Die Autorinnen und der Autor
Kirsten Guthöhrlein ist Projektmitarbeiterin an der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau und Förderschullehrerin mit langjähriger Unterrichts- und Beratungserfahrung in integrativen und inklusiven Settings.
Désirée Laubenstein ist Professorin für Sonderpädagogische Förderung und Inklusion mit dem Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung an der Universität Paderborn.
Christian Lindmeier ist seit 01. April 2019 Univ.-Professor für Pädagogik bei Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung und Pädagogik im Autismus-Spektrum an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 2007 war er Professor für Grundlagen sonderpädagogischer Förderung an der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau.
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1. Auflage 2019
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-036453-0
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-036454-7
epub: ISBN 978-3-17-036455-4
mobi: ISBN 978-3-17-036456-1
Teamentwicklung und die Zusammenarbeit im Team ist im Rahmen einer kooperativen Berufskultur der Ausgangspunkt einer nachhaltigen, inklusiven Unterrichts- und Schulentwicklung. Die empirischen Erkenntnisse der Forschungsprojekte GeSchwind (Gelingensbedingungen des gemeinsamen Unterrichts an Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz) und GeSchwind Sek I (Gelingensbedingungen der inklusiven Schulentwicklung an Schwerpunktschulen der Sekundarstufe I in Rheinland-Pfalz) machen deutlich, dass es den Schulen durch Teamkooperation gelingt, den Unterricht für alle Lernenden wirksamer zu gestalten. Gleichzeitig wird durch die gemeinsame Unterrichtsplanung und -durchführung die Arbeitsbelastung der Lehrpersonen reduziert und ein Kompetenztransfer ermöglicht und gesichert.
Die Beispiele und Empfehlungen in diesem Praxisbegleiter Inklusion – Teamentwicklung und Teamkooperation basieren auf den Ergebnissen und Erkenntnissen des Forschungsprojekts GeSchwind, des Folgeprojekts GeSchwind Sek I und auf dem aktuellen Forschungsstand zur multiprofessionellen Kooperation in inklusiven schulischen Settings.
Als Forschungsprojekt, das sich der Akteursforschung zuordnet, stellte GeSchwind unter der Leitung von Prof. Dr. Désirée Laubenstein und Prof. Dr. Christian Lindmeier von 2011 bis 2015 die Perspektiven der Beteiligten (insbesondere Lehrkräfte, Pädagogisches Landesinstitut, Beraterinnen und Berater Inklusion, Bildungsadministration) in den Mittelpunkt der Forschungen. Das Forschungsprojekt GeSchwind Sek I, unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Lindmeier und Prof. Dr. Désirée Laubenstein, fokussiert seit 2015 auf Beispiele guter Praxis der Team- und Unterrichtsentwicklung, der Berufsorientierung und des Übergangs Schule-Beruf.
Mit diesem vorliegenden Praxisbegleiter Inklusion – Teamentwicklung und Teamkooperation möchten wir uns für Ihre Mithilfe beim Forschungsprozess bedanken, insbesondere bei den Schulleitungen, Lehrkräften, pädagogischen Fachkräften und Integrationshelferinnen und Integrationshelfern, die uns während unserer Evaluationen in Rheinland-Pfalz für vielfältige Gespräche zur Verfügung standen und uns Einblicke in ihre schulische Praxis ermöglicht haben. Wir möchten Ihnen so Ergebnisse und Erkenntnisse der Schwerpunktschulforschung für Ihre Praxis zurückspiegeln und zugänglich machen.
Gleichzeitig denken wir, auch wenn sich viele Angaben explizit auf das Bundesland Rheinland-Pfalz beziehen, dass diese Informationen ebenfalls für weitere Bundesländer eine hohe Relevanz besitzen. So zeigt sich in den letzten Jahren in fast allen Bundesländern eine Novellierung bestehender Schulgesetze mit Aufnahme des ›Bildungsauftrags Inklusion‹. Ebenfalls finden sich in den einzelnen Schulverordnungen der Länder spezifische Angaben zum Nachteilsausgleich für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf/Behinderung. Schulen aller Bundesländer verfügen über ein spezifisches Fortbildungsbudget, das unserer Meinung nach gut für die Gestaltung inklusiver Schulentwicklungsprozesse genutzt werden kann.
Nicht zuletzt verfügen alle Bildungsministerien (wie auch immer sie explizit in den einzelnen Bundesländern bezeichnet werden) über einen Bildungsserver, der wesentliche Informationen für Schulleitungen, Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte in den einzelnen Bundesländern bereit hält – den Beteiligten mit erweiternden Informationen oft auf einer Intranetplattform der Bildungsserver zugänglich.
In den einzelnen Bundesländern stehen den Schulen in der ein oder anderen Form Beratungs-, Unterstützungs- und Fortbildungsangebote zur Verfügung, sei es nun das Pädagogische Landesinstitut in Rheinland-Pfalz, auf das wir uns in diesem Praxisbegleiter Inklusion explizit beziehen, die Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule (QUA-LiS) in Nordrhein-Westfalen (https://www.qua-lis.nrw.de) oder die regionalen Kompetenzzentren in Niedersachsen (https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/schule/lehrkraefte/fort_und_weiterbildung/fort-und-weiterbildung-im-niedersaechsischen-schulwesen-6316.html) etc.
In jedem dieser beratenden Institutionen gibt es, wie wir es für Rheinland-Pfalz dargestellt haben, spezielle Ansprechpartner für Ihre Belange. Auch die erwähnten Beraterinnen und Berater Inklusion in Rheinland-Pfalz lassen sich beispielsweise in Nordrhein-Westfalen in Form von Inklusionsfachberaterinnen und Inklusionsfachberater finden.
So sind wir uns darüber bewusst, dass die Tipps, die wir Ihnen als ›Nicht-Rheinland-Pfälzer‹ in diesem Praxisbegleiter Inklusion – Teamentwicklung und Teamkooperation geben, Rheinland-Pfalz fokussieren, aber nicht ausschließlich exklusiv für dieses Bundesland gelten.
Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass es einige Mühen kostet, an gezielte Informationen zu bestimmten Fragen zu kommen – doch wir wissen auch: Die Suche lohnt sich, denn die Informationen eröffnen Schulen Freiräume in der Gestaltung ihres inklusiven Entwicklungsprozesses – eines Prozesses, bei denen wir Ihnen viel Engagement und Erfolg wünschen!
Landau, Paderborn und Halle-Wittenberg im April 2019
Kirsten Guthöhrlein |
Désirée Laubenstein |
Christian Lindmeier |
Im Zuge der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention und der inklusiven Weiterentwicklungen des rheinland-pfälzischen Bildungssystems haben die Aufgabenbereiche aller Lehrkräfte Veränderungen, Ausdifferenzierungen und Neujustierungen erfahren. Die Bedeutsamkeit der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Professionen zeigte Wocken bereits 1988 für den integrativen Unterricht auf. Das veränderte Arbeitsverständnis, professionelle Standards, Rituale und die Gestaltung des Bildungsangebotes sind nicht nur Aspekte inklusiver Bildung, sondern auch Inhalte der allgemeinen Diskussionen um Schulqualität (z. B. OECD-Studien, PISA etc.). Die multiprofessionelle Kooperation des gesamten schulischen Personals, insbesondere der Regel- und Förderschullehrkräfte, der pädagogischen Fachkräfte (PF) und der Schulleitungsmitglieder stellt eine zentrale Gelingensbedingung inklusiver Schulen dar (z. B. Baum et al. 2012; Laubenstein et al. 2015) und liefert die Antwort auf komplexe Aufgabenstellungen und Herausforderungen (Schley 2004).
»Der gemeinsame und individuell fördernde Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen (inklusiver Unterricht) ist eine allgemeinpädagogische Aufgabe aller Schulen« (Schulgesetz Rheinland-Pfalz 2014 § 14a).
Die Gestaltung des gemeinsamen Unterrichts in Schwerpunktschulen auf dem Weg zu einer inklusiven Schule erfordert eine lösungsorientierte Zusammenarbeit aller Regel- und Förderschullehrkräfte und der pädagogischen Fachkräfte, um eine optimale Förderung aller Schülerinnen und Schüler sicherzustellen und der Heterogenität und Vielfalt der Schülerschaft in der inklusiven Schule gerecht zu werden. Die Arbeit im Team eröffnet den Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften neue Perspektiven im Umgang mit unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen von Schülerinnen und Schülern und ermöglicht den kollegialen Austausch von Ideen und Lösungen.
Die Entwicklung eines »effektiven, gemeinsamen Unterrichts für alle Lernenden« gehört zu den »Kernaufgaben einer inklusiven Schule« (Wember 2013, 380). Bisherige empirische Befunde an rheinland-pfälzischen Schwerpunktschulen zeigen, dass eine ›kooperative Berufskultur‹ (vgl. Laubenstein et al. 2015) Ausgangspunkt einer nachhaltigen, inklusiven Unterrichts- und Schulentwicklung ist. Der Leitgedanke einer gemeinsam verantworteten Unterrichtsplanung und -durchführung erweist sich dabei als zentrale Voraussetzung gelingender inklusiver Praxis (vgl. hierzu auch Praxisbegleiter Inklusion – Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsgestaltung, Guthöhrlein, Lindmeier & Laubenstein, im Druck).
In der Praxis an Schwerpunktschulen der Sekundarstufe I ist die Kooperation aller Lehrenden eine entscheidende Gelingensbedingung inklusiver Prozesse. Ohne Lehrerkooperation und Teamarbeit stagnieren nicht nur die Prozesse; es ergeben sich vielmehr Hemmnisse für die Weiterentwicklung der inklusiven Schule, eine Verschlechterung der Unterrichtsqualität (vgl. hierzu z. B. Hattie 2009) und negative Auswirkungen für die Lehrergesundheit (z. B. Schaarschmidt & Kieschke 2013) und das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler (Guthöhrlein, in Vorbereitung).
Forschungsergebnisse zeigen, dass Kooperation, auch nach Einschätzung der Lehrkräfte selbst, eine zentrale Bedingung für das Gelingen inklusiver Prozesse darstellt und als Bereicherung, aber auch als erhebliche Schwierigkeit wahrgenommen wird (z. B. Lütje-Klose & Willenbring 1999a, 1999b; Serke et al. 2014; Lütje-Klose & Miller 2017). Potentiale der Schwerpunktschule bleiben ohne gelingende Kooperation der Lehrenden ungenutzt; die sich ergänzenden Kompetenzen von Regelschul- und Förderschullehrkräften liegen ohne Lehrerkooperation und Coteaching brach. Deshalb muss der Teamentwicklung und Teamkooperation an Schwerpunktschulen hohe Bedeutung zugemessen werden.
»Wir treffen uns jede Woche. Ja, und man muss auch mal ganz klar sagen, es ist natürlich auch ein Luxus, dass wir unsere Arbeitszeit außerhalb der Unterrichtszeit überwiegend flexibel einteilen können.«
(Regelschullehrkraft in einem Gruppeninterview an einer Schwerpunktschule der Sekundarstufe I)
Die pädagogische Arbeit mit Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf in Schwerpunktschulen ist eine