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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Titelbild unter Verwendung einer Karikatur von Grandville

Portrait-Zeichnungen: Monika Fischer

© 2018 Peter Ripota, 2. Auflage 2019

In der 2. Auflage wurden einige Rechtschreibfehler verbessert.

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783748135791

e-mail: tango@ peter-ripota.de

Webseite: http://www.peter-ripota.de/einstein/

Teil 2 meiner Abhandlung über Einsteins Thesen behandelt Entstehung, Bedeutung und Wirkung der ART (Allgemeinen Relativitätstheorie) ihrer Grundlagen und ungelösten Rätsel. Besonders wird auf die Existenz von Schwarzen Löchern und Gravitationswellen eingegangen und deren Ableitung aus den Formeln kritisch untersucht. Zudem werden die (von der Öffentlichkeit unbemerkten) zahlreichen Prioritätsstreitereien ausführlich dargestellt. Und schließlich werden die Gründe für die Vergabe eines Nobelpreises für die Entdeckung der Gravitationswellen durchleuchtet.

Inhalt

Vorwort

Im ersten Teil dieser Doppel-Edition ("Einsteins einmalige Einsichten") habe ich Entstehung, Akzeptanz und Problematik der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) aus dem Jahre 1905 behandelt und einige ausgewählte Beobachtungen und Versuche ebenso ausführlich wie kritisch erklärt. Im zweiten Teil geht es um die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) aus dem Jahre 1915. Auch hier zeige ich ihren Werdegang, ihre Konsequenzen und Probleme. Einen breiten Raum nimmt naturgemäß die mit einem Physik-Nobelpreis ausgezeichnete Entdeckung von Gravitationswellen ein, die sich aus den Formeln der ART ergeben, obwohl ihr Schöpfer sich später skeptisch darüber äußerte. Ebenso ausführlich behandle ich gewisse Prioritäts-Streitereien, die in der Literatur normalerweise verschwiegen werden. Wer wird denn einem (Jahrhundert-)Genie geistigen Diebstahl unterstellen! Ein paar Anekdoten und ein Gedicht lockern die ernste Angelegenheit ein wenig auf.

Viel Spaß bei der Lektüre!

Wie eine Theorie entsteht

Die Entwicklung hat gezeigt, daß von allen denkbaren Konstruktionen eine einzige jeweilen sich als unbedingt überlegen über alle anderen erwies. Albert Einstein: Rede zum 60. Geburtstag von Max Planck

Kennen Sie die Sage von Zeus und Athena? Die Göttin der Weisheit wurde auf recht eigenartige Weise geboren. Wikipedia sagt dazu:

"Als Zeus unter großen Kopfschmerzen litt, zerschlug Hephaistos auf Zeus’ Befehl hin dessen Haupt (was er als Göttervater überstand). Daraus entsprang in voller Rüstung Athena. Sie wurde daher als eine Verkörperung des Geistes (da aus dem Kopf des Zeus = Kopfgeburt) und damit der Weisheit und Intelligenz angesehen."

So stellen wir uns die Entstehung einer Idee, eines Kunstwerks, einer wissenschaftlichen Theorie vor. Eine Idee kommt in einem Augenblick aus dem Nichts, eine Eingebung ist geboren. Es geht auch ohne Axt: Nachts erscheint die Muse und küsst den Glücklichen dorthin, wo er's braucht. Daraus machen wir Mythen: NEWTON schlief unterm Apfelbaum, und als der Apfel auf seinen Kopf fiel (ganz ohne Eva & Schlange), da wusste er: So sieht die Welt aus, das Gesetz der Gravitation war geboren. Dem Chemiker KEKULÉ erschien im Traum eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz biss (der berühmte "Oroboros"). Daraufhin wusste der Forscher: Moleküle schließen sich zu Ringen zusammen, die organische Chemie war geboren. Und als EINSTEIN in den Schweizer Bergen spazieren ging, kam ihm plötzlich der Gedanke: So sieht die Welt aus, gekrümmt, und deswegen habe ich Mühe, mich durchzuschlängeln. Die Idee zur Allgemeinen Relativitätstheorie war geboren.

Alles Mythen (den dritten hab ich mir ausgedacht). Plötzliche Eingebungen können Denkanstöße geben, für die Entwicklung eines vollständigen Kunstwerks (also auch einer wissenschaftlichen Theorie) reichen sie nicht. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Schon Newton wusste dies. Als man ihn fragte, wie er zu seinen Ideen gekommen war, sagte er: Durch stetes Nachdenken. Auf einem ganz anderen Gebiet sagte ein berühmter Praktiker Ähnliches: Eine Erfindung besteht zu 10% aus Inspiration (= Eingebung) und zu 90% aus Transpiration (= Schweiß). (EDISON) Doch auch Newtons Vorbild des reinen Denkers stimmt nicht für die Wissenschaft, wie sie seit ihrer Etablierung durch diverse wissenschaftliche Akademien betrieben wird. Hier brauchen wir ein drittes Bild, das auch schon Newton (wenngleich eher ironisch) geprägt hat: "Wenn ich weiter blickte als andere vor mir, dann nur deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stand." Kurzum: Jede Theorie hat (a) Vorgänger, zumindest ideenmäßig, und sie braucht (b) den für wissenschaftliche Erkenntnisse typischen Dialog.

Deswegen will ich (aus meiner eigenen Erfahrungswelt) ein drittes Bild für den wissenschaftlichen Fortschritt anbieten: den Tanz. Da führt zwar einer, was nur bedeutet: Die führende Person (gewöhnlich als "Mann" bezeichnet, was aber nicht immer stimmt) gibt Impulse, die geführte Person (gewöhnlich als "Frau" bezeichnet, was aber nicht immer stimmt) nimmt diese auf und formt daraus etwas Eigenes, Neues. So entsteht allmählich eine Theorie, so wächst wissenschaftlicher Fortschritt.

So wär's schön. So ist es aber nicht. Der Normalfall in der Wissenschaftspublizistik ist am besten mit der katholischen/faschistischen/kommunistischen Inquisition vergleichbar, mit dem Herausgeber des renommiertesten Wissensjournals der Welt als Großinquisitor - das ist derjenige, der einmal gesagt hat: Die Schriften des Biologen Rupert Sheldrake gehören verbrannt (JOHNMADDOX). Vermutlich samt ihrem Initiator.

Heute wird die Sache so dargestellt, als ob die ART in einem Augenblick dem Kopf des göttlichen Genies entsprang wie Athena dem Haupte des Zeus (mit vorangehenden Kopfschmerzen). Doch es gab auch hier - wie in der SRT - viele Vorläufer, deren Bedeutung erst langsam wiederentdeckt wird.

STEFANRÖHLE hat dies in seiner Dissertation "Willemde Sitter in Leiden - Ein Kapitel in der Rezeptionsgeschichte der Relativitätstheorien" (Universität Mainz 2007) im Einzelnen behandelt. So schreibt er:

"Vieles neben [Einstein] erscheint in seinem Schatten, weil es durch ihn und sein vermeintliches Genie überstrahlt wird und dadurch in den Hintergrund tritt. So entsteht oft der Eindruck, Einsteins Theorien wären schlagartig nach 1905 bzw. 1915 etabliert gewesen."

Waren sie nicht. Einer seiner Vorgänger hieß MAX ABRAHAM (1875-1922). Mit ihm lieferte sich Einstein den ersten Prioritätsstreit bezüglich der ART. Abraham war der erste, der Einstein auf die Notwendigkeit eines Äthers in der ART hinwies, was dieser auch 1920 dann zugeben musste. Einer der Gründe: Ohne Medium gibt es keine Wellen - also auch keine Gravitationswellen. Abraham zeigte Einstein auch die Unhaltbarkeit des Postulats einer stets konstanten Lichtgeschwindigkeit. Einstein wollte dieses Postulat wenigstens im unendlich Kleinen (im "Infinitesimalen") aufrecht erhalten. Doch selbst dann, so erkannte er, gelten die Lorentztransformationen, also die Grundlagen der SRT, nicht mehr. Dazu Originalton Einstein:

"Abraham bemerkt, ich hätte durch das Aufgeben des Postulates von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und durch den damit zusammenhängenden Verzicht auf die Invarianz der Gleichungssysteme gegenüber Lorentztransformationen der Relativitätstheorie den Gnadenstoß gegeben. Um hierauf zu antworten, bedarf es einer Überlegung über die Grundlagen der Relativitätstheorie."

In der "Physikalischen Zeitschrift" im Jahre 1912 lieferten sich die beiden ein hitzköpfiges geistiges Duell. Und Einstein war wieder mal dabei, die Ideen von jemand anderen zu "nostrifizieren", sie sich zu eigen zu machen, als eigene zu publizieren und seine Vorgänger zu leugnen:

"Abraham behauptet, ich hätte seine Ausdrücke für die Energiedichte und für die Spannungen im Schwerefeld benutzt. Dies trifft nicht zu; nach Abraham ist beispielsweise die Energiedichte im statischen Schwerefeld c2/γ grad2c, nach meiner Theorie: 1/(2k) grad2c/c. Das Eingehen von c ist in beiden Theorien verschieden."

(Wenn die Bemerkung gestattet ist: Die Formeln sind absolut gleich, bis auf konstante Faktoren!) Einmal musste Einstein seinen Diebstahl sogar zugeben:

"Abraham macht mich ferner darauf aufmerksam, daß er bereits in seiner Arbeit den Ausdruck ... für die Energie des materiellen Punkts im Schwerefeld angegeben hat; ich hatte dies leider übersehen." (4. Juli 1912)

Kann vorkommen, aber irgendwann steckte Einstein zurück und beendete die Diskussion:

"Da jeder von uns beiden seinen Standpunkt mit der nötigen Ausführlichkeit vertreten hat, halte ich es nicht für nötig, auf Abrahams vorliegende Notiz wieder zu antworten. Ich möchte hier einstweilen den Leser nur darum ersuchen, mein Schweigen nicht als Einverständnis zu deuten." August 1912 (eingegangen 2. September 1912).

An seinen Assistenten Ludwig Hopf schrieb er:

"Mit der Gravitation geht es glänzend. Wenn nicht alles trügt, habe ich nun die allgemeinsten Gleichungen gefunden. Abraham hat – wie Sie vielleicht gesehen haben – mich neulich samt der Relativitätstheorie in zwei wuchtigen Angriffen totgeschlagen und die einzig richtige Gravitationstheorie (unter «Nostrifikation» meiner Resultate) geschrieben (phys. Zeitschr.), ein stattliches Ross, dem aber drei Beine fehlen!"

Abraham hatte ihn auch auf einen Fehler aufmerksam gemacht: Einstein glaubte bewiesen zu haben, dass eine bestimmte Größe ein Tensor ist. Abraham zeigte: ℰμν/√-g ist kein Tensor! Was die Bemühungen des Meisters ziemlich zunichte machte.

Doch Abraham war nur der Anfang. Den wirklich großen Streit lieferte sich Einstein mit den Mathematikern David Hilbert und Elie Cartan. Aber erst wollen wir uns mit der Theorie beschäftigen und diese, so gut es geht, verständlich darstellen.

Mathematische Grundlagen

In der Mathematik verstehst du nichts, du gewöhnst dich nur daran. John von Neumann (Mathematiker)

Wer die Mathematik der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) verstehen will, muss die Bedeutung dieses Zeichens kennen: √ (das Wurzelzeichen), mehr nicht. Wer die Mathematik der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) verstehen will, muss erst mal jahrelang Tensorrechnung studieren und kann auch nachher nicht sicher sein, alles zu beherrschen und nichts zu übersehen. Oft genug haben auch die Meister der Technik, darunter Einstein, wichtige Wahrheiten übersehen und ihre Rechnungen damit zugrunde gemacht (oder einfach so stehen lassen, ohne Rücksicht auf die physikalischen Folgen).

Damit die geneigte Lese-Person (gender-korrekt ausgedrückt) dennoch die Behauptungen dieses Buchs ein wenig nachvollziehen kann, möchte ich auf eine Kleinigkeit hinweisen, die immer wieder auftaucht. Dazu beginnen wir mit Vektoren.

Ein Vektor ist so etwas wie ein Pfeil mit einer bestimmten Richtung im Raum und einer bestimmten Länge, während seine sonstige Lage im Raum belanglos bleibt. Vektoren repräsentieren beispielsweise Geschwindigkeiten, wo sie Richtung und Größe andeuten; oder Kräfte, wo sie Richtung und Stärke anzeigen. Der Pfeil zeigt also immer in Richtung der Bewegung oder der Kraft. Und solche Bewegungen können mit dem bekannten Kräfte-Parallelogramm addiert (und auch anderwertig kombiniert) werden.

Nun gibt es aber Bewegungen, die durch einen einfachen Pfeil nicht so ohne weiteres symbolisiert werden können. Gemeint sind Drehbewegungen (Rotationen) mit den zugehörigen Kräften (Drehmomente, Zentrifugalkräfte). Auch ihnen kann man einen Vektor zuordnen, der ihre Wirkungsweise eindeutig beschreibt: Man repräsentiert die Achse der Drehbewegungen durch einen Pfeil mit seiner Lage als Lage der Drehachse und seiner Länge als Geschwindigkeit der Umdrehung oder als Stärke der Kraft. Es ist klar: Dieser Pfeil geht keineswegs in Richtung der Kraft. Bei einer Drehbewegung greift die Kraft senkrecht zum Pfeil an, und das ständig verändert.

Die beiden Arten von Vektoren sind grundverschieden und können nicht miteinander auf einfache Weise (oder überhaupt) kombiniert werden. Die Mathematiker haben aber kein neues Symbol eingeführt, nicht einmal einen neuen Namen. Normale Vektoren heißen "Vektoren", Drehvektoren dann "Pseudo-Vektoren", obwohl sie keineswegs "pseudo" sind. Kluge Lehrbücher verwenden die Ausdrücke polarer Vektor für geradlinige Bewegungen und axialer Vektor für Drehungen. Aber oft wird dieser Unterschied gar nicht erwähnt.