Buch
Fitz-Chivalric hat versagt. Sein skrupelloser Onkel hat den Thron der Sechs Provinzen an sich gerissen, und der wahre Herrscher, Prinz Veritas, gilt als tot. Fitz bleibt nur noch eines: Rache! Doch wie soll er bis zu dem Mann vordringen, der ihm alles genommen hat? Einem König, geschützt von Soldaten und Magie? Ohne Rücksicht auf sich selbst treibt Fitz seine Pläne voran. Da erreicht ihn der Ruf eines Totgeglaubten – Prinz Veritas!
Autorin
Robin Hobb wurde in Kalifornien geboren, zog jedoch mit neun Jahren nach Alaska. Nach ihrer Hochzeit zog sie mit ihrem Mann nach Kodiak, einer kleinen Insel an der Küste Alaskas. Im selben Jahr veröffentlichte sie ihre erste Kurzgeschichte. Seither war sie mit ihren Storys an zahlreichen preisgekrönten Anthologien beteiligt. Mit Die Gabe der Könige, dem Auftakt ihrer Serie um Fitz-Chivalric Weitseher, gelang ihr der Durchbruch auf dem internationalen Fantasy-Markt. Ihre Bücher wurden seither millionenfach verkauft. Robin Hobb hat vier Kinder und lebt heute in Tacoma, Washington.
Die Chronik der Weitseher von Robin Hobb bei Penhaligon:
1. Die Gabe der Könige
2. Der Bruder des Wolfs
3. Der Erbe der Schatten
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Robin Hobb
Der Erbe der Schatten
Die Chronik der Weitseher 3
Roman
Deutsch von Eva Bauche-Eppers
Die Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel »Assassin’s Quest« bei Bantam, New York.
Dieses Buch ist bereits unter dem Titel »Die Magie des Assassinen« im Bastei-Lübbe Verlag erschienen und unter dem Titel »Der Nachtmagier« im Heyne Verlag.
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Copyright der Originalausgabe © 1997 by Robin Hobb
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2017 by Penhaligon in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Redaktion: Alexander Groß
Umschlaggestaltung und Artwork: Isabelle Hirtz, Inkcraft, unter Verwendung eines Bildes von aleksm/Shutterstock.com
Karte: © Andreas Hancock
HK · Herstellung: sam
Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München
ISBN 978-3-641-17764-5
V002
www.penhaligon.de
Für die ganz echte Kat Ogden,
die in zartem Alter drohte, erwachsen und dabei Folgendes zu werden:
Eine stepptanzende,
fechtende
Judoka,
Filmstar,
Archäologin
und
Präsidentin der Vereinigten Staaten.
Inzwischen ist sie dem Ende ihrer Liste schon erschreckend nahe.
Verwechsele nie den Film mit dem Buch.
Prolog
Das Nichterinnerte
Ich erwache jeden Morgen von neuem mit Tinte an meinen Fingern. Manchmal liege ich weit ausgestreckt auf meinem Schreibtisch, inmitten von Schriftrollen und Pergamenten. Mein Gehilfe, wenn er mit meinem Tablett hereinkommt, mag sich die Freiheit nehmen, mich zu schelten, weil ich wieder einmal nicht den Weg ins Bett gefunden habe. An anderen Tagen schaut er mir ins Gesicht und sagt kein Wort. Ich erkläre ihm nicht, weshalb ich tue, was ich tue, denn dies ist kein Geheimnis, das man an einen Jüngeren weitergibt; er sollte durch eigene Mühe zu der Erkenntnis gelangen.
Ein Mann muss eine Aufgabe haben. Heute weiß ich das, doch ich brauchte die ersten zwanzig Jahre meines Lebens, um das zu lernen. Darin halte ich mich kaum für einzigartig. Dennoch, es ist eine Lektion, die mir, einmal gelernt, immer gewärtig geblieben ist. Deshalb wollte ich mich dieser Tage nicht nur mit meinen Schmerzen beschäftigen, sondern habe mich bemüht, eine Aufgabe zu finden. Ich habe mich einem Unterfangen zugewandt, das mir schon vor langer Zeit von sowohl Prinzessin Philia als auch Fedwren, dem Schreiber, ans Herz gelegt worden war. Diese Seiten sollten der Anfang einer umfassenden Geschichte der Sechs Provinzen sein, doch es fällt mir schwer, mich länger auf ein einziges Thema zu konzentrieren, deshalb verschaffe ich mir Abwechslung mit kürzeren Essays: Theorien über Magie, Betrachtungen über politische Strukturen sowie Reflexionen über andere Kulturen. Wenn die Beschwerden mich am meisten quälen und ich nicht die Kraft habe, meine Gedanken zu ordnen und niederzuschreiben, arbeite ich an Übersetzungen oder befasse mich damit, alte Dokumente zu kopieren und zu vervollständigen. Ich beschäftige meine Hände in der Hoffnung, meinen Verstand abzulenken.
Das Schreiben hilft mir, so wie das Zeichnen von Karten seinerzeit Veritas geholfen hat. Die detailreiche Arbeit und die Konzentration, die dazu aufgebracht werden muss, lassen mich das drängende Verlangen der Sucht beinahe vergessen wie auch deren Nachwirkungen, unter denen jeder leidet, der ihr einst verfallen war. Man kann in solcher Arbeit versinken und sich selbst vergessen. Man kann darin sogar noch tiefer eintauchen und trifft dann auf zahlreiche Erinnerungen an dieses frühere Selbst. Nur allzu häufig stelle ich fest, wie ich von einer Geschichte der Sechs Provinzen abgeirrt bin zu Leben und Taten des Fitz-Chivalric. In diesen Erinnerungen sehe ich mich konfrontiert mit dem, der ich war, und mit dem, der ich geworden bin.
Wenn man derart in eine Aufarbeitung der Vergangenheit vertieft ist, wird man überrascht sein, an wie viele Einzelheiten man sich zu entsinnen vermag. Nicht alle Erinnerungen, die ich heraufbeschwöre, sind schmerzlich. Das Leben hat mir wahrlich viele Freunde geschenkt, und ihre Treue war größer, als ich es je hätte erwarten können. Mein Leben war von Schönheit und Freude erfüllt, was jedoch mein Herz und meine Seele nicht weniger auf die Probe gestellt hat als die traurigen und hässlichen Zeiten, die ich erlebt habe. Dennoch besitze ich, verglichen mit anderen, möglicherweise einen größeren Schatz an dunklen Erinnerungen, denn nur wenige dürften die Erfahrung teilen, den Tod im Kerker zu sterben oder im Inneren eines Sarges lebendig im Schnee zu sein. Der Verstand schaudert vor diesen Bildern. Es ist eine Sache, daran zu denken, dass Edel mich ermordete, eine andere, sich des Grauens der Tage und Nächte zu vergegenwärtigen, als er mich hungern und schließlich von seinen Schergen totschlagen ließ. Wenn ich es tue, gibt es Augenblicke, bei denen mir noch immer das Blut in den Adern gefriert, selbst nach all diesen Jahren. Ich erinnere mich an die Augen des Mannes und das Geräusch, als seine Faust meine Nase zermalmte. Ich habe immer noch einen ständig wiederkehrenden Traum, in dem ich darum kämpfe, aufrecht stehen zu bleiben und den Gedanken zu vermeiden, Edel in einem letzten Versuch zu töten. Ich erinnere mich, wie er mir mit dem Handrücken ins Gesicht schlug und die Haut aufplatzte. Davon ist mir die Narbe auf der Wange geblieben.
Niemals kann ich mir vergeben, zu welchem Triumph ich ihm damit verhalf, dass ich Gift nahm und starb.
Doch schmerzlicher als die Ereignisse, an die ich mich erinnere, empfinde ich jene, die für mich verloren sind. Als Edel mich tötete, löschte er mich vollkommen aus. Fitz-Chivalric war für alle tot, und zerrissen waren die Bande zu den Menschen von Bocksburg, die mich gekannt hatten, seit ich ein Knabe von sechs Jahren gewesen war. Niemals wieder bezog ich mein Quartier in der Burg, machte Prinzessin Philia meine Aufwartung, saß am brennenden Kamin Chade zu Füßen. Verloren waren für mich die vielen Lebensfäden, die mit meinem verwoben gewesen waren. Freunde starben, andere heirateten, Kinder wurden geboren, andere wuchsen heran, und ich erlebte nichts davon mit. Obwohl ich nicht länger den Körper eines gesunden jungen Mannes besitze, leben noch viele, die mich einst Freund nannten. Manchmal überkommt mich das Verlangen, sie anzusehen, ihnen die Hand zu reichen, die Einsamkeit von Jahren abzuwerfen.
Es bleibt mir versagt.
Diese wie auch alle künftigen Jahre ihres Lebens sind für mich verloren. Verloren ist für mich auch die Zeit meiner Gefangenschaft im Kerker und dann im Sarg. Es war kaum ein Monat, doch es erschien mir viel länger. Mein König war in meinen Armen gestorben, aber man trug ihn ohne mich zu Grabe. Auch bei der Ratsversammlung nach meinem Tod war ich nicht zugegen, als man mich für schuldig befand, die Alte Macht praktiziert zu haben, und damit meine schändliche Ermordung als Tat nach Recht und Gesetz deklarierte.
Philia kam und erhob Anspruch auf meinen Leichnam. Es war ausgerechnet meines Vaters Gemahlin, die einst so tief verletzt worden war, als sie erfahren musste, dass er vor ihrer Vermählung mit einer anderen einen Bastard gezeugt hatte, die mich aus jener Zelle holte. Ihre Hände waren es, die meinen toten Leib wuschen und in Grabtücher hüllten. Unbeholfene, exzentrische Prinzessin Philia. Ich weiß nicht, aus welchem Grund sie meine Wunden reinigte und sie so sorgfältig verband, als lebte ich noch. Sie allein gab Befehl, für mich ein Grab auszuheben, und sah, wie mein Sarg darin verschwand. Sie und Litzel, ihre Zofe, trauerten um mich, als alle anderen sich aus Angst oder Abscheu vor meinem Verbrechen von mir abwandten.
Doch sie wusste nicht, dass Burrich und Chade, mein Lehrer und Mentor als Assassine, in einer späteren Nacht zu diesem Grab kamen und den frisch gefallenen Schnee und die gefrorenen Erdschollen wegschaufelten, die man auf meinen Sarg geworfen hatte. Nur diese beiden waren zugegen, als Burrich schließlich den Deckel aufbrach und meinen leblosen Körper heraushob und sodann mittels der auch ihm innewohnenden Alten Macht den Wolf herbeirief, der noch meine Seele in sich barg. Sie entrissen dem Tier diese Seele und geleiteten sie zurück in den zerschlagenen Körper, aus dem sie geflohen war. Sie erweckten mich zum Leben, auf dass ich wieder in Menschengestalt umhergehen und mich erinnern möge, was es heißt, einen König zu haben und durch einen Schwur gebunden zu sein. Bis zum heutigen Tag weiß ich nicht, ob ich ihnen dafür dankbar bin. Es mag sein, wie der Narr behauptet, dass sie keine andere Wahl hatten. Vielleicht kann es dafür keinen Dank und keine Schuld geben, sondern nur die Anerkennung der Mächte, die uns an unser Schicksal binden und es bestimmen.