Stefan Albus, geboren 1966, Dr. techn., Chemiker, arbeitet seit 1996 als Wissenschafts-und Fachjournalist, Ghostwriter, Redenschreiber und Buchautor.
Er erhielt mehrere Stipendien; seine Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Förderpreis zum Literaturpreis Ruhrgebiet. Albus lebt in Herne.
Valeria Barth, geb. 1981, studierte Kunst und Grafik Design sowie Illustration. Als freiberufliche Designerin und Illustratorin arbeitet sie für verschiedene Verlage. Ihre besondere Vorliebe gilt dem Entwickeln von Charakteren und dem Comic.
Über das, was sich der Autor beim Schreiben dieses Buchs gedacht hat. Wie man uns geklaut hat. Und wie wir es uns zurückholen.
He, wie durchgeknallt muss man eigentlich sein, um im Frühsommer bei 30 Grad im Schatten ein Buch über Weihnachten zu schreiben? Mit Glühwein auf dem sonnenwarmen Schreibtisch? Nun – sicher nicht verrückter als Wham!-Sänger George Michael: Der Mann hat sich allen Ernstes im Sommer 1984 vor ein Mikrofon gestellt, um einen Song einzusingen, der eigentlich Last Easter heißen sollte. Das Werk war mal eben auf Last Christmas umgetextet worden, damit seine Plattenfirma noch schnell was auf den Weihnachtsmarkt werfen konnte. Ich stelle mir vor, wie George, in Bermuda-Shorts und Hawaiihemd gewandet, einen Caipirinha mit viieeel Eis in der Hand, seinem Toningenieur einen Vogel zeigt, als der ihm die bekannten Rentierschellen in die Kopfhörer mischt.
Aber dieses Buch muss sein! Denn in Deutschland läuft etwas schief. Schockierte Supermarkt-Kunden müssen in Flipflops und T-Shirt mit ansehen, wie die Angestellten das Regal mit der Sonnenmilch zur Seite schieben, um Platz für das Gestell mit den Spekulatius-Packungen zu schaffen. Einander ansonsten sehr zugetane Paare horten über Monate hinweg ganze Übersee-Container voller Präsente, damit der andere am Ende eins mehr auspacken muss als man selbst. Dem Vernehmen nach beginnen schon die ersten Chemiker, Doktorarbeiten über die Zutaten exotischer Fondue-Soßen zu schreiben, die Festtagstafeln längst zu Außenstellen heidnischer Heiler-Apotheken machen: Früher fand man diese Kräuter und Pülverchen nur auf den Rezeptblöcken hutzliger Frauen, die daraus Zaubertränke brauten … Vernünftige, biedere Menschen versiegeln ihren Briefkasten mit Bauschaum und fürchten sich, in ihren Mail-Account zu gucken, der vor naiven Weihnachts-Animationen überquillt – bis zum Festplatten-Burnout. Und über allem thront Lord Mammon: Selbst in den seriösen Nachrichten bekommen wir mit der größten Selbstverständlichkeit erklärt, dass wir noch mehr, noch mehr, noch mehr kaufen müssen, damit der Mann vom Einzelhandels-Verband endlich wieder was zu lachen hat.
He – und Weihnachten? Halloo? Schon mal gehört?
Es wird Zeit, Fragen zu stellen! Aber nicht nur zum spirituellen Nährwert der adventlichen »Sonderpreis-Sause« und ihrer Begleiterscheinungen. Sondern auch zu anderen Traditionen, die sich verselbstständigt haben und längst gegen uns wenden wie angeschossene Zombis in 80er-Jahre B-Movies.
Warum stellen wir uns die Wohnung zum Beispiel mit Bäumen zu, die wie verrückt nadeln und durch eine einzige schiefe Kerze jeden Augenblick in Flammen aufgehen können? Und warum hängen wir da auch noch glänzende Kugeln dran? Wieso geben wir jedes Jahr Millionen für Lichterketten und leuchtende Schneemänner aus? Überhaupt: Warum liegt das schönste aller Feste ausgerechnet in der fiesesten Jahreszeit? Wie konnte aus dem asketischen Nikolaus der dicke Weihnachtsmann werden? Was treibt manche Leute dazu an, am Heiligen Abend Tiere in den Ofen zu schieben, die sie bis dahin nicht mal aus dem Bio-Buch ihrer Kinder kannten, während andere längst resigniert zum Kartoffelsalat-Eimer aus der Kühltheke greifen? Sind Gans und Karpfen wirklich so out wie Cross-Border-Leasing-Deals? Warum leben viele Menschen in heller Panik vor dem 18. Dezember? Und wieso hat das gute alte Aschenputtel im Fernsehen eigentlich drei Wunschnüsse, von denen die Gebrüder Grimm nichts wussten? Apropos: Wer ist überhaupt der Weihnachts-Vierteiler?
Diese und ähnliche Fragen wollen wir auf den folgenden Seiten beleuchten. Bleiben Sie dran! Dann sind Sie am Ende schlauer – und lassen sich von deprimierenden Einzelhandels-Statistiken, Geschenketerror und X-Mas-Kitschsongs aus allen Lautsprechern der Welt nicht mehr den Blick verstellen auf das, was Weihnachten nämlich eigentlich ist: ein fröhliches Fest des Lebens.
Viel Spaß! Der Advent wird noch hart genug.
Stefan Albus, im Juni 2011