IMPRESSUM

BACCARA erscheint 14-täglich im CORA Verlag GmbH & Co. KG,

20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

 

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Cheflektorat:

Ilse Bröhl

Lektorat/Textredaktion:

Daniela Peter

Produktion:

Christel Borges, Bettina Schult

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,

Marina Grothues (Foto)

Vertrieb:

asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg

Telefon 040/347-29277

Anzeigen:

Christian Durbahn

Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

© 2009 by Harlequin Books S.A.

Originaltitel: „Taming the Texas Tycoon“

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

in der Reihe: DESIRE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: BACCARA

Band 1619 (14/2) 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Übersetzung: Ute Launert

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 07/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN-13: 978-3-942031-62-2

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

BACCARA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Aus Liebe zur Umwelt: Für CORA-Romanhefte wird ausschließlich 100% umweltfreundliches Papier mit einem hohen Anteil Altpapier verwendet.

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYLADY, MYSTERY,

TIFFANY HOT & SEXY, TIFFANY SEXY

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Katherine Garbera

Die Flammen der Leidenschaft

1. KAPITEL

„Brody Oil and Gas, Sie sprechen mit Kate“, sprach Kate Thornton ihren Begrüßungstext in den Telefonhörer, wie sie es täglich ungefähr fünfzig Mal tat.

„Hallo Katie-Girl, irgendwelche Feuer, die ich löschen muss?“, fragte Lance Brody am anderen Ende der Leitung.

„Hi Lance, wie war es in Washington DC?“, erkundigte Kate sich, während sie die Notizen auf dem Schreibtisch überflog. Ihr Chef war alles, was sie sich von einem Mann erträumte, zu ihrem großen Bedauern hatte er allerdings nie mehr in ihr als seine höchst zuverlässige persönliche Assistentin gesehen. Das war natürlich toll – wirklich. Schließlich war es auch das, wofür sie bezahlt wurde.

Kate hatte bei Brody Oil and Gas angefangen, kurz nachdem Lance und sein Bruder Mitch die erfolglose Raffinerie vor fünf Jahren übernommen hatten. Mittlerweile war es den beiden Brüdern gelungen, das Ruder herumzureißen und sogar Mitglieder des berühmten und angesehenen Texas Cattleman’s Club zu werden.

„In Washington war es heiß, und die Konferenzen waren endlos lang“, erwiderte Lance. „Gibt es neue Nachrichten für mich?“

„Ja, zwei. Sie sind zwar nicht besonders dringend, aber vielleicht möchten Sie sich ja trotzdem darum kümmern, bevor Sie wieder im Büro sind. Sebastian Huntington wollte etwas mit Ihnen wegen des TCC Geschäftes besprechen. Brauchen Sie seine Nummer?“

„Nein, die habe ich. Und die andere Nachricht?“

„Die ist von einer gewissen Lexi Cavanaugh. Mit dem Namen wusste ich nichts anzufangen, aber sie möchte, dass Sie sich bei ihr melden, sobald Sie wieder gelandet sind.“

„Das ist meine Verlobte“, erklärte Lance.

Kate erstarrte. Sie hörte zwar, dass Lance weitersprach, verstand aber nicht, was er sagte, weil es in ihren Ohren so laut rauschte. Seit Jahren war sie heimlich in diesen Mann verliebt, und jetzt fiel ihm nichts Besseres ein, als sich mit einer Frau zu verloben, deren Namen sie nie zuvor gehört hatte!

„Katie-Girl, sind Sie noch da?“, erkundigte Lance sich.

„Ja“, entgegnete sie. „Klar bin ich noch da. Das waren alle Nachrichten. Wann werden Sie im Büro sein?“

„Ich bin schon auf dem Weg, aber der Verkehr auf dem Highway 45 ist ziemlich dicht. Eine Sache noch“, fügte er hinzu.

Bitte mach, dass er mich nicht darum bittet, seine Verlobungsfeier zu organisieren, flehte sie im Stillen.

„Rufen Sie noch mal bei dem Caterer wegen des Barbecues am vierten Juli an? Wir wollen doch nicht, dass ausgerechnet am Unabhängigkeitstag irgendwas schiefgeht. Diese Party soll ein noch größerer Erfolg werden als die vom letzten Jahr.“

„Kein Problem“, krächzte Kate in den Hörer. Sie hatte keine Ahnung, wie sie in Zukunft täglich mit Lance zusammenarbeiten sollte, jetzt da sie wusste, dass sein Herz einer anderen Frau gehörte.

„Da ist jemand in der anderen Leitung“, log sie, um einen Vorwand zu haben, das Telefonat mit ihrem Chef möglichst schnell zu beenden.

„Okay, bis später dann“, hörte sie Lance sagen.

Nachdem Kate aufgelegt hatte, starrte sie auf den Computermonitor. Ihr Hintergrundbild war ein Foto, das sie, Lance und Mitch zeigte. Es war im Februar aufgenommen worden, unmittelbar nachdem die beiden Brüder von ihrer Aufnahme in den Millionärsclub erfahren hatten. Kate hatte eine Flasche Champagner gekauft, und sie hatten gemeinsam auf den Erfolg der Brodys angestoßen.

Damals war es in Ordnung für sie gewesen, dass Lance und Mitch in Kate lediglich ihre Assistentin gesehen hatten. Im Stillen hatte sie allerdings gehofft, dass Lance eines Tages ihre weibliche Seite, die sie hinter der Hornbrille und den weiten Pullovern verbarg, entdecken würde.

Leider war das aber nie passiert.

Sie beugte sich vor, um das Foto näher zu betrachten und musste sich eingestehen, dass sie selbst vielleicht nicht ganz unschuldig daran war. Ihr dichtes Haar hatte sie zu einem nachlässigen Zopf geflochten, und ihre Brille war, streng genommen, ein wenig zu groß für ihr Gesicht. Im vergangenen Jahr hatte sie enorm viel Gewicht verloren – über fünfunddreißig Kilogramm – und sich bisher nicht darum gekümmert, eine neue Brille für ihr nun schmaleres Gesicht zu kaufen. Auch ihre Kleidung war immer noch dieselbe wie vor ihrer Diät. Mittlerweile war sie nicht nur zu groß für sie, sondern auch etwas verblichen. Auf andere musste sie wie eine alte Jungfer wirken. Dabei war das nicht immer so gewesen. Während ihrer Kindheit und Jugend, die sie in Somerset, einem reichen Vorort von Houston verbracht hatte, war ihr schnell klar geworden, wie viel Wert man auf sein Äußeres legen musste, um die Aufmerksamkeit eines Mannes zu erregen. Allerdings hatte ihr Übergewicht dazu geführt, dass alles, was sie trug, irgendwie unschön an ihr aussah – und so hatte sie schließlich alle Versuche in diese Richtung aufgegeben.

Sie strich über Lance’ Gesicht auf dem Monitor und versuchte sich einzureden, dass es okay für sie war, dass er demnächst heiraten würde. Dass sie hier im Büro bleiben und weiterhin für die Liebe ihres Lebens arbeiten würde, während Lance sein eigenes Leben mit einer anderen Frau führte.

Aber sie wusste, dass sie das nicht konnte. Es gab nur einen Weg für sie, mit ihrem Leben glücklich zu sein – sie musste die Kontrolle darüber erlangen. Genauso, wie sie ihre Esslust unter Kontrolle gebracht und angefangen hatte, einen gesünderen Lebensstil zu verfolgen. Es gab nur einen einzigen Ausweg: Sie würde ihren Job bei Brody Oil and Gas kündigen.

Lance war nicht unbedingt in der besten Laune, wenn man bedachte, dass er sich gerade erst verlobt hatte. Für die meisten Männer wäre das ein Anlass zur Freude gewesen. Doch Lance heiratete nicht aus Liebe, sondern um die Zukunft von Brody Oil and Gas zu sichern. Als er und Mitch noch Kinder waren, wurden sie Zeugen des langsamen Niedergangs der Firma und schließlich auch der Träume ihres Vaters.

Doch dank Mitchs überlegter finanzieller Entscheidungen und Lance’ Fachwissen war es ihnen gelungen, das Ruder bei Brody Oil and Gas wieder herumzureißen.

Es war schon beinahe unheimlich, was für ein Glück sie bei der Entdeckung neuer Mineralvorkommen und ertragreicher Ölquellen hatten.

Lance war froh darüber, wieder zurück in Houston zu sein. Er hasste es, nicht in der Stadt zu sein, denn er mochte sein Leben hier, so wie es war. Er mochte die Gesellschaft seiner raubeinigen Ölarbeiter, er mochte die angenehme Nähe von Kate, und die Firma war wie ein Zuhause für ihn, wie er es bisher nirgendwo sonst gefunden hatte.

Nur wenige Menschen wussten, dass ihr alter Herr sein Vermögen versoffen hatte. Unter seiner daher rührenden Wut hatten besonders seine beiden Söhne zu leiden gehabt.

Nachdenklich rieb Lance sich den Nacken, als er den Truck in die Parklücke vor dem Firmensitz von Brody Oil and Gas manövrierte. Als er gerade aus dem Wagen ausstieg, klingelte sein Handy. Ein Blick auf das Display verriet ihm, dass es sein Bruder war.

„Hi Mitch! Was gibt’s?“, fragte er.

„Ich bleibe noch etwas länger in Washington. Wir wollen noch ein paar Einzelheiten wegen des Vertrages klären, der durch eure Verlobung zustande kommt“, erklärte sein Bruder.

„Okay. Bist du am Vierten wieder hier?“

„Klar.“

„Ich habe Lexi auch eingeladen, damit sie alle in der Firma kennenlernt“, sagte Lance.

„Gute Idee.“

„Du kennst meine zukünftige Frau wohl besser als ich“, fügte Lance hinzu. „Ich habe vor, ihr ein kleines Geschenk zu machen – sozusagen als Dankeschön dafür, dass sie in die Hochzeit eingewilligt hat. Soll ich Kate fragen, oder fällt dir was Passendes ein?“

Als sein Bruder daraufhin nicht antwortete, warf Lance einen prüfenden Blick auf das Display, weil er befürchtete, dass die Verbindung unterbrochen worden war – was allerdings nicht der Fall war.

„Na, wie auch immer, wenn du eine Idee hast, schick mir eine Mail, okay?“, schlug Lance schließlich vor.

„In Ordnung. Sag mal, wann willst du eigentlich Kate von deiner Verlobung erzählen?“

„Schon erledigt“, erwiderte Lance, während er auf das Firmengebäude zuging. „Warum fragst du?“

„Ach, einfach nur so“, antwortete Mitch.

„Meinst du, ich hätte lieber damit warten sollen, bis ich es in der ganzen Firma bekannt gebe?“, fragte Lance nach.

„Nein“, meinte sein Bruder. „Wir haben zu ihr ja ein anderes Verhältnis als zu unseren anderen Angestellten.“

„Stimmt. Was denkst du, soll ich Senator Cavanaugh anrufen, um mit ihm alles zu klären?“

„Das mache ich schon“, sagte Mitch. „Tu einfach das, was du sonst auch so machst.“

„Und das wäre?“, wollte Lance wissen.

„Malochen“, erwiderte sein Bruder.

Lance lächelte. Seit ihrer Kindheit war es immer Mitch gewesen, der für die Kopfarbeit zuständig gewesen war. Er selbst, Lance, hatte sich dagegen immer um die harte körperliche Arbeit und das Verhältnis zu den Angestellten gekümmert. Die beiden Brüder waren schon immer auf sich allein gestellt gewesen, ihre Eltern waren immer irgendwie mehr mit sich selbst beschäftigt.

„Klar, mach ich. Sehen wir uns Donnerstag?“

„Auf jeden Fall“, bestätigte Mitch.

Als er das Gebäude betrat, umfing ihn die kühle Luft der Klimaanlage. Jedes Mal, bevor er das Büro betrat, verharrte er einen Augenblick, als könnte er immer noch nicht so recht glauben, wie es seinem Bruder und ihm gelungen war, aus der heruntergewirtschafteten Firma wieder ein florierendes Unternehmen zu machen. In der Lobby warteten eine Menge Leute darauf, dass ihre Meetings begannen. Das Firmengebäude wurde außerdem von einem großen Stab von Sicherheitsleuten bewacht.

„Guten Tag, Mr. Brody“, grüßte ihn einer von ihnen.

„Guten Tag, Stan. Wie geht’s?“

„Gut, Sir. Schön, dass Sie wieder in Houston sind“, erwiderte Stan.

Lance nickte dem Mann zu, während er zum Fahrstuhl ging, der ihn in die Chefetage brachte. Auf der kurzen Fahrt wurde ihm bewusst, wie sehr er darauf brannte, sich wieder an die Arbeit zu machen. Washington DC war eine vollkommen andere Welt, in die er nicht so recht zu passen schien. Hier bei Brody Oil and Gas war alles anders: Er passte nicht nur hierher, er fühlte sich wie in seinem Königreich.

Als er sein Büro betrat, warf Kate ihm einen flüchtigen Blick zu. Seltsamerweise fiel ihr Begrüßungslächeln heute nicht ganz so herzlich wie sonst aus.

„Willkommen daheim, Lance. Steve aus der Finanzabteilung möchte Sie heute irgendwann einmal kurz sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass ich Sie erst fragen würde.“

„Kein Problem. Ich habe diesen Nachmittag keinen Termin.“

„Gut, dann kümmere ich mich darum.“

„Noch irgendwas, was ich wissen sollte?“

Kopfschüttelnd verneinte sie dies, und eine Strähne ihres dicken, dunklen Haars fiel ihr dabei ins Gesicht. Als sie zu ihm hochsah, schienen ihre schokoladenbraunen Augen noch größer als gewöhnlich. Er hatte sich schon ein paar Mal dabei erwischt, wie er sie fasziniert betrachtet hatte. Aber an so etwas brauchte er bei ihr gr nicht zu denken. Kate war nicht der Typ Frau, der sich auf eine Affäre einließ. Und Affären waren nun mal das Einzige, was er von Frauen gewollt hatte – bis zu seiner Verlobung, versteht sich. Er war kein Mann, der eine Frau heiratete, wenn er etwas für sie empfand. Am Beispiel seines Vaters hatte er gesehen, dass die männlichen Brodys kein allzu glückliches Händchen mit dem weiblichen Geschlecht hatten. Sie erwarteten von ihren Geliebten vollkommene Hingabe – oder sie wurden hoffnungslos eifersüchtig. Lance selbst hatte diese Erfahrung als Achtzehnjähriger mit April, seiner Freundin auf der Highschool, gemacht.

„Lance?“ Kates Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

„Hm?“

„Haben Sie gehört, was ich eben gesagt habe?“

„Nein“, gestand er kopfschüttelnd. „Ich bin in Gedanken noch bei der Reise nach Washington gewesen.“

Kate biss sich auf die Lippen und senkte den Blick.

„Was ist denn, Katie-Girl, liegt Ihnen was auf dem Herzen?“

„Ja“, bestätigte seine Assistentin. „Kann ich ein paar Minuten mit Ihnen in Ihrem Büro sprechen?“

„Klar“, entgegnete er. „Wann? Jetzt gleich?“

„Ja, je früher, desto besser, denke ich.“

„Kommen Sie rein“, forderte er sie auf.

Sie stand auf und nahm noch etwas aus dem Drucker, bevor sie vor ihm in sein Büro ging. Lance konnte nicht umhin, ihren Hüftschwung zu bewundern. Auch entging ihm nicht, wie ihr langer Rock ihre Waden umspielte. Warum fiel ihm gerade jetzt auf, dass sich unter all diesen hässlichen Klamotten eine so hübsche Frau verbarg?

Kate war schon viele Male in Lance’ Büro gewesen, doch heute war sie nervös und fühlte sich unbehaglich. Sie war fest entschlossen zu kündigen und würde ihre Meinung auf gar keinen Fall ändern.

Na ja, so ganz stimmte das nicht, denn eigentlich schwankte sie zwischen der Entscheidung, wirklich ein für alle Mal zu gehen und der Möglichkeit, doch zu bleiben, um Lance wenigstens weiterhin so wie bisher jeden Tag sehen zu können.

Doch war nicht einer ihrer Gründe für ihre Gewichtsabnahme gewesen, dass sie es leid war, immer nur anderen dabei zuzusehen, wie sie ihr Leben lebten und glücklich wurden, nur um dann abends allein in ihr leeres Houstoner Reihenhäuschen zurückzukehren?

Die Einsamkeit hatte ihr schließlich so zugesetzt, dass sie ernsthaft überlegt hatte, sich eine Katze anzuschaffen. Doch den Gedanken hatte sie schnell wieder fallen lassen. Sie wollte schließlich nicht so enden wie ihre Großtante Jean – eine unverheiratete Frau, über die sich in Kates Jugendzeit immer alle gern lustig gemacht hatten.

„Worüber wollen Sie denn reden?“, unterbrach Lance’ Stimme ihre trüben Gedanken. Er lehnte lässig an seinem Schreibtisch und streckte seine langen Beine aus.

Für eine Weile starrte sie ihn nur wortlos an. Wie sollte sie jemals über ihn hinwegkommen?

„Ich habe über meinen Job nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich … dass ich mir eine neue Herausforderung außerhalb von Brody Oil and Gas suchen sollte“, erklärte sie zögernd.

„Was?“ Lance sprang auf. „Warum ausgerechnet jetzt? Wir brauchen Sie, Katie-Girl!“

Katie-Girl … Wenn er sie so nannte, kam sie sich wie eine Fünfjährige vor. Was für ein alberner Spitzname. Aber das hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Schließlich hatte sie sich nie dagegen gewehrt, dass er sie so nannte. Stattdessen hatte sie sich damit zufriedengegeben, auf diese Weise wenigstens ein bisschen Aufmerksamkeit vom Mann ihrer Träume zu bekommen.

„Das ist es ja gerade, Lance. Sie brauchen mich nicht wirklich. Als Sie mich eingestellt haben, ja, das war etwas anderes. Jetzt könnte meine Arbeit von jedem qualifizierten Büroleiter übernommen werden. Das wissen Sie genauso gut wie ich.“

„Das war aber schon die letzten zwei Jahre der Fall. Warum wollen Sie uns ausgerechnet jetzt verlassen?“

Verlegen zuckte sie mit den Schultern, denn sie hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, dass Lance sich für ihre Beweggründe interessieren würde. „Es scheint einfach eine gute Gelegenheit zu sein, sich zu verändern. Hier läuft alles bestens, Sie sind verlobt, und Mitch verbringt immer mehr Zeit in Washington. Jemand Neuem wird es nicht besonders schwerfallen, sich hier einzugewöhnen.“

Er rieb seinen Nacken. „Was ist los, Katie? Habe ich irgendwas falsch gemacht?“

„Nein, natürlich nicht. Es liegt an mir, Lance. Ich bin hier schon so lange, weil es so bequem für mich ist. Aber so kann man sich beruflich einfach nicht weiterentwickeln.“

„Darum geht es also? Das ist doch kein Problem, dann befördern wir Sie einfach“, erwiderte er.

„Vielen Dank für das Angebot, aber ich kann es nicht annehmen“, lehnte sie ab. „Es ist endlich an der Zeit für mich, mir eine neue Herausforderung zu suchen.“

Natürlich war Kate versucht, zu allem, was Lance vorschlug, Ja und Amen zu sagen – aber sie durfte nicht vergessen, dass er bald ein verheirateter Mann sein würde. Wenn sie dann immer noch hier war … das wäre das Dümmste, was sie tun konnte.

„Bleiben Sie wenigstens so lange, bis ich eine Nachfolgerin für Sie habe?“, erkundigte Lance sich.

Weil es nur fair war, das zu tun, stimmte sie zu. „Natürlich, keine Frage.“

„Danke, dass Sie das machen.“

„Hier ist übrigens meine Kündigung. Ich bin dann wieder an meinem Schreibtisch, falls noch irgendwas sein sollte.“

Als sie sich umdrehte, um das Büro zu verlassen, kam sie sich vor, als würde sie davonrennen. Vielleicht sollte sie doch bei Brody Oil and Gas bleiben und versuchen, das Verhältnis zwischen ihr und Lance zu ändern. Aber wie sollte sie das bloß anstellen?

Nachdem Lance ihr von der Verlobung mit Lexi Cavanaugh erzählt hatte, hatte Katie den Namen gegoogelt und einiges über sie herausgefunden. Mit einer Frau wie Lexi würde sie es niemals aufnehmen können.

„Kate?“

„Ja, Lance?“

„Ich hätte gerne eine Torte anlässlich meiner Verlobung mit Lexi bei unserem Fest am Unabhängigkeitstag. Könnten Sie bei einem Konditor eine in Auftrag geben?“

„Klar, mache ich“, erwiderte sie. Spätestens jetzt gab es keinen Zweifel mehr: Es war wirklich an der Zeit, Brody Oil and Gas zu verlassen. Plötzlich fiel ihr auf, dass sie sich mit Lance noch gar nicht weiter über ihre Kündigung unterhalten hatte.

„Ich bleibe noch zwei Wochen, okay?“, schlug sie vor.

„Aber vielleicht dauert es länger, bis ich einen Ersatz für Sie gefunden habe“, wandte er ein.

„Ich werde versuchen, innerhalb der nächsten zwei Wochen jemanden zu finden“, versicherte sie ihm.

„Habe ich Sie irgendwie verärgert, Katie? Sie wissen doch, manchmal verhalte ich mich wie ein ungehobelter Klotz“, sagte er lächelnd.

Mühsam widerstand sie der Versuchung, erneut seinem jungenhaften Charme zu erliegen, den er so mühelos hervorzaubern konnte, wenn er ihn brauchte. Das war es doch gerade, was sie an ihm so sehr mochte: Er hatte Ecken und Kanten und war nicht so ein durchgestylter Businesstyp wie sein jüngerer Bruder Mitch. Deshalb hatte sie sich in ihn verliebt. Im Grunde seines Herzens war Lance ein guter alter texanischer Junge, so wie es Kates Daddy und ihre Brüder waren. Genau der Typ Mann, der wusste, wie man eine Frau um den Finger wickelte.

Lance hatte sich nicht einmal besonders anstrengen müssen, um bei Kate zu landen. Jetzt wurde ihr allerdings schlagartig klar, dass er diesen Charme immer dann einsetzte, wenn es ihm nutzte.

Er gehörte zu dem ausgebufften Millionär genauso wie seine Tausend-Dollar-Cowboystiefel und die Millionenvilla, die er besaß. Es schien fast so etwas wie eine Strategie zu sein.

„Nein, Lance. Sie haben nichts anderes gemacht, als mich wie Ihre Sekretärin zu behandeln.“

„Ist das ein Problem für Sie?“, fragte er und warf ihr einen aufmerksamen Blick zu.

„Überhaupt nicht. Aber das ist alles, was ich für Sie bin, und ich möchte nun mal mehr.“

Mit diesen Worten verließ sie das Büro und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Eigentlich hätte sie den ganzen Tag in der Firma bleiben müssen, aber sie hielt es nicht mehr aus, sie musste raus, weg von diesem Ort. Es war ihr auch egal, dass sie wie ein Feigling wirkte, der davonlief. Unten auf dem Parkplatz klappte sie das Verdeck ihres Roadsters nach unten, um aus Houston herauszufahren und Brody Oil and Gas hinter sich zu lassen. Sie wünschte nur, sie könnte ebenso einfach ihre Gefühle für Lance Brody im aufwirbelnden Staub hinter sich zurücklassen.

2. KAPITEL

Lance verschlug es die Sprache, weil Kate nicht einfach nur aus seinem Büro gegangen war, sondern gleich auch noch das Firmengebäude verlassen hatte. Irgendetwas war ihm wohl entgangen – nur was? Was hatte sie damit gemeint, mehr sein zu wollen als seine Sekrtärin?

Er wollte ihr folgen, wusste jedoch nicht, wohin sie gefahren sein könnte. Normalerweise war Kate immer schon im Büro, wenn er morgens kam und blieb, bis er wieder nach Hause fuhr. Wie sollte er bloß ohne sie zurechtkommen? Kate war mehr als nur seine Sekretärin – in seinem Büro war sie die wichtigste Person, sie war es, die dafür sorgte, das alles in geregelten Bahnen verlief – Lance mit eingeschlossen.

„Verdammt“, sagte er laut. Aber er wäre sicher nicht dort, wo er war, wenn er Vorfälle wie diese einfach auf sich beruhen lassen würde. Auf seinem Telefon drückte er die Kurzwahltaste mit Kates Handynummer.

„Ich kann jetzt nicht reden, Lance“, sagte sie kurz angebunden.

„Dann fahren Sie an den Straßenrand und benutzen Sie das Headset, das ich Ihnen gegeben habe. Sie können doch nicht einfach so wegfahren und dann erwarten, dass ich mich damit abfinde.“

„Warten Sie“, erwiderte sie, und er hörte, wie sie herumkramte und leise fluchte, bevor sie nach einer Weile wieder in der Leitung war. „Worüber möchten Sie mit mir reden?“

„Darüber, wie Sie eben von hier geflohen sind.“

„Es tut mir wirklich leid“, beteuerte sie. „Das war nicht sehr professionell, aber ich hätte heute sowieso nichts mehr auf die Reihe bekommen.“

„Okay, das versteh ich. Wollen Sie mir nicht erzählen, was mit Ihnen los ist?“

„Nein. Für Sie wäre es nur unangenehm, und ich würde mir vollkommen idiotisch vorkommen.“

Das hörte sich gar nicht gut an. „Kate, wenn ich irgendetwas gemacht haben sollte, bitte, sagen Sie’s einfach. Ich entschuldige mich, und wir können wieder weitermachen wie bisher.“

„Nein, das können wir bestimmt nicht“, entgegnete sie traurig. Er wünschte, sie würde ihm jetzt hier gegenübersitzen, sodass er ihren Gesichtsausdruck sehen könnte. Kate hatte die ausdrucksvollsten Augen, die er je bei einer Frau gesehen hatte.

„Ach, das können Sie doch gar nicht wissen, bevor wir miteinander geredet haben“, sagte Lance bestimmt. Er würde das Problem mit Kate aus der Welt schaffen – er konnte es sich einfach nicht leisten, sie zu verlieren. „Wo sind Sie jetzt gerade?“

„Auf der Autobahn Richtung Somerset.“

„Fahren Sie zu Ihren Eltern?“, erkundigte er sich. Immerhin wusste er, dass Kate in Somerset, einem wohlhabenden Vorort Houstons, aufgewachsen war. Er selbst besaß ein Haus dort.

„Ja, wahrscheinlich schon. Um ehrlich zu sein, seitdem ich aus der Firma raus bin, bin ich einfach nur gefahren, ohne richtig zu wissen, wohin.“

„Katie-Girl …“

„Bitte nennen Sie mich nicht so, Lance. Das hört sich so an, als wäre zwischen uns mehr als die Beziehung zwischen Chef und Sekretärin. Aber das ist nicht so.“

Zwischen zusammengebissenen Zähnen stieß er einen Fluch aus. „Aber wir haben doch eine Beziehung, Kate – wir sind Freunde, und das schon seit vielen Jahren.“

„Sind wir denn wirklich Freunde?“

„Natürlich! Wir sind sogar mehr als Freunde – Sie gehören zu Mitchs und meiner Familie. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was mein Bruder und ich ohne Sie machen sollen, Kate.“

„Kate?“, fragte er, als sie nicht reagierte.

„Ich möchte nicht mehr darüber sprechen, Lance. Wahrscheinlich sieht es aus, als ob … wie sieht es denn Ihrer Meinung nach aus?“

„Es sieht danach aus, als ob Sie wegen etwas, was ich gesagt habe, verärgert sind. Hören Sie, Kate, was immer es auch ist, ich werde es wieder geradebiegen. Das wissen Sie doch.“

„Nein, dieses Mal nicht.“

„Kate, nennen Sie mir ein Problem, das ich bisher nicht aus der Welt geschafft habe!“

„Lance …“ Allmählich wurde ihr Protest schwächer, genau wie er es sich gedacht hatte. Beharrlich ignorierte er das Klingeln in der anderen Leitung seines Telefons.

„Ja, Kate?“

„Ich weiß nicht, ob ich mit Ihnen darüber reden kann. Es ist mir peinlich, dass Sie eine so große Sache daraus machen“, sagte sie.

Was ihm zuerst an Kate aufgefallen war, war ihre Stimme, die immer sanft und angenehm klang – selbst, wenn sie wütend wurde. Was allerdings nur sehr selten vorkam.

„Warum kommen Sie nicht in die Firma zurück, und wir reden über alles?“, schlug Lance vor.

„Das können wir auch morgen noch machen. Ich muss erst einmal eine Nacht darüber schlafen, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen.“

Lance war klar, dass er so schnell wie möglich mit Kate über ihr Problem sprechen musste. Sie würde problemlos einen anderen Job bekommen, in dem sie genauso viel verdiente wie bei Brody Oil and Gas – aber er brauchte sie.

In der anderen Leitung begann es wieder zu klingeln, und der Signalton seines Handys verriet ihm, dass er soeben eine Nachricht von Frank Japlin erhalten hatte, der ihre wichtigste Raffinerie leitete.

„Kate, könnten Sie eine Minute warten?“

„Wieso? Was ist los?“

„Ich muss einen Anruf von der Raffinerie entgegennehmen“, erklärte er.

„Okay“, versprach sie.

Er legte sie in die Warteschleife und nahm den anderen Anruf an. „Brody.“

„Frank hier. Es brennt in der Raffinerie, und ich glaube, Sie sollten so schnell wie möglich hierher kommen.“

„Haben Sie schon die Feuerwehr gerufen?“

„Gleich als Erstes. Aber so einen Brand wie den hier hatten wir noch nie.“

„Ich stecke hier gerade mitten in einem anderen Notfall“, betonte Lance.

„Das Feuer hat großen Schaden angerichtet. Und ich habe mitbekommen, dass die Sachverständigen glauben, dass es vielleicht keine natürliche Brandursache war“, erklärte Frank.

Na, ganz große Klasse, dachte Lance sarkastisch, das war ja genau das, was ihm heute noch gefehlt hatte. „Versuchen Sie, so viel wie möglich rauszufinden, Frank. Ich rufe in etwa fünfzehn Minuten wieder an.“

„Okay, Boss“, bestätigte der Leiter der Raffinerie und legte auf.

Besorgt rieb Lance sich den Nacken. Der Hurrikan im vergangenen Jahr hatte ihnen schon schwer genug zugesetzt. Da konnte er weitere Schäden durch das Feuer wirklich nicht gebrauchen.

Kate musste jetzt unbedingt wieder zurück auf ihren Posten – sie würde Lance dabei helfen, das Chaos wieder zu bereinigen. Die Presse musste benachrichtigt werden, außerdem die Familien der Arbeiter und die Versicherungsgesellschaft. Aber Kate war nicht mehr in der Leitung. Offenbar hatte sie einfach aufgelegt.

Der Tag lief bis jetzt richtig bescheiden.

Während Kate am Telefon darauf wartete, dass Lance wieder mit ihr sprach, wurde ihr plötzlich klar, dass sie in ihrem Leben schon zu viel Zeit mit Warten verbracht hatte. Lance war verlobt – und nichts, was er sagen oder tun konnte, würde sie dazu bringen, weiterhin bei Brody Oil and Gas zu bleiben. Also legte sie auf und fuhr weiter. Zwar war es bestimmt nicht die beste aller Ideen, ihre Familie zu besuchen. Ihre Mutter würde wieder predigen, dass es kein Wunder war, dass Kate noch immer Single war, wenn sie sich nicht schminkte und immer in diesen weiten Sachen herumlief. Wollte sie sich das wirklich antun?

Auf der anderen Seite wollte sie aber auch nicht den Abend allein bei sich zu Hause verbringen. Sie brauchte jetzt einen guten Rat – und den würde sie sicher bei ihrer besten Freundin Becca Huntington bekommen. Becca würde sie bedauern und in ihrer Entscheidung bestärken. Oder?

Sie wählte die Nummer von Beccas Dessousladen in Somerset, der den bezeichnenden Namen Sweet Nothings trug.

„Sweet Nothings. Hallo?“

„Becca, ich bin’s, Kate.“

„Hallo! Wie läuft es so in der großen Stadt?“, wollte Becca wissen.

„Furchtbar.“

„Was? Wieso?“

„Lance hat sich verlobt.“

Daraufhin sagte Becca erst einmal nichts. Na großartig, dachte Kate, jetzt glaubt sogar meine beste Freundin, dass ich die totale Verliererin bin.

„Oh, Schätzchen“, meldete Becca sich nach einer Weile. „Das tut mir ja so leid. Ich habe gar nicht gewusst, dass er sich regelmäßig mit jemandem trifft.“

„Das hat er auch nicht.“

„Bist du wirklich sicher, dass er verlobt ist? Lance scheint mir eigentlich nicht der Typ Mann zu sein, der sich so leichtfertig in eine Beziehung stürzt.“

Das stimmte – Lance war weder leichtfertig noch hatte er sich jemals auf eine ernsthafte Beziehung mit einer seiner zahlreichen Affären eingelassen. Bisher jedenfalls nicht.

„Wie heißt sie denn?“, wollte Becca wissen.

„Lexi Cavanaugh“, antwortete Kate.

„Etwa die Tochter von Senator Cavanaugh?“

„Ja, genau die.“

„Macht er das vielleicht aus politischen Gründen?“, fragte Becca.

„Ich weiß es nicht. Und es interessiert mich auch nicht mehr. Ich habe heute gekündigt“, teilte Kate ihr mit.

„Was hast du gemacht?“, erkundigte Becca sich ungläubig.

„Hätte ich das lieber nicht machen sollen? Ich bin so verwirrt, ich weiß einfach nicht mehr weiter“, gestand Kate. Sie hatte immer gehofft, dass Lance irgendwann bemerken würde, dass sie mehr für ihn empfand, aber seine Verlobung hatte all ihre Träume zerplatzen lassen.

„Vielleicht war es nicht ganz so schlau. Du hast immerhin die ganze Zeit für ihn geschwärmt“, räumte Becca ein.

Kate holte tief Luft. „Es ist mehr als das – ich liebe ihn.“

Zum ersten Mal hatte sie diese Worte laut ausgesprochen. Doch jetzt war es offensichtlich zu spät dafür.

„Oh, Kate“, seufzte Becca mitleidig.

„Ihm ist noch nicht einmal aufgefallen, dass ich eine Frau bin“, jammerte Kate.

„Das lässt sich ändern“, meinte ihre Freundin.

„Wie denn?“

„Komm zu mir in den Laden, und ich verpasse dir einen Imagewechsel.“

„Glaubst du, das ist so eine gute Idee? Weißt du noch, was beim letzten Mal passiert ist, als wir das versucht haben?“

Kate hatte sich mit dem Make-up und den Klamotten, die Becca ihr empfohlen hatte, so unwohl gefühlt, dass sie geradewegs nach Hause gefahren war, um das Zeug wieder loszuwerden. Ihre alten Sachen waren immer so eine Art Schutzschild für sie gewesen. Aber vielleicht war genau das der Fehler?

„Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll“, sagte sie verzweifelt.

„Das kannst nur du allein entscheiden. Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mir eine neue Frisur verpassen lassen und ein paar neue Klamotten kaufen – und dann nach einer neuen großen Liebe Ausschau halten.“

„Ich muss aber noch zwei Wochen für Lance arbeiten“, gestand Kate.

„Warum das denn?“

„Na, ich konnte wohl schlecht kündigen und alles stehen und liegen lassen, oder?“, erklärte Kate.

„Um so besser“, erwiderte Becca. „Dann kannst du als Traumfrau im Büro aufkreuzen und danach einfach gehen. Das ist gut für dein Selbstwertgefühl, glaub mir.“

Würde sie sich wirklich besser fühlen, wenn sie zu Brody Oil and Gas zurückkehrte und mehr wie eine Frau und weniger wie die unscheinbare Assistentin aussah?

„Okay, ich komm rüber zu dir in den Laden“, entschied Kate.

„Schön, dann reden wir, wenn du hier bist. Ich stell schon mal den Weißwein kalt.“

„Danke, Becca.“

„Wofür denn?“

„Dafür, dass du da bist. Mir zuhörst. Und nicht denkst, dass ich total verrückt bin.“

„Warum sollte ich das? Ich war auch schon mal verliebt und weiß, wie das ist.“

Kate schluckte. „Ich aber nicht. Lance ist der erste Mann, für den ich so fühle.“

„Und in der Highschool? Warst du denn da nie verliebt?“, fragte Becca erstaunt.

„Ein, zwei Typen habe ich natürlich auch schon mal angehimmelt“, gestand Kate. Sie war froh darüber, eine Freundin wie Becca zu haben, der sie sich anvertrauen konnte. Seit ewigen Zeiten waren sie beide nun schon miteinander befreundet – Becca war immer wie eine Schwester für sie gewesen und hatte Kate stets so akzeptiert, wie sie war. Ganz anders sah es allerdings bei Kate zu Hause aus: Ihre Brüder neckten sie fortwährend, und ihre Mutter war sowieso nie einverstanden mit dem, was ihre Tochter machte. „Aber das war was anderes. Frag mich nicht, warum, aber Lance Brody war für mich schon immer jemand Besonderes.“

„Das weiß ich – ich habe noch nie jemanden so viel über einen anderen Menschen reden hören wie dich.“

„Gott, bin ich etwa eine Nervensäge?“, fragte Kate besorgt.

Als Becca laut loslachte, musste Kate lächeln.

„Quatsch, du bist keine Nervensäge – du bist verliebt. Es tut mir leid, dass er nicht der Mann zu sein scheint, für den du ihn gehalten hast“, beruhigte Becca ihre Freundin.

„Na ja, vielleicht ist er doch der Mann, aber eben nicht für mich.“

„Wahrscheinlich“, stimmte Becca ihr zu. „Wann bist du hier?“

„In etwa zwanzig Minuten. Ich bin einfach Hals über Kopf von der Arbeit weg, ohne etwas zu sagen.“

„Das hört sich ganz danach an, dass du jetzt für Neues offen bist“, meinte Becca.

„Wie kommst du darauf?“, fragte Kate erstaunt.

„Weil du endlich mal rebellierst.“

Darüber dachte Kate eine Weile nach, bevor sie antworte. „Ich glaube, du hast recht. Vielleicht hat Lance’ Verlobung ja auch was Gutes für mich.“

„Da würde ich drauf wetten. Auch wenn es hart ist, dass deine Liebe unerwidert bleibt, aber danach wirst du stärker sein.“

Nachdem Kate aufgelegt hatte, fuhr sie weiter Richtung Somerset, ohne an Lance oder Brody Oil and Gas zu denken. Stattdessen konzentrierte sie sich auf sich selbst und die neue Frau, die sie im Begriff war zu werden. Es war allerhöchste Zeit, dass sie sich endlich änderte.

Die Luft in der Raffinerie war heiß und hing voller Rauch. Es dauerte fast drei Stunden, bis die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle bekommen hatte. Frank war damit beschäftigt, die Lokalpresse zu informieren, und Lance hinterließ seinem Bruder eine Nachricht auf seiner Mailbox.

Dann wandte er sich an Frank: „Was gibt es Neues?“

„Wir haben vier Verletzte.“

„Haben Sie bereits die Angehörigen informiert?“

„Natürlich. Sie sind jetzt im Krankenhaus in der Notaufnahme. JP hat mit den Angehörigen geredet und ihnen zugesagt, dass es keine Probleme mit der Krankenversicherung und so weiter geben wird. Außerdem soll er mich auf dem Laufenden darüber halten, wie es unseren Männern geht“, antwortete Frank.

„Gut. Kann man schon etwas darüber sagen, ob wir den Betrieb einstellen müssen?“

Nachdenklich rieb Frank sich über seinen lichter werdenden Haaransatz. „Wir wissen erst mehr, wenn wir mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr gesprochen haben.“

„Und wann wird das sein?“, fragte Lance.

„Ich hoffe, bald.“

„Haben Sie die Ölzufuhr zur Raffinerie unterbrochen?“

„Das war das Erste, was wir gemacht haben. Wir haben uns ganz genau an das Notfallprotokoll gehalten. Ich glaube, Sie sollten ein paar Belobigungen aussprechen: Ein paar der Leute haben sich mächtig ins Zeug gelegt und tüchtig angepackt – mehr, als sie eigentlich hätten machen müssen.“

„Okay, das ist toll. Geben Sie mir am besten eine Namensliste“, entgegnete Lance, als sein Handy klingelte. Ein Blick auf das Display zeigte ihm, dass es Mitch war.

„Ich versuch mal, mit dem Brandmeister zu sprechen“, meinte Frank und ging.

„Wir haben ein Feuer hier in der Hauptraffinerie“, berichtete Lance seinem Bruder.

„Sind alle okay? Wie schlimm ist der Schaden?“

Lance unterbrach ihn: „Glaubst du, dass der Senator uns jetzt nicht mehr die zusätzlichen Bohrgenehmigungen erteilen wird?“

„Nicht, wenn ich ein Wörtchen mitzureden habe. Ich fahre gleich in sein Büro“, versprach Mitch.

„Ich bekomm das hier schon in den Griff“, versicherte Lance seinem Bruder. „Nachher gebe ich eine Pressekonferenz, um der Öffentlichkeit zu versichern, dass alles wieder läuft und wir immer noch im Geschäft sind.“

„Klingt gut. Ich melde mich wieder bei dir, sobald ich mit dem Senator gesprochen habe.“

Nachdem Lance aufgelegt hatte, überlegte er, was er noch tun konnte. Die Angestellten hatten sich auf einer Seite des Gebäudes versammelt und warteten gespannt auf Neuigkeiten. Falls die Raffinerie, die täglich 67.000 Barrel Öl förderte, die Pforten schließen musste, würden all diese Leute ihre Arbeit verlieren. Ihre Gewinnbeteiligung könnten sie auch vergessen.

Lance wählte Kates Nummer. In solchen Notfällen waren bei ihr immer alle Informationen zusammengelaufen und von ihr weitergeleitet worden, wenn Lance nicht im Büro sein konnte. Doch sie hatte die Mailbox ihres Handys eingeschaltet, und ihm wurde plötzlich bewusst, dass sie es anscheinend ernst damit meinte, die Firma zu verlassen.

„Hier ist Lance“, sprach er auf den Anrufbeantworter. „Kate, ich brauche Ihre Hilfe. Wir hatten ein Feuer in der Hauptraffinerie. Rufen Sie zurück, sobald Sie diese Nachricht bekommen.“

Kate war die Einzige seiner Büromitarbeiter, der Lance zutraute, bei dem Chaos, das durch den Brand ausgebrochen war, die Ruhe zu bewahren und umsichtig und effizient wie immer zu arbeiten. Vermutlich war es langsam an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie er in Zukunft ohne Kates Hilfe auskommen sollte. Er rief den Leiter seiner Finanzabteilung an und bat ihn, jede freie Sekretärin als Aushilfe zur Verfügung zu stellen. Anschließend verfasste er ein kurzes Memo auf seinem BlackBerry und schickte es an alle Mitarbeiter. Er brachte seine Angestellten auf den neuesten Stand und teilte ihnen mit, dass lediglich er selbst befugt war, mit den Medienvertretern zu sprechen.

Frank, der beim Brandmeister stand, winkte ihn zu sich herüber. „Lance Brody, das hier ist Chief Ingle“, stellte er die beiden Männer einander vor.

„Danke, dass Sie das Feuer so schnell in den Griff bekommen und das Schlimmste verhindert haben.“ Lance schüttelte herzlich Ingles Hand.

„Gern geschehen – ist ja schließlich unser Job“, erwiderte Ingle.

„Klar, trotzdem bin ich Ihnen dankbar. Gibt es neue Erkenntnisse?“, fragte Lance den Feuerwehrmann.

„Zuerst sind wir davon ausgegangen, dass eine Explosion die Ursache für das Feuer gewesen sein könnte“, erklärte Chief Ingle. „Aber die Männer, die sich in der Nähe der Stelle befanden, an der das Feuer ausgebrochen ist, haben nichts Verdächtiges gehört.“

„Merkwürdig“, meinte Lance. „Wie könnte es denn sonst entstanden sein?“

„Ich habe bereits unser Ermittlerteam damit beauftragt, eine umfassende Untersuchung des Geländes vorzunehmen. Aber einer unserer Männer glaubt, Kanister mit Brandbeschleuniger gesehen zu haben.“

„Was für einen Brandbeschleuniger?“

„Bis jetzt wissen wir noch nichts Genaues, ich wollte Ihnen nur mitteilen, was wir im Augenblick vermuten. Ich habe unserem Mitarbeiter, der sich mit vermuteten Fällen von Brandstiftung beschäftigt und seinem Team Bescheid gegeben – die Männer müssten bald hier eintreffen.“

„Okay. Dann muss ich die Versicherungsgesellschaft darüber informieren. Die wollen sicher mit Ihren Experten zusammenarbeiten.“

Chief Ingle nickte. „Ja, das machen die immer so.“

Für die Versicherungsgesellschaft war die Erforschung von Brandursachen ein Routinevorgang – Lance wollte aber auch jemanden dabeihaben, der die Interessen von Brody Oil and Gas vertrat. „Ist es in Ordnung, wenn ich ein eigenes Sicherheitsteam zusammenstelle, das an der Ermittlung teilnimmt?“

„Eigentlich sehen wir es lieber, wenn sich nicht noch mehr Leute an den Untersuchungen beteiligen“, gestand Chief Ingle.

„Darius steht Ihnen bestimmt nicht im Weg – er ist ein Experte auf seinem Gebiet.“

„Darius und wie weiter?“

„Darius Franklin. Er hat eine eigene Sicherheitsfirma.“

„Okay, aber nur er, kein anderer.“

Das konnte Lance verstehen. Der Chief wollte vermeiden, dass sich zu viele Leute einmischten und möglicherweise Spuren verwischten. „Wann können wir die Produktion wieder aufnehmen?“, fragte er.

„Ich brauche wenigstens vierundzwanzig Stunden, bevor ich Ihnen mit einem guten Gewissen grünes Licht geben kann. Wenn die Untersuchungen sich schwieriger als erwartet gestalten sollten, sogar noch länger.“

Nachdem der Chief gegangen war, wandte Lance sich an Frank. „Sagen Sie den Arbeitern, dass sie sich in fünfzehn Minuten auf dem Parkplatz versammeln sollen. Richten Sie auch eine Hotline ein, bei der sie sich erkundigen können, wann sie wieder zur Arbeit kommen sollen, und geben Sie diese Nummer bekannt.“

„Bin schon auf dem Weg“, versicherte Frank und machte sich an die Arbeit.

Lance wählte die Nummer seines besten Freundes Darius – doch auch bei ihm erreichte er nur die Mailbox. Mit wenigen Worten schilderte er, was geschehen war und bat Darius, so schnell wie möglich zur Raffinerie zu kommen, um bei der Untersuchung zu helfen. Wenn jetzt noch Kate wieder da wäre, hätte er das beste Team zur Verfügung, das man sich in so einer Situation wünschen konnte. Erneut griff er zum Telefon.

3. KAPITEL

Nachdem Lance zum zweiten Mal versucht hatte, sie anzurufen, stelle Kate ihr Telefon auf stumm. Sie war es leid, sich selbst zu quälen und sich selbst und alles, was sie je getan hatte, infrage zu stellen. Als sie im Sweet Nothings ankam, hatte Becca ihr einen Termin mit ihrer Friseurin gemacht.

„Du meinst also, dass eine neue Frisur alles verändert“, murrte Kate.

„Das ist nicht bloß eine neue Frisur, du musst dich ändern“, erklärte Becca. „Seit deinem Anruf habe ich darüber nachgedacht. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit für dich, die nächsten Wochen zu überstehen: Du musst erreichen, dass Lance Brody klar wird, was er an dir hat.“

Nach einem ausgiebigen Blick in den Spiegel hinter der Ladentheke zuckte Kate mit den Schultern. „Nicht viel, wie mir scheint.“

„Aber bald wird er eine vollkommen neue Frau sehen.“

„Aber ich werde doch immer noch ich selbst sein?“, fragte Kate unsicher.

„Klar wirst du das, Dummerchen. Außerdem, mögen tut Lance dich ja schon. Wir wollen nur erreichen, dass er dich auch begehrt.“

„Er ist verlobt und wird bald heiraten, Becca“, wandte Kate ein.

„Na und? Du willst ja auch nicht, dass irgendwas passiert. Spiel einfach ein bisschen mit ihm, vielleicht holst du dir dabei dein Herz zurück.“

Der Gedanke gefiel Kate – immerhin hatte Lance fünf Jahre gehabt, mehr aus ihrer Beziehung zu machen. War es jetzt nicht allmählich an der Zeit, über ihn hinwegzukommen? „Okay, ich bin dabei“, stimmte sie zu.

„Fein“, sagte Becca erfreut und erklärte Kate den Weg zum Friseursalon. Als Kate dort gerade aus dem Auto stieg, klingelte abermals ihr Handy. Natürlich war es wieder Lance, und diesmal nahm sie den Anruf an. „Ja, hier ist Kate.“

„Wo sind Sie gewesen?“, wollte Lance wissen.

„Im Auto.“

„In unserer Hauptraffinerie hat es gebrannt. Ich brauche Sie in meinem Büro.“

Die Nachricht versetzte Kate einen Schock. Brody Oil and Gas war bekannt dafür, einer der sichersten Betriebe der ganzen Branche zu sein. „Hat es denn eine Explosion gegeben?“, fragte sie.

„Das weiß man noch nicht so genau. Ich habe genug damit zu tun, hier in der Raffinerie die Stellung zu halten. Wann können Sie im Büro sein?“

„Heute Abend“, wäre es ihr fast rausgerutscht, aber sie biss sich auf die Zunge.

Was sollte das? Es war zwar eine Notsituation, aber sie brauchten sie nicht wirklich. Paula und Joan, die beiden anderen Sekretärinnen von Brody Oil and Gas, konnten ebenso gut telefonieren. „Morgen früh“, sagte sie stattdessen.

„Kate, ich brauche Sie.“

Natürlich meinte er das nur rein beruflich, machte sie sich schell klar, bevor sie sich wieder hoffnungslos verrannte.

„Die Firma braucht Sie. Wir brauchen unsere besten Leute auf dem Spielfeld.“

Lance hatte früher einmal Football gespielt, und Kate hatte schnell gemerkt, dass er immer dann diese Sportmetaphern benutzte, wenn er unter Stress stand.

„Sie haben Ihre besten Spieler auf dem Feld“, antwortete sie. „Ich habe den Verein gewechselt, schon vergessen?“