Für meinen Lehrer Alain Le Duc, der meine Schritte als Urologe geleitet hat, und für alle meine Patienten, die mich jeden Tag so viel lehren.
WARNUNG
Dieses Buch ist kein Ersatz für eine kontinuierliche medizinische Betreuung und die Diagnose eines Fachmanns.
REDEN WIR ÜBER DIE PROSTATA ... ODER NICHT?
ODER WIE MAN SICH UM SEINE PROSTATA KÜMMERT
»Sobald vor meinen Augen ein Mann über 50 auftaucht, frage ich
mich, ob er Probleme mit seiner Prostata hat.«
Tahar Ben Jelloun, Der Einschnitt.
Es war an einem Sommerabend, man saß in angeregter Unterhaltung bei einem Abendessen unter Freunden in Biarritz zusammen, da brachte mich mein Beruf als Urologe dazu, über die Prostata, mein berufliches Alltagsleben, zu sprechen. Für ein Abendessen im Urlaub wohl ein etwas deplatziertes Thema und weniger verbindend als die Wellen und das Surfen. Nachdem ich die Frauen am Tisch gefragt hatte, was die Prostata für sie bedeutete, antwortete eine von ihnen, eine etwa Dreißigjährige, sofort mit verschwörerischer Miene: »Wenn man was an der Prostata hat, kann man keinen Sex mehr haben«; und die andere, die älter war, antwortete nach einer Minute des Schweigens sachlich: »Mein Mann ist letztes Jahr daran gestorben.« Die Männer schwiegen zunächst, weil ihnen dieses Eindringen in ihre Privatsphäre peinlich war, dann begannen sie zu erzählen. Einer steht dreimal in der Nacht auf, um zur Toilette zu gehen, und es fällt ihm manchmal schwer, den Harn tagsüber zurückzuhalten; der andere macht sich Sorgen, denn man hat ihm gesagt, er müsse sich operieren lassen.
Ist das also die Prostata, eine totgeschwiegene Drüse, umgeben von Sex, Scham, Angst und Tod? Dieses Buch will allen Frauen und Männern erklären, was die Prostata ist, welche Krankheiten mit ihr verbunden sind und wie man sie vermeiden kann. Dazu will ich ein oder zwei Dinge mit Ihnen teilen, die ich über sie weiß …
Prof. François Desgrandchamps
INHALT
ALS ERSTES: TESTEN SIE SICH!
DIE PROSTATA: EINE MÄNNERSACHE?
IST DIE PROSTATA DER G-PUNKT DES MANNES?
1 – DAS PROSTATAADENOM
Eine vergrößerte Prostata, na und?
Wenn Sie ganz dringend müssen ...
Wann ist eine rektale Untersuchung nötig?
Probleme beim Wasserlassen und Sexualität: ein teuflisches Paar
Ist es schlimm, Herr Doktor?
Beobachten Sie sich, bevor Sie sich behandeln lassen!
Und wenn Sie mehr auf Ihre Lebensweise achten würden?
Ihre Prostata ist ein Spiegelbild Ihrer physischen Verfassung
Mit Pflanzen heilen
Medikamente wozu?
Brauchen Sie eine Behandlung?
Wenn man unter das Messer muss
2 – WENN ES KREBS IST
Sind wir alle gefährdet?
Alles über das PSA
Die Diagnose, Vorsicht und Vernunft
Über 50 und noch immer in Topform: der Gleason Score, ein Muss bei Prostatakrebs
Ist es schlimm?
Akzeptieren und darüber sprechen, um gesund zu werden
Kleines ABC der Patientenworte
Ein Krebs mit geringem Risiko kann einfach überwacht werden
Professor Laurence Klotz aus Toronto (Kanada): Ein Pionier der aktiven Überwachung von Prostatakarzinomen
Wenn nichts anderes mehr übrigbleibt … behandeln
Die Roboter erobern den Operationssaal
Wie bewahrt man ein befriedigendes Sexualleben nach der Operation?
Die Hormontherapie
Die Nebenwirkungen der Hormontherapie vermeiden
3 – VORBEUGEN IST BESSER ALS HEILEN
Wer Sport macht, ist gerettet?
Und wenn alles sich auf dem Teller abspielt?
Essen Sie genug Tomaten
Rezepte
Soll man sich mit Nahrungsergänzungsmitteln dopen?
Gut für die Prostata, wenn sich unter der Bettdecke was rührt?
4 – PROSTATITIS – WILLKOMMEN IN UNBEKANNTEN GEFILDEN
Wenn es sich entzündet ...
Steine in der Prostata? Das ist normal
Die Massage: eine Lösung?
SCHLUSSFOLGERUNG
Bibliografie
ZUERST EINMAL - TESTEN SIE SICH!
Wie oft urinieren Sie pro Tag?
Wie oft gehen Sie nachts zur Toilette?
Spüren Sie öfter ununterdrückbaren Harndrang?
Wie stark ist der Harnstrahl?
Fühlen Sie sich beim Wasserlassen erleichtert?
Wenn Sie maximal sechs Mal pro Tag und ein Mal pro Nacht Wasser lassen, dann ist das normal. Ununterdrückbarer Harndrang ist nicht normal. Die Stärke des Harnstrahls muss 0 oder 1 sein. Und zu guter Letzt: Wasserlassen muss eine Erleichterung sein.
Die Prostata ist eine männliche Drüse, die unverzichtbar ist für die Fortpflanzung. Aber sie produziert weder Spermien noch lagert sie sie. Ihre Aufgabe besteht einzig darin, einen Teil der Samenflüssigkeit zu produzieren, die nach ihrer Vermischung mit den Samenzellen das Sperma bildet. In der Prostataflüssigkeit findet man Zink und Zitronensäure, die eine Art Antiseptikum bilden, sowie PSA, dessen Aufgabe die Verflüssigung des Spermas nach der Ejakulation ist. Diese Verflüssigung ist notwendig, um die im Sperma eingebundenen Spermien zu befreien, sobald diese am Muttermund ankommen, und ihnen dadurch die freie Bewegung hin zur Eizelle zu ermöglichen.
WARUM DIESER NAME?
Der Begriff »Prostata« leitet sich vom griechischen Wort prostrates ab, das sich zusammensetzt aus pro (davor), sta (stehen) und der Nachsilbe tes (wörtlich: »der, der davorsteht«, daher auch die deutsche Bezeichnung »Vorsteherdrüse«). Er bezeichnete einen Führer, einen Präsidenten, einen Beschützer oder Wächter. Nie handelte es sich im Altgriechischen um einen medizinischen Begriff. Später entstand aus dieser griechischen Wurzel das lateinische Verb prostare, aus dem die heutigen Begriffe »Prostituierte« und »Prostitution« abgeleitet sind.
Gleichzeitig bezeichnete das altgriechische Wort parastates die Körperteile, die an der Zeugung beteiligt waren, das heißt die Bestandteile des männlichen Geschlechtsorgans, Hoden und Nebenhoden. Als Herophilos später – 300 Jahre vor Christus in Alexandria – zum ersten Mal die Prostata beschreibt, nennt er sie parastatai adenoides, wörtlich »helfende Drüse«, also der Fortpflanzung dienende Drüse.
Warum also heißt die Prostata »Prostata«, wo sie doch nichts und niemandem vorsteht, und nicht parastate, was viel treffender wäre? Ganz einfach aufgrund von zwei Fehlern, die sich im Mittelalter eingeschlichen haben, wie die Professoren Marx und Karenberg vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin in Köln entdeckten und 2009 in einer ausführlichen Analyse veröffentlichten, die in The Prostate, einer hoch angesehenen medizinischen Fachzeitschrift, erschien. Zunächst einmal kam es zu einem Transkriptionsfehler: Im Jahr 1600 beschreibt der französische Arzt André du Laurens die Prostata als »eine unter der Blase liegende Drüse, die das Sperma sammelt und aufbewahrt«, und bezeichnet sie als prostatae anstelle von parastatai. Zweiter Fehler: André du Laurens gibt ihr ein weibliches Geschlecht, während parastatai männlich ist.
Marx FJ, Karenberg A: History of the term prostate, The Prostate, 2009.
ANATOMIE EINER DRÜSE
Die Prostata ist folglich eine Drüse, und wie alle Drüsen des menschlichen Körpers besteht sie aus zwei Elementen:
• einem Drüsengewebe im engeren Sinn, das Flüssigkeit produziert; im Fall der Prostata handelt es sich um etwa 100 kleine Drüsen, die dicht aneinandergedrängt sind;
• einem Stroma genannten Bindegewebe, das alle diese kleinen Drüsen umschließt. Das Stroma wiederum besteht aus Fasern, die den Zusammenhalt der Gefäße, Arterien und Venen sicherstellen, welche die Blutversorgung gewährleisten, und aus glatten Muskelzellen. Diese Muskeln kontrahieren sich bei der Ejakulation und stoßen die in den Drüsen enthaltene Flüssigkeit aus, ungefähr so, als drücke man einen Schwamm aus. Das Stroma ist ein zentraler Bestandteil der Prostata: Ungefähr ein Viertel davon besteht aus Muskeln.
Diese beiden Bestandteile sind Ausgangspunkt für zwei der häufigsten Prostataerkrankungen: für Prostatakrebs, der von den Prostatadrüsen ausgeht, und das Prostataadenom, das wiederum im Bindegewebe seine Wurzeln hat.
Prostataadenom und Prostatakrebs sind zwei grundverschiedene Krankheiten. Das Adenom ist gutartig, und es ist auch keine präkanzeröse Erkrankung.
DER PENIS IST ZWAR KEIN KNOCHEN, ABER DIE PROSTATA BESTEHT ZUM TEIL AUS MUSKELN
Es heißt, Heinrich IV. hätte sehr lange geglaubt, sein Penis »sei ein Knochen«. Das war natürlich ein anzüglicher Scherz seinerseits: Im Penis eines Mannes gibt es keinen Knochen … Wahr ist dagegen, dass die Prostata einen Muskelanteil hat. Mit seiner Hilfe kann sie sich bei der Ejakulation kontrahieren wie ein Schwamm, um die Samenflüssigkeit auszustoßen.
DIE PROSTATA BEWEGT SICH MIT DER ATMUNG UND DER BLASE
Die Prostata ist nicht fixiert, sondern sie bewegt sich mit der Atmung (bis zu 3 mm Verschiebung) und in Abhängigkeit vom Füllgrad der Blase und des Rektums. Darauf basiert die theoretische Grundlage der osteopathischen Behandlung von Prostataerkrankungen: Das Organ soll wieder beweglich gemacht werden.
Die Fortpflanzungsdrüse liegt nämlich direkt unter der Blase. Wenn die Blase entleert wird, muss der Urin mitten durch die Prostata geleitet werden. Die Drüse hat folglich einen Hohlraum im Innern, diesen zentralen Kanal, der durch sie verläuft, bezeichnet man als prostatische Harnröhre. All die kleinen Prostatadrüsen münden bei der Ejakulation direkt in diesen Kanal. Bei einer Blasenentzündung können die Keime leicht durch diese kleinen Kanäle aufsteigen und die Prostata infizieren: Das nennt man eine Prostatitis oder Prostataentzündung.
Normalerweise ist die Prostata ziemlich klein, etwa 20 Kubikzentimeter (oder 20 g: 1 ccm Prostata wiegt ungefähr 1 g). Doch mit zunehmendem Alter wird sie oft, ja sogar sehr oft größer, denn der Prozentsatz von Männern mit einer vergrößerten Prostata steigt analog zu den Jahrzehnten: 50 % der 50-Jährigen haben eine vergrößerte Prostata, 60 % der 60-Jährigen, 70 % der 70-Jährigen und so weiter. Dass die Prostata mit dem Alter größer wird, ist normal, umgekehrt ist eine normal große Prostata mit 75 Jahren ziemlich selten.
In der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle (80 % der Fälle, um genau zu sein) haben Männer eine vergrößerte Prostata und wissen es gar nicht. Denn solange durch die Volumenausdehnung nicht die Harnröhre verengt wird, treten keine sichtbaren Symptome auf.
SPERMAPRODUKTION UND EJAKULATION: IM ZENTRUM DES GESCHEHENS!
Unmittelbar vor dem Samenerguss bei der Ejakulation wird in der Prostata durch die Vermischung der Prostataflüssigkeit, der Spermien und der Flüssigkeit aus den Samenbläschen das Sperma gebildet. (Die Flüssigkeit wird durch die Kontraktion der Prostata aus dieser ausgestoßen. Die Prostata besteht zu ungefähr einem Viertel aus Muskelzellen, durch deren Kontraktion die in den Prostatadrüsen enthaltene Flüssigkeit in die Harnröhre gepresst wird.) Gleichzeitig verschließt sich der Blasenhals direkt oberhalb der Prostata, um ein Aufsteigen dieser Flüssigkeit in die Blase zu verhindern (siehe hier). Der Erguss erfolgt dann durch rhythmische Kontraktionen der Beckenbodenmuskeln und des Musculus bulbocavernosus, die an der Basis des Glieds ansetzen.
Volumen und Zusammensetzung des Spermas: zwischen 2 und 5 ml je nach Dauer der Abstinenz; mit jedem abstinenten Tag erhöht sich das Volumen um 0,4 ml. Das Sperma besteht aus den Samenzellen oder Spermatozoen (10 %), der Flüssigkeit aus der Prostata (10 %) und einer aus den Samenbläschen stammenden Flüssigkeit (80 %).
10 % | Spermatozoen | stammen aus den Hoden und werden zwischen zwei Ejakulationen in den Samenleiterampullen gelagert; zwischen 20 bis 100 Millionen/ml |
10 % | Prostataflüssigkeit | reich an Phosphatsäure, Zitronensäure und PSA |
80 % | Sekret der Samenbläschen | reich an Fruktose |
ES GIBT EINE SPERMAALLERGIE, UND IN DEN MEISTEN FÄLLEN IST DAS PROSTATASPEZIFISCHE ALLERGEN DA-FÜR VERANTWORTLICH.
Eine Allergie gegen Samenflüssigkeit kommt nicht häufig vor, aber auch nicht so selten, wie man denken würde. Sie bewirkt ein Brennen der Vulva und der Vagina, verbunden mit Rötungen und lokalem Juckreiz, die unmittelbar nach der Ejakulation oder in der nächsten Stunde auftreten, manchmal auch in Verbindung mit allgemeinen Symptomen wie Hautauschlag, Atembeschwerden, die bis zum Asthmaanfall gehen können, oder zu verstopfter Nase. Die Ursache dafür ist eine Allergie gegen das prostataspezifische Antigen (siehe hier.). Diese Allergie kann durch eine Desensibilisierung behandelt werden.2
WAS IST EINE NORMALE EJAKULATION?
Das Ejakulat besteht aus Spermien, die aus den Hoden stammen (die Samenzellen machen ca. 10 % der Menge des Ejakulats aus) sowie den Sekreten der Samenbläschen und der Prostata. Die Ejakulation verläuft in zwei aufeinander folgenden Phasen, die sich binnen weniger Sekunden abspielen: zuerst die Emissionsphase, dabei vereinen sich alle Sekrete aus den Samenbläschen, den Samenleiterampullen (wo die Spermien zwischen zwei Ejakulationen gelagert werden) und der Prostata mitten in der Prostata in der prostatischen Harnröhre. In diesem Moment beginnt die Expulsionsphase, in der die Muskeln des Beckenbodens und insbesondere der Musculus bulbospongiosus, der die Basis des Glieds umschließt, sich rhythmisch kontrahieren, um das Sperma mit großer Kraft durch die Harnröhre nach vorne zu befördern. Der Ausstoß des Spermas setzt voraus, dass sich der Blasenschließmuskel öffnet und gleichzeitig der Blasenhals, der direkt über der Prostata sitzt, hundertprozentig dicht verschlossen wird.
Die gesamte Synchronisation steht unter der Kontrolle des autonomen sympathischen und parasympathischen Nervensystems, die unabhängig vom bewussten Willen sind. Falls sich der Blasenhals bei der Ejakulation nicht verschließt – wie es nach Operationen von Prostataadenomen der Fall ist –, wird das Sperma in die Blase hinein befördert, man bezeichnet das als »retrograde Ejakulation«. Sobald das Sperma in die Blase gelangt ist, vermischt es sich mit dem Urin und wird später mit dem Urin ausgeschieden, ohne dass das die Blase beeinträchtigen würde.
Dies muss man unterscheiden von einer Anejakulation, bei der wie bei der retrograden Ejakulation überhaupt kein Samen beim Orgasmus ausgestoßen wird (»trockener Orgasmus«), aber in diesem Fall gibt es auch kein Sperma in der Blase: Es findet überhaupt kein Samenerguss statt. Dieser Fall tritt ein nach einer krebsbedingten Totaloperation der Prostata sowie bei der Einnahme bestimmter Medikamente gegen ein Prostataadenom (Tamsulosin oder Silodosin), die die Muskelkontraktionen lähmen.
Ob es sich nun um eine retrograde Ejakulation oder um eine Anejakulation handelt – der Effekt ist der gleiche: Es gibt keinen sichtbaren Samenerguss bei der Ejakulation, die Ejakulation ist trocken. Wenn ein Paar also eine Schwangerschaft plant, dann muss man Prostataoperationen so weit wie möglich hinausschieben, denn nach der Operation kann man keine Kinder mehr bekommen, weil es kein Sperma mehr gibt.
Achtung: Bei der retrograden Ejakulation können trotzdem zufällig ein paar Spermatropfen ausgeschieden werden, eine retrograde Ejakulation ist folglich keine Verhütungsmethode.
Das normale Volumen eines Ejakulats hängt von der Dauer der Abstinenz zwischen zwei Ejakulationen ab, aber auch vom Alter. Die Analyse des Spermas von 4867 jungen Samenspendern in Kopenhagen (mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren, denn die Spende wurde bei der Musterung für den Militärdienst empfohlen) bestätigte 2012 ein weiteres Mal, dass der Median der Spermamenge (die mittlere Spermamenge) in der Allgemeinbevölkerung bei 3,3 ml liegt, wobei die Schwankungen in Abhängigkeit von den Spendern und ihrer Enthaltsamkeitsdauer von 1,3 bis 6,3 reichen.3 Eine dreitägige Abstinenz erhöht die Spermamenge. Der Weltgesundheitsorganisation zufolge muss die normale Spermamenge 1,5 ml übersteigen.4
EINE FRAGE DES ALTERS … UND DER JAHRESZEIT
Mit dem Alter nimmt die Menge des Spermas ab: Bei 3 % der Männer zwischen 50 und 54 Jahren und bei etwas mehr als einem Drittel der Männer zwischen 70 und 78 ist die Spermamenge verringert. Schuld daran ist zum großen Teil ein Prostataadenom: Wenn die Prostata sich vergrößert, dann werden die Kanäle, die die Prostataflüssigkeit in die Harnröhre befördern, komprimiert, und der Blasenhals wird aufgrund der Ausdehnung der Prostata verschoben und schließt schlecht. Diese beiden Mechanismen führen dazu, dass die Menge und die Stärke der Ejakulation abnehmen. Ejakulationsstörungen treten folglich sehr häufig auf, wenn man aufgrund eines Prostataadenoms Probleme beim Wasserlassen hat.
Die Ergebnisse einer umfangreichen internationalen Studie haben unsere Kenntnisse in diesem Bereich enorm erweitert. 12 815 Männer aus sieben verschiedenen Ländern (USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Holland, Italien und Spanien) im Alter von 50 bis 80 Jahren haben zwei Fragebögen beantwortet: Im ersten wurden sie nach Problemen beim Wasserlassen gefragt, im zweiten nach ihrer Sexualität. Alle Männer waren durch das Meinungsforschungsinstitut Ipsos so ausgewählt worden, dass sie repräsentativ für die Population des jeweiligen Landes waren.5
Setzt man die Antworten auf die beiden Fragebögen miteinander in Beziehung, dann wird klar ersichtlich, dass Probleme aufgrund eines Prostataadenoms Auswirkungen auf die Ejakulation haben. Männer, die unter einem Adenom leiden, haben eine schwächere Ejakulation mit geringerem Volumen. 77,9 % der Männer mit Problemen beim Wasserlassen bestätigen, dass ihr Spermaausstoß schwächer und der Strahl kraftloser ist, und 74,4 % klagen über einen spärlicheren Samenerguss. Je gravierender die Probleme beim Wasserlassen sind, umso schlechter ist es in der Praxis um den Samenerguss bestellt, und Männer mit einer stark vergrößerten obstruktiven Prostata haben sehr häufig »tröpfelnde«, kraftlose Ejakulationen, die sich auf wenige Tropfen beschränken.
Das ist vermutlich der Grund dafür, weshalb Männer, die massiv unter ihrem Prostataadenom leiden, eine Operation (endoskopische Totalentfernung oder Adenomektomie) nur sehr selten wegen der damit verbundenen retrograden Ejakulation ablehnen: Ihre Ejakulation ist bereits sehr schlecht, und die Vorstellung einer trockenen Ejakulation beunruhigt sie daher nicht mehr sehr.
Eher belanglos ist, dass auch die Jahreszeit das Sperma beeinflussen kann: Im Winter ist es voluminöser und reichhaltiger als im Sommer, und bis jetzt kann niemand sagen, warum genau das so ist …6 Vielleicht, damit die Kinder im Sommer zur Welt kommen, einer Jahreszeit, die für ihre Entwicklung günstiger ist.
UND WENN DIE VAGINA DES MANNES SICH IN DER PROSTATA BEFÄNDE?
Man nennt ihn »Utriculus prostaticus«, aber in Wirklichkeit handelt es sich um die Vagina des Mannes.7 Zwischen der neunten und der zehnten Woche nach der Befruchtung beginnt die geschlechtliche Differenzierung des Embryos. Beim Jungen verkümmern die Strukturen, die zur Ausbildung der weiblichen sexuellen Reproduktionsorgane (Uterus, Eierstöcke, Vagina) führen … aber zwei von ihnen verschwinden nicht vollständig – der Utriculus prostaticus, die winzige atrophierte Vagina, und die »ungestielte Morgagni-Hydatide«, ein kleines Knötchen an der Oberfläche beider Hoden, das den verkümmerten Strukturen entspricht, aus denen die Eileiter gebildet werden sollten.8
Der Utriculus prostaticus, diese winzige verkümmerte männliche Vagina, befindet sich mitten in der Prostata. Es handelt sich um eine kleine, etwa 10–12 ml lange sackgassenartige Vertiefung, die mit einer Schleimhaut überzogen ist, die in jeder Hinsicht der der Vagina gleicht. Er hat keinerlei bekannte Funktion. Er mündet in die prostatische Harnröhre, mitten im zentralen Kanal der Prostata, auf einer kleinen Erhebung, dem Samenhügel oder »Colliculus seminalis«, der embryologisch dem weiblichen Jungfernhäutchen entspricht.
Für die Chirurgen ist diese bei einer Endoskopie gut erkennbare Struktur ein sehr nützlicher Anhaltspunkt, denn sie markiert den unteren Rand der Prostata und damit die Grenze, die bei einer endoskopischen Entfernung der Prostata nicht überschritten werden darf. Andernfalls kommt es zu einer Verletzung des nur wenig darunterliegenden Blasenschließmuskels.
AUCH FRAUEN HABEN EINE PROSTATA, WENN AUCH NUR IN VERKÜMMERTER FORM
Die weibliche Prostata ist das große Thema von Professor Milan
einem Anatomen aus Bratislava in der Slowakei. Nach Ansicht dieses Forschers sind die kleinen Drüsen, die sich rund um die Harnröhre der Frau befinden und Skene-Drüsen genannt werden, nur der sichtbare Teil von mikroskopisch kleinen Strukturen, die gehäuft um die Harnröhre zu finden sind. Sie sollen den Überresten der entwicklungsgeschichtlich verkümmerten Prostata entsprechen.
kam zu diesem Schluss, nachdem er histologische Feinschnitte von bei Autopsien entnommenen, eingefrorenen Harnröhren von 150 Frauen angefertigt hatte. Er injizierte außerdem unter Druck Wachs in mehrere weibliche Harnröhren, die ebenfalls bei Autopsien entnommen worden waren.
Seine Schlussfolgerungen sind apodiktisch: Das injizierte Wachs dringt in eine Vielzahl kleiner Gänge ein, die direkt in die Harnröhre münden und mit bloßem Auge nicht sichtbar sind. Sie lassen an eine Vielzahl kleiner Drüsenkanäle rund um die Harnröhre denken. Und die mikroskopische Analyse der gefrorenen Schnitte zeigt, dass das Gewebe rund um die Harnröhre aus Zellen besteht, die PSA sekretieren, ebenjene Substanz, die speziell von den Prostatazellen beim Mann produziert wird. Die Frauen haben also wirklich eine Prostata, aber nur in verkümmerter, nicht entwickelter Form.
UND SIE KÖNNEN AUCH EJAKULIEREN
Die Prostatarudimente bei der Frau sollen auch erklären, dass diese ejakulieren können. Das ist ein weites, sehr kontrovers diskutiertes Feld: Manche Frauen ejakulieren angeblich wie Männer! Es handelt sich nicht um das Ausspritzen von Urin beim Orgasmus durch Kontraktion der Blase, sondern um das Freisetzen einer sehr geringen Sekretmenge aus dieser verkümmerten Prostata beim Orgasmus. Dieses Ejakulat besteht aus einer Flüssigkeit, die reich an PSA ist, und entspricht vielleicht dem, was in indischen Texten als »Liebessaft« bezeichnet wurde. Sie kann angeblich bei 10–70 % der Frauen beobachtet werden.
Eine Gruppe von Wiener Urologen und Gynäkologen beschrieb 2007 zwei sehr gut dokumentierte Fälle. Es handelte sich um zwei Frauen im Alter von 44 und 45 Jahren, die über den Ausstoß von Flüssigkeit im Moment des Orgasmus berichteten. Das Wiener Team konnte im Ultraschall nachweisen, dass sich bei diesen beiden Frauen Drüsengewebe rund um die Harnröhre befand, das an eine verkümmerte Prostata denken ließ. In beiden Fällen zeigten sich bei der genauen endoskopischen Untersuchung kleine Kanalmündungen in die Harnröhre. Vor allem aber ergab die biochemische Analyse der Flüssigkeit, die bei dem durch Masturbation erzielten Orgasmus abgesondert wurde, dass diese sich grundlegend vom Urin unterscheidet und die gleichen Merkmale aufweist wie die Samenflüssigkeit.
Glaubt man diesen Autoren, dann ist die weibliche Ejakulation weitaus häufiger, als man denkt … wenn man daran glauben möchte!10
IST DIE PROSTATA DER G-PUNKT DES MANNES?
Vor einer Antwort auf diese Frage müssen wir uns mit der Existenz des G-Punkts bei der Frau befassen – die hypothetisch bleibt.
Worum geht es? Alles beginnt im Februar 1950 mit einer Veröffentlichung des New Yorker Gynäkologen Dr. Ernst Gräfenberg (daher der Begriff G-Punkt), in der dieser erklärt, dass »alle Teile des weiblichen Körpers eine sexuelle Reaktion auslösen können«, dass es am Partner liegt, die »erogenen Zonen« zu finden, und dass – eine aus eigener Erfahrung bestätigte Behauptung (»Das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung mit zahlreichen Frauen bestätigen«) – »die vordere Vaginalwand entlang der Harnröhre eine immer stimulierbare erogene Zone ist«11. Man war noch weit von einer evidenzbasierten Medizin entfernt, und dennoch war der G-Punkt geboren; er sitzt seitdem – ganz offiziell – an der vorderen Scheidenwand einige Zentimeter über der Vulva. Doch die anatomischen Kontroversen über die Existenz einer klar abgegrenzten Zone in der vorderen Scheidenwand, deren Stimulation einen Orgasmus auslösen soll, dauern auch 75 Jahre danach unverändert an.
Diese Zone existiert vielleicht wirklich, wenn man den Ergebnissen glaubt, die eine Gruppe von Pathologen an der Université de Picardie bei einem Kongress von Anatomen 2013 in Marseille vorgestellt hat und die anschließend im Morphologie: Bulletin de l’Association des Anatomistes veröffentlicht wurden.12 Diese Forscher untersuchten bis ins Detail sieben Vaginas von frischen Leichen und fanden dabei »an der Vorderwand der Vagina eine kreisförmige, rötliche Zone mit den Maßen 16 mal 14 mm, die Ähnlichkeit mit einem Nagelbett hatte. Diese Fläche befand sich 54 mm von der Hymenöffnung entfernt.« Die Forscher entdeckten in diesem Gewebe zum einen zahlreiche Nervenendigungen, die dafür sprechen, dass diese Zone ein hoch empfindsamer Punkt ist, zum anderen einige Drüsenkanäle, die verkümmertem Prostatagewebe entsprachen. Die betreffende anatomische Region entspricht in der Tat dem Ort der Prostata beim Mann, sodass es verlockend ist, eine Parallele zwischen dem G-Punkt der Frau und der Prostata des Mannes zu ziehen. Anatomisch steht allerdings fest, dass in der Prostata keinerlei Region abgrenzbar ist, die für eine besonders erregbare Zone mit einer Vielzahl von Nervenendigungen spricht, das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Vorderwand des Rektums. Wenn Sie allerdings im Internet »G-spot Man« oder »G-spot prostate« oder »G-Punkt Mann« oder »G-Punkt Prostata« eingeben, dann stoßen Sie trotzdem auf Millionen von Einträgen und bekommen dazu verschiedene Vorschläge für Stimulationstechniken und für diverse Gegenstände zu diesem Zwecke …
Man kann daraus den Schluss ziehen, dass der G-Punkt vielleicht anatomisch bei der Frau existiert, beim Mann ist er jedoch ein reines Phantasieprodukt. Und die Prostata hat gar nichts damit zu tun.
Ein Prostataadenom ist nichts weiter als eine vergrößerte Prostata. Es ist kein Krebs. Es handelt sich um eine gutartige Prostatahyperplasie (BPH), eine nicht krebsartige Krankheit, die durch ein Zuviel an Prostatazellen hervorgerufen wird, aber alle dieser Zellen sind normal.
HABEN SIE BENIGNE PROSTATAHYPERPLASIE GESAGT?
Mit zunehmendem Alter, ab etwa 40 Jahren, verändert sich die Prostata: Bei fast allen Männern nimmt die Anzahl der Zellen in der Prostata zu, ohne dass man im Übrigen wüsste, warum. Es ist, als würde die Prostata erneut zu wachsen beginnen: Alle Faktoren, die während der Embryonalphase zur Bildung der Prostata geführt haben (biologische Substanzen, die man als Wachstumsfaktoren bezeichnet) und die sich seitdem im Ruhezustand befanden, werden reaktiviert und beginnen erneut, eine Prostata auszubilden. Auf diese Weise nimmt die Anzahl der Zellen zu, das bezeichnet man als Hyperplasie. Da es sich nicht um Krebszellen handelt, spricht man von »benignen« oder gutartigen Zellen, und weil es um die Prostata geht, fügt man das Wort »Prostata« hinzu; das Ganze ergibt dann benigne Prostatahyperplasie oder im medizinischen Fachjargon »BPH« oder auch gutartige Prostatavergrößerung. Bei manchen Männern führt diese Hyperplasie zu einer Vergrößerung der Prostata (oder Hypertrophie): Man spricht dann von einer benignen Hypertrophie der Prostata oder ebenfalls von einer »BPH«!
Was man gemeinhin als »Prostataadenom« bezeichnete (und es wird noch sehr häufig so genannt) ist also de facto eine »benigne Prostatahypertrophie«, die sich aus einer gutartigen Prostatahyperplasie entwickelt hat. Unterschiedliche Worte für ein und dieselbe Krankheit.
WAS SIND DIE URSACHEN?
Trotz der unglaublichen Forschungsanstrengungen der vergangenen 50 Jahre kennt man immer noch nicht die Ursache für die BPH. Man weiß allerdings, dass zwei Bedingungen für ihr Auftreten unerlässlich sind: zum einen Alterungsprozesse und zum anderen Testosteron. Testosteron ist das »männliche« Hormon, das von den Hoden produziert wird. In der Prostata wird es in Dihydrotestosteron umgewandelt, ein weiteres Hormon, das die Prostatazellen beeinflusst. Offenbar gibt es auch eine genetische Veranlagung, bis heute konnte allerdings kein spezifisches Gen identifiziert werden. Vor Kurzem wurde nachgewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem metabolischen Syndrom, der durch Bewegungsmangel verursachten Paradekrankheit unseres Jahrhunderts, und dem Prostataadenom gibt, wobei die Mechanismen dieses Zusammenhangs aktuell nicht genau bekannt sind. So gibt es keine BPH vor dem Alter von 40 bis 50 Jahren, und Männer, die vor der Pubertät kastriert wurden (durch ein Trauma beschädigte Hoden, Kastration von Haremswächtern oder nicht ausgebildete Hoden bei bestimmten Krankheiten), entwickeln in ihrem gesamten Leben nie eine BPH.
SPIELEN ERBLICHE FAKTOREN EINE ROLLE BEI DER BPH?
Die Zwillinge, die während des Zweiten Weltkriegs in der amerikanischen Armee gedient haben, beantworten uns diese Frage!
In den USA werden die Veteranen des Zweiten Weltkriegs seit dem Kriegsende durch eine spezielle Versicherung medizinisch betreut, dadurch verfügen wir über viele Jahre hinweg über ihre sämtlichen medizinischen Daten.
Zwei Teams, eines vom John Hopkins Hospital in Baltimore, das andere von der angesehenen National Academy of Sciences in Washington haben kooperiert, um die Daten von 10 000 Zwillingen ausfindig zu machen, die während des Zweiten Weltkriegs gedient hatten. Sie wählten die Zwillinge aus, von denen mindestens einer zwischen dem Kriegsende und 1985 wegen einer BPH behandelt oder an der Prostata operiert worden war. Von den 10 000 Zwillingen traf das auf 129 Paare eineiiger Zwillinge zu (die aus einem einzigen befruchteten Ei entstehen und daher exakt die gleichen Gene besitzen) und auf 112 Paare zweieiiger Zwillinge, die sich in ihrem Erbgut unterscheiden. Um die eineiigen von den zweieiigen Zwillingen zu unterscheiden, wurden Fragebögen und biologische Analysen eingesetzt. Eineiige Zwillinge haben die gleiche Haut- und Haarfarbe, die gleichen Fingerabdrücke und die gleiche Blutgruppe.
Das BPH-Risiko für eineiige Zwillinge beträgt 25 % im Vergleich zu 8,5 % für zweieiige Zwillinge. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass der Bruder eines eineiigen Zwillingspaars auch an einer BPH erkrankt, liegt bei eins zu vier, im Vergleich zu 8,5 % bei zweieiigen Zwillingen. Eine so ausgeprägte Differenz bedeutet, dass dieses erhöhte Adenomrisiko weder auf die familiäre Prägung noch auf eine unterschiedliche medizinische Versorgung zurückzuführen ist – die bei eineiigen wie bei zweieiigen Zwillingen identisch sind –, sondern eindeutig auf genetische Ursachen.13
DAS METABOLISCHE SYNDROM? DER WAHRE FEIND!
Ungefähr ab 50 nimmt bei der Hälfte der Männer der Bauchumfang zu. Sobald der Bauchumfang 102 Zentimeter übersteigt (normal ist bis 93 cm), wird diese Fettansammlung zum Auslöser einer ganzen Kaskade biologischer Störungen. Fett ist nämlich nicht einfach eine träge Masse, sondern es produziert bestimmte Substanzen und verarbeitet andere: Auf diese Weise führt die Fettansammlung zum einen zu einer Insulinresistenz, die verantwortlich ist für das Auftreten von Diabetes, zum anderen zu einer Erhöhung des Triglyzeriden- und des Cholesterinspiegels. Letzteres wiederum führt zu Bluthochdruck, weil dadurch der sympathische Tonus des Körpers zunimmt (das sympathische Nervensystem kontrolliert unbewusst unseren gesamten Organismus).
Diesen Zusammenhang zwischen einem Bauchumfang über 102 cm und den damit verbundenen biologischen Störungen bezeichnet man als »metabolisches Syndrom«. Seine Ursache ist mangelnde körperliche Bewegung. Wir sprechen an dieser Stelle darüber, weil das metabolische Syndrom für eine Vergrößerung der Prostata verantwortlich ist, die auf der Umwandlung von Testosteron in Östrogen durch das Fettgewebe beruht. Diese Östrogene stimulieren das Wachstum der Prostata.
2015 baten wir 379 zufällig ausgewählte Allgemeinärzte in Frankreich, den Bauchumfang ihrer Patienten zu messen, das Vorkommen von Diabetes, Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie oder Bluthochdruck zu erfassen und sie nach Beschwerden beim Wasserlassen zu fragen. Innerhalb von drei Monaten konnten so die Daten von 4666 Patienten erhoben werden, und man fand eine hohe Korrelation zwischen dem Vorkommen eines metabolischen Syndroms und der Stärke der Harnwegsbeschwerden. Wer ein metabolisches Syndrom hat, hat auch ein höheres Risiko, störende, ja gravierende Probleme beim Wasserlassen zu bekommen. Andere Teams verglichen den Bauchumfang mit der Größe der Prostata. Auch hier gibt es einen Zusammenhang: Ein metabolisches Syndrom korreliert mit einer vergrößerten Prostata.14
PROSTATA UND HERZ?
Wenn Sie Probleme beim Wasserlassen haben, gehen Sie zu Ihrem Kardiologen! So lautete 2016 der Alarmruf einer hochkarätigen Gruppe von Wissenschaftlern und Statistiken aus verschiedenen Nationen. Aus der Analyse von rund 30 000 Männern geht hervor, dass mäßige oder schwere Probleme beim Wasserlassen zu einem erhöhten Herzinfarktrisiko führen (das Risiko steigt um den Faktor 1,68). Es handelt sich wohl nicht um eine direkte Ursache-Wirkung-Beziehung (die Prostata ist weit vom Herzen entfernt), sondern um eine gemeinsame Ursache beider Erkrankungen. Und diese Ursache ist das metabolische Syndrom, die durch Bewegungsmangel verursachte Epidemie unserer modernen Welt.15
JE RUNDER DER BAUCH, DESTO GRÖSSER DIE PROSTATA
Testen Sie sich, messen Sie selbst Ihren Bauchumfang!
Sie brauchen dazu nur ein Maßband. Wickeln Sie es quer in der Mitte zwischen der letzten Rippe oben und dem Beckenkamm unten um Ihren Bauch, atmen Sie normal aus und messen Sie. Normalerweise liegt der gemessene Umfang unterhalb von 93 Zentimetern. Bei mehr als 102 Zentimetern haben Sie vielleicht ein metabolisches Syndrom, wenn Sie außerdem an mindestens zwei der folgenden Krankheiten leiden: Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie, Diabetes oder Bluthochdruck.
Sie sind nicht der Einzige, falls das zutrifft: Eine deutsche Studie hat gezeigt, dass 30–50 % der Männer über 50 in der gleichen Situation sind!16
Aber ist eine vergrößerte Prostata wirklich eine Krankheit? Wir haben gerade gesehen, dass das ein normaler Alterungsprozess ist und dass die meisten Männer es nicht einmal spüren. Erst wenn sie es spüren, wird es eine Krankheit. Und das betrifft nur ca. 20 % der Männer mit einer vergrößerten Prostata.
Bei diesen Männern wird durch das erhöhte Volumen der Prostata der zentrale Kanal (die prostatische Harnröhre) zusammengepresst, und das behindert den Urinabfluss aus der Blase. Diese Behinderung des Harnabflusses erklärt die Symptome, unter denen diese 20 % leiden. Wenn die Prostata dagegen vergrößert, ja sogar massiv vergrößert ist, dieses Wachstum aber in Richtung Peripherie (der Prostata) zielt, ohne die prostatische Harnröhre zu blockieren, dann ruft die vergrößerte Prostata keinerlei Symptome hervor.
Der Mann mit der größten Prostata wohnt in Spanien in der Nähe von Barcelona, sie wiegt beinahe vier Kilo!
Der Mann, der sie besitzt, ist 72 Jahre alt, und das ist ein Rekord. Bis heute dachte man, die größten Prostatae erreichten maximal 700 g (während die normale Prostata ungefähr 20 g wiegt). Der Mann lebt bestens damit, eine Operation steht nicht zur Debatte, denn er beklagt sich nicht darüber. Ein weiterer Beweis dafür, dass die Prostata groß, ja riesig sein kann, ohne dass ihre Entfernung notwendig wäre.17
HARNDRANG: EIN ERNST ZU NEHMENDES WARNZEICHEN?
Das früheste Anzeichen ist, dass man öfter als einmal nachts aufsteht. Einmal aufstehen gilt als normal, jeder zweite Franzose/Deutsche steht einmal nachts auf, um zu urinieren. Was bedeutet urinieren normalerweise?
Wenn man aber zweimal in der Nacht aufsteht, um zur Toilette zu gehen, dann ist das nicht mehr normal: In diesem Fall muss man einen Arzt aufsuchen. Nur etwa 20 % der Deutschen über 50 stehen zwei Mal nachts auf, um zur Toilette zu gehen. Es gibt mehrere Gründe, die diese nächtlichen Toilettengänge erklären können, aber meistens liegt es an der Prostata. Ein Teil dieser Symptome wird von der Blase verursacht, die sich stärker zusammenziehen muss, damit der Druck ausreicht, um den Urin durch die Prostata zu pressen. Diese über Jahre hinweg wiederholten zu starken Kontraktionen verändern den Blasenmuskel; er zieht sich ganz von alleine zusammen, wenn die Blase sich füllt. Diese gehorcht nicht mehr den Entspannungsbefehlen des Gehirns. Diese Symptome nennt man Reizsymptome, sie sind typisch für eine Harnspeicherstörung: zu häufiges Urinieren tagsüber oder nachts und Probleme mit der Drangverhaltung.
EIN UNKONTROLLIERTER HARNABGANG BEDEUTET NICHT, DASS MAN EIN PROBLEM MIT DER PROSTATA HAT.
Ich erinnere mich an einen 35-Jährigen, der als Notfall in meine Praxis kam, weil er seinen Urin nicht mehr kontrollieren konnte und überzeugt war, an einem schweren Prostatakarzinom zu leiden. Ich beruhigte ihn: Wenn ein Mann ungewollt Harn verliert, dann kann das an der Prostata liegen, häufig aber ist die Blase die Ursache, und nur sehr selten liegt ein Prostatakarzinom zugrunde.
Ich untersuchte ihn und stellte beim Abtasten des Rektums fest, dass die Prostata normal groß war und nicht der geringste Verdacht auf Krebs bestand. Seine Inkontinenz war offensichtlich auf unkontrollierte Kontraktionen seiner Blase zurückzuführen, die häufig durch Stress verursacht werden. Er bestätigte dann diese Hypothese, indem er mir erzählte, er sei Direktor einer Firma, die kurz vor der Insolvenz stand und sei seit mehreren Monaten beruflich extrem angespannt.