Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische
Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© Jürgen Langhans, Karlsruhe
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt 2019
ISBN: 9783748125150
1. Auflage
Satz: MS Office / Word ®
Umschlaggestaltung und Bilder: Jürgen Langhans und Heike Georgi
Illustrationen: Heike Georgi
Fachlektorat Musik: Kristin King-Dom
Finale Textredaktion: Anton Kramer
38 Zeichnungen, davon 4 in Farbe, sowie diverse Klein-Abbildungen
Fotos: privat
Für musikbegeisterte Leseratten ab 8
Wenn nicht anderweitig im Nachweis vermerkt, ist Jürgen Langhans Urheber und alleiniger Rechteinhaber aller Texte; die Notationen wurden mit Sibelius 7 erstellt. Die Nutzungsrechte der Zeichnungen liegen ausschließlich bei Jürgen Langhans (§31 UrhG). Nachdruck oder sonstige Vervielfältigung sind untersagt.
Klassische Rechtschreibung
„Mozarts Musik ist so rein und schön,
daß ich sie als die innere Schönheit
des Universums selbst ansehe.“
Albert Einstein
einen niedlichen Pferdeschwanz, und an meiner rechten Wange sitzt eine winzige Sommersprosse. Man nennt mich G, einfach nur G. Ich bin eine kleine Note, ein G eben. Normalerweise klinge ich ganz kurz, denn ich bin eine punktierte Achtel.
Man sagt, ich käme recht oft vor und wäre auch gar nicht so leicht zu spielen, vor allem wenn ich in schnellen Stücken notiert sei.
Ich wohne in einer kleinen, eher unbedeutenden Wohnung in einem Notenbüchlein voller Kinderlieder. Leider ist nicht viel los hier, denn unsere Wohnung, also das Liedchen, in dem ich notiert bin, wird nur selten aufgeklappt, offen gesagt, es wurde, soviel ich weiß, überhaupt noch nie aufgeklappt oder einfach immer nur überblättert. Meistens steht das Buch in einem Regal oder liegt etwas abseits neben anderen Notenheften, Büchern und einer Gitarre auf einem leicht verstaubten Tischlein; ein ganz schönes Durcheinander eben.
Manchmal, so gegen Abend und wenn es ganz still ist, kann ich durch die Wände unserer zugeklappten Wohnung ein Mädchen leise singen hören. Es begleitet sich dann selbst mit ruhigen, beinahe schüchternen Tönen sanft und anmutig zu seiner Gitarre, und das klingt wunderbar, verträumt; einfach nur schön.
Zugleich strömt ein Hauch eines faszinierenden Dufts durch die Spalten der geschlossenen Seiten unserer Wohnung, welcher mich nicht selten in meiner traurigen Stimmung gefangenhält, wenn ich darüber nachdenke, daß mich dieses singende Mädchen vielleicht nie beachten wird.
Ab und zu, nachdem es ihr Lied beendet hat, öffnet das Mädchen einen riesigen Kasten und entnimmt ihm ein ebenso riesiges, hellbraunes Instrument, schlägt ein Notenheft auf und beginnt, eine sanfte, wunderschöne, ganz tiefe Melodie zu spielen. Dabei müssen sich die Noten manchmal ganz schön anstrengen, um dem Tempo der kleinen Mädchenhände folgen zu können. Respekt! Das riesige Instrument ist lustig verziert mit allerlei Blumen, Tieren, Äpfeln und – Noten. Naja, die Noten sind ja nur gezeichnet und keine richtigen Noten. Aber ich, ich bin echt!
Meine Mami ist eine schicke, etwas rundliche Blondine, ebenfalls mit einer Sommersprosse versehen, also eine Dreiviertelnote. Wir beide wohnen im selben Zimmer, oder sagen wir „im selben Takt“.
Mami lehnt meistens gemütlich an der rechten Wand unseres Zimmerchens. Sie nennt sich Des. Stolz trägt sie ein besonderes Abzeichen mit einem „b“ darauf. Des, wie schön dieser Name klingt! Ich stehe gleich ganz vorn links, gefolgt von meiner kleinen Schwester A, einer quirligen Sechzehntel ohne Sommersprossen, dafür aber mit zwei kleinen, niedlich geflochtenen Zöpfchen. Sie darf immer nur ganz kurz klingen, kürzer als ich. Manchmal machen wir uns einen Spaß und knoten unsere Pferdeschwänze und Zöpfe zu einem Balken zusammen; dann weiß ein jeder, daß wir zusammengehören.
Mein Papi ist ziemlich bauchig. Der ist so dick, daß er ein ganzes Zimmer für sich alleine braucht. Er ist nämlich eine Ganze Note. Er weiß sehr viel, aber er kann nur bis vier zählen. Oft streitet er sich mit einem fetten herunterhängenden Wurm, einer Viertelpause, die nämlich überhaupt nicht in sein Zimmer gehört.
Mein Papi nennt sich Cis und klingt ganz besonders laaange, und manchmal hört er fast gar nicht mehr auf zu klingen: Er hat nämlich immer einen Hut auf, sozusagen thront über ihm eine Fermate. Mami und Papi sind durch eine Telefonstrippe miteinander verbunden und üben sich so täglich im Legato. Wenn Papi zu uns kommt, müssen wir immer eine Wand verschieben. Im Zimmer links von uns wohnen zwei still vor sich hindösende Halbe Pausen, die noch nie einen Ton von sich gegeben haben.
Man sagt, sie warteten nur darauf, daß sie irgendwann einmal durch eine Ganze Pause abgelöst würden, so faul sind die! Aber, wie schon gesagt, wir sind wahrscheinlich noch nie von jemandem ernsthaft gespielt oder gesungen worden. Wir üben immer nur: „Bab-di Daaa Daaaaaaaa, bab-di Daaa Daaaaaaaa ... Na, erkennt Ihr uns?
Soweit zu meiner Familie.
An jedem Wohnungseingang wacht ein Notenschlüsselwächter darüber, welche Note reindarf und welche nicht. Außerdem bestimmt er, wie hoch oder wie tief die Noten klingen sollen. Unsere Wohnung läßt sich nur mit einem Violinschlüssel öffnen; ich bin stolz, seinen Namen tragen zu dürfen: G-Schlüssel. Bässe, Celli, Bratschen und Trompeten haben hier also nichts zu suchen; deren Schlüssel passen ja auch gar nicht.
Andererseits wiederum sollten auch wir uns nicht bei den Bässen sehen lassen, obwohl die uns bestimmt reinlassen würden. Sie haben nämlich immer ihren Spaß daran, wenn wir – da sie ja im Baßschlüssel daheim sind – in ihren Zimmern immer gleich zwei Stufen herunterfallen und danach unheimlich tief klingen, wenn wir gespielt werden. Mami und Papi haben das schon mal erlebt und mir samt Schwesterchen verboten, das auch nur ansatzweise zu versuchen. Keine Ahnung, warum.
Kleiner Nachtmusik