26. Mai 2009: Die Idee
22. Juli 2009: Bus Nr. 1
17. Sept. 2009: Bus Nr. 2
20. Sept. 2009: Bus 3 + 4
26. Sept. 2009: Ein erster Testlauf
27. Sept. 2009: Der Morgen
Wartezeit
03. Juni 2010: Der Bus ist wieder da
Letzte Vorbereitungen
28. Juni: Es geht los
29. Juni: Unser erstes Ziel: Prag
1. Juli: Wasserprobleme
2. Juli: Zu Besuch bei Verwandten
4. Juli: Public-Viewing in Warschau
6. Juli: Die kleine Hauptstadt: Vilnius
7. Juli: Couchsurfing in Riga
9. Juli: Dr. Phil is stalking us in Tallinn
10. Juli: Angekommen in Helsinki
12. Juli: Finnische Seen-platte
13. Juli: Entspannen am Oulusee
15. Juli: Motorradfahrer unter sich
Auf Irrwegen in Skandinavien
23. Juli: Mit Saskia durch Stockholm
24. Juli: Auf dem Weg nach Oslo
25. Juli: Oslo
27. Juli: Kopenhagen
30. Juli: Back to Germany: Hamburg
2. August: Kurzbesuch in Amsterdam
3. August: Den Haag
4. August: Waffeln essen in Brüssel
5. August: Luxemburg
6. August: Paris /Tag 1/
7. August: Paris /Tag 2/
8. August: Paris /Tag 3/
9. August: Paris /Tag 4/
10. August: Zu Besuch in La Rochelle
14. August: Das erste Bad im Atlantik
16. August: Madrid
18. August: Lissabon
20. August: Hitzewelle in Sevilla
21. August: Gibraltar
22. August: „Urlaub“ entlang der Küste
25. August: Barcelona
26. August: Grenzkontrolle in Andorra
27. August: Côte d’Azur
30. August: Schweiz
1. September: Liechtenstein
2. September: „Aus is!“
Harte Fakten
Nachwort
Bildnachweis
„Schildkröten können Dir mehr über den Weg erzählen als Hasen.“
Altes chinesisches Sprichwort
Eine Europareise zu machen, war anfangs eigentlich nur eine Schnapsidee. Im Mai 2009 hatte ich in einem Internetforum einen Beitrag gelesen, in dem ein User erzählte, dass er plane, ein Jahr auszusetzen und während dieser Zeit mit seinem Auto eine Reise durch Süd- und Osteuropa zu unternehmen. Sofort träumte ich von einer ähnlichen Reise, verwarf den Gedanken jedoch gleich wieder. Abitur und Studium würden wohl einen zu großen Strich durch die Rechnung machen.
Trotzdem erzählte ich kurze Zeit später Marcus von meiner Idee. Auch er war von ihr begeistert. Wir begannen sofort mit den Planungen und nach nur einem Abend stand das Grundgerüst. Als Zeitraum hatten wir uns die drei Monate zwischen Abitur und Studiumsbeginn ausgesucht. Natürlich hätten wir, wie viele andere auch, das Studium ein Jahr später beginnen lassen können. Dann wären wir jedoch in den doppelten Abiturjahrgang mit völlig überlasteten Unis gerutscht. Das wollten wir uns ersparen. Bei der Gestaltung der Route orientierten wir uns an den jeweiligen Hauptstädten. Nun fehlte nur noch unser Gefährt. Als Kind, das quasi im VW Bus aufgewachsen ist, kam Marcus die Idee, die Reise mit diesem „Wohnmobil“ durchzuziehen. Herd, Kühlschrank, Schlafplätze und ein Waschbecken sind neben einer Menge Stauraum in so einem Bus eingebaut. Sofort klapperten wir die diversen Automobilbörsen im Internet ab und wurden mächtig enttäuscht. Busse in gutem Zustand waren unbezahlbar.
Daher suchten wir zunächst nach billigeren Angeboten. Unser Plan war, den Billig-Bus dann selber herzurichten. Der erste Besichtigungstermin führte uns nach München. Hier stand ein Bus, der auf den Produktfotos vielversprechend aussah. Es war die 70PS-Version mit Servolenkung und „gerade einmal“ 169.000km auf dem Buckel. Baujahr: 1982. Leider hatten wir uns ein wenig von den Bildern täuschen lassen. Als wir ihn von außen anschauten, stellten wir fest, dass es überall rostige Beulen, Fugen und Löcher gab. Als Marcus mal den Zustand des Rostes mit dem Finger testen wollte, brach er gleich durch die Karosserie durch. Innendrin sah es dann fast noch schlimmer aus als außen. Überall lag Müll herum, der Kühlschrank war verschimmelt und auf den Matratzen waren Flecken. Die interessantesten Funde waren ein Tampon und eine Pornozeitschrift der Vorbesitzer. Mehr oder weniger enttäuscht zogen wir wieder ab.
Die weitere Suche führte uns noch einmal nach München. Ab diesem Zeitpunkt waren wir zu dritt; Tobi war nun auch zu unserer Reise dazu gestoßen. Wir hatten zwei Busbesichtigungstermine ausgemacht. Der erste platzte gleich, denn der Wagen wurde verkauft, bevor wir überhaupt da waren. Beim zweiten Termin bekamen wir einen Festivalbus zu Gesicht. Leider ein Bastlerwagen. Angefangen von der 5.1 Surroundanlage bis hin zu den Zusatzbeinen fürs Bett (damit man ordentlich drauf „rumrocken“ kann) hatte der Bus alles, was man nicht braucht. Ein besonderes Schmankerl war auch der sehr „sorgfältig“ verlegte Korkboden. Die Probefahrt konnte uns ebenfalls nicht überzeugen, daher sagten wir auch hier: „Nein, danke!“.
Knapp eine Woche später machten wir uns ein drittes Mal auf den Weg; diesmal zusammen mit einem Freund, der uns netterweise mit seinem Auto „herumkutschierte“ (Danke, Philipp!). Nahe München wartete ein roter VW Bus auf uns. Im Gegensatz zu den meisten Bussen war hier die Campingausstattung nicht von Westfalia, sondern von Reimo. Von innen wie von außen machte der Wagen einen einigermaßen guten Eindruck, auch die Probefahrt stimmte uns positiv. Wir konnten den Preis sogar von 3.200€ auf 2.750€ herunterhandeln. Wir sagten ihm, dass wir das Auto relativ sicher kaufen würden.
Trotzdem wollten wir auch noch den zweiten Termin des Tages im 75km entfernten Ingolstadt wahrnehmen. Wir waren später dran als vereinbart, daher war der Besitzer nicht mehr zu Hause. Glücklicherweise hatte er seinem Bruder die Schlüssel hinterlassen und wir konnten den Bus begutachten. Uns erwartete eine top gepflegte Westfalia Club Joker-Ausstattung. Beim Aufdrehen des Wasserhahns der Westfalia-Spül-Herd-Kombination kam fließendes und vor allem sauberes Wasser. Wir waren sofort Feuer und Flamme. Diesen Bus konnte man kaufen und gleich damit losfahren! „Liebe auf den ersten Blick“ könnte man sagen. Ein Klappdach ohne Risse im Stoff, alles sauber, richtige Matratzen ohne Eigenleben, ein funktionierender Gas-/E-Kühlschrank und Ledersitze. Dank neuer Starterbatterie sprang er sofort an und auf der kurzen Probefahrt überzeugte er uns komplett. „Das wird er!“, beschlossen wir. Unser gemeinsames Auto, unser Europabus.
Gleich am nächsten Tag riefen wir beim „echten“ Besitzer an, um noch einige Kleinigkeiten zu klären. Nachdem er erwähnt hatte, dass er Mechatronikmeister war und den Motor überholt hatte, war für uns die Sache schon im Kasten. Jetzt musste nur noch der Preis stimmen. Bei 3.000€ lag unsere absolute Schmerzgrenze. Leider konnten wir den Bus aber nicht auf unter 3.200€ herunterhandeln.
Unser Plan für dieses Wochenende sah so aus: Am Abend möglichst früh aufbrechen, nach Niederbayern zur Trinkwassertalsperre Frauenau fahren, dort als eine Art Testlauf eine Nacht verbringen und am nächsten Morgen weiter zu Marcus‘ Oma fahren, wo wir den Bus bis nächstes Jahr unterstellen wollten.
In der Praxis wurde natürlich alles viel komplizierter und auch viel lustiger. Es fing schon damit an, dass keiner von uns rechtzeitig seine Sachen zusammen hatte und bis wir alle mit unserem Kram abfahrbereit im Bus saßen, war es auch schon 8 Uhr. Dass es ohne unerwartete Umleitungen nicht gehen konnte, stellten wir schnell fest. Marcus, der für unser Abendessen die Nudeln beisteuern sollte, hatte diese daheim vergessen. Also suchten wir eine Tankstelle, bei der es Fertignudeln gab und mit zwei Packungen gut&günstig Spaghetti Rot-Weiß ging es nach einem Fahrerwechsel weiter zu unserem Ziel für diesen schon weit fortgeschrittenen Abend.
Marcus hatte auf GoogleMaps „ganz in der Nähe” den Trinkwasserspeichersee entdeckt und schnell auf dem Satellitenbild eine Straße gefunden, auf der man „direkt am Ufer“ parken konnte. Nachdem wir auf immer schmaleren Straßen durch immer kleinere Dörfchen fuhren und der Asphalt schließlich ganz aufhörte, stellten wir fest, dass Marcus‘ Zielort mitten im Naturpark Bayerischer Wald lag, also wirklich mitten im Wald. An uralten Höfen vorbei, immer auf den Feldwegen, die in der Dunkelheit (es war mittlerweile schon 12 Uhr) am ehesten befahrbar aussahen, arbeiteten wir uns langsam zu dem Punkt, der auf Marcus‘ iPhone markiert war, vor. Als wir ihn endlich gefunden hatten, stellte sich die „Straße“ als ein steil zum Ufer abfal-lender Traktorpfad heraus, der zwischen zum Abtransport gelagerten Brennholzstößen lag.
Also fuhren wir auf dem Kiesweg weiter um den See herum – mit der Taschenlampe immer auf der Suche nach einem Platz zum Übernachten. Am anderen Ende des Sees fanden wir zu unserer Überraschung schließ-lich eine schmale Teerstraße und ein schönes Fleckchen Wiese mit Blick auf den See. Darüber der unglaublich klare Sternenhimmel – logisch, die einzigen die hier die Luft mit Abgasen verpesteten, waren wir mit unserem Diesel. Gleich am Straßenrand – zur Sicherheit noch halb auf dem Asphalt – sollte also unser erstes Nachtlager sein.
Um mittlerweile 1 Uhr früh fingen wir mit knurrendem Magen endlich an zu kochen, noch nicht sehr vertraut mit Johns Mini-Campinggeschirr und den engen Platzverhältnissen im Bus. Es klappte trotzdem ganz gut und so konnten wir uns etwas später mit dem mitgebrachten Unertl und einer Flasche Sauvignon Blanc satt zurücklehnen. Das frühere Vorhaben, den restlichen „Abend” zum weiteren Planen zu nutzen, gaben wir schnell auf und so ging es nur noch kurz zum Sterne anschauen raus aus dem warmen Bus, bis uns die Kälte wieder zurücktrieb und wir schnell ins Bett fielen.
Aufgewacht sind wir nach wenigen Stunden Schlaf sehr plötzlich mit einem Adrenalinstoß: Neben uns, mitten im für Fahrzeuge gesperrten Naturpark, hatte ein Auto mit laufendem Motor angehalten. Ein Mann schlich misstrauisch um unseren Bus herum und inspizierte ihn, während wir hinter den komplett beschlagenen Scheiben lagen und versuchten, uns ja nicht bemerkbar zu machen. Was ihn dazu bewogen hatte, wieder weiterzufahren, wissen wir bis heute nicht. Offensichtlich hatte er auch niemanden über unser Dasein informiert, denn während wir erstmal gemütlich aufstanden, die schöne Aussicht genossen und das Innere des eiskalten Busses mit Gasherd und Kaffeeduft auf angenehm warme Temperatur brachten, fuhren nur einige frühe Radfahrer kopfschüttelnd vorbei.
Kurz stellten wir uns zum Aufwärmen in die ersten Sonnenstrahlen an das Ufer, bevor wir schon wieder alles zusammenpacken, sauber machen und den Bus in einen fahrbereiten Zu-stand bringen mussten. Beim Starten des kalten Dieselmotors hinterließen wir als Abschiedsgruß noch schnell einen Teppich aus Rauch. Diesmal wollten wir lieber auf dem geteerten Radweg bleiben, der um den See führte. Während der Umrundung kamen uns bald etliche Wanderer entgegen, die wir stets fröhlich grüßten. Diese Grüße wurden aber nur teilweise erwidert.
Wieder einmal wurde aus dem schön geteerten Waldweg nach kurzer Zeit eine schmale Fahrschneise, auf der ich unseren Bus mitten durch das Unterholz, über Äste, bergauf und bergab und immer den größten Schlaglöchern ausweichend aus dem Wald hinausmanövrierte. All‘ das nahm der Bus problemlos auf sich – der großen Bodenfreiheit sei Dank – dennoch waren wir froh, als wir wieder Teer und Zivilisation um uns hatten. Zunächst wollten wir an diesem Morgen noch einen Abstecher nach Tschechien machen, um zu tanken. Davor hatten wir aber noch unsere erste Polizeikontrolle. Nach Überprüfung unserer Ausweise und der Fahrzeugpapiere konnten wir jedoch schnell weiterfahren. Wie auf dem Navi sichtbar wurde, war die Grenze gar nicht so nah, wie angenommen. Nach einiger Kurverei erreichten wir die erste Tankstelle in Tschechien und mussten schnell feststellen: Auch wenn Benzin dort billiger ist, Diesel ist fast genauso teuer wie bei uns. Nach diesem einstündigen, völlig sinnlosen Ausflug ins Nachbarland machten wir uns wieder auf die ereignislose Rückreise. Der Abstecher hatte uns nur noch weiter vom Weg abgebracht.
Nach einem Zwischenstopp bei anderen Verwandten von Marcus und einigen weiteren Umleitungsschildern, die zu ignorieren sich als klügere Alternative herausstellte, erreichten wir endlich unser Ziel. Nachdem wir Mensch und Tier begrüßt hatten, konnten wir unseren Bus zu seinem vorläufigen Abstellplatz rangieren, nicht ohne uns davor noch tränenreich zu verabschieden.