Sandra Lüpkes

Götterfall

Kriminalroman

In Liebe für Julie,

die in diesem Jahr in ihre Zukunft startet

Ask veit eg standa,

heitir Yggdrasill,

hár baðmur,

ausinn hvíta auri;

þaðan koma döggvar

þær er í dala falla,

stendur æ yfir

grænn Urðarbrunni.

Þaðan koma meyjar margs

vitandi þrjár

úr þeim sæ,

er und þolli stendur;

Urð hétu eina,

aðra Verðandi,

skáru á skíði,

Skuld ina þriðju.

Þær lög lögðu,

þær líf kuru

alda börnum,

örlög seggja.

Eine Esche weiß ich stehen,

sie heißt Yggdrasil,

ein hoher Baum, überschüttet mit

glänzendem Nass,

von dort kommt der Tau,

der in den Tälern niederfällt,

sie steht immergrün

über dem Urdbrunnen.

Von dort kommen Mädchen,

viel wissende,

drei aus dem Wasser,

das unterm Baum liegt;

Urd hieß man die eine,

die andre Werdandi,

– sie ritzten ins Holz –,

Skuld die dritte;

sie legten Bestimmungen fest,

sie wählten das Leben

den Menschenkindern, das

Schicksal der Männer.

Völuspá (Die Weissagung der Seherin),

Götterlieder der Älteren Edda, Strophen 19 und 20

Skuld

[… noch sieben Tage …]

Heute Nacht wird es brennen.

Muss es brennen.

Feuer ist schon immer das Element gewesen, welches das Ende einer alten und den Beginn einer neuen Ära gestaltet hat. Ich denke an die Urkraft der Erde, die Lava bricht aus der Tiefe hervor, zerreißt die Erde, verbrennt die Luft, um schließlich neues Land zu werden. Zerstörung, Umwandlung, Auferstehung.

Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.

Ich werde den Verteilerkasten öffnen, die Stromkreise verbinden und eine Sollbruchstelle dazwischensetzen, ein braunes, dünnes Kabel. Sieht harmlos aus. Ist es auch. Vorerst.

Doch am Abend werden die Menschen, die in diesem Haus wohnen, von der Arbeit kommen. Sie werden das Licht anschalten, vielleicht auch das Radio, sie kochen mit Starkstrom am Herd. Dann wird sich das braune, dünne Kabel erhitzen.

Später, nach acht Uhr, werden die Fernsehgeräte dazukommen. Bei Einsetzen der Dunkelheit knipsen sie ihre Leselampen an, die Halogenstrahler in den Ecken der Wohnzimmer. Zu diesem Zeitpunkt wird das braune, dünne Kabel bereits glühen.

Sobald das Kabel glüht, wird sich seine Beschaffenheit verändern. Das braune Plastik wird schmelzen. Das Kupfer wird mit erhitztem Schwefel in Berührung kommen. Es wird stinken wie die Hölle. Doch im Keller, wo der Verteilerkasten hängt, wird um diese Uhrzeit niemand mehr sein, der es riechen könnte.

Selbst dann wird noch nichts passieren.

Durch den Schwefel wird sich das braune, dünne Kabel in eine schwarze, poröse Schnur verwandeln. Und erst, wenn irgendjemand in diesem Haus, das in dieser Nacht brennen wird, den Stromschalter betätigt – zum Beispiel, weil er eine schwache Blase und vor dem Einschlafen noch etwas getrunken hat, schließlich auf die Toilette muss und im Badezimmer das Licht einschaltet, um etwas zu sehen –, dann …

Das Kabel wird zu Staub zerfallen, der Strom wird Funken schlagen: Kurzschluss!

Es gibt einen Hauptschalter, der sich in diesem Moment umlegen sollte, klack, und alles wäre gut. Dann würden schlimmstenfalls ein paar Bewohner morgen früh verschlafen, weil sich ihre elektrischen Radiowecker ausgestellt haben.

Doch ich habe etwas dabei. Ein Stück Klebeband. Grausilbrig. Genauso harmlos wie das braune, dünne Kabel. Ich werde es über diesen Schalter heften und den Hebel außer Gefecht setzen. Mit einem schlichten Stück Klebeband.

Und dann wird es brennen.

Heute Nacht.

Zerstörung, Umwandlung, Auferstehung.

Vergangenheit, Gegenwart – und die Zukunft ist mein.

Verðandi

[11. Juni, 8.55 Uhr, Peter-Fechter-Ufer, Hannover, Deutschland]

Für immer war so ein Ausdruck, mit dem Wencke nichts anfangen konnte. Sie selbst würde lieber eine Handvoll Kellerasseln in den Mund nehmen als diesen Schwur.

Deswegen fand sie es ärgerlich, dass Axel gestern am Telefon, in jener Millisekunde, bevor sie die rote Taste drückte, diese zwei Worte von sich gegeben hatte: »Ich werde dich für immer …« Klack. Aufgelegt. Was auch immer er sie für immer würde, sie wollte es nicht erfahren.

Sie war spät dran. Ihr Vorderrad klebte ziemlich platt am Boden und die Fahrt an der Ihme entlang war entsprechend mühsam. Heute kam irgend so ein Ministeriumsfuzzi ins Behördenhaus am Waterlooplatz und schaute sich die Abteilung an. Also war Pünktlichkeit gefragt, hatte Tilda Kosian gestern und vorgestern immer wieder in diversen Nebensätzen betont. Pünktlichkeit und übersichtliche Akten und gutes Betriebsklima, bitte schön, das galt für alle! Damit der Ministeriumsfuzzi seine Ideen von den Stellenstreichungen beim LKA Niedersachsen umgehend vergaß.

Am Schwarzen Bär musste Wencke aus dem Ufergrün tauchen, auf die Straße wechseln und an der Ampel warten. Da standen sie, diese Frauen, extra nur für sie direkt gegenüber platziert. Die eine mit einem Bauch wie ein prächtiger Halloweenkürbis, die andere bereits mit ihrem kleinen Lebensglück im Wagen vor sich. Babys, Babys, Babys! Scheiße, dachte Wencke, warum hat er es mir erst jetzt gesagt? Wenn seine Frau schon in der sechsunddreißigsten Woche ist, Himmel, dann hat Axel mindestens sieben Monate lang verschwiegen, dass Kerstin ein Kind erwartet. Diese Tatsache konnte man im Kopf hin und her schieben, wie man wollte, es kam immer aufs Selbe raus: Er war ein Mistkerl. Ein Feigling. Ein Betrüger. Er hätte es gleich sagen müssen, an dem Tag, als auf diesem handelsüblichen Teststreifen ein himmelblauer Strich erschienen war. Da hätte er sie anrufen und sagen müssen: »Hey, Wencke, es tut mir schrecklich leid, aber es ist passiert. Ich werde Vater. Kerstin erwartet ein Kind von mir. Wir können uns nicht mehr sehen.«

Die Ampel wechselte auf Grün. Wencke schob sich auf den Sattel, trat in die Pedale, radelte an diesem sonnigen Tag den beiden Baby-Frauen entgegen, die ja überhaupt nichts dafürkonnten, wie sie sich gerade fühlte.

Heute standen ausnahmsweise eine Menge Fahrräder vor dem Landeskriminalamt, bei dem Wetter stieg selbst der eingerostetste Beamte auf Drahtesel um. Wencke versuchte sich zwischen zwei Mountainbikes zu quetschen und hörte die Marktkirchenuhr schlagen. Punkt neun.

»Wencke!« Eine Hand legte sich von hinten auf ihre Schulter. »Lass uns gemeinsam nach oben gehen und den Rüffel fürs Beinahe-Zuspätkommen kassieren.« Boris Bellhorn musste beim Friseur gewesen sein, das war nicht unüblich, er ließ sich die Haare mindestens doppelt so oft stylen wie Wencke. In letzter Zeit vielleicht auch noch häufiger, lag wohl an seiner neuen Liebe: Marius, 22 Jahre, Musiker. »Hast du wenigstens eine gute Ausrede, wenn die Kosian uns gleich zur Rede stellt?«

Wencke mochte ihren Kollegen. Wenn überhaupt jemand in der Lage war, ihre Laune an diesem Tag zu bessern, dann er. »Ich habe Liebeskummer«, gab sie zu. Sie tippten an der Pforte den Zahlencode ein und stießen die Glastür auf. Der Fahrstuhl wartete unten auf sie. »Axels Frau ist schwanger. Und zwar ziemlich schwanger.«

»Oh!« Boris drückte auf die Vier, der Aufzug schwebte nach oben.

»Er wird sich nie entscheiden. Axel ist einfach nicht der Typ, der seine angetraute und noch dazu blinde Frau sitzen lässt. Das gemeinsame Kind kommt lediglich erschwerend hinzu.«

»Aber gerade das liebst du ja an ihm«, vollendete Boris den Gedanken. »Dass er eben nicht so ein Typ ist.«

Sie zuckte mit den Schultern.

»Schicksal!« Boris streichelte kurz ihren Oberarm. »Irgendwann ergibt das Ganze mal einen Sinn.«

»Ich glaube nicht an Schicksal«, sagte Wencke, als sich die Fahrstuhltüren aufschoben.

Die gesamte Abteilung schaute ihnen erwartungsvoll entgegen, auch der Ministeriumsfuzzi stand schon da, stilecht mit Zweireiher und Doppelkinn, bloß die Kosian war nirgends zu entdecken.

»Es gab einen Hausbrand«, berichtete die Sekretärin mit betroffener Miene. »Keine Sorge, Frau Kosian geht es so weit gut, sie konnte sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Doch sie hat nun einiges zu erledigen. Stellen Sie sich vor, die ganzen Möbel, die Kleidung, die persönlichen Sachen – alles unbrauchbar.«

Welche persönlichen Sachen, dachte Wencke und biss sich auf die Lippen. Tilda Kosian war einfach nicht der Typ Frau, dem man Dinge wie Fotoalbum oder Tagebuch zuordnen würde. Schon eher wäre der Kosian zuzutrauen, dass die erste Sache, die sie aus ihrer brennenden Wohnung rettet, eine Rosshaarbürste wäre, danach Zahnseide und an die hundert gestärkte Blusen, die dort im Schrank hängen mussten.

»Was genau ist passiert?«, fragte Boris.

»Die Brandermittlung ist natürlich noch vor Ort, hat aber noch nichts Konkretes verlauten lassen. Derzeit gehen sie von einem Kabelbrand im Verteilerkasten aus.«

»Aber Frau Kosian lebt doch in einem Neubau, oder nicht?«

Die Sekretärin nickte. »Alles ganz modern und hochwertig, sie wohnt ja auch nicht irgendwo, sondern in Großburgwedel – übrigens Tür an Tür mit der Exfrau unseres ehemaligen Bundespräsidenten.« Dabei schaute sie triumphierend in Richtung Minister-Hiwi, als hätte die Tatsache eine Bedeutung, wenn es darum ging, die Abteilung zusammenzustreichen.

Der gab sich jedoch unbeeindruckt und schlug vor, jetzt endlich ins Besprechungszimmer zu wechseln, man werde auch ohne Frau Kosian über das Wesentliche reden können. Auf dem ovalen Tisch standen Kaffee, Wasser, Saft und die üblichen Kekse, die es nur gab, wenn sich offizielle Würdenträger blicken ließen. Wenn die OFA  – also das Team der Operativen Fallanalyse des LKA Niedersachsen – sonst in größerer Runde tagte, musste jeder sein Butterbrot selbst mitbringen.

»Meine sehr geehrten Damen und Herren«, leitete der Hochoffizielle ein. Das hörte sich an, als säße er einer gewaltigen Truppe gegenüber. Tatsächlich aber bestand diese Abteilung nur aus einem knappen Dutzend bunt zusammengewürfelter Leute, die aus verschiedenen Bereichen kamen. Lediglich Boris, Wencke und die Kosian widmeten sich als Ganztagskräfte der Methode, die in den Medien immer so schick Profiling getauft wurde und bei der es darum ging, Verbrechen zu analysieren, in Einzelteile zu zerlegen, in klitzekleine Details, die für sich genommen eigentlich aus lauter Menschlichkeit bestanden. Der grausamste Mord konnte, wenn er auf die Grundbausteine seiner Materie reduziert wird, etwas von Liebe und Hoffnung erzählen. Im Kleinsten begann man, das Wesen des Verbrechens zu begreifen. Stück für Stück. Eine faszinierende Arbeit.

Der Ministeriumsfuzzi hüllte alle Beteiligten in eine Laberwolke, die sich aus Begriffen wie »Steuergelder«, »Effizienz« und »Kriminalstatistik« zusammensetzte. Auf seinem Zettel waren sämtliche Beteiligungen der OFA an vergangenen Ermittlungen und anderen Projekten aufgelistet: die Zerschlagung rechtsradikaler Terrorzellen, Fälle von Ehrenmord und Rockerkriminalität, Begutachtung und Verhörbegleitung bei seriellen Sexualstraftätern. Irgendwann legte er das Blatt aus der Hand, nahm einen Schluck Kaffee und kam zur Sache: »Ihre vielfältige Arbeit in Ehren, aber es nutzt nichts, wir müssen sparen.«

»Was heißt das konkret?«, fragte Boris.

»Es geht um eine ganze Stelle. Wie wir das am geschicktesten aufteilen, wird noch zu entscheiden sein.«

Im Klartext bedeutete das, einer der drei Ganztags-Profiler würde Federn lassen müssen. Tilda Kosian leitete die Abteilung schon seit sechs Jahren, sie saß also ziemlich fest im Sattel. Boris Bellhorn war, obwohl um einiges jünger als Wencke, auch schon deutlich länger dabei.

Blieb nur noch sie, Wencke, seit drei Jahren im Team, als alleinerziehende Mutter eines Jungen entsprechend unflexibel einsetzbar, dazu mit einer Vorliebe für halsbrecherische Alleingänge ausgestattet. Zwar hatte sie einige Erfolge vorzuweisen, doch aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung bei der Auricher Mordkommission wäre sie noch am ehesten mit einer anderen Abteilung des LKA kompatibel. Es war klar, wer hier würde Platz machen müssen, wenn der Rotstift regierte.

»Nun schauen Sie mich nicht so an«, bat der Mann im Zweireiher. »Wir rechnen das im Ministerium in Ruhe durch. Unsere Entscheidung wird erst im nächsten Monat fallen, vor den Sommerferien wissen Sie Bescheid.«

»Na toll«, rutschte es Wencke raus. Der Mann hatte ja keine Ahnung, wie sehr diese Aussage ihre Vorfreude auf die nächsten Wochen weiter dimmte. Ihr Geliebter wurde Vater, ihr Job stand mächtig auf der Kippe – und sie sollte entspannt mit ihrem vorpubertären Sohn Emil die Badehose einpacken?

»Ach ja, wo wir nun schon mal so gemütlich zusammensitzen«, er setzte ein 1-a-Wahlplakatlächeln auf, »können wir gleich klären, wer die Vertretung beim anstehenden Symposium übernimmt. Frau Kosian hat mir bereits telefonisch mitgeteilt, dass ihr wegen des Brands eine Dienstreise derzeit kaum möglich ist.« Der Ministeriumsfuzzi war gut sortiert, zackig schlug er den nächsten Ordner auf und reichte die darin liegenden Flyer herum. Die Anwesenden griffen eher zögerlich zu. »Die Einladung geht von Brüssel aus. Wir sind sehr froh darüber, dass man uns bei dieser Tagung dabeihaben will, und erhoffen uns – salopp formuliert  – auf diesem Weg auch einen kleinen Zuschuss aus den Töpfen der EU.«

»Sie meinen, wenn wir uns dort auf diesem Symposium gut präsentieren, besteht die Chance, unsere Jobs zu retten?« Wencke mochte es nicht, wenn Bürokraten behaupteten, sie würden etwas salopp formulieren, und man trotzdem kein Wort verstand.

»Es ist ja nicht so, dass wir unbedingt jemanden hier abziehen wollen«, stellte der Schlipsträger klar und nahm sich ein Waffelröllchen. »Wenn wir bei entsprechenden EU-Veranstaltungen deutlich in Erscheinung treten, stehen die Chancen vielleicht etwas besser.« Er ließ seinen Blick schweifen. Boris machte sich immer kleiner, logisch, er wollte sich keine Arbeit und erst recht keine Dienstreise aufhalsen, wenn zu Hause sein musikalischer Marius auf ihn wartete.

»Nun, ich höre niemanden hier schreien.«

Wencke klappte die farblose Infobroschüre auseinander. Das Tagungsthema passte zur Optik: Zusammenhänge zwischen altgermanischen Mythen und moderner Politik – und ihre Auswirkung auf die Zukunft der Europäischen Union. Der Titel klang so staubtrocken, dass Wencke erst einmal zum Wasserglas greifen musste.

»Frau Tydmers, wie wäre es mit Ihnen?«

»Tja.« Sie wendete den Flyer. Über einem seltsam zerfransten Fleck, der aussah wie eine auf den Kopf gedrehte Comicsprechblase, war das Datum notiert, am kommenden Donnerstag sollte es bereits losgehen. Gut, das wäre machbar, Wenckes Mutter wollte ohnehin vorbeischauen, um mal wieder etwas Zeit mit Enkel Emil zu verbringen. Und es wäre bestimmt von Vorteil, sich eifrig zu zeigen, sich als Stütze der Abteilung zu präsentieren, insbesondere weil die Kosian nicht da war, um ihr die Tour zu vermasseln. Doch dann kapierte Wencke, was diese seltsame Abbildung zu bedeuten hatte. Das war keine Sprechblase, das war die Silhouette von …

»Island? Das Symposium ist auf Island?«

Allem Anschein nach hatte das außer Wencke jeder im Raum gewusst. »Island ist einer der aktuellen Kandidaten für einen EU-Beitritt. Mit dieser Einladung wollen sie ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit demonstrieren. Gesponsert wird das Ganze von AlumIn-Terra, einem der größten Leichtmetallwerke weltweit, die lassen sich das richtig was kosten.« Der Mann konnte schief grinsen, was ihn ulkig aussehen ließ. »Und was haben Sie gegen Island?«

»Nichts. Es ist nur so weit … nördlich.«

Nun schlug er wieder die erste Akte auf, die mit den einzelnen Mitarbeitern der Abteilung und den angehefteten Sparplänen des Ministers. Wencke erkannte ihr Konterfei auf dem Personalbogen, er lag verdächtig weit oben. »Wie ich sehe, sind Sie ein echtes Nordlicht, Frau Tydmers. Geboren in Worpswede, lange Zeit als Hauptkommissarin in Ostfriesland tätig. Dann schlage ich doch spontan vor, dass Sie sich diese Woche an den Polarkreis begeben.«

Nein, er schlug es nicht vor, dann hätte Wencke ja die Gelegenheit gehabt, sich eine gute Ausrede einfallen zu lassen. Doch er erhob sich mit der letzten Silbe, griff nach dem einzig verbliebenen Keks auf dem Teller und bedankte sich für die angenehme Gesprächsrunde. Bevor er den Sitzungssaal verließ, legte er Wencke einen schrecklich dicken Ordner vor die Nase. Welcome to Iceland stand auf dem Deckel. Damit galt sein Vorschlag als einstimmig angenommen.

[11. Juni, 17.30 Uhr, Dieselstraße, Hannover-Limmer, Deutschland]

Blitze zuckten durch die Wohnung und Wencke wurde kurz nach dem Betreten des Flurs von lauten Schreien begrüßt. »Hilfe, ich schaff das nicht! Verdammt!«

Natürlich musste man als alleinerziehende Mutter in Sachen pädagogisch wertvolle Freizeitgestaltung manchmal Abstriche machen. Emil hockte eben lieber vor dem Fernsehapparat und erlebte in der quietschbunten Welt der Spielkonsole die absurdesten Abenteuer, als sich seinen Matheaufgaben zu widmen. Heute hatte er seinen Kumpel John mitgebracht. Die beiden hatten sich Cornflakes gegönnt und besiegten gerade eine giftgrüne, diabolisch grinsende Seifenblase.

»Emil, hast du nach der Post geschaut?«

»Hä?« Erst jetzt bemerkte er, dass seine Erziehungsberechtigte die reale Welt ihres Wohnzimmers betreten hatte. »Zwei Briefe für dich, glaub ich.«

»Wo liegen die?«

»Unter dem … Ey, John, du musst die Banane nehmen, jetzt! Schnell! Die Banane!«

»Unter dem was?«

Auf dem Bildschirm explodierte die Seifenblase und Triumphmusik ertönte. Die beiden Jungen klatschten sich ab. Wencke griff nach der Fernbedienung und schaltete den Apparat aus. »Schluss jetzt, Jungs. Das Wetter ist schön und die Welt da draußen spannend genug.«

Zum Glück akzeptierten beide die Ansage klaglos.

»Und wo finde ich jetzt meine Post?«

Emil drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Unter dem Kühlschrank. Sorry, die ist mir aus der Hand gefallen und dann irgendwie dahin gerutscht.« Er schnappte sich seine Jacke.

»Um sieben gibt es Abendbrot!« Ob es wirklich so eine gute Idee war, wenn Oma Isa ab Mitte der Woche die Sache hier übernahm? Wenckes Mutter war Künstlerin in jeder Hinsicht, sie malte, hielt sich jugendliche Liebhaber, lebte in einer Wohngemeinschaft und verachtete Regelmäßigkeit. Den Satz Um sieben gibt es Abendbrot hatte Wencke als Kind nie zu hören bekommen.

Wencke hatte den Rest des Arbeitstages damit verbracht, neben der Kinderbetreuung auch noch alles andere irgendwie zu regeln, damit sie übermorgen sorglos ins Flugzeug steigen konnte. Sie hatte Tilda Kosian auf dem Handy erreicht und ein Treffen für den nächsten Tag vereinbart, um sämtliche Tickets und die nötigsten Informationen auszutauschen.

Zugegeben, bei allem Stress, dem Wencke jetzt so plötzlich ausgesetzt war – Symposien dieser Art hasste sie mehr als Windpocken und Masern zusammen –, die Aussicht auf Ablenkung war doch verlockend. Sie würde gar nicht dazu kommen, an Axels Vaterglück zu denken. Hoffte sie zumindest.

Sie warf einen Teebeutel in ihre Tasse, und während sich der Wasserkocher langsam erhitzte, fahndete Wencke nach den beiden Briefen. Bäuchlings schob sie sich über die Fliesen. Der Kochlöffel war nicht schmal genug, um zwischen Boden und Kühlschrank zu gelangen, also versuchte sie es mit einem chinesischen Essstäbchen. Der erste Umschlag war Werbung für eine schnellere Internetverbindung, weg damit!

Der zweite Brief lag noch weiter hinten, das Stäbchen musste alles geben, endlich erreichte sie die letzte Ecke des Umschlags und zog ihn hervor. Immerhin war er handschriftlich mit kleinen Druckbuchstaben adressiert, und auch wenn sich der Absender nicht zu erkennen gab: Der Poststempel auf der Rosenbriefmarke verriet, dass die Sendung irgendwo in Norddeutschland aufgegeben worden war.

Wencke rappelte sich hoch und riss mit dem Daumennagel durch das Papier. Im Kuvert befanden sich einige Blätter, die meisten waren Kopien einer handschriftlichen Notiz, ans Deckblatt geheftet prangte ein Foto: Drei junge Frauen standen vor einem winterlich glatten, kleinen See und grinsten in die Kamera. Im Hintergrund erkannte man durch spillrige Bäume den sechseckigen Turm eines Schlosses. Obwohl die Farben verblasst waren, leuchteten die roten Dächer der Nebenflügel. Die drei Frauen hatten Spaß. Links stand Wencke – mein Gott, da musste sie Anfang 20 gewesen sein –, in der Mitte die etwas füllige Blondine Silvie und ganz außen Doro, drahtig, mit ihren dunklen Augen und dem Kopf voller Locken. Irgendjemand hatte einen Kugelschreiberkreis um ihre Gestalt gemacht.

Doro! Wie lang hatte sie den Gedanken an Doro verdrängt?

Wencke musste sich setzen. Die Erinnerung zwang sie dazu. Sie wendete das Foto, das aufgestempelte Datum war verblichen und nur noch schwer zu entziffern, doch eigentlich wusste Wencke genau, wann dieses Bild aufgenommen worden war. Es gab Tage, die sich einem ins Gedächtnis frästen. Und so ein Tag war der 18. Januar 1994. Der Tag, an dem der kleine Jan Hüffart verschwand.

Sie löste die Büroklammer, sortierte zögerlich die kopierten Blätter und begann schließlich zu lesen.

Urð

[Polizeischule Bad Iburg, Zimmer 247, 18./19. Januar 1994, gegen Mitternacht]

Mache jetzt Notizen, besser so. Passiert zuviel, das vergesse ich sonst. Oder glaube irgendwann, es wäre nur Einbildung gewesen.

Bin in der Akademie. Wencke und Silvie schlafen schon. Habe versucht, sie zu wecken, erfolglos. Dabei brauche ich dringend jemanden zum Quatschen.

Haben eben alle stundenlang diesen Jungen gesucht. 12 Jahre, dunkelblauer Anorak, Pumaschuhe und so weiter. Sein Name ist Jan Hüffart, ja, richtig, Hüffart, er ist der Sohn vom Parteibonzen, der hier in Bad Iburg seinen Privatbungalow hat. Ich mag ihn nicht, merkt man, oder? Ihn und seine Partei, alle zu nah am Geld gebaut. Aber klar, um seinen Sohn tut es mir leid, der kann nichts für die Politik seines Vaters.

Der Einsatzleiter hat die Polizeischüler zur Suche nach dem Jungen eingeteilt. Die meisten von uns sind durch die Straßen dieses Kaffs gelatscht. Wencke, Silvie und mich hat man mit dem Durchforsten des Waldes hinterm Schloß beauftragt.

Das Gerücht, daß es sich um eine Entführung handelt, hat schnell die Runde gemacht. Klar, der Sohnemann von Hüffart, dem Oberkonservativen des Landes, Vorstand der Treuhand, Millionenjongleur, der verknackst sich nicht einfach den Fuß, dem muß was richtig Schlimmes passiert sein.

Ich hab Magenschmerzen. Mir fallen Sachen ein, die ich gesehen habe. Die einen Verdacht in mir wecken. Nicht so konkret, nur Andeutungen. Ein unbekannter Schlüssel, der nicht in die Haustür paßt, und als ich nachfrage, gibt es keine Antwort. Ein paar heimliche Telefonate, die beendet werden, sobald ich um die Ecke komme.

Was ist, wenn tatsächlich F. dahintersteckt?

Ich liege wach, traue mich aber nicht, die Mädels zu wecken. Was soll ich ihnen sagen? Daß ich meinen eigenen Freund verdächtige?

Würde ich an den da oben glauben, wäre ein Gebet fällig: Lieber Gott, bitte laß es für alles eine harmlose Erklärung geben. Bitte mach, daß der kleine Jan wieder auftaucht. Einfach so. Kerngesund! Bitte!

D.

Verðandi

[11. Juni, 17.45 Uhr, Bischof-Benno-Straße, Bad Iburg, Deutschland]

Das Telefon läutete nur ein einziges Mal, dann hörte Silvie, wie Zöllner im Vorzimmer das Gespräch annahm. »Frau Hüffart ist ohne vorherigen Termin nicht zu sprechen.« Ihr Sekretär hatte eine Stimme, mit der man Glas hätte schneiden können. Dies war eine der Eigenschaften gewesen, weshalb Zöllner die Stelle bekommen hatte. Und seine absolute Diskretion.

Silvie vertiefte sich wieder in ihre Arbeit. Eine Anfrage der Bild-Zeitung, es ging um Zukunftsprognosen für Deutschland und Karls Meinung war mal wieder gefragt. Welche Hoffnungen hegt der bedeutendste Mitgestalter der deutschen Einheit dieser Tage für sein Volk? Das Ganze bitte in zwei, höchstens drei Sätze verpackt, mundgerechte Politikhäppchen für eine Leserschaft, die eigentlich lieber Fotos anschaute.

Zwei Porträts hatte sie bereits in die engere Auswahl genommen, sie lagen vor ihr auf dem ausladenden Walnussholztisch. Auf einem trug Karl einen schwarzen Anzug und schaute ernst an der Kamera vorbei. Nein, wahrscheinlich war das andere die bessere Alternative, damals waren sie gerade aus Südfrankreich heimgekehrt, was seinem Teint gutgetan hatte, zudem wirkte er in dieser hellgelben Strickjacke leger und sah den Betrachter mit optimistischem Blick direkt an, das würde der Zielgruppe eher entsprechen. Nun fehlte nur noch das Zitat.

Zöllner erschien im Türrahmen. »Entschuldigen Sie die Störung, Frau Hüffart, die Anruferin ist etwas hartnäckig. Sie behauptet, Sie privat zu kennen, und wünscht ein Gespräch.«

Silvie stöhnte auf. Sie hasste Penetranz. »Hat sie wenigstens ihren Namen genannt?«

Er schaute auf den Notizblock, den er in den Händen hielt. »Wencke Tydmers.«

Wencke? Was zum Teufel wollte die denn von ihr? Silvie lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück und drehte sich Richtung Tür. »Haben Sie eine Ahnung, worum es geht?«

»Sie sagte, es sei etwas Persönliches. Da wollte ich nicht weiter nachhaken.«

Etwas Persönliches? Wie kann man fast zwei Jahrzehnte nichts voneinander hören und dann auf einmal etwas Persönliches wollen? Wencke Tydmers war ihre Zimmergenossin auf der Polizeischule gewesen, zugegeben, damals hatten sie jeden Tag miteinander verbracht und waren sich dann natürlich zwangsläufig auch privat nähergekommen, doch nach ihrer Abschlussprüfung waren sie getrennte Wege gegangen. Während Wencke, soweit Silvie informiert war, bei der Kripo irgendwo im hohen Norden eine leitende Funktion übernommen und schließlich einen Posten beim LKA ergattert hatte, war Silvie im PR-Bereich tätig gewesen. Zumindest bis zu ihrer Hochzeit vor vierzehn Jahren. Seitdem hatte sie mit der Polizei gar nichts mehr am Hut. Und wenn sie ehrlich war: Sie vermisste diese Institution nicht im Geringsten. Die Politik war ihr neues Zuhause.

»Was soll ich dieser Frau sagen?«, fragte Zöllner ein wenig zu ungeduldig für Silvies Geschmack. Es würde Wencke nicht schaden, wenn man sie ein wenig warten ließ, sie war schon immer eine Spur zu forsch gewesen.

»Sagen Sie ihr, dass mein Mann und ich demnächst auf Reisen gehen und meine Zeit deshalb sehr knapp bemessen ist.«

»Das habe ich selbstverständlich bereits erwähnt.«

Silvie wandte sich wieder dem Schreibtisch zu, beugte sich vor und rief auf dem Bildschirm ihren Terminkalender auf. Sie fand eine kleine Lücke am nächsten Tag. Die musste genügen.

Zöllner verschwand an seinen Arbeitsplatz, doch sie lauschte dem Gespräch. Der Anruf machte sie aus unerfindlichen Gründen nervös.

»Hören Sie?«, schnarrte ihr Sekretär gekonnt unfreundlich. »Wie gesagt, Frau Hüffart hat absolut keine Zeit und bietet Ihnen einen Telefontermin morgen um 18.35 Uhr an. Entweder geben Sie sich damit zufrieden, oder ich muss Sie bitten, Ihr Anliegen schriftlich vorzutragen.« Er schwieg kurz, dann sprach er weiter und es klang, als habe er die Anruferin barsch unterbrochen. »Frau Tydmers, dies ist kein gewöhnlicher Telefonanschluss. Es ist nun einmal etwas anderes, ob Sie mit einer ehemaligen Schulkameradin plaudern wollen oder mit der Frau eines Spitzenpolitikers. Hier gibt es keine Ausnahmeregelung. Ich biete Ihnen das Gespräch morgen Abend oder den Postweg, habe ich mich jetzt deutlich genug ausgedrückt?« Sie hörte ihn ächzen, er setzte mit einem verzweifelten »Aber …« an, doch schließlich stand er wieder in der Tür. »Sie hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, dass sie eine Nachricht erhalten habe. Von einer Doro.«

»Wie bitte?«

Erneut brauchte er seinen Notizblock zur Orientierung. »Wencke Tydmers hat einen Brief von … Dorothee Mahlmann bekommen!«

Silvies Mund wurde trocken. Sie nickte Zöllner zu, er verstand und stellte das Gespräch durch. Seiner Mimik war anzumerken, dass er Angst hatte, nicht richtig durchgegriffen zu haben. Zu Recht!

Sie ließ es lange klingeln, ging erst einmal zur Stereoanlage und stellte die Musik, die bislang als Hintergrundbeschallung gedient hatte  – sie mochte es, neben der Arbeit Wagner zu hören, das hatte so etwas Erhabenes  –, deutlich lauter. Zwar glaubte sie nicht, dass Zöllner neugierig genug war, um eventuell an der Tür zu lauschen, nein, so ein Mitarbeiter war er nicht, doch sie wollte auf Nummer sicher gehen.

Trompeten stimmten die Götterdämmerung ein, tatatata! Dann fühlte Silvie sich dazu in der Lage, das Gespräch entgegenzunehmen. »Ja ja, die Wencke also!«

Die hielt sich nicht mit unnötigen Begrüßungsformalitäten auf, sondern kam gleich zur Sache. »Ich habe Post bekommen.«

»Mein Mitarbeiter teilte bereits mit, Doro habe geschrieben.«

»So ungefähr.« Wenckes Timbre hatte sich nicht verändert, war noch immer leicht heiser und mit einem Hauch Trotzigkeit zwischen den Silben ausgestattet. Sogleich tauchte vor Silvies innerem Auge die Erinnerung an eine kleine, bodenständige Person mit breitem Grinsen und einer etwas nach oben stehenden Nasenspitze auf. Ob sie das Haar noch immer kurz und rot trug? Bestimmt, ja, Wencke Tydmers war der Typ Frau, der es vorzog, auch jenseits der vierzig auf jugendlichen Charme zu setzen.

»Du weißt so gut wie ich, dass das nicht möglich ist. Dorothee Mahlmann ist tot, und zwar schon seit mehr als zehn Jahren. Wie also sollte sie dir heute einen Brief schreiben?«

»Sie hat mir nicht direkt geschrieben. Jemand hat mir ein altes Foto geschickt, das ich noch nie gesehen habe. Doro, du und ich am Charlottensee in Bad Iburg, aufgenommen an dem Tag, als Jan Hüffart verschwunden ist.«

Silvie holte Luft, zu dumm, diese kleine Pause verriet, wie sehr es sie verunsicherte, wenn das Gespräch auf diese schreckliche Geschichte gelenkt wurde. Sie riss sich zusammen: »Warum regt dich das so auf? Vielleicht stammt die Fotografie aus Doros Nachlass und ihre Erben, vermutlich die Eltern, sind gerade dabei, ihren ganzen Kram zu sortieren. Dann haben sie das Bild gefunden, deinen Namen gegoogelt, die Fotos in den Umschlag gesteckt und losgeschickt, fertig!«

Das war doch tatsächlich eine Möglichkeit, die naheliegend und plausibel klang, fand Silvie. Trotzdem, was ihre ehemalige Freundin gerade erzählte, war seltsam beunruhigend. Etwas in ihr flüsterte, dass sich niemals einfache Erklärungen finden ließen, wenn es um Doro ging. Diese Frau hatte schließlich schon immer für Ärger gesorgt, bis zu ihrem bitteren Ende.

»Außer dem Foto befand sich noch etwas anderes in dem Umschlag. Wusstest du, dass Doro damals Notizen gemacht hat?«

»Nein, woher sollte ich das wissen?«

»Jemand hat mir die handschriftlichen Aufzeichnungen kopiert. Darin deutet Doro an, dass sie irgendwelche Ahnungen hatte, das Verbrechen betreffend. Sie stammen vom selben Tag …«

Silvie hielt es für angebracht, nichts zu erwidern. Gerade jetzt sang der Bayreuther Chor dramatische Verse vom Weltuntergang, der passende Soundtrack zu Silvies Schweigen.

»Verdammt noch mal, Silvie, was sagst du dazu?«

»Es interessiert mich nicht, Wencke. Was damals passiert ist, war schrecklich genug. Ich bin froh, heute nichts mehr damit zu tun zu haben.«

»Ich finde, du solltest dir das selbst einmal ansehen«, beharrte Wencke. »Können wir uns treffen?«

»Bei aller Liebe, Wencke, ich bin eine viel beschäftigte Frau. Karls Terminkalender ist randvoll und er besteht darauf, dass ich ihn immer begleite.«

»Es geht um Doro! Ich vermute, jemand will mir etwas Wichtiges mitteilen! Macht dich das nicht auch wenigstens ein kleines bisschen … neugierig?«

Silvie zuckte mit den Schultern, auch wenn Wencke die Geste durchs Telefon nicht sehen konnte. Nebenbei sortierte sie die weißen, langstieligen Rosen, die in einer Kristallvase auf dem abgedeckten Steinway drapiert waren. Sie würde sich nicht aus dem Gleichgewicht werfen lassen von einem Brief, der alles oder nichts bedeuten konnte. »Eventuell wollten Doros Eltern diese Sache einfach noch mal in Erinnerung bringen. Immerhin …« Silvie schwieg.

»Immerhin was?«

»Vielleicht sind sie enttäuscht. Ich könnte es ihnen nicht verdenken. Wir waren beste Freundinnen.«

»Blödsinn, das waren wir nicht. Wir haben bloß zufällig ein gemeinsames Zimmer zugewiesen bekommen«, protestierte Wencke.

Natürlich hatte sie recht, zu richtigen Freundinnen waren sie nie geworden, dazu waren sie einfach zu unterschiedlich. Sie hatten eine lustige Zeit gehabt und bestimmt gab es ein paar Fotos, auf denen sie irgendwo in Bad Iburg standen und um die Wette grinsten. Silvie erinnerte sich an einige wenige Kneipenbesuche, doch da hatte sich schon deutlich gezeigt, dass sie anders tickte als Doro und Wencke. Schon immer trank sie Alkohol lediglich in Maßen und verabscheute Zigarettenqualm. Doch der eklatanteste Unterschied war wohl ihre politische Einstellung gewesen. Dorothee Mahlmann stand damals so weit links, protestierte gegen Castortransporte, engagierte sich für die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft  – es war Silvie ein Rätsel, was eine Frau mit diesen Überzeugungen überhaupt in den Reihen der Polizei zu suchen hatte. Nur ein einziges Mal hatte Silvie es gewagt, ihre Sympathie für die konservative Politik im Lande zu äußern, und Karl Hüffart als einen überragenden Staatsmann bezeichnet, da hatte es gleich ordentlich gekracht im Dreibettzimmer 247.

Silvie kannte auch den Spitznamen, den man ihr damals auf der Akademie verpasst hatte: Eiserne Jungfrau  – nicht gerade originell! Bloß, weil sie bereits damals in der Wahl ihrer Partner anspruchsvoll gewesen war. Und hatte es sich nicht gelohnt? Während Wencke noch immer Tydmers mit Nachnamen hieß, also unverheiratet zu sein schien, und Doros Affäre mit einem Hochkriminellen denkbar böse geendet hatte, war sie selbst inzwischen mit dem Helden ihrer Jugendtage verheiratet, lebte in seinem schicken Bungalow in Bad Iburg, bereiste an der Seite ihres Mannes die ganze Welt und konnte sich einen eigenen Sekretär leisten, der sie vor unangenehmen Zeitgenossen bewahrte – meistens jedenfalls.

»Warum sollten Doros Eltern nach all den Jahren noch nachtragend sein?«, fragte Wencke weiter.

Eigentlich kannten sie beide die Antwort: weil sie Doro im Stich gelassen hatten. Nicht nur damals im Januar vor fast zwanzig Jahren. Sondern auch – oder gerade in den Jahren danach. Sie hatten beide keine Glanzleistung in Sachen Mitmenschlichkeit abgeliefert. Einmal waren sie in diesem Heim gewesen. Ein einziges Mal. Danach war ihr Leben weitergegangen und Doro hatte nicht mehr daran teilgenommen.

»Wenn das alles war, Wencke, dann entschuldige mich bitte. Wie gesagt, ich hab noch einiges zu tun. Mein Mann und ich gehen auf Reisen und …«

»Wirst du ihm von dem Brief erzählen?«

»Wie bitte? Nein, warum sollte ich das tun?« Silvie war empört. »Hör mal, Wencke, Karl ist ganz sicher nicht daran interessiert, deine …«

»Ich habe läuten hören, er sei dement?«

»Das ist ein böses Gerücht. Karl ist absolut gesund.« Silvie merkte selbst, es klang, als würde sie gerade eine alte Langspielplatte abspielen. Immer musste sie Karl vor diesen bodenlosen Verleumdungen schützen. »Zudem geht er auf die dreiundsiebzig zu und hat ein unglaublich anstrengendes Leben hinter sich, da ist es bewundernswert, wozu er in seinem Alter noch in der Lage ist.«

»Kann er sich eigentlich noch an die Sache mit Jan erinnern?«, bohrte Wencke weiter.

»Was glaubst du denn? Dass ein Vater seinen Sohn vergisst?« Silvies Stimme wurde lauter. Erst jetzt fiel ihr auf, dass die Musik bereits geendet hatte und sie ihre Empörung in den stillen Raum rief. Warum regte sie sich eigentlich so auf? Weil gerade jemand zielsicher ihren wunden Punkt traf?

»Ich werde jetzt auflegen, Wencke. Die Angelegenheit scheint sich ja geklärt zu haben. Deine Frotzeleien möchte ich mir nicht weiter anhören.«

»Warte, eine Frage noch! Hast du eine Ahnung, wer damals das Foto gemacht hat?«

»Keinen Schimmer. Also tschüss …«

»War es Frankie?«

»Wer?«

»Stell dich doch nicht so begriffsstutzig, Silvie. Du weißt, wen ich meine: Frank-Peter Götze. Doros Freund.«

»Lass mich in Ruhe! Lass meinen Mann in Ruhe! Wir wollen mit dem ganzen verdammten Scheiß von damals nichts mehr zu tun haben!« Schluss jetzt, entschlossen drückte Silvie den roten Knopf und beendete das Telefongespräch.

Trotzdem behielt sie noch geschlagene fünf Minuten den Hörer in der Hand und dachte darüber nach, was gerade passiert war. Nicht unbedingt, warum sie losgegangen war wie eine Silvesterrakete, sondern auch, weshalb Wencke sich zu solchen Provokationen hatte hinreißen lassen. Wer wollte schon unbedingt an Doro denken? An Jan Hüffart? Und vor allem an Frank-Peter Götze? Es wäre doch für alle Beteiligten viel einfacher gewesen, diesen Brief zu ignorieren, ihn im Papierkorb zu entsorgen und dann nie wieder daran zu denken. Aus und vorbei. Stattdessen hatte Wencke angefangen, wie wild in alten Wunden zu stochern.

Zöllner klopfte an, öffnete die Tür einen Spalt und fragte flüsternd, ob er helfen könne. »Es tut mir leid, wenn ich Ihnen da jetzt unnötig Ärger verschafft habe.« Er sah elend aus.

Silvie schnaubte. »In Zukunft keine Gespräche mehr von dieser Person!«

»Ganz bestimmt nicht!«, kuschte Zöllner. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

Klar, ihr Sekretär schielte auf die Uhr, sein Feierabend hatte längst begonnen. »Verbinden Sie mich bitte mit Alf Urbich!«

Er stutzte. »Sie meinen den Alf Urbich?«

Statt einer Antwort bekam er ein Paar hochgezogene Augenbrauen präsentiert. Ja, sie meinte den Alf Urbich, Karls engsten Berater während der Zeit als Parteivorsitzender, der dem Aussehen nach einem Pitbull glich – und diesem auch charakterlich in nichts nachstand. Entsprechend erfolgreich war dieser Mann, wie so viele ausrangierte Politgrößen, heute in der freien Wirtschaft tätig. Eigentlich hatte Karl seit Jahren schon den Kontakt zu Urbich abgebrochen.

Silvie schloss die untere Schublade auf, suchte nach dem alten Adressbuch und fand darin die Geheimnummer, die vor vielen Jahren einmal notiert worden war. Für den Fall der Fälle. Den Fall, der heute eingetreten war.

»Hier habe ich die Kontaktdaten. Falls das Vorzimmer Probleme macht, richten Sie aus, dass es um die Sache in Bad Iburg geht. Und dann stellen Sie bitte unverzüglich durch.«

»Sehr gern.«

»Danach dürfen Sie gehen. Vielen Dank!«

Er machte einen angedeuteten Bückling, ja wirklich, und das mochte Silvie sehr. Sie würde nicht dulden, dass dieses Leben, das sie seit vierzehn Jahren führte, durch eine Frau wie Wencke Tydmers plötzlich in Gefahr gebracht wurde.

Skuld

[… noch sechs Tage …]

Jede Geschichte, die erzählt wird, verändert die Welt.

Es gibt kleine Geschichten, die fast unsichtbar bleiben in ihrer Wirkung.

Und es gibt die ganz großen Geschichten, die Sagen, so voll von Leben und Tod, von Liebe und Hass, von Glaube und Verzweiflung, dass jeder, dem sie zu Ohren gekommen sind, sich daran erinnern wird, bewusst oder unbewusst, als hätte er sie selbst erlebt.

Um die Macht dieser Geschichten zu erahnen, muss man sich dicht an den Ursprung wagen, dort, wo die Welt täglich stirbt, um neu geschaffen zu werden. Man muss das Feuer kennen, das unter uns brennt und darauf wartet, auszubrechen und zu zerstören. Man muss von Wasser umgeben sein, das in Grenzen verweist und doch der Weg in die Freiheit ist.

Man muss die Erde betreten, karg und dünn wie Eierschale, doch aufgetürmt zu Bergen, die den Himmel berühren  – nur wer hier lebt, kann die Sagen verstehen. Geschichten wie diese umspannen alles, was geschehen ist und noch geschehen wird. Weil sie noch nicht zu Ende erzählt worden sind.

Baldr, der Sohn eines mächtigen Gottes, der Welt größte Hoffnung, war Licht und Gerechtigkeit, Stärke und Schönheit. Ihm war prophezeit, jung zu sterben durch einen hölzernen Pfeil. Da lief seine Mutter zu allen Pflanzen, die auf der Erde wuchsen, um ihnen das Versprechen abzunehmen, ihrem wunderbaren Sohn niemals zu schaden. Doch sie vergaß den Mistelstrauch, der ihr zu klein und ungefährlich erschien, als dass er zur todbringenden Waffe taugen würde.

Davon erfuhr Loki, der klügste und charismatischste unter den Göttern, der das Gute auf der Welt nicht länger ertragen konnte. All diese Heuchler und Harmonisierer und ihr hohles Geschwätz über eine glänzende Zukunft waren ihm zuwider. Er sorgte dafür, dass der als unverwundbar geltende Baldr beim Spiel ausgerechnet von einem Mistelzweig getroffen wurde und umkam. Die trauernde Familie bettete den leblosen Sohn, mit dem alle Zuversicht auf eine glückliche Zukunft gestorben war, auf einem Floß und ließ ihn mit den Wellen ins Totenreich schwimmen.

Ich liebe diese Sage. In ihr stecken die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.

Und in ihr steckt auch meine Geschichte.

Die erzählt werden muss.

Die ein Ende braucht.

Ein gerechtes Ende.

Verðandi

[12. Juni, 9.45 Uhr, Büro LKA, Waterlooplatz, Hannover, Deutschland]

Die Nacht war eine von der Sorte gewesen, in der Schlaf und unfreiwilliges Wachsein ineinanderflossen. Und im Brackwasser des Bewusstseins vermengten sich die Schatten des letzten Tages: Wie wütend Wencke war, von dieser arroganten Silvie dermaßen abgekanzelt worden zu sein! Wie tief der Schmerz noch immer saß, wenn sie an den kleinen Jan Hüffart dachte! Wie sonderbar sie es fand, dass jemand ihr die alten Notizen zugeschickt hatte!

Ab und zu hatte sie das Licht angeknipst, den Brief zur Hand genommen, das Foto angestarrt, und irgendwann nach Mitternacht machte es Klick und Wencke erinnerte sich glasklar an den Moment, in dem es aufgenommen worden war: Kalte Januarluft hatte hauchdünne Eisschichten auf den Charlottensee gelegt und Silvie hatte muttihaft gewarnt, man solle sich besser Mützen aufsetzen. Bei Doro und Wencke war das zum einen rotgefrorenen Ohr rein- und zum anderen wieder rausgegangen. Damals kannten sie sich bereits drei Monate, teilten sich seit Oktober ein Zimmer, hatten dieselben Lehrer und ähnliche Ziele, waren aber auch wie Feuer und Wasser, besonders Doro und Silvie, die nicht selten aneinandergerieten. Im Park hatten sie Frankie getroffen. Wahrscheinlich kein Zufall, denn Doro übernachtete seit einiger Zeit bei diesem Typen, der das krasse Gegenteil der schnauzbärtigen Kollegen oben im Schloss war. Sie behauptete, er sei ein begnadeter Liebhaber. Silvie quittierte diese Information mit einer angewiderten Miene. Deswegen schaffte sie auf dem Foto auch nur so ein gequältes Lächeln.

Frankie war es gewesen, der den Auslöser gedrückt hatte. Er hatte »Cheese« gerufen, wie man das in den neunziger Jahren immer so spaßig fand. Und dann hatte er fotografiert. Mit Doros Apparat. Sie hatte ihn darum gebeten.

Als es ihnen doch zu kalt wurde, waren sie wieder reingegangen. Doch den geruhsamen Feierabend hatten sie sich abschminken können: Gegen halb elf wurden sie alle aus den Betten gerissen. Sondereinsatz, ein kleiner Junge war verschwunden, alle sollten beim Suchen helfen. Bad Iburg wurde für viele Stunden von den Kegeln Hunderter Taschenlampen illuminiert. Bis auf das Fahrrad hatten sie nichts gefunden. Nicht an diesem Tag. Nicht am 18. Januar 1994.

Wencke musste ihren schweren Kopf mit den Händen abstützen. Von Müdigkeit malträtiert saß sie seit nunmehr anderthalb Stunden am Schreibtisch, sortierte Unterlagen für die Reise nach Island und schweifte doch immer wieder ab zu den Ereignissen, die damals in Bad Iburg über sie hereingebrochen waren. Was ließ sich heute noch davon finden?

Wencke gab den Namen Frank-Peter Götze in die Suchmaschine ein. Wikipedia zeigte das halb verdeckte Gesicht auf einem sehr pixeligen Foto, schwarz-weiß, fast so als hätte Frank-Peter Götze im ausgehenden 19. Jahrhundert gelebt und nicht vor zwanzig Jahren. Links und rechts flankiert von strengen Polizisten wurde er aus seinem Haus geführt. Sechstagebart und halblanges Haar, Doros Freund war kein Adonis gewesen.

Frank-Peter Götze (* 23. August 1961 in Rackwitz) wurde im Jahre 1994 rechtskräftig als Entführer und Mörder des zwölfjährigen Politikersohns Jan Hüffart zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen erpresserischen Menschenraubs und Mordes verurteilt.

Wencke überflog die Zeilen. Den Artikel zu lesen fühlte sich an, als wenn man nach Jahren ein altes Schulbuch in die Hand bekommt und denkt: Stimmt, da war mal was, jetzt kommt es mir wieder in den Sinn. Dass man irgendwann einmal diesen Stoff rauf und runter hatte predigen können, war kaum noch vorstellbar.

Götze hatte sich als Hilfsarbeiter einer Gartenbaufirma ausgegeben und war so in den Privathaushalt des Spitzenpolitikers gelangt. Seine Forderungen zur Freilassung waren angeblich politischer Natur, wurden jedoch der Öffentlichkeit nie detailliert bekannt gemacht. Gerüchte, denen zufolge es bei den Forderungen um die Bekanntmachung von vermeintlicher Korruption bei Treuhandgeschäften ging, ließen sich nie offiziell bestätigen, wurden aber durch Götzes sächsische Herkunft und seine Zugehörigkeit zu einer linksalternativen Gruppierung genährt. Jan Hüffart wurde in der zweiten Nacht nach der Entführung tot im Bad Iburger Schlosspark aufgefunden. Der Mörder hatte seine Leiche auf einem Boot aufgebahrt, das auf dem Charlottensee schwamm. Die Obduktion ergab, dass er wenige Stunden zuvor erstochen worden war. Eine Zeugin gab den entscheidenden Hinweis auf Frank-Peter Götze. Bei seiner Festnahme am Abend des 20. Januar 1994 durch ein Spezialeinsatzkommando verwickelte Götze sich in Widersprüche. Seine Version, er habe den Jungen zwar entführt, ihn aber nach Erfüllung seiner Forderungen wieder freigelassen, wurde widerlegt. Den Mord an Jan Hüffart hat Götze bis heute nicht gestanden. Seine damalige Lebensgefährtin, die ihm ein Alibi verschaffte, indem sie behauptete, er sei in der Mordnacht mit ihr zusammen gewesen, wurde als unglaubwürdig eingestuft und Götze aufgrund der Indizien schuldig gesprochen.

An Götze selbst erinnerte Wencke sich eher dunkel. Doro hatte ihn bereits während der ersten Woche in einer Bad Iburger Eckkneipe aufgegabelt und war von da an oft bis zum nächsten Morgen bei ihm geblieben. Er war locker zehn Jahre älter, stammte irgendwo aus dem Osten, machte irgendetwas Linksalternatives und nahm es vermutlich mit dem Betäubungsmittelgesetz nicht so genau. Sein sächsischer Dialekt war nicht allzu stark, aber trotzdem unsexy gewesen.

Dass er bereit gewesen war, einiges für seine Ideale zu riskieren, hatte niemanden verwundert, selbst die Entführung war ihm zuzutrauen gewesen. Aber Mord? Gegen diese Vorstellung hatte Wencke sich immer gesperrt. Auch wenn die Beweislage damals eng und das Gerichtsurteil unumstritten gewesen war.

Plötzlich stockte sie: Ganz unten war allem Anschein nach recht aktuell die Rubrik Frank-Peter Götze heute hinzugefügt worden: Nach zwei vergeblichen Entlassungsgesuchen wurde Frank-Peter Götzes Antrag nach 19 Jahren Haft zugestimmt und die Reststrafe für fünf Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Er befindet sich heute auf freiem Fuß.

[12. Juni, 11.57 Uhr, Kröpcke, Hannover, Deutschland]

Eigentlich treffen sich hier nur die Touristen, dachte Wencke und blickte zur dunkelgrünen, viereckigen Säulenuhr, deren römisches Ziffernblatt zeigte, dass es kurz vor Mittag war. Tilda Kosian würde keinesfalls zu früh kommen, das war nicht ihre Art.

Der Kröpcke, ein Platz, an dem drei wichtige Hannoversche Einkaufsstraßen sich trafen, füllte sich mittags stets mit Leben, wenn die ersten Angestellten der umliegenden Firmen auf dem Weg waren, um ihren Lunch zu genießen. Handyverkäufer mit gegelten Hahnenkämmen gönnten sich einen Döner, ebenso die Schlipsträger aus den höher liegenden Büroetagen oder die mehr oder weniger begnadeten Straßenmusiker. Sorgsam geschminkte Frauen, bei denen die hochhackigen Schuhe exakt zur Handtasche passten, trippelten an Wencke vorbei. Auch bei Wencke harmonierten Fußbekleidung und Gepäck optimal: Turnschuhe und Rucksack waren gleichermaßen verschlissen.