Vorwort:

Ich habe mir noch einmal Gedanken gemacht, was in dieser Zeit vorgefallen war, mit Brigitte und Sabine. Es gab viele Ereignisse, die nicht so waren, wie sie eigentlich sein sollten. Ich hatte mich oft gefragt, was hätte ich besser machen können, wie wäre idealer gewesen? Warum hatte ich das falsch gemacht? Was war mit dem Bezirkskrankenhaus, den Therapien, warum war alles so gekommen? Wieso hatte ich das übersehen? Was hätte ich anders tun können? Diese Fragen stellte ich mir immer und immer wieder und daraufhin bin noch einmal alles durchgegangen, Punkt für Punkt. Was ich dabei analysiert habe, das berichte ich.

Ich werde über das Bezirkskrankenhaus, den Ärzten und Psychologen, Psychiater, berichten, die meine Frau behandelt hatten, über die einzelnen Therapien, den Tagesstätten so wie ich es jetzt sehe, bestimmt heute mit anderen Augen, als damals. Über meine Familie und den Streitigkeiten, von denen ich eigentlich Hilfe gebraucht hätte.

Wie es meiner Ex-Frau jetzt geht und was alles in der Zwischenzeit vorgefallen war. Wie es mir dabei erging und was ich daraus gelernt hatte. Was meine Ex-Frau jetzt denkt und was sie mir vor kurzer Zeit erzählt hatte.

Danach analysiere ich noch die schlimme Zeit mit meiner Ex-Freundin Sabine. Was ich mit ihr jetzt tun würde und ich damals übersehen hatte?

Warum ich es doch noch geschafft hatte, ein ruhigeres Leben zu führen, genauso, wie ich es mir gewünscht hatte.

Wenn es keine psychisch-kranken Menschen gäbe, wüssten wir nicht, dass wir normal wären.

Peter Fischer

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Bezirkskrankenhaus

Das Bezirkskrankenhaus ist wahrlich kein schönes Krankenhaus, aber welches BKH ist schon schön. Patienten die einen stationären Aufenthalt hatten, besonders in der geschlossenen Station, kommen leider viele bipolar Erkrankte in regelmäßigen Abständen zurück. Darum ist es kein Wunder, dass sich die Patienten untereinander schon lange kennen und einige befreundet sind, sie bilden Gruppen und treffen sich regelmäßig außerhalb des Krankenhauses. Wenn man täglich als Angehöriger über eine längere Zeit, wie ich aus und eingegangen war, fällt jedem auf, die Frau oder den Herrn habe ich irgendwo schon mal gesehen, klar den hatte ich doch schon vor einem halben Jahr in der Geschlossenen gesehen. Die Patienten kommen aus allen Gesellschaftsschichten, von der Reinigungskraft bis zum Professor, alles ist vorhanden, Arm oder Reich, die Psyche kennt keine Gnade und dieses Krankenhaus lässt manchen ein Leben lang nicht mehr los.

Bei den Angehörigen, die ich öfters sah, war es so, dass man irgendwann miteinander geredet hatte, um die guten und schlechten Erfahrungen von diesem Krankenhaus auszutauschen. Meistens gab es nur Schlechtes zu berichten. Es gab so viele Themen, mit denen man sich austauschen konnte, über bestimmte Ärzte, Psychiater, Psychologen, Schwestern, Pfleger, Therapien, Tabletten, Tagesklinik, Ambulanz, Patienten, Psychotherapie, offene Abteilung, geschlossene Abteilung usw. Es gab immer etwas zu besprechen. Keiner war mit seiner Situation und der Behandlung zufrieden, besonderes, wenn sie in regelmäßigen Abständen das BKH besuchen mussten.

Ich hatte immer den Eindruck, dass der Angehörige genauso gefangen war, von diesem Krankenhaus, wie sein Patient. Als Angehöriger braucht man verdammt viel Zeit, um alles richtig zu machen, besonders dem Arzt, aber oft geht es nicht. Besonders wenn die Patienten Ausgang bekommen, sollte man jeden Tag da sein, um den Patienten auszuführen und wieder zurückzubringen, viele Arztgespräche führen, mit den Patienten viele Therapien durchführen, einen Einkaufsbummel oder einen Ausflug mit ihnen machen, was für eine Therapie dem gewissen Arzt einfällt, sie bestimmen fast immer die Freizeit.

Oft hatte ich den Eindruck, dass in dem Krankenhaus die Ärzte kommen und gehen, trotzdem kennt man nach so langer Zeit die meisten Ärzte. Mit manchen kommt man klar und mit manchen nicht. Einmal hatte ich den Oberarzt aufgesucht, weil der behandelnde Arzt von meiner Frau die verordnete Tablettenumstellung nach ein paar Wochen Krankenhausaufenthalt noch nicht begonnen hatte und deswegen ging es ihr noch sehr schlecht. Der Oberarzt war sehr gut und hatte sich der Sache angenommen, ob er heute noch dort arbeitet, weiß ich nicht, der behandelnde Arzt mit seiner Freundin musste sich dafür verabschieden. Oft hatte ich den Eindruck, dass die Ärzte genauso wenig Rat wussten, als ich, sie waren nur gut darin, irgendwelche Tabletten zu verordnen, Therapien verschreiben und lange Gespräche mit dem Patienten und Angehörigen zu führen. Den Patienten erst mit Tabletten ruhig stellen, da waren sie alle gleich, dann hatten sie ein Problem weniger.

Die Patienten laufen vollgedröhnt, als wären sie Zombies die ersten Wochen herum. Ich hatte den Eindruck, dass psychisch-kranke Patienten oft nur Versuchskaninchen waren, um die Psychopharmaka zu testen: „Helfen die Tabletten, ist es gut, wenn nicht dann nehmen wir eben andere Tabletten oder von dieser Dosis ein wenig mehr und von der anderen ein bisschen weniger. Sind sie einigermaßen mit Tabletten eingestellt, dann werden sie schnell entlassen und werden zur Ambulanz und in die Tagesklinik verschoben, geht es schief, dann hat der Angehörige den Ärger und das ganze Theater beginnt von vorne.“

Dass es Patienten gibt, die sich gut zu verstellen wissen, das habe ich leider zu oft erlebt, sie werden zu schnell entlassen und sie hatten, den nächsten Selbstmordversuch schon lange in der Klinik geplant. Die Ärzte haben sich von ihren eigenen Patienten um den Finger wickeln lassen. Der Angehörige hat daraufhin den Ärger.

In der offenen Abteilung ist es viel lockerer, als in der geschlossenen Station, die Patienten können sich frei bewegen und etwas unternehmen, sie haben keine Einschränkungen, was sie mit auf das Zimmer nehmen können, sie haben meist mehr Ausgang und der Aufenthalt ist wesentlich kürzer. Aber passiert etwas, ist eine offene Station schnell in eine geschlossene Abteilung verwandelt.

Das Beste ist, man bekommt dieses Krankenhaus nie zu sehen und muss es nie betreten. Ich will nicht damit sagen, dass sich die Ärzte keine Mühe gaben, aber ich habe den Eindruck, sie hatten keine großen Möglichkeiten ihnen zu helfen, außer ein paar Tabletten zu geben, Therapien anzuordnen und dann warten bis es ihnen besser geht. Viele Räumlichkeiten für gewisse Therapien waren vorhanden, außerdem hatte es noch einen Sportplatz und ein schönes großes Hallenbad. Wenn der Patient nicht mitmacht und die Tabletten nicht ansprachen, dann war ein langer Krankenhausaufenthalt einzuplanen und vielleicht nach der Entlassung der Nächste und noch viele weitere. Besonders lange wird der Aufenthalt, wenn der Patient mit der Polizei eingewiesen wurde oder sogar von der Staatsanwaltschaft, dann konnte es schon ein halbes Jahr oder noch länger werden und das in der Geschlossenen.

Oft kommt der Patient aus diesem Kreislauf nie mehr heraus und der Angehörige somit auch nicht. Aber man ist nicht alleine, so viele Patienten und Angehörige kommen und gehen regelmäßig. Ich möchte behaupten, es ist eine große Leidensgemeinschafft und man kennt sich.

Leider kann man sich dieses Krankenhaus nicht heraussuchen, es gibt kein anderes, auch wenn ich es gewollt hätte, weil ich aus verschiedenen Gründen nicht zufrieden war, in diesem Fall waren mir die Hände gebunden. Es gab und es wird heute keine andere Möglichkeit geben, der Patient wird automatisch in das Bezirkskrankenhaus eingeliefert. Es wächst auch jährlich, immer wieder werden neue Häuser und Abteilungen dazu gebaut. Es werden Drogen und Alkoholsüchtige aufgenommen, Demenzkranke, alle psychische Krankheiten. Dieses Bezirkskrankenhaus ist zu einem kleinen Dorf gewachsen und hoffentlich werde ich es nie mehr von innen sehen. Bestimmt hat sich einiges geändert, ich hoffe für alle, zum Positiven?

Kapitel 2

Die Geschlossene

Die geschlossene Abteilung war die zweite Heimat meiner Ex-Frau, die furchtbarste Station vom gesamten Bezirkskrankenhaus. Vielleicht wurde Sabine dort auch öfters stationär aufgenommen, ich könnte es mir gut vorstellen. Dass diese Station noch schlimmer war, als ein Gefängnis, da brauchte man keine große Vorstellungskraft, sie hatte keine offene Tür, in der man einfach durchgehen konnte und in der Freiheit war. Keiner der Patienten konnte die Geschlossene ohne Zustimmung vom Arzt verlassen, sie war für Brigitte eine große Gefängniszelle. Aber oft kam es mir so vor, als wenn Brigitte dort Schutz suchte, um sich vor sich selbst zu schützen, damit sie sich nicht schwere Verletzungen zufügen konnte.

Oft nach einem längeren Aufenthalt in der geschlossenen Station wurde sie dann auf eine offene Station verlegt. Hier konnte sie sich frei bewegen und bekam daraufhin meistens einen längeren Ausgang. Es gab aber auch Ärzte, die behielten ihre Patienten in der geschlossenen Station, bis sie entlassen wurden.

Schon die Eingangstüre mit ihrer Schleuse, war erschreckend. Der Besucher musste klingeln, dann fragte eine Schwester durch eine Gegensprechanlage: „Wer sie sind und wen sie besuchen wollen.“ Nicht jeder Besucher durfte so ohne weiteres die geschlossene Station betreten. Kurz darauf kam die Schwester und sperrte auf und ließ den Besucher in die Schleuse. Danach wurden die Taschen durchsucht, es gab eine große Liste, was ein Besucher nicht mitbringen durfte, wie Glasflaschen, Gürtel, Kabel, Handy, Schal, war doch etwas Unerlaubtes dabei, wurde es in der Schleuse aufbewahrt. Als nächstes wurde die zweite Türe aufgeschlossen, endlich konnte man die furchtbare Abteilung betreten. Ich dachte mir oft: „Ich könnte mich nie daran gewöhnen, einen Tag und eine Nacht dort zu verbringen.“ Ich brachte hauptsächlich Zigaretten und etwas Süßes für Brigitte mit. Es gab in der Geschlossenen keine Einzelzimmer, auch nicht für Privatpatienten, soviel ich weiß, wurde das aus Sicherheitsgründen so gehandhabt, die Patienten konnten sich somit gegenseitig beaufsichtigen. Die frisch aufgenommenen Patienten wurden in ein großes Mehrbettzimmer untergebracht, das vom Schwesternzimmer aus durch eine Glasscheibe beobachtet werden konnte. Dort waren immer mindestens fünf bis sechs Betten gestanden, nur in diesem Zimmer oder vor dem Schwesternzimmer wurden die Patienten, wenn es sein musste fixiert.

Was mir nicht so gefiel, es verschwanden sehr viele Sachen in der geschlossenen Station, oft waren ihre Zigaretten verschwunden. Hatte sie schöne Klamotten dabei, wurden sie oft gestohlen. Sie konnten natürlich ihre Zimmer nicht absperren und was war, dann schlichen sich andere Patienten schnell in die Zimmer und für immer waren die begehrten Sachen verschwunden. Natürlich, was ich schon in Band 1 beschrieben hatte, man konnte nichts liegen lassen, nicht einmal eine Packung Zigaretten im Raucherraum, sie waren mit Sicherheit weg. Darum brachte ich Brigitte jeden Tag nur so viel mit, als sie benötigte, somit war ich gezwungen, jeden Tag im BKH zu erscheinen.

Für einen Angehörigen ist diese Station ein Albtraum, ich konnte mich nie daran gewöhnen, dort ein und auszugehen, mir grauste es davor. Was ich oft dort hörte, sah und erlebte, kann man nicht beschreiben, es war ein richtiger Psychothriller. Ich bekam immer ein komisches Gefühl, wenn ich auf die Schleuse dieser Station zuging und fragte mich: „Was kommt heute wieder auf mich zu?“ Alles was ich in dieser Abteilung erlebt habe, ist ungewöhnlich. Inmitten der Abteilung war ein großer Raucherraum, dort spielte sich das meiste ab, hier war der Treffpunkt aller Patienten, fast alle in der Geschlossenen rauchten. Ich vermute, aber weiß es nicht: „Die Patienten können die Station nicht verlassen, deswegen wird es in der Geschlossenen mit Sicherheit noch einen Raucherraum geben?“

Es war nicht nur ein Raucherraum vorhanden, sie hatten einen Fernsehraum und einen weiteren Aufenthaltsraum, hier konnten sie, Mensch ärgere dich nicht oder andere Gesellschaftsspiele spielen. Auch ein kleiner Garten war vorhanden, wenn die Pfleger Zeit hatten, oder schönes Wetter war, dann durften die Patienten mit ihrem Besuch für eine kurze Zeit hinaus, für mich war das ein kleiner Gefängnishof, man konnte nur eine kleine Runde laufen oder sich auf eine Parkbank setzen, aber sie konnten immer hin, einmal an die frische Luft. Denn die Luft in dieser Abteilung war stickig. Sie konnten kein Fenster öffnen, keine Tür konnten sie öffnen. Diese Patienten waren wie Verbrecher eingesperrt und sind es sehr wahrscheinlich heute noch.

In dieser Abteilung lernte ich viele Patienten kennen, von Arm und Reich, jeder Beruf bis zum Professor, verschiedene Glaubensgemeinschaften, hübsch oder hässlich, Mann oder Frau, nichts machte vor dieser Station halt. „Wer glaubt, ich bin klug, mir kann das nicht passieren, der täuscht sich, das Leben kann seltsame Wege gehen und man betritt das BKH nicht als Besucher, sondern als Patient.“

Ich hörte von den Patienten und Ärzten die tollsten Geschichten: „Ein Junge hatte studiert und hatte Drogen genommen, damit er einen besseren Notendurchschnitt bekam, aber er konsumierte dann immer mehr und bekam daraufhin eine Psychose. Eine junge, hübsche Frau wurde vergewaltigt und landete danach in der Geschlossenen, weil ihr Mann damit nicht fertig geworden war und daraufhin seine Frau verlassen hatte.“ Eine andere Geschichte: „Eine Frau wurde blind, weil sie zusehen musste, dass ihr Mann laufend fremdging, sie konnte das nicht mehr ertragen.“ Ein netter Junge hatte mir erzählte: „Er musste studieren, weil seine Eltern das so wollten, er musste zu jeder Zeit lernen, hatte nie Zeit für Freunde. Er kannte nichts anderes, als nur lernen, irgendwann drehte er durch und landete somit in der Geschlossenen. Er verstand die Welt nicht mehr, er viel in ein tiefes Loch.“ Ich will wieder damit sagen: „Man soll nie sagen, die sind blöd, dass kann mir nie passieren, ein unvorhergesehenes Ereignis, kann das gesamte Leben auf den Kopf stellen. Die Menschen sind krank, deswegen können sie trotzdem sehr intelligent sein und sind sehr nette Menschen, sie benötigen Hilfe und werden in der Geschlossenen beschützt.“

Bei aggressiven, manisch erkrankten, wie bei Sabine, könnte das etwas anderes sein, sie wurden meist eingesperrt und fixiert, damit sie anderen nichts anhaben konnten und wurden oft mit der Polizei eingewiesen. Was in so einem Fall, daraufhin ein sehr langer Aufenthalt wurde, diese Patienten bekamen dann eine Betreuung und einen Sozialarbeiter, der sich um alle schriftlichen Angelegenheiten kümmerte. Alles Schriftliche wurde für die Patienten gemacht, ich konnte in dieser Hinsicht nichts nachsagen, sie wurden auch in so einem Fall nie im Stich gelassen, es wurde immer eine Hilfe angeboten. Aber keine große Hilfe für Angehörige, außer einem Sozialberater, er hatte mir ein paar Mal geholfen.

Alles lief nach einem genauen Zeitplan ab, Frühstücken, Tabletten einnehmen, Arztvisite, Arztgespräch, Mittagessen, Tabletten einnehmen, 15 Uhr Kaffeetrinken mit einem Kuchen, der Kaffee war bestimmt Coffein frei. Dann war Besuchszeit, ab 15 Uhr, um 18 Uhr war Abendessen. Gleich danach mussten die Patienten ihre Tabletten einnehmen, hintereinander standen die Patienten vor dem Stationszimmer und die Pfleger gaben nach einer Liste die Tabletten aus und sie warteten, bis jeder einzelne Patient seine Tabletten oder Tropfen eingenommen hatte. Die Pfleger beobachteten ganz genau, ob die Tabletten wirklich geschluckt wurden, keiner konnte tricksen, dann durften die Patienten erst gehen. Keiner schaffte es die Tabletten nicht einzunehmen oder später wieder auszuspucken. Ich konnte das sehr oft beobachten. Um 20 Uhr war dann die Besuchszeit vorbei.

Wer möchte da, eine lange Zeit eingesperrt sein, ich glaube niemand? Ich kenne ein paar Leute, die könnten nicht einmal ein paar Tage auf ihr Handy verzichten, nämlich das dürfen sie in der Geschlossenen nicht mitnehmen, auf einer offenen Abteilung natürlich schon. Sie haben nur ein Münztelefon, dass sie benutzen dürfen, das ist alles.

Was mich oft störte, dass ich öfter bei den Schwestern und Pflegern ansprach, meine Frau machte in dieser Zeit überhaupt keine Körperpflege. Sie machte, dass nur, wenn das befohlen wurde. Ich verstand es, sie war total mit Tabletten vollgedröhnt, deswegen störte es ihr überhaupt nicht, wenn sie nicht gewaschen war und keine Zähne geputzt hatte. Sie saß nur im Raucherraum und rauchte eine Zigarette nach der anderen, auch mit dieser Angelegenheit wäre es gut gewesen, wenn sie ihr die Zigaretten, etwas reduziert hätten. Die Patienten hatten keine andere Beschäftigung, als zu rauchen und in die Glotze zu schauen, außer sie hatten von ihrem Arzt eine Therapie aufgeschrieben bekommen.

Den Pflegern und Schwestern war es scheißegal, was die Patienten in diesem Sinne machten, ungekämmt, nach Schweiß stinkend und die Zähne nicht geputzt, ließ man die Patienten den ganzen Tag verbringen. Hier wäre wirklich mehr Verantwortungsgefühl dem Patienten gegenüber angebracht gewesen. Ich hatte es öfters den Schwestern gesagt und sie meinten, sie werden sich darum kümmern, aber nichts war geschehen. Ich weiß nicht, wie es in anderen geschlossenen Anstalten oder Bezirkskrankenhäuser war, ob es da besser war, ob sich die Schwestern mehr um die Patienten kümmern, ich glaube nicht. Wollte ich mich beim Arzt beschweren, musste ich mich erst anstellen und warten. Das wussten die Schwestern und irgendwann wurde mir das zu blöd, erreicht hatte ich gar nichts, wenn ich Glück hatte, war es ein paar Tage besser und kurz darauf war alles wieder beim Alten.

Genauso verstand ich nicht, wenn zum Beispiel, eine Jeans oder Uhr wegkam, das kümmerte sie überhaupt nicht, in einer geschlossenen Abteilung kann sich der Gegenstand doch nicht in Luft auflösen. Sie sagten nur zu mir: „Da müsse halt meine Frau darauf besser aufpassen.“ Gewiss hatten sie Recht, aber wenn sie mit Tabletten vollgepumpt war, konnte sie nichts mehr beaufsichtigen. Meine Meinung war, sie kennen ihre Patienten ganz genau und haben bestimmt eine Ahnung wer so etwas tun könnte. Aber sie wollten nach Möglichkeit nur jedem Ärger aus dem Weg gehen.

Ich hatte dort sehr viel erlebt, was wahrlich keine schönen Ereignisse waren, mehrere Patienten hatten versucht sich das Leben zu nehmen oder hatten plötzlich durchgedreht und sind auf andere Patienten oder Pfleger losgegangen oder hatten sich einfach selbst verletzt. Sie wurden dann ans Bett gefesselt, das heißt fixiert. Das hatte ich leider bei meiner Frau öfters mitansehen müssen. Meistens kam das bei einer Tablettenumstellung vor. Ich konnte das nicht ertragen, meine Frau so ans Bett gefesselt zu sehen. Sie sah in dieser Zeit ganz anders aus, als sonst, sie war ganz entstellt von den starken Tabletten, die sie eingenommen hatte. Danach hatte ich meistens, ein sehr langes Arztgespräch, das Hoffnung machte und meistens doch nichts brachte, als eine neue Tablettenumstellung, das hieß ein langer Aufenthalt in der Geschlossenen stand bevor, die alten Tabletten wurden erst abgebaut und die Neuen wurden Zeitgleich aufgebaut, bis der Tablettenspiegel stimmte und es ihr besser ging.

Immer wieder schöpfte man Hoffnung und immer wieder wurde man enttäuscht, wenn es dem Patienten nicht besser ging, als versprochen wurde. Beim Entlassen wurde dann oft gesagt: „Wenn die Tabletten weiter genommen werden, wird es sich noch richtig einpendeln, der Tablettenspiegel ist noch nicht konstant eingestellt, vielleicht muss man noch ein bisschen nachjustieren, das kommt öfters vor.“ Es war der nächste BKH Aufenthalt vorprogrammiert und ihre Freiheit dauerte nicht sehr lange. Ich konnte nie verstehen, warum meine Frau nie richtig mit den Tabletten eingestellt wurde, sie wurde ganz selten richtig eingestellt entlassen und wenn nicht, dann war der nächste große Ärger wieder vorprogrammiert.

Das habe ich dem BKH vorzuwerfen, das einfach oft viel zu schnell entlassen wurde, egal wie es ihr ging. Auch wenn ich dem Arzt gesagt hatte: „Meiner Frau geht es noch nicht so gut, sie kann nicht in diesem Zustand entlassen werden.“ Genau das Gleiche hörte ich auch, von anderen Angehörigen, aber wir konnten leider nichts ändern, nur hoffen, dass es irgendwann einmal besser werden würde.

Ich habe große Achtung vor den Leuten die in diesen geschlossenen Stationen arbeiten, obwohl ich dort eine verdammt lange Zeit, ein und ausgegangen war, ich könnte dort nicht arbeiten, ich würde das nicht lange durchhalten. Ich wäre dann bestimmt auch ein Patient in diesem Krankenhaus, in der Geschlossenen?

Gerade in den dunklen Jahreszeiten waren diese Abteilungen überfüllt und ich hatte den Eindruck, dass es jedes Jahr mehr Patienten werden. Das BKH baut immer wieder neue Gebäude dazu, geschlossene und offene Stationen. Werden immer mehr Menschen psychisch-krank?

Ich hatte in der geschlossenen Station nichts erreichen können und das wussten die Beschäftigten, egal was ich versuchte, das prallte an ihnen alles ab und es war nach ein paar Tagen wieder alles beim Alten, wenn es gegangen wäre, ich hätte gleich ein anderes Krankenhaus für meine Frau herausgesucht.

Kapitel 3

Ein sehr guter Arzt, Psychiater
und Psychologe

Meine Frau war nach einigen Suizidversuchen in der Geschlossenen gelandet und wir mussten ein Arztgespräch führen, wir kamen kurz darauf zu diesem Arzt. Er war verhältnismäßig, ein sehr junger Arzt, schon der erste Eindruck war sehr gut, er wirkte ruhig und sehr überlegt, ich hatte den Eindruck, er wusste ganz genau, was er sagte und machte. Er war ein sehr wichtiger Mann für meine Frau und das Leben mit dieser Krankheit.

Dieser Arzt wusste sehr genau, was er tat, er führte mit den Schwiegereltern lange Gespräche, was ihnen überhaupt nicht behagte, daraufhin bekamen sie von ihm Besuchsverbot, denn sie hatten ihre eigenen Tabletten mitgebracht und wollten ihm vorschreiben, welche Tabletten er verschreiben müsste und sie wollten ihre Tochter sofort mitnehmen. In dieser Hinsicht ließ er natürlich nicht mit sich reden und es hatte ja seine Konsequenzen.

Er war der Arzt, der feststellte, dass meine Frau Schizophren erkrankt war und nach einem sehr langen Aufenthalt in der Geschlossenen mit den richtigen Tabletten einstellte. Er entließ sie erst, als es ihr viel besser ging. Das war der einzige Arzt, der es fertiggebracht hatte, dass Brigitte sehr gut eingestellt das BKH verlassen hatte.

Dieser Arzt oder Psychiater hatte mit meiner Frau und mir, immer lange Gespräche geführt, was für Therapien sie machen sollte, was ihr guttun würde. Immer wollte er alles mit uns besprechen und er hatte mit allem ein gutes Händchen. Brigitte musste eine Bewegungstherapie machen, sie konnte jeden Tag schwimmen gehen. Eine Beschäftigungstherapie bekam sie auch verordnet. Sie musste einige kleine Ausflüge mit machen. Sie bekam einen kreativen Bastelkurs, der ihr sehr gut gefiel. Der Arzt schöpfte alles aus, was meine Frau machen konnte und wir hatten es zusammen zu einem sehr guten Ergebnis gebracht. Meine Frau war fast immer den ganzen Tag bis zum Ausgang beschäftigt, als ich sie dann abholte, hatte er für uns auch noch eine Therapie verordnet, zum Beispiel, Spazieren gehen, einen Ausflug machen u. s. w.

Dieser Arzt und Psychiater sagte einmal zu mir: „Um meine Frau optimal zu behandeln, müsste sie sehr weit weg, in ein anderes Krankenhaus, damit keine Angehörigen sie besuchen könnten, nur so kann sie richtig behandelt werden.“ Damals dachte ich mir: „Was soll das, das glaube ich nicht.“ Heute sehe ich das anders, nachdem ich einiges durchgemacht hatte, bin ich der Meinung: „Der Arzt hatte vollkommen Recht.“ Seine Meinung war: „Nur so könnten die Ärzte in Ruhe mit dem Patienten arbeiten, auf ihn eingehen, richtig mit ihm reden und daraufhin gut behandeln. Kein Angehöriger, Eltern, Ehepartner, Verwandter, Freunde könnten den Patienten somit beeinflussen und die Behandlung stören. Vielleicht könnten sie dann sogar später mit einer richtigen Psychotherapie beginnen und mit dem Patienten komplett durchziehen. Es wäre zwar für den Patienten sehr hart, total von allen, seinen lieben Angehörigen und Freunden isoliert, in ein weit entferntes Krankenhaus zu kommen, aber sehr wahrscheinlich hat er eine große Chance richtig therapiert zurückzukommen und vielleicht in ein normales Leben zurückzukehren. Er würde ein ganz anderer Mensch werden, selbstsicher, resoluter, konsequenter.“ Ich konnte es nicht verstehen, was der Arzt, meiner Frau und mir gesagt hatte, auch meine Frau sagte: „Was sollte das bringen, so weit weg, was soll dort anders sein, als hier.“ Meine Frau und ich denken heute ganz anders darüber und würden das machen was dieser Arzt verlangte.

Meine Frau hatte lange Zeit mit den Tabletten, ohne stationäre Aufnahme leben können. Aber diese Tabletten hatten Nebenwirkungen und darum bekam sie einen Darmverschluss, daraufhin kam sie ins Klinikum und danach wurde sie Stationär im BKH aufgenommen. Leider hatte der sehr gute Arzt, das Krankenhaus aus beruflichen Gründen