Georg Rittstieg
Liebe auf dem
Konto, Weichspüler
im Hirn
Ein Single-Mann packt aus
© 2015 tao.de in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld
Autor: Georg Rittstieg, aktion-freude.com
Umschlaggestaltung, Illustration: Philipp Slaje, cmyankali.com
Umschlagfoto: Marija Kanizaj, kanizaj-marija.com
Lektorat, Korrektorat: Roswitha Ranz, wörterei-ranz.at
Verlag: J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld ·
www.tao.de
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogrphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnd.d-nb.de abrufbar.
ISBN
Paperback: |
978-3-95802-811-1 |
Hardcover: |
978-3-95802-812-8 |
e-Book: |
978-3-95802-813-5 |
e-Book/Amazon: |
978-3-200-04350-3 |
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Für dich, Mann.
Basislager
Ich schreibe, weil ich keinen Bock mehr habe, Single zu sein. Ich schreibe, weil ich ehrlich sein möchte und sagen will, wie es mir geht. Als Mann, mit Frauen. Oder eben ohne Frauen, da ich ja keine habe. Keine „abkriege“, wie man früher sagte.
Das soll kein Werk werden, welches auf die Tränendrüse drückt, weder auf meine noch auf deine. Vielmehr wird es eine Art Tagebuch zum Erkenntnisgewinn. Für meinen und, wenn es gut läuft, für deinen genauso. Was ich immer weniger mag, sind die Sachbücher mit dem erhobenen Zeigefinger, der dich darauf hinweisen will, wie es funktioniert. Das kann gutgehen, es kann aber auch schiefgehen. Oft beschleicht mich das Gefühl, da wird viel Theorie verbreitet, aber von eigenen Erfahrungen fehlt jede Spur. Meine eigenen Erfahrungen wie auch zahlreiche Gespräche haben mir gezeigt: Wir lernen zunehmend gerne aus den echten Erfahrungen anderer. Und wir Männer öffnen uns auch gerne erst dann, wenn es zuerst ein anderer tut. Also gehe ich hiermit einen Schritt voraus und zeige mich. Mit meinen Erlebnissen, Ängsten, Gedanken und Freuden.
Inspiriert bin ich von Ulrike Dietmann, einer Autorenkollegin, die einen schweren Monat zum Anlass nahm, täglich zehn A4-Seiten über diese schwierigen 30 Tage zu schreiben. Gute Idee, finde ich. Jedoch: Wenn ich das auch so mache, dann muss ich bei meinem Tempo zu tippen täglich 23 Stunden schreiben. Dazu 6 bis 8 Stunden schlafen, und schon … Was? Ja, geht nicht.
Also, meine Challenge lautet:
Schreibe täglich eine Stunde. Eine Stunde zu deinem Thema: die Traurigkeit darüber, keine Partnerin zu finden; die Erlebnisse, die du hast, wenn du Frauen kennenlernst; deine Ängste und Sorgen, die diese Begegnungen auslösen, deine Wut über das Verhalten und die Forderungen so mancher Frau. Und das tust du für einen ganzen Monat. Jeden Tag. Dabei wird eine Menge wertvoller Stoff zusammenkommen, von dem du selbst und deine Leserinnen und Leser profitieren.
Dieses Zeug ist hauptsächlich für dich, MANN. Zumindest arbeite ich im Schwerpunkt mit Männern. Und ich kenne das so: Wenn ich von anderen Kerlen lese oder höre oder wenn ich im Coaching erlebe, was sie erleben, dann zeigt sich oft, wie sehr sich deren, deine und meine Erlebnisse ähneln können. Da ist es oft hilfreich und direkt berührend, voneinander und miteinander zu lernen. Zu erleben, einem anderen geht es gleich. So unter Männern erzählt. Und geteilt.
Nun möchte ich also nicht nur konsumieren, sondern mit dieser Idee mal meine Welt teilen. Vielleicht mit dir?
Lass uns beginnen!
(Nein, die Ausrede, ich kann nur am 1. eines Monats beginnen, hatte ich wochenlang, jetzt gilt sie nicht mehr. Ich beginne – mitten im Monat.)
Tag 1
Heute Morgen musste ich lachen. Fast.
Gestern hatte ich beschlossen, endlich dieses Buch zu schreiben. Und was passiert heute Vormittag? Da bekomme ich eine SMS von einem der bezauberndsten Menschen, die ich kenne. Eine junge Frau, die für mich fast magisch ist. Sie wünscht alles Gute und hofft, dass wir uns Ende des Monats wieder begegnen. Wow! Gerade bei ihr hätte ich das nie geglaubt – sie will mich von sich aus sehen. Da macht das ganze Buch ja dann keinen Sinn mehr.
Ich dachte nur kurz ans Lachen. Sie will mich ja nicht als Mann sehen, weil ich ihr als solcher gefalle, sondern als Menschen will sie mich sehen, weil wir uns gut verstehen und uns mögen, irgendwie. Also lache ich nicht und schlucke. Und doch hat sie es geschafft, sie hat mir Ruhe und inneren Frieden geschickt, als ich ihr geschrieben hatte, dieser Tage ziemlich melancholisch unterwegs zu sein.
Und schon sind wir in einem gänzlich aparten Thema: Esoterik. Himmlisches. Spirituelles. Oder so. Jedenfalls nichts Wissenschaftliches. Das Gegenteil von dem, was man weiß. Sie hat mir also Ruhe und Frieden geschickt. Nicht übers Handy, sondern eher übers Universum. Und es hat funktioniert. Oder es hat nicht funktioniert und ich habe eine sagenhaft gute Einbildungskraft. Ich denke an sie, also geht es mir so gut, wie es mir gegangen ist, nachdem ich sie vor Monaten das erste Mal getroffen hatte. Wie auch immer, das Thema ist ein Dauerstreit in mir. Mit mir. Esoterik versus Wissenschaft.
Du wirst bald bemerken, ich widerspreche mir gern selbst. Besonders auffällig ist das bei dem Thema Esoterik: Sehr frei aus dem Altgriechischen übersetzt, bedeutet es wohl „innerlich, aus dem Inneren kommend“
(vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Esoterik).
Die Vertreter der modernen Esoterik treten aus meiner Sicht gerne fast heilig, ja allwissend auf. Sie zeigen sich dabei direkt erleuchtet gegenüber der Wissenschaft (speziell der Medizin) und den Kirchen. Nur ihre Meinung scheint zu zählen, alle anderen sind unwissend. Dabei sehen diese Vertreter oft genug halbkrank aus und erklären dir gleichzeitig, sie haben den einen richtigen Weg zur Heilung gefunden oder erfunden gar. Verglichen mit den strengen Vertretern der Wissenschaft stellt man gelegentlich fest, dass beide Seiten in ihren Extremen ähnlich handeln und wirken. Die so beschriebenen Esoteriker vertreten bisweilen eine Meinung, die mich wenig begeistert. Ich bin schlicht entsetzt, was hier teilweise in der Szene der Esoteriker für Pfusch an Mensch, Tier und Natur getrieben wird.
Ich trete hier einigen Vertreterinnen und Vertretern der Esoterik deutlich zu nahe, und hier zeigt sich meine Widersprüchlichkeit, denn ich selbst habe sehr gute Erfahrung mit ihnen machen dürfen. Nämlich besonders dann, wenn sie beide Welten, die Esoterik und die Wissenschaft, miteinander vereinen.
Die Esoterik hat den Schlüssel zur Liebe
Die Esoterik hat überhaupt auf alles eine Antwort. Funktioniert etwas nicht, liegt es allein an dir, du wolltest es dann nicht genug. Gib dir halt endlich mal (mehr) Mühe, möchte man dir also zurufen. Und ja, es geht im Moment um alles, zumindest philosophisch betrachtet: Es geht um die Liebe. Lassen wir mal außen vor, dass es esoterische Strömungen gibt, denen das „past life“ – also die Annahme, du hättest schon unzählige Leben zuvor auf diesem Planeten gehabt – fast wichtiger ist als das Gegenwärtige. Stimmt ja nur fast, wenn man Einstein fragt – und annimmt, es gibt keine Zeit, weil diese nur eine menschliche Vorstellung ist, um die Dinge begreifen zu können –, dann ist Zeit eine Illusion und somit finden alle diese Leben gleichzeitig jetzt statt. Hm, dann ist jetzt auch Mittelalter – manchmal bin ich geneigt, genau dem zuzustimmen, zumindest ist in den Köpfen vieler Zeitgenossen noch Mittelalter … Ich schweife ab.
Also: Manche Esoteriker meinen, du hast in vergangenen Leben derart viel Scheiße gebaut, dass dir in diesem Leben keine Partnerin zusteht. Oder du hast entsprechende Schwüre abgegeben und bist auch hier also selbst schuld, keine Partnerin zu haben. Diese Vorstellung lassen wir wie gesagt außen vor, wie auch zahlreiche andere Theorien, denn: wenn jetzt womöglich noch irgendein Dinosaurier, ein Apfelbauer oder eine Magd verantwortlich sein soll für meine Einsamkeit, dann ist Schluss!
Also was denn jetzt?
Wir nehmen schlicht das Gesetz der Resonanz her. Uhren nebeneinander aufgehängt schwingen nach einigen Tagen gleich, und weitere Beispiele werden in der esoterischen Literatur angeführt. Die Esoterik meint: Das, was in dir ist, das was du denkst und empfindest, strahlst du nach außen aus. Und du ziehst nur das in dein Leben, das so schwingt wie du. Du strahlst, wenn ich es richtig verstehe, Liebe aus, und du ziehst die Liebe in dein Leben. Du strahlst keine Liebe aus, also ziehst du auch keine Liebe in dein Leben. Ganz einfach, vor allem deshalb, weil du mal wieder selbst schuld bist. Geil, oder?
Hm, aus einem wissenschaftlichen Elternhaus kommend, bin ich geneigt, jetzt mal etwas umfangreicher zu prüfen. Was mich selbst betrifft, weißt du ja nun schon Bescheid, gell? Ich trage keine Liebe in mir. Sagt die Esoterik.
Und die anderen Menschen, die Paare, die ich so kenne? Ich denke an Typen, da möchtest du nicht wissen, was die so alles in sich tragen. Und was ist? Die ziehen die tollsten Frauen an, und zwar reihenweise. Bei Frauen läuft das genauso. Und ich kenne diese Typen ganz gut, sie lachen selbst über die Annahme, die ich gerade beschrieben habe. Was sagen sie dazu? „Wenn das so wäre, dürfte ich nie jemanden wie meine Partnerin (oder: meinen Partner) kennen gelernt haben, außerdem habe ich bislang nicht einmal im Ansatz an die Liebe geglaubt.“ Komisch, oder? Es sieht in der Praxis also ganz anders aus als behauptet.
Die Esoterik zeigt natürlich entsprechend nur funktionierende Beispiele auf. Aber kann sie dann behaupten, ausschließlich recht zu haben?
Ich habe in meinen Gesprächen und in meinen Coachings erlebt, dass die Strenge und die Ausschließlichkeit dieser esoterischen Annahmen bei vielen Menschen eher Übles bewirken. Nämlich indem sie das Gefühl auslösen, selber schuld zu sein an ihrer Misere. Kann das gut sein? Nein! Ich fühle mich genauso beschissen damit. Ich arbeite seit zig Jahren an mir, habe reichlich Termine bei eigenen Coachings und Therapien abgearbeitet, und was ist? Es reicht immer noch nicht? Und was ist mit denen, die gar nicht an sich arbeiten? Werden die heilig geboren oder wie? Manchmal könnte ich KOTZEN!
Für mich haut das nur bedingt hin mit der Esoterik in Liebesfragen. Oder gar nicht? Die Esoterik sagt darauf natürlich: Alles wieder einmal völlig falsch verstanden – Rittstieg, Sechs, setzen! Und mit der negativen Grundhaltung wird es eh nichts, nicht?
Wissenschaftlich bewiesen: Liebe ist möglich
Es passt zu jedem Topf ein Deckel. – Klar, Oma, nur finden muss man ihn halt, den depperten Deckel! Wie immer: Chaos bei mir. „Ja, dann räum‘ halt auf!“, war stets die Antwort, die klüger war als gedacht. Wir sind mitten im Thema. Topf und Deckel haben in dieser Form noch wenig Wissenschaftliches an sich. Erlaubt man sich aber, so wie ich das tue, die Psychologie als Wissenschaft anzuerkennen, dann lauschen wir doch mal, was die Psychologie so rät: Wenn du eine gesunde Liebe leben willst, dann räum‘ zuerst auf. In dir, in deinem Leben. Kläre deine Themen, angefangen bei der bösen Mama und dem bösen Papa, die deine ersten Bezugspersonen und deine ersten Beziehungsvorbilder waren. Weiters räume, so vorhanden, mit deinen Verflossenen auf und finde Frieden mit ihnen. Finde überhaupt Frieden mit deinem Leben. Werde zum Guru. Zu deinem eigenen Guru. Und dann, vor allem eine Sache der Therapie: Lerne, dich selbst zu lieben. Geil! Ich soll mich selbst lieben, sacht er. Schon mein Vater sprach: „Mein lieber Sohn Georg, wenn du dich selbst nicht lieben kannst, wer soll es dann tun?“ Wie bitte? Nun, das klingt klug. Und scheint mir nicht immer leicht.
Gut, ich räumte jahrelang auf wie Sau: Coachings, kinesiologische und andere Sitzungen, vom Pendel bis zum „ThetaFloating“, folgten. Über 10 Jahre arbeitete ich so. Geil. Ergebnis, wo wir doch so gerne prüfen: zwei erfolgreiche Scheidungen und ein paar gescheiterte Beziehungsanbahnungen, ansonsten gähnende Leere. Klar, ich habe mir wieder nicht genug Mühe gegeben und nicht hart genug an mir gearbeitet – vermutlich wird man mir das jetzt vorwerfen.
Und die anderen, das Umfeld? Muss jeder und jede guruhaft in seiner und ihrer Mitte sein, zig Jahre hart an sich arbeiten? Nein – du ahnst es bereits: Da laufen Spacken herum, du glaubst es nicht! Und was ist? Haben tolle Beziehungen, und wenn nicht, finden sie an jeder beschissenen Ecke neue Partner und Partnerinnen.
Das mit der Wissenschaft und der Therapie ist also auch so eine Sache.
Fazit: Alles gelogen. Oder was?
Cool, das ist erst einmal gepflegt in die Hose gegangen. Wissenschaft versus Esoterik – allein dafür könnte ich von beiden Seiten erschossen werden, „mit denen“ will die jeweils andere Seite ja nix zu tun haben. Also macht ein Fazit auch kaum Sinn. Und doch: Beide Seiten haben recht. Irgendwie. Weil es logisch klingt. Und dann haben beide Seiten auch wieder nicht recht, wie hier durchexerziert. Außerdem: Es gibt ja noch die Sache mit dem Schicksal, nicht?
Ist es womöglich also Schicksal, dass ich ohne die Liebe zu einer Partnerin leben muss? Alleine bleiben muss, mag ich ja kaum sagen, bin ja nicht alleine. Habe meine Katze, liebe Nachbarn, Freunde, Familie, Kollegen. Und mich. Was also ist es: womöglich Schicksal oder Gottes Wille? In der Philosophie wird immer noch ergebnislos oder zumindest ohne eindeutige oder endgültige Antwort darüber gestritten, ob es den freien Willen gibt – oder eben nicht gibt.
Na, wenn es ihn nicht gibt, dann kannst du dir endlos den Arsch aufreißen und an deinem Schicksal arbeiten, aber abgesehen davon, dass du dann der Annahme nach nicht freiwillig an dir arbeitest, sondern es so oder so tust, weil kein freier Wille, abgesehen also davon, wäre das ohnehin komplett für’n Arsch, weil du nichts an deinem Schicksal rütteln kannst. FUCK!
Ja: fuck!
Der Gedanke, dass es womöglich mein unabänderliches Schicksal ist, ohne Frau an meiner Seite leben zu müssen, macht mich richtig traurig. Das tut weh, das schmerzt und macht mich einsam, obwohl ich ja nicht alleine bin.
Doch, oft fühle ich mich einsam. Und darob traurig
Nichts gegen all die lieben Menschen und Tiere an meiner Seite, sie sind wundervoll, wertvoll und ein Geschenk. Und doch fühle ich mich einsam manchmal, weil ein Freund nicht zu vergleichen ist mit einer Lebensgefährtin. Und nein, ich muss nicht geliebt werden, das ist allein mein Job. Ich muss nicht geliebt werden, aber ich will lieben. Jemanden, nicht nur mich. Ja, ich liebe mich. Und doch ist es ein Unterschied, ob ich mich alleine liebe oder ob da noch jemand ist, die ich liebe. „Dazuliebe“ sozusagen. Und die mich auch lieb hat, was besonders schön ist, wenn ich das gerade nicht kann.
Ein Leben zu teilen, macht das Leben noch reicher. Liebe wird mehr, wenn wir sie teilen. Ich teile sie gerne, ich hab‘ so viel davon. Aber das scheint nicht zu reichen. Oder reicht die Qualität meiner Liebe nicht? Ist meine Liebe nicht gut genug womöglich?
Schon wieder ein Gedanke, der mich traurig macht: Es könnte sein, dass meine Liebe nicht gut genug ist.
Lach‘ nicht! Das glaube ich manchmal sogar.
Tag 2
Der Klassiker: Rittstieg komplett genervt. Den halben Tag diesem Buch ausgewichen, jetzt sitzt er dran und verschreibt sich original bei jedem zweiten Wort! Was natürlich nicht stimmt, aber es sind fantastisch viele Worte falsch geschrieben und ich habe das Gefühl, eigentlich jedes …
Es reicht, Georg. Schreiben, nicht korrigieren!
Ich staune: Gestern Morgen hatte ich die Idee, dieses Buch sollte von zwei Leuten geschrieben werden. Also suche ich eine Frau, eine Single-Frau, die nicht mehr Single sein mag und Lust hat zu schreiben. Ist sicher spannend, von beiden Geschlechtern zu lesen. Sie soll auch 30/60 machen, also 30 Tage schreiben, 60 Minuten pro Tag. Ohne meine Texte zu kennen, und ich, ohne ihre zu kennen. Bin neugierig, was sich dabei zeigt. Gedacht – gesucht: Hab’s direkt in meine Facebook-Chronik gehämmert. Und hab‘ noch dazugeschrieben, Ironiker und andere Spaßvögel mögen sich zurückhalten, ich würde mit der Anzeige keine Partnerin, sondern eine Autorin suchen. Was soll ich sagen? Es hat knapp 45 Sekunden (!) gedauert, da schreibt mir der erste Witzbold: „Geile Masche, Alter!“ Na bravo. Es sollte so weitergehen. Erstaunlich, was man in so eine Anfrage alles hineinlesen kann.
Ich lerne:
Schreibt ein Mann, er suche, und meint damit eine Frau, dann kann er sie zum Rasenmähen, Kühemelken, für den Haushalt oder als Automechanikerin suchen, es wird ihm zu 98 % unterstellt, es sei eine Masche, um eine „Alte in sein Bett zu kriegen“.
Plötzlich soll ich für eine Bekannte das Wort „Single“ genauer definieren. Sie platzt daraufhin sofort damit heraus, dass Partnerschaften aus ihrer Sicht heute immer an den zwei folgenden Eckpunkten scheitern: a) glauben aus ihrer Sicht Frauen immer sofort, sie seien schon in einer Partnerschaft, während wir Männer auch nach Monaten glauben, in einem losen „Techtelmechtel“ und nach wie vor ungebunden zu sein, und b) scheitert es daran, dass Paare heute lange nicht mehr zusammen wohnen und leben müssen, es sei heute nun mal anders. Aha.
Ich höre erstaunlich oft, jemand sei „glücklicher Single“. Fünf Minuten später wird durch schlichtes Nachfragen klar: „glücklich“ eigentlich weniger ob des Single-Daseins, sondern glücklich, keine Freiheit mehr einbüßen zu müssen, niemanden ertragen zu müssen, die oder der einem sagt, wo der Hammer hängt und Ähnliches. Sobald klar ist, dass nicht alle Partner so sind, kommt schnell mal der Dochnoch-Wunsch nach einer Partnerschaft hoch. Wow! Was denn jetzt?
Es wird nun immer ätzender, wenn ich genau darüber nachdenke. Der Paarberater in mir jubelt: Das ist Lernen in der Praxis. Ich darf so ganz viele unterschiedliche Ansichten zum Thema hören und erleben. Der Mensch in mir ist gereizt: Cooler, als ehrlich zu sein, ist es, die Klappe zu halten und so zu tun, als sei man glücklicher Single. Und wenn man sucht, dann bitte auf einschlägigen Portalen wie „Parship“. Auf „Facebook“ suchen, egal was oder wen – wehe, wenn weiblich! –, ist ‘ne durchschaubare und gute oder weniger gute Masche. Wir wollen Helden im Bett und Magier, die auf zauberhafte Weise erobern. Das Thema zündet offensichtlich und entzündet nicht nur mich. Warum aber ist es so derart schwer dazu zu stehen, wenn man Single ist und das nicht gut findet?
Ich ahne es längst: Es ist so derart schwer dazu zu stehen, weil es eigentlich immer „falsch“ ist, was man macht oder wie man es empfindet. Es findet sich immer jemand, der seinen Zeigefinger zum Stab erhebt und kluge bis sehr kluge Weisheiten absondert, warum es denn so sicher nichts werde. Das hebt dann die Laune beträchtlich. Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit, als ich in einer Buchhandlung arbeitete. Ganze Regalwände voll mit Ratgebern für werdende Mütter und Väter. Von der Steinzeit bis in die Neuzeit wurde alles an Beispielen zur Erklärung herangezogen, warum dies denn nun die einzig wirksame Methode sei, einigermaßen gesunde Zöglinge in die werte Welt zu entlassen. Alle Bücher waren toll, und alle haben einander mit bis zu 100 % widersprochen. Für die werdenden Eltern Horror pur: Wem sollten sie denn nun Glauben schenken und wem nicht? Und was sagt das Umfeld dazu? Weil die wissen ja immer alles besser. Ähnlich wie mit den Ernährungsratgebern. Ein Traum.
Und so schaut es aus, wenn du als Single unglücklich bist: Du machst dich selbst verrückt, beziehst Stellung und stehst dazu, und dann macht dein Umfeld auch noch den letzten stabilen Rest in dir verrückt.
Ja, ja, ja, ich weiß schon: Ob nun Vater oder Mutter, ob Ernährungssuchender oder Single, der ganze Ärger von außen macht doch eines klar: Vergiss, was von außen kommt! Werde still und lausche, was von innen kommt. Was sagt dein Herz?
Wenn das mal so einfach wäre. Was ist denn nun innen los? Ja, das hatte ich schon: Ich bin manchmal traurig, alleine zu sein. „Ha, erwischt!“, kreischt es da aus der Erfahrungsecke. Du Depp hast gejammert, du wollest nicht alleine sein, und – bemm! – dir wird um die Ohren gehauen, dass du nicht von einer Partnerin erwarten sollst, deine Einsamkeit zu kompensieren. Das könne schließlich nie etwas werden, das sei nicht die Aufgabe einer Partnerin, und es sei überhaupt und sowieso das Letzte. Nicht?
„Ja“, töne ich gereizt zurück, „grundsätzlich stimmt das auch. Und ich erwarte es auch nicht. Aber manchmal“, jammert es in mir drinnen fröhlich weiter, „manchmal wäre es doch nett, wenn da jemand wäre …“ Und so. Nochmals: Sind denn alle anderen depperten Macker auf dieser Welt, die jemanden haben oder an jeder Ecke eine neue Gefährtin finden, sind denn das alles ausgeglichene Heilige, Gurus mit 400 Jahren Meditationserfahrung? Ich kenne mindestens zwei, bei denen das sicher nicht der Fall ist und dennoch haben die eine Partnerin. Verdammt nochmal! Was denn nun? Heiliger sein oder eben gerade das nicht? Ich kenne genug Frauen, die keinen heiligen Guru wollen. Und warum höre ich dann dauernd …?
SCHNITT! Bevor ich die Tastatur zertrümmere und sie jemandem zum Querfressen anreiche, mache ich mal eben was anderes, als wütend zu tippen …
Drei Stunden später. Jetzt war ich einen Kaffee trinken mit einem alten Freund. Auch er staunt über das, was ich so zurückbekomme auf meine Suche. Wir haben beide viel gelacht, geraunzt und ein bisschen geschimpft – und dann zugegeben: wir sind keine Heiligen. Jetzt geht es mir wieder gut.
Unterwegs ist mir noch eingefallen, dass ich vorhin gestanden habe, Paarberater zu sein. Ja, zumindest bin ich dazu ausgebildet und habe einige Paare beraten dürfen. Und nicht dreimal, sondern nur einmal darfst du raten, was ich unter anderem höre, wenn ich jemandem gestehe, nicht immer begeistert zu sein oder gar traurig, weil ich Single bin. „Was? Gerade du als ausgebildeter Paarberater müsstest doch am besten wissen, wie es geht!“ Kotz! Müsste ich das? Mal sehen, ich denke zurück. Wir haben so einige Theorien gelernt, wie Partnerschaften funktionieren können, haben gelernt, warum manche nicht funktionieren. Haben Beraten geübt, haben eine spezielle Dialog-Form für Paare erlernt, zumindest den ersten Teil von insgesamt fünf unterschiedlichen Formen des Dialoges. Haben über uns selbst reflektiert, damit wir zwischen dem, was bei dem Paar abgeht, und dem, was bei uns selbst abgeht, unterscheiden können. Aber wir haben nicht gelernt, wie man ein heiliger Guru wird, und auch nicht, wie und wo man an jeder Ecke jemanden finden kann. Das macht auch keinen Sinn in einer solchen Ausbildung. Und jetzt darf ich mir diesen Müll anhören von wegen: Paarberater müssten es doch drauf haben. Alter Schwede! Wer glaubt, Zitronenfalter falten Zitronen, glaubt auch, Paarberater sind immer Teil eines glücklichen Paares –frech geklaut und abgewandelt; es heißt ursprünglich: Wer glaubt, Zitronenfalter falten Zitronen, der glaubt auch, Abteilungsleiter leiten Abteilungen. (Quelle unbekannt)
Ich staune einfach, was man sich alles so anhört. Aber gut, das hatten wir schon. Weißt du was? Ich bleibe dabei und sage, was ich fühle. Ich behaupte, das konnten wir schon bei den angeblich glücklichen Singles erleben, dass manche einfach sagen, was sich ihrer Meinung nach gut anhört oder sich gehört – sagt wer genau? –, und dabei etwas ganz anderes fühlen.
Wir leben nun einmal in einer fucking Leistungsgesellschaft, da ist es angesagt, neben Latte Macchiato mit depperter Sojamilch und Bio-Prosecco zu performen. Zu leisten. Zu geben. Über sich hinauszuwachsen, immer am Ball zu sein, ihn täglich reinzumachen. Und wer fällt, ist ein mieser Loser. Aber wenn er einmal mehr aufsteht, als er fällt, dann kann man nochmal drüber reden. Oder auch nicht.
Leistungsgesellschaft. Leistungspaare
Ja, das gilt auch für Paare. Für die Liebe sowieso. Du leistest nicht, also gibt es auch keinen Grund, dich zu lieben. Er performt nicht genug! Ich finde diesen Satz einfach grandios. Sprich es mal laut aus: ER PERFORMT NICHT GENUG! Performst du genug? Und wer entscheidet, ob es genug ist? Deine Partnerin? Und nach welchen Maßstäben entscheidet sie das? Performt sie denn selbst auch genügend?
Nur um das jetzt mal klar zu stellen, falls ich gerade missverständlich wurde. Es geht mir zumindest heute noch nicht darum, dass es beim Performen und Leisten um das Limit der Kreditkarte geht. Noch nicht und nicht in erster Linie. Hier geht es um etwas anderes. Bist du zum Beispiel Mister Weichspüler? Ja, ich meine den Weichspüler für deine Klamotten. Denn wenn ich meine Nase nutze, um mich umzuschauen, dann gibt es diverse Frauen, die derart heftig nach Weichspüler oder zumindest Waschmittel riechen, dass es im Kopf schmerzt. Das sind die Damen dieser Liga, die am liebsten ihre Wäsche schon nach einer Fahrt mit dem Bus wechseln würden, denn die könnte ja bereits widerlich sein. Diese Frauen verlangen natürlich auch von ihren Partnern selbiges. Ganz ehrlich, desinfizierte Hand aufs unreine Herz: Wie oft wechselst du deine Socken, deine Unterhose und dein Shirt? Nein, ich meine nicht, wie oft in der Woche, sondern wie oft am Tag? Wir Männer stinken ja angeblich so oder so, einfach weil wir Männer sind – da kann man das bisschen Wäschewechseln schon verlangen. Und die Umwelt zu schützen, geht in diesem Zusammenhang nicht, denn wenn Frau dauernd kotzen muss, weil er so derbe müffelt, dann ist der Umwelt auch nicht geholfen. Blödsinn? Leider nicht.
Es gibt ja Theorien, die meinen, Frauen dieser Liga – bei denen die Küche meist derart rein und desinfiziert ist, dass ein OP dagegen wie ein „angebrunzter“ Schweinestall daherkommt – speziell seien: Sie würden weder die Wäsche noch die Küche, sondern etwas ganz anderes reinigen und aus ihrem Leben putzen. Etwas, das immer brav sauber zu sein hat, beziehungsweise noch schlimmer: etwas, das gar mit psychischer Beschmutzung zu tun hat. Theorien. Und die existieren nicht etwa deshalb, weil es, wie du vielleicht meinst, niemanden gibt, die oder der so tickt. Diese Theorien gibt es, weil es genug Menschen gibt, die so drauf sind. Und denen begegne ich fast täglich, ich fahre viel mit dem Bus und der Straßenbahn durch die Gegend. Entweder müffelt es nach Schweiß oder nach Weichspüler. Besonders apart wird es, wenn es nach beidem mieft und irgendwer noch einen halben Liter Billigparfüm am Latz hat. Wobei: Dann suche ich auch keine Frau mehr, sondern eher einen Eimer oder den Notausgang.
Den ich jetzt auch wähle. Mir ist schlecht.
Wie so oft, wenn ich an all diese Forderungen denke.