchen Konditionen sie sie verkaufen.
Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass beim Direktverkauf an den Endkunden sämtliche Arbeitsschritte in der Verantwortung des Herstellers liegen. Hat er zuvor noch nie unmittelbar an Endkunden verkauft, muss er entsprechende Vertriebs- und Logistikstrukturen aufbauen sowie Personal rekrutieren, das den Onlineshop betreibt und pflegt. Auch das Outsourcing dieser Aufgabenbereiche ist möglich. So oder so bedeutet ein eigener Webshop im Vergleich zu den anderen Optionen einen höheren Ressourceneinsatz. Bevor Umsätze erzielt werden, muss der Hersteller oder Händler Geld und Zeit in den Aufbau des Shops investieren. In der Regel fallen dafür die Margen je Produkt auf lange Sicht höher aus.
Verfolgt ein Unternehmen Umsatz- und Wachstumsziele mit seiner E-Commerce-Strategie, stößt es mit dem eigenen Onlineshop jedoch schnell an seine Grenzen. Oft lassen sich nicht genug Traffic und Reichweite generieren, um die Zielvorgaben zu erreichen. Selbst für Markenhersteller mit starker Brand wird es mit steigendem Wettbewerb zunehmend schwerer, sich ausschließlich mit dem eigenen Webshop sichtbar im Internet zu platzieren und die Aufmerksamkeit von potenziellen Kunden zu erlangen.
Onlinehändler
Onlinehändler kaufen Waren von Herstellern oder anderen Händlern und verkaufen sie anschließend an den Endkunden. Dies geschieht über den Onlineshop des Händlers und/oder auf Onlinemarktplätzen.
Die Zusammenarbeit mit Onlinehändlern entspricht der gewohnten Vorgehensweise von großen Markenherstellern. Sie gehen in der Regel den Weg über Handelspartner und verkaufen ihre Produkte nicht direkt an Endkunden. Onlinehändler bieten für sie folglich den Vorteil, dass sie keine neuen Vertriebsstrukturen aufbauen müssen, sondern nach gewohntem Muster vorgehen können.
Als Eigentümer der Waren ist der Onlinehändler für alle Arbeitsschritte verantwortlich, die nach der Produktlieferung an sein Lager erfolgen. Dazu gehören neben Logistik, Bestellabwicklung und Versand auch das Marketing und die Betreuung der Kunden.
Entscheidet man sich für den Verkauf an Onlinehändler, gibt man einen Großteil des Arbeitsaufwands, aber auch ein nicht unerhebliches Maß an Kontrolle ab. Schließlich haben Sie nur noch bedingt Einfluss auf den Verkaufspreis sowie die Präsentation der Produkte. Darüber hinaus fällt die Marge bei diesem E-Commerce-Modell im Schnitt am niedrigsten aus, da auch der Händler am Weiterverkauf der Ware verdienen will.
Onlinemarktplätze
Hierbei handelt es sich um virtuelle Marktplätze, auf denen Hersteller und Händler ihre Produkte anbieten können. Die Plattformen verfügen meist über eine große Produktvielfalt. Sie zeichnen sich daher oft durch eine vergleichsweise hohe Reichweite aus. Sie geben Ihnen die Möglichkeit, Ihre Waren auch ohne eigenen Onlineshop zu vertreiben. Anders als bei der Zusammenarbeit mit einem Onlinehändler erfolgt der Verkauf bei diesem Modell direkt an die Endkunden.
Es gibt sowohl Onlinemarktplätze, die auf bestimmte Produktkategorien und -nischen spezialisiert sind, als auch Handelsplätze für Produkte aus vielen unterschiedlichen Segmenten. Die größten Onlinemarktplätze in Deutschland sind mit Abstand Amazon und eBay.
Je nach Marktplatzmodell wird von den Verkäufern ein hohes Maß an Eigeninitiative gefordert. So liegt es beispielsweise in ihren Händen, die Artikel einzustellen, ihre Preise zu definieren und sie zu versenden. Dies bedeutet zwar einen höheren Arbeitsaufwand als bei der Zusammenarbeit mit einem Onlinehändler, doch dafür hat der Verkäufer auch mehr Kontrolle. Die Bestellabwicklung übernimmt in der Regel der jeweilige Marktplatzbetreiber. Darüber hinaus bieten viele Onlinemarktplätze weitere Serviceleistungen an, vom Retourenmanagement bis hin zur Übernahme der Kundenbetreuung.
Da Verkäufer die bereits vorhandene Infrastruktur der Plattform nutzen, muss weder Zeit noch Geld für deren Aufbau eingeplant werden. Sie können Produkte sofort listen und ihren Kunden anbieten. Dafür erheben die Marktplatzbetreiber Gebühren für die Nutzung der Handelsplattform. Kosten, aber auch Margen, fallen folglich meist geringer aus als bei einem eigenen Onlineshop.
Hinweis
Händler und Hersteller müssen den Richtlinien des jeweiligen Marktplatzes gerecht werden. Die Betreiber stellen teilweise recht hohe Ansprüche an die Nutzer. Davon sind insbesondere die Themen Kundenservice, Verpackung und Versand betroffen. Oft sind Sie beispielsweise dazu verpflichtet, Kundenanfragen innerhalb eines bestimmten Zeitfensters zu bearbeiten und sich bei Retouren kulant zu zeigen.
Welche Variante man wählt, ist ein komplexer Entscheidungsprozess und hängt von zahlreichen Faktoren ab. Dazu gehören zum Beispiel die Produktkategorie, das zur Verfügung stehende Budget und die Unternehmensstrategie. Hersteller müssen sich fragen, welche Ziele sie über den Onlinehandel erreichen wollen und mit welchen Mitteln sich diese erreichen lassen.
Wenn Sie eine E-Commerce-Strategie entwickeln, sollten Sie sich bewusst sein, dass bei der Kooperation mit Onlinehändlern und -marktplätzen immer ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht. Dieses ist je nach Modell unterschiedlich stark ausgeprägt. Je größer die Marktmacht eines Shopbetreibers ist, umso mehr Druck kann er auf seine Handelspartner ausüben – etwa indem er immer höhere Verkaufsgebühren verlangt und damit droht, Produkten ihre Sichtbarkeit auf der Website zu entziehen. Oft wird daher eine Kombination aus verschiedenen Onlinedistributionskanälen gewählt. Eine breitere Aufstellung verhindert, dass man in eine zu hohe Abhängigkeit von einem einzigen Distributionskanal gerät.
Für welchen Onlinevertriebsmix man sich auch entscheidet: An Amazon kommt heute niemand mehr vorbei. Der Handelsriese ist gleichzeitig Händler, Marktplatzbetreiber und sogar Hersteller. Im E-Commerce nimmt Amazon mit seiner laufend wachsenden Marktmacht eine Sonderstellung ein. Wer mit dem Onlinehandel Umsatz- oder Markenziele verfolgt, muss sich diese zunutze machen.
Im europäischen und globalen E-Commerce spielt Amazon eine immer entscheidendere Rolle. In Deutschland wächst Amazon sogar exponentiell zum gesamten Onlinehandel. So kann der Konzern seit 2009 Wachstumsraten von durchschnittlich 38,3% vorweisen. 2017 betrug Amazons Eigenumsatz bereits über 15 Milliarden Euro: knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes, den der deutsche Onlinehandel in diesem Jahr erzielte. Mittlerweile belegt Amazon unangefochten Platz eins der führenden Onlinehändler.
Und Amazon erwirtschaftet nicht nur eigene Umsätze. Andere Verkäufer können die Handelsplattform gegen Gebühren nutzen. Auch in diesem E-Commerce-Bereich nimmt der Onlineriese eine führende Rolle ein: Amazon Marketplace ist der größte Onlinemarktplatz Deutschlands. Mit über 15 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2018 macht er einen weiteren signifikanten E-Commerce-Anteil aus, der auf das Konto von Amazon geht. Der Gesamtanteil von Amazon beläuft sich demnach jetzt schon auf ca. 68%.2
In den USA betrug Amazons Anteil am E-Commerce im Jahr 2017 ca. 43%. Ein Jahr später wuchs er an auf 49%, wobei die Anzahl der Sales insgesamt um 29% gestiegen ist.3 Experten gehen davon aus, dass sich Amazon in Zukunft weitere Marktanteile im Onlinehandel sichern und diese Vormachtstellung ausbauen wird.
Die beträchtlichen Umsatzanteile spiegeln sich in der Wahrnehmung der Verbraucher wider. Für einen Großteil ist Amazon der Onlineshop Nummer eins. Während man mit der Suche nach Informationen auf Google startet oder Kontakte auf Facebook pflegt, beginnt die Produktsuche wie selbstverständlich auf Amazon – selbst wenn der Konsument vorhat, das Produkt woanders zu erwerben. Dank der attraktiven Verkaufspreise und der extrem hohen Kundenfreundlichkeit bestellen die Verbraucher jedoch in der Regel direkt auf Amazon.
Aufgrund des hohen Marktanteils kann kein Hersteller oder Händler auf die Plattform verzichten, wenn er seinen Umsatz signifikant steigern und seine Marke bekannt machen möchte. Je nach Produktkategorie ist die Marktdurchdringung unterschiedlich stark ausgeprägt. Besonders dominant ist Amazon beispielsweise im Bücherhandel, seinem dienstältesten Geschäftsbereich. Nur wer seinen neuen Roman auf der Plattform anbietet, hat die Chance, sich einen Platz auf den Bestsellerlisten zu sichern.
Die Entwicklung des Buchsegments demonstriert den großen Einfluss, den Amazon auf den Handel hat. Es ist für zahlreiche Innovationen in diesem Bereich verantwortlich und hat die Produktkategorie regelrecht revolutioniert. Die Plattform bot Kunden bereits kurz nach der Gründung eine große Auswahl an Titeln zu attraktiven Preisen sowie Rezensionen und Bewertungen. Das kundenfreundliche Konzept überzeugte. Nach einiger Zeit startete Amazon eine groß angelegte E-Book-Offensive, entwickelte einen eigenen E-Book-Reader mit Anbindung an seinen Shop und baute eine Onlineleihbücherei auf (siehe Abbildung 1-2). Während Verbraucher Bücher früher vorwiegend im stationären Einzelhandel kauften, ist Amazon nun bereits seit vielen Jahren die erste Anlaufstelle.
Vor einiger Zeit eröffnete Amazon in den USA seine ersten physischen Buchläden, die E-Commerce und stationären Handel auf bisher einzigartige Weise verbinden. So gibt es keine fixen Preise, denn diese richten sich nach dem dynamischen Preismodell auf der Website. Prime-Nutzer erhalten selbstverständlich Rabatte. Der Aufbau der Abteilungen orientiert sich an Kriterien, die Kunden beim Onlineshopping heranziehen, wie Sternebewertungen und Anzahl der Rezensionen. Mit seinen Amazon Bookstores dürfte sich der Druck auf den Buchhandel weiter verstärken.
Was 1995 als kleiner Onlineshop für Bücher begann, hat sich zu einem wahren Imperium entwickelt. Amazon expandiert in jeden Geschäftsbereich, den man sich nur vorstellen kann. Einige E-Commerce-Segmente wie zum Beispiel Consumer Electronics wurden bereits erfolgreich erobert, auf anderen befindet sich Amazon auf dem Vormarsch. Selbst im B2B-Bereich mit seinen hoch spezialisierten Gütern und Produkten hat der Onlinekoloss bereits erfolgreich Fuß gefasst. Und wie man Amazon kennt, dürfte die Eroberung nicht lange dauern.
Gleichzeitig arbeitet Amazon mit Hochdruck daran, den Onlinehandel mit Produkten des täglichen Bedarfs und Lebensmitteln aufzurollen. Eigentlich handelt es sich hierbei um das klassische Kerngeschäft des stationären Einzelhandels. Bis jetzt macht es einen vergleichsweise geringen Anteil des E-Commerce aus. Doch die Wachstumsrate steigt immer schneller an. Schon bald wird der Knoten platzen und der Lebensmittelhandel eine grundlegende Umstrukturierung erfahren. Man darf davon ausgehen, dass Amazon wieder ganz vorne mit dabei sein wird. Es zählt zu seinen Stärken, schnell neue Wege auszuprobieren – und zur Not auch wieder einzustellen, denn Angst vor dem Scheitern ist kein Bestandteil der Amazon-DNA.
Der Lebensmittellieferdienst des Handelsriesen heißt Amazon Fresh (siehe Abbildung 1-3) und ist bereits in einigen deutschen Städten verfügbar. Darüber hinaus können sich Prime-Kunden über Amazon Pantry vielfältige Drogerieartikel und ungekühlte Lebensmittel deutschlandweit liefern lassen. In den USA wurde zudem die Supermarktkette Whole Foods übernommen. Amazon zeigt damit deutlich, welches Einzelhandelssegment es als Nächstes erobern möchte.
Dabei ist Amazon weit mehr als Onlinehändler und Marktplatz. So agiert der E-Commerce-Riese in immer mehr Bereichen ebenfalls als Hersteller. Wie auch im stationären Einzelhandel gängige Praxis, bietet er seine eigenen Produkte als Alternative zu den Waren der Markenhersteller an. Vor allem wenn Amazon registriert, dass sich bestimmte Artikel gut verkaufen, lässt das Äquivalent der Eigenmarke meist nicht lange auf sich warten.
Amazon deckt erfolgreich die verschiedensten Segmente ab. Zu den bekanntesten Produkten dürften die hauseigenen Tablets und E-Book-Reader gehören. Die Eigenmarke Amazon Basics bietet unter anderem Elektronik- und Kamerazubehör, aber auch Haushaltswaren. In den USA gibt es zudem viele weitere Eigenmarken, bei denen jedoch nicht offensichtlich ist, dass sie Kinder des Onlineriesen sind. Von Bekleidung (Lark & Ro) über Babyzubehör (elements) bis hin zu Lebensmitteln (Happy Belly) finden Verbraucher so ziemlich alles, was ihr Herz begehrt, aus dem Hause Amazon. Für Hersteller wandelt sich Amazon folglich immer stärker vom Distributionskanal zum direkten Wettbewerber.
Es stellt sich heute nicht mehr die Frage, ob man mit Amazon zusammenarbeitet, sondern auf welche Art und Weise. Damit wirklich jedes Unternehmen seine Produkte auf der Plattform anbieten kann, stehen verschiedene Kooperationsmodelle für Hersteller und Händler zur Verfügung. Im zweiten Kapitel dieses Buchs stellen wir sie ausführlich vor.
Für den Verkäufer an oder auf Amazon ist ein grundlegendes Verständnis des Unternehmens elementar. Wer Strategie und Vorgehensweise von Amazon versteht, kann seine eigene Position besser einordnen, zukünftige Entwicklung antizipieren und rechtzeitig darauf reagieren.
Die Geschichte des heutigen Onlinegiganten begann 1994 als kleiner Onlineshop. Gründer Jeff Bezos hatte bereits damals das Potenzial des E-Commerce erkannt und verfolgt bis heute hochgesteckte Ziele. Seine Vision ist es, Amazon zum kundenfreundlichsten Unternehmen der Welt zu machen. Nicht etwa, weil er ein Philanthrop ist, sondern weil zufriedene Kunden der Dreh- und Angelpunkt seines auf Wachstum fokussierten Geschäftsmodells sind. Dies veranschaulicht Abbildung 1-4, die aus der Feder von Jeff Bezos höchstpersönlich stammen soll.
Demnach funktioniert Amazons Strategie nach folgendem Prinzip: Den Kern des Geschäftsmodells bildet kontinuierliches Wachstum. Je größer das Unternehmen wird, desto mehr Skaleneffekte bieten sich. Diese nutzt Amazon, um sie als Vorteile an die Kunden weiterzugeben. So resultieren aus der zunehmenden Größe beispielsweise geringere Kosten für Logistik und Einkauf, die es ermöglichen, Kunden besonders attraktive Verkaufspreise anzubieten.
Das gefällt den Konsumenten natürlich – und ebenso die Sicherheit und der Service, die Amazon bieten. Kunden vertrauen der Marke, kommen wieder, und ihre Anzahl steigt. Die steigende Reichweite lockt wiederum Hersteller und Händler an, die zur Vergrößerung der Produktauswahl beitragen. Als Folge entscheiden sich noch mehr Kunden für Amazon als Onlineshop ihrer Wahl. Amazon wächst, die Kosten und Preise können gesenkt werden, der Traffic steigt. Es entsteht eine auf Wachstum ausgerichtete Aufwärtsspirale.
Amazons Wachstum scheint unaufhaltsam, denn die Umsatzmaschine hat die Kunst perfektioniert, neue Kunden zu gewinnen und an sich zu binden. So war Amazon einer der ersten Versandhändler, die die kostenfreie Lieferung ab einem bestimmten Bestellwert einführten. Viele Wettbewerber nahmen an, dass dieses Konzept zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, doch die Strategie ging auf. Und das mit großem Erfolg. Die attraktiven Konditionen zogen nicht nur jede Menge Kunden an, sondern vergrößerten gleichzeitig den durchschnittlichen Warenkorbwert.
Neue Standards in Sachen Kundenbindung hat Amazon ebenfalls mit der Einführung des Prime-Programms gesetzt. Teilnehmer zahlen jährlich einen fixen Betrag und erhalten im Gegenzug Vergünstigungen und ein umfassendes Serviceangebot. Dazu gehören die versandkostenfreie Lieferung aller Prime-fähigen Produkte und besonders schnelle Versandoptionen. Prime-Kunden haben darüber hinaus Zugang zu verschiedenen Medienangeboten, wie den Streaming-Diensten Prime Video und Prime Music sowie der Onlineleihbücherei Prime Reading. Diese können sie ohne zusätzliche Kosten nutzen. Auch bestimmte Programme wie Fresh und Pantry sind bisher ausschließlich Prime-Abonnenten vorbehalten. Regelmäßige Shopping-Aktionen wie Prime Day und Prime Deals bieten ihnen zudem exklusive Rabatte.
Prime-Nutzern werden laufend neue Vorteile eröffnet. Das Angebot soll so attraktiv sein, dass man es einfach nicht ausschlagen kann. Dies sorgt dafür, dass die Anzahl der Abonnenten kontinuierlich steigt und die meisten Kunden keine Augen mehr für andere Onlineshops haben. Die positive Kundenerfahrung stellt ein mächtiges Marketinginstrument dar. Es handelt sich jedoch nicht nur um eine äußerst effektive Kundenbindungsmaßnahme, auch die Umsätze, die durch die Flatrate-Gebühren erzielt werden, sollen beachtlich sein.
Um seinem Wachstumsanspruch gerecht zu werden, fährt Amazon eine langfristig angelegte Strategie, bei der Gewinnmaximierung keine Rolle spielt. Statt Renditen an seine Aktionäre auszuzahlen, investiert es einen Großteil seiner Umsätze kontinuierlich in das eigene Wachstum. Da dieses Wachstum nach Bezos‘ Geschäftsmodell aus der Kundenzufriedenheit resultiert, setzt Amazon den operativen Kapitalfluss ein, um das Einkaufserlebnis immer weiter zu optimieren. So wird die Aufwärtsspirale angetrieben.
Im Gegensatz zu vielen anderen börsennotierten Unternehmen ist es nicht das Ziel, kurzfristig Gewinn zu erwirtschaften. Dies führt schließlich nicht zur Verbesserung der Kundenerfahrung. Amazon verzeichnet daher regelmäßig Gewinneinbrüche, obwohl sich seine Einzelhandelsumsätze sprunghaft erhöhen. Das folgende Diagramm demonstriert, dass der Umsatz seit der Gründung konstant schneller steigt als der Gewinn. Die Schere klafft immer weiter auseinander.
Grund dafür ist Amazons Expansions- und Innovationsdrang. Ein immer höherer Anteil der Umsätze wird reinvestiert. Es ist nicht abzusehen, dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren verlangsamen wird – im Gegenteil. Mit rasanter Geschwindigkeit erschließt Amazon neue Märkte und vergönnt dem Handel dabei keine Atempausen.
Es sollte nicht der Trugschluss entstehen, Amazon könnte mit seinem Geschäftsmodell keine Rendite erzielen. Genau diese Annahme vertreten viele, die Amazons System nicht verstehen. Amazon ist mittlerweile so breit aufgestellt, dass Geschäftsbereiche bereits hohe Profite erzielen, während andere noch in der Inkubationsphase stecken. Als Ganzes betrachtet ist, der Handelsriese eine effiziente Umsatzmaschine, die seit Jahren ansehnliche Renditen an seine Investoren ausschütten könnte. Jeff Bezos müsste nur den Schalter umlegen. Es ist seine bewusste Entscheidung, den Gewinn zu minimieren und Investitionskosten zu erhöhen.
Das Schlüsselwort heißt hier Langfristigkeit. Im Vergleich zu anderen Unternehmen plant Amazon sehr weit im Voraus. So sieht es für Beobachter, die vornehmlich Quartalszahlen im Blick haben, immer wieder so aus, als würden sich Investitionen nicht rentieren. Dabei kann es sich um Expansionspläne handeln, die erst in vielen Jahren ihre volle Wirkungskraft entfalten und Amazon die Dominanz auf einem neuen Geschäftsfeld sichern.
Doch was ist das Ziel? Für das Verständnis des Amazon-Ökosystems ist es wichtig, dass es anscheinend keinen klar definierten Sättigungspunkt gibt. Wachstum wird zum Selbstzweck. Diese Entwicklung wird so schnell nicht abflachen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass ihr Geschäftsfeld das nächste sein könnte, das der Koloss vereinnahmt.
Macht man sich klar, wie zukunftsorientiert Amazon denkt, scheint es nur logisch, dass ein signifikanter Anteil der Umsätze in Forschung und Entwicklung fließt. Amazon zeichnet sich durch einen geradezu unbändigen Innovationsdrang aus. Dieser wird von der Frage getrieben, wie man die Zufriedenheit und Bindung der Kunden noch weiter steigern sowie neue Marktsegmente effizient erschließen kann.
Ein Beispiel: 2015 kam Amazon Echo auf den Markt, ein sprachgesteuertes Audiogerät (siehe Abbildung 1-7). Es verfügt über Amazons Sprachassistentin Alexa, eine WLAN-Schnittstelle und Anbindung an die Amazon-Cloud. Das Smart-Device kann beispielsweise im Rahmen eines Smart-Home-Systems unterschiedliche Elektrogeräte steuern, Musikwünsche abspielen oder Informationen liefern. Alexa lernt laufend dazu und wird von Amazon mit neuen Fähigkeiten (sogenannten Skills) ausgestattet. Eine Funktion ist für den E-Commerce besonders wichtig und hebt ihn auf ein ganz neues Level: Alexa ist mit dem jeweiligen Amazon-Account verbunden und kann so Bestellungen im Amazon Store auslösen. Damit ersetzen die sprachgesteuerten Amazon Geräte die klassische Weboberfläche des Onlineshops.
Amazons digitale Assistentin ist bereits erfolgreich in zahlreiche Haushalte eingezogen und hat das Potenzial, sich tief in den Alltag der Verbraucher zu integrieren – gerade weil es sich in erster Linie nicht um ein Shopping-Device handelt. Während Alexa beim Putzen die Lieblingssongs abspielt, kann nebenbei ein neuer Badreiniger geordert werden.
Mit wachsendem Funktionsumfang wird Alexa eine immer bedeutendere Rolle im E-Commerce spielen und ihn wahrscheinlich nachhaltig verändern – nicht nur als Schnittstelle zum Onlinestore, sondern auch als effektives Marketinginstrument. So kann Amazon zum Beispiel Kunden beim Kauf beraten und aufgrund der persönlichen Shopping-Historie Produktempfehlungen geben.
Echo Look ist der Name des neuesten Smart-Device. In diesem Fall wurde Amazon Echo um eine Kamera erweitert. Alexa kann damit auch visuelle Informationen verarbeiten. Mit dem neuen Gerät nimmt Amazon zu Beginn vor allem die Modebranche noch stärker ins Visier. Es ist in der Lage, unterschiedliche Outfits zu vergleichen und zu bewerten, welches davon dem Träger oder der Trägerin am besten steht. Die Empfehlungen beruhen auf den Auswertungen von professionellen Stylisten und einem lernfähigen Algorithmus. Auch in diesem Fall kommt der E-Commerce- und Marketingaspekt natürlich nicht zu kurz, denn Alexa kann anhand der gesammelten Daten Kleidungsstücke vorschlagen, die dem Nutzer gefallen könnten. In Deutschland ist die Funktion derzeit noch nicht verfügbar.
Smart-Devices sind bei Weitem nicht das einzige Zukunftsfeld, mit dessen Erschließung Amazon sich momentan beschäftigt. Es wird zum Beispiel weiterhin an voll automatisierten Logistikzentren gearbeitet. Bereits jetzt bevölkern Amazons Lagerhallen etliche Roboter, Tendenz steigend. Ein weiteres Amazon-Kind in der Entwicklungsphase ist die Lieferung per Drohne. Ziel ist es, dass Kunden ihre Bestellung innerhalb von 30 Minuten in den Händen halten können. Einen Namen für den Service gibt es ebenfalls schon: Prime Air.
Die vorangegangenen Ausführungen machen bereits deutlich, dass Amazon schon lange nicht mehr als reiner Onlineshop betrachtet werden kann. Um seinen Kunden möglichst attraktive Preise und erstklassigen Service zu bieten, stellt es sich immer breiter auf. Jeder Prozess und jede Station der Wertschöpfungskette wird fortlaufend analysiert und optimiert.
Ganz nach dem Motto »Wenn etwas richtig gemacht werden soll, macht man es am besten selbst« nimmt Amazon Prozesse in die eigenen Hände. So arbeitet der Handelsriese gerade an dem Aufbau einer eigenen Schiffs- und Flugzeugflotte. In verschiedenen deutschen Städten errichtet er Paketzentren und Packstationen.
In den USA ermöglicht Amazon außerdem Kleinunternehmern, in den Logistikprozess einzusteigen. Unabhängige Lieferdienste erhalten im Rahmen der Initiative eine Starthilfe. Sie werden unter anderem mit Amazon-gebrandeten Lieferwagen und Uniformen ausgestattet sowie für die Unternehmensgründung geschult. Das Angebot könnte sich zu einer Art Uber für Pakete zu entwickeln. Es stellt sich sogar die Frage, ob Amazon damit bald Institutionen wie die Post ersetzen wird.
Auf diese Weise erlangt Amazon die Kontrolle über den gesamten Lieferprozess. Bestellungen können noch schneller und reibungsloser zugestellt werden.
Die aufgebauten Infrastrukturen stellt Amazon wiederum Dritten zur Verfügung. Händler, die ihre Produkte auf der Plattform verkaufen, können beispielsweise Lagerung und Versand der Waren gegen eine Gebühr von Amazon abwickeln lassen. Dank dieser Vorgehensweise generiert Amazon zusätzliche Umsätze und kann gleichzeitig die eigenen Kosten minimieren.
Hinweis
Amazon ist Plattform und wird Infrastruktur des Handels.
Ein gutes Beispiel für diese Vorgehensweise bilden ebenfalls die Amazon Web Services (AWS), zu denen Hosting und Datenspeicherung für Unternehmen gehören. Sie entstanden aus dem eigenen Bedarf an effizienten IT-Infrastrukturen und weltweit platzierten Rechenzentren. Mit den AWS ist Amazon so erfolgreich, dass es im Hinblick auf den Traffic der größte Cloud-Anbieter am Markt ist. Das Segment macht einen signifikanten Anteil des Amazon-Umsatzes aus.
Selbst Unternehmen, die sich nicht unmittelbar im E-Commerce bewegen, müssen folglich darauf vorbereitet sein, dass Amazon seine Hände als Nächstes nach ihrem Sektor ausstreckt. So produziert Amazon für seinen Streaming-Dienst sogar eigene Filme und Serien. Und das sehr erfolgreich: Regelmäßig erhalten diese Auszeichnungen in Form von renommierten Preisen der Filmbranche, darunter mehreren Oscars. Mit den attraktiven Inhalten bindet Amazon Prime-Kunden noch stärker an die Plattform.
Eins zeigt sich nach diesem Kapitel ganz deutlich: Amazon hat sich zu einem pulsierenden Ökosystem entwickelt, das sich kontinuierlich weiter ausbreitet. Es umfasst mehrere Kreisläufe, die es punktuell miteinander verknüpft, um so das Gesamtwachstum zu fördern. Die schiere Größe Amazons birgt für Händler und Hersteller sowohl Potenziale als auch Risiken.
Sie haben Amazon als Unternehmen kennengelernt, das Skaleneffekte für sich zu nutzen weiß. Wenn Sie sich für eine Geschäftsbeziehung mit Amazon entscheiden, sollten Sie sich dessen stets bewusst sein. Insbesondere Hersteller, die ihre Produkte an Amazon verkaufen und im Amazon-Kosmos Vendoren genannt werden, bekommen die Verhandlungsmacht des Handelsriesen deutlich zu spüren.
Hinweis
Amazon nimmt innerhalb seines Ökosystems verschiedene Rollen ein. Dadurch sind die Geschäftsbeziehungen sehr dynamisch. Es tritt unter anderem gleichzeitig als Händler, Wettbewerber und Marketinganbieter auf. Die Spielregeln können sich daher schnell und ohne Vorwarnung verändern.
Das bedeutet jedoch nicht, dass man auf die Chancen verzichten sollte, die Amazon bietet. Im Gegenteil: Die Zahl der Hersteller und Händler, die sich dafür entscheiden, mit Amazon zu wachsen, statt gegen den unaufhaltsamen Handelsriesen anzukämpfen, wird immer größer. Entsprechend hoch ist der Wettbewerb auf der Plattform – und er verschärft sich zunehmend.