Anja Gust
Das Ergebnis zählt
Geschichten in Leichter Sprache
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Das Ergebnis zählt
Impressum
Zuerst
Widmung
Meine erste Banane war eine Ananas
Umarmungen
Spaghetti und Tomatensoße
Das Reifezeugnis
Die Erfindung der Bananenmilch
Als ich eine Million geschenkt bekam
Ganz einfach
Vanilleeis
Manchmal
Käsefondue
Eine Geschichte vom Glück der großen Liebe
Goldrausch
Wahrheit oder Pflicht
Wo Hannes ist, ist ...
Der rechte Weg
Geburtstag
So wie früher
Für meinen Vater
Mary Ann
Buchstabenspiel
Eine Schafsliebe
Ungewisses Abenteuer
Häuslicher Ausflug
Der Wasserweg
Ohne Worte
Die Liste
Meine Tür
Schreiben ist …
Wiedersehen
Der Pfannkuchen
Ein langer Weg
Zwei Freunde
Erwachsenwerden – Erwachsensein
Die Schöpfungsgeschichte
Abhandlung über die Nächstenliebe
Komm, wir gehen
Du hast meine Zeit gefunden
Ein neuer Anfang
Individuelle Unterschiede
Ich bin ein Puzzle
Wir wachsen
Zuletzt
Über die Autorin
Impressum neobooks
Geschichten in Leichter Sprache
Leicht verständliche Bücher öffnen Menschen mit Leseschwierigkeiten neue Perspektiven.
Leichte Sprache – damit jeder dazu gehört
Entdecke die großen Lebenschancen im kleinen Alltag.
„… das Leben ist flüchtig und zerbrechlich, doch auf einer Schaukel werden kleine Kinder sanft und sicher auf die Höhen und Tiefen des Menschseins vorbereitet. Und vielleicht lernen sie auch die wichtigste Regel von allen: Egal wie fest man tritt, egal wie hoch man kommt, ganz herum schafft man es nie.“
Spaß am Lesen – darum geht es
Titel: Das Ergebnis zählt © by Anja Gust
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24790 Ortsteil Schacht-Audorf
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Hintergrundinformationen
Viele Menschen haben Freude an Geschichten und Büchern.
Egal wie gut oder ob sie lesen können.
Egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht.
Lesen dient der Kultur, Bildung und sozialer Teilhabe von Menschen.
Diese Geschichtensammlung sind bunte Geschichten für alle, egal wie gut man lesen kann.
Es gibt bisher zu wenige leicht verständliche Bücher für Erwachsene. Viele Menschen denken: „Wer nicht gut lesen kann, hat auch kein Interesse an Literatur.“
Es gibt Menschen, die leicht verständliche Literatur brauchen.
Menschen mit Lern- und Leseschwierigkeiten, leben in einer zeichenvermittelten Welt, in der ihnen der Zugang zu einer fest verankerten Kulturtechnik, dem Lesen und dem Erleben von Geschichten erschwert ist. Als Kinder wurden sie allenfalls mit Bilderbüchern konfrontiert. Ihre Alltagswelt sieht im Wohnheim oder in der Werkstatt kaum Begegnungen mit Büchern, mit Literatur vor. Ihr Weg in die Welt der Literatur ist mühsam. Erschwerend kommt hinzu, dass es nur wenig geeignete Literatur gibt, die leicht verständlich ist.
Sie lesen daher im Erwachsenenalter meist Kinderbücher, die für sie inhaltlich wenig ansprechend sind oder greifen auf Fernsehzeitschriften und Boulevardzeitungen zurück, da diese viele Bilder enthalten.
Öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken oder Buchhandlungen sind auf die Bedürfnisse von Lesern mit Behinderungen nur unzureichend eingestellt.
Diese Tatsachen führen oft dazu, dass das Lesen nach Verlassen der Schule verlernt wird.
Kulturelle Teilhabe ist allen Menschen möglich, wenn man Zugänge zu kulturellem Material in zugänglichen Formaten entwickelt, wie es in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Artikel 30 verzeichnet ist. Der Gebrauch von Leichter Sprache ist seit längerer Zeit eine Forderung verschiedener Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen, Vereinen und Verbänden der Behindertenhilfe. Immer häufiger werden Informationsmaterialen in leicht verständlicher Sprache angeboten. Literatur in leicht verständlicher Sprache wird bisher nur von wenigen Verlagen herausgebracht und ist immer noch eine Ausnahmeerscheinung.
Mit der Kunst der Einfachheit wurden Geschichten in leicht verständlicher Sprache geschaffen, die für alle Menschen lesbar und erfahrbar sind und einen hochwertigen Lesegenuss bescheren. Jeder Mensch kann Texte in Leichter Sprache besser verstehen. Die Geschichten bestehen aus kurzen Sätzen, beinhalten keine Fremdwörter und besitzen eine klare Aussage. Verschiedene Themen werden angesprochen.
Auch Menschen, die nicht lesen können haben Freude an Geschichten und Büchern. Gemeinsam wird die Freude am Lesen geteilt. Leicht verständliche Bücher öffnen Menschen mit Leseschwierigkeiten neue Perspektiven.
Dieses Buch ist allen Menschen gewidmet, die mich auf meinem Weg durchs Leben begleitet haben, ohne Euch wäre es nicht entstanden.
Meine erste Banane war eine Ananas.
Da stand ich nun.
Gestrandet in der Obstabteilung des Supermarktes.
Nur zehn Kilometer von zu Hause -
und doch eine Weltreise.
Im Brustbeutel mein Begrüßungsgeld.
Ich, ein Kind der DDR.
Dreizehn Jahre alt.
Und vom Gefühl geplagt,
gerade gründlich zu versagen.
Ich war nicht nur überglücklich,
sondern auch überfordert.
Total überfordert.
Welche Südfrucht passte denn zu mir?
Die Wende.
„Bitte keine übereilten Entschlüsse treffen.
Die Politik wird der Situation angepasst.“
Ich musste meine Situation dringend dem Supermarkt anpassen.
Es war verrückt.
Dabei hatte der Tag so gut begonnen.
Ich schob mein Fahrrad aus dem Stall.
Nur zehn Kilometer bis zur Grenze.
Mit dem Rad ein Katzensprung -
und doch eine Weltreise.
12.November 1989.
Über mir ungetrübter Herbsthimmel.
Unter mir löchriger Beton.
Vor mir der aufregendste Tag meines ganzen Lebens.
Ich wohnte in der schönsten Einöde.
Bahnhof Endstation: Sehnsucht.
Alles weit weg.
Sehr weit weg.
Aber die Grenze nicht.
Ich, Jörg.
Das Kind vom Zonenrandgebiet.
Der Grenzer kontrollierte.
Wortlos.
Mein Pass trug jetzt einen Stempel.
Und meine Kindheit war verschwunden.
Verschwunden mit dem Land,
das von „blühenden Landschaften“ ersetzt werden sollte.
Auf einem Campingplatz gaben sie mir einen Joghurt.
Und 100 D-Mark Begrüßungsgeld.
Ich durfte damit machen,
was ich wollte – unerklärlich.
„Das Gras war hier viel grüner.“
So ging ich in den Supermarkt.
Mich erwarteten:
Viele Preise, die auf Komma 99 endeten.
Musik,
Menschenmassen,
Hektik,
Glitzerlicht und
volle Einkaufswagen.
So hatte ich in die überschäumende Wahl,
und binnen Sekunden wurde aus mir ein
konsumschwacher,
hilfloser,
zielloser,
orientierungsloser,
fremdgesteuerter
Verbraucher.
Schnell begriff ich,
die 100 D-Mark würden nicht für alle Wünsche reichen.
Ich ignorierte tapfer
die Überraschungseier,
die Spielzeugabteilung und
die Süßigkeiten.
Dann sah ich sie,
und musste sie kaufen.
Die ganze Ananas.
Am Lenker flatterte die Plastiktüte.
In ihr meine Ananas.
Dann stand ich wieder in der Küche.
War zu Hause.
Was nun?
Ich stach das Messer in die Ananas hinein.
Drehte und wendete sie hin und her.
Sichelte mit mehreren Messern herum.
Mühsam schnitt ich die Schale von der Frucht.
Da wurde mir gleich klar,
der Westen würde kein Spaziergang sein.
Es wurde ein hartes, aber lehrreiches Stück Arbeit.
In den nächsten Jahren tat ich viele Dinge zum ersten Mal:
Leistungskurse belegen,
BAföG beantragen,
Beziehungen mit Westfrauen führen.
Manches ging schief.
Und es erforderte ein zweites Mal.
Manchmal schämte ich mich für mein Verhalten.
Manchmal musste ich lange warten.
Manchmal drehte sich das merkwürdige Gemisch aus zu viel auch um.
Manches war jetzt
zu bunt,
zu naiv und
zu extrem.
Manchmal wurde die neue Freiheit nicht nur in Maßen ausprobiert.
Manchmal wurde sie missbraucht,
und das in vollen Zügen.
Dreizehn Jahre Sozialismus,
25 Jahre Kapitalismus,
zwei Kinder aus der gesamtdeutschen Produktion,
und ein Leben, das ich nicht mehr tauschen will.
Ein gutes Leben.
Denn,
wenn die DDR die Ostsee war,
war alles, was dann kam, der Ozean.
Und ich bin froh,
ihn jetzt zu kennen.
Die erste Ananas war nur der Vorgeschmack.
Umarmungen
Fühl auch du dich umarmt.
Umarmungen sind lebensnotwendig!
Denn:
Umarmen ist gesund.
Es unterstützt das Immunsystem des Körpers,
es erhält dich gesünder,
es heilt Depressionen,
es vermindert Stress,
es fördert den Schlaf,
es ist belebend,
es ist verjüngend,
es hat keine unangenehmen Nebenwirkungen, und
Umarmen ist nichts Geringeres als eine Wunderdroge.
Umarmen ist ganz natürlich.
Es ist organisch,
natürlich süß,
keine Pestizide,
keine Konservierungsstoffe,
keine künstlichen Inhaltsstoffe und
zu hundert Prozent vollwertig.
Umarmen ist praktisch perfekt.
Es gibt keine beweglichen Teile,
keine Batterien, die nachlassen,
keine wiederkehrende Überprüfung,
geringer Energieverbrauch,
hoher Energiegewinn,
inflationssicher,
macht nicht dick,
keine monatlichen Raten,
keine Versicherungsansprüche,
diebstahlsicher,
steuerfrei,
umweltfreundlich, und
natürlich wiederverwertbar.
Spaghetti und Tomatensoße
Mein Name ist Claudia Schmidt.
Ich wohne in der Stadt.
In einer Wohneinrichtung.
Dort wird mir viel geholfen.
Dort ist der Alltag einfach.
Ich mag gerne essen.
Am Wochenende bin ich immer zu Hause.
Ich bin nicht beliebt bei den Jungs.
Ich bin nicht beliebt bei den Mädchen.
Ich bin eigentlich ganz clever.
Ich bin eigentlich gar nicht clever.
Ich habe dickes, blondes Haar.
Nicht besonders lang, aber immer unordentlich.
Egal wie sehr ich mich auch bemühe, es glatt zu bürsten.
Ich habe zwei Familien.
Eine in der Wohneinrichtung.
Eine am Wochenende.
Wir alle lieben Spaghetti.
Ich helfe in der Küche.
Rühre die Tomatensoße.
Stimmt genau.
Wir sind eine große Familie,
die ohne Spaghetti und Tomatensoße
nicht funktionieren würde.
Das Reifezeugnis
Teo hat sein Abitur bestanden.
Das ist der höchste Schulabschluss.
Jetzt kann er studieren.
Und eigenes Geld verdienen.
Teo ist schlau. Aber schwer war es trotzdem.
Er sitzt im Rolli.
Mit seinen Händen kann er nicht schreiben.
Deshalb hatte er einen Helfer in der Schule.
Eigentlich waren es viele Helfer.
Ständig kamen Neue.
Die schoben seinen Rolli.
Und haben für ihn geschrieben. Das Wichtigste.
Immer saßen sie neben ihm.
Deshalb konnte er nie neben seinem Freund sitzen.
Bei Prüfungen hat Teo selbst auf die Tastatur des Computers getippt.
Es hat lange gedauert. Unendlich lange.
Die Schule hat viel zu viele Treppen.
Endlich wurde ein Aufzug gebaut.
Damit alle dabei sein können.
Inklusion heißt das.
In der Aula ist eine Bühne.
Mit Treppen. Ohne Aufzug.
Die Lehrerin hat zu Teo gesagt:
„Wenn du dein Abitur bestehst, bauen wir dir eine Rampe an die Bühne.“
Damit alle dabei sein können. Nicht wahr.“
Dann hat sie ihm auf die Schulter geklopft.
Ein Jahr später hat er alle Prüfungen bestanden.
Seine Schulzeit ist beendet.
Alle sind zur Feier eingeladen.
Auch Mama und Papa.
Und seine Schwester.
Und Oma und Opa.
Und Onkel und Tante.
Erst spricht die Lehrerin.
Sie steht auf der Bühne.
Dann der Direktor.
Es ist jetzt ein neuer Direktor.
Feierlich werden die Zeugnisse überreicht.
Alle, die bestanden haben, dürfen auf die Bühne.
Alle?
Nein.
Teo sitzt unten in seinem Rollstuhl vor der Bühne. Ganz allein.
Später sagt er: „Es war mir egal.“
Dabei schaut er auf den Boden.
Die Eltern sagen: „Das hat uns weh getan.“
Seine Schwester streichelt ihm später beim Kaffeetrinken die Hand.
Glaubst du, das war Inklusion?
Die Erfindung der Bananenmilch