LUIGI PIRANDELLO
Angst vor dem Glück
Erzählungen
Aus dem Italienischen übersetzt
von Hans Hinterhäuser
Nachwort von Matthias Weichelt
MANESSE VERLAG
ZÜRICH
ANGST VOR DEM GLÜCK
Bevor Fabio Feroni, nicht mehr von der einstigen Kraft der Vernunft geleitet, sich entschloss, eine Frau zu nehmen, hatte er, während die anderen auf einem Spaziergang oder in den Cafés Erholung von der täglichen Mühsal suchten, als der Einzelgänger, der er damals war, lange Jahre hindurch sein Vergnügen auf der kleinen Terrasse einer alten Junggesellenwohnung gefunden, wo es neben vielen Blumentöpfen auch Fliegen und Spinnen und Ameisen und andere Insekten in Hülle und Fülle gab, für deren Dasein er sich mit Hingabe und Neugier interessierte.
Besonderen Spaß machte es ihm, den sinnlosen Anstrengungen einer alten Schildkröte zuzusehen, die sich seit Jahr und Tag stur und hartnäckig mühte, die erste der drei Stufen emporzuklettern, über die man von jener Terrasse ins Speisezimmer gelangte.
«Wer weiß», hatte Feroni öfter gedacht, «wer weiß, welche Wonnen sie dort zu finden hofft, wenn ihr Starrsinn nach so vielen Jahren noch nicht erlahmt ist!»
Wenn es ihr mit großer Mühe gelungen war, die Senkrechte zu überwinden, wenn sie schon die krummen Beinchen auf den Rand der Stufe legte und verzweifelt scharrte, um sich nach oben zu ziehen, verlor sie mit einem Male das Gleichgewicht und fiel rücklings auf ihren rauen Panzer zurück.
Feroni wusste natürlich, dass sie, wenn sie auch die erste, dann die zweite und endlich die dritte Stufe überwunden und das Speisezimmer in seinem ganzen Umkreis erforscht hätte, doch wieder auf den Terrassenboden würde zurückkehren wollen; gleichwohl hatte er sie, um sie für die vergebliche Anstrengung vieler Jahre zu belohnen, mehr als einmal genommen und behutsam auf die erste Stufe gesetzt.
Aber er hatte zu seiner großen Verwunderung beobachtet, dass die Schildkröte, aus Angst oder Misstrauen, sich niemals die unerwartete Hilfe zunutze gemacht hatte und, Kopf und Füße unter ihr Schuppendach ziehend, eine geraume Weile unbeweglich wie ein Stein liegen geblieben war, bis sie endlich, langsam kehrtmachend, sich wieder dem Rand der Stufe näherte, indem sie unzweifelhaft zu verstehen gab, dass sie wieder hinunter wollte.
Und so hatte er sie wieder hinuntergesetzt; doch siehe, bald darauf erneuerte sie den ewigen Versuch, aus eigener Kraft jene erste Stufe emporzuklettern.
«Was für ein dummes Vieh!», hatte Feroni das erste Mal ausgerufen. Aber dann war er nach einigem Nachdenken gewahr geworden, dass er dummes Vieh zu einem Tier gesagt hatte, so wie man dummes Vieh zu einem Menschen sagt.
Tatsächlich hatte er dummes Vieh zu ihr gesagt, nicht weil sie in so vielen Jahren der Versuche noch nicht eingesehen hatte, dass jene Stufe zu hoch war und sie notwendigerweise, sich vertikal an sie anklammernd, an einem gewissen Punkt das Gleichgewicht verlieren und auf den Rücken fallen würde; sondern weil sie, wenn er ihr helfen wollte, seine Hilfe ausschlug.
Was folgt aber aus dieser Überlegung? Dass, wenn man in diesem Sinn dummes Vieh zu einem Menschen sagt, man den Tieren eine schwere Beleidigung zufügt, weil man mit Dummheit verwechselt, was Redlichkeit oder instinktive Klugheit in ihnen ist. Dummes Vieh sagt man zu einem Menschen, der gebotene Hilfe nicht annimmt, weil es nicht erlaubt scheint, an einem Menschen zu schätzen, was bei den Tieren Redlichkeit ist.
All dies ganz allgemein!
Feroni hatte im Übrigen seine besonderen Gründe, sich über diese Redlichkeit oder Klugheit, was immer es sein mochte, der alten Schildkröte zu ärgern; er freute sich eine Weile an den komischen und verzweifelten Stößen, die sie, auf dem Rücken liegend, ins Leere tat, und pflegte ihr schließlich, des Anblicks ihrer Leiden müde, einen kräftigen Fußtritt zu versetzen.
Niemals, niemals hatte ihm jemand, bei allen seinen Anstrengungen, nach oben zu kommen, eine hilfreiche Hand reichen wollen.
Und doch, nicht einmal das hätte Fabio Feroni im Grunde sehr geschmerzt, da er die harte Beschwernis des Daseins kannte und den Egoismus der Menschen, der sich daraus ergibt. Aber er hatte im Leben eine andere, sehr viel traurigere Erfahrung machen müssen, durch die er fast ein Recht, wenn auch nicht gerade auf die Hilfe, so doch auf das Mitleid der andern erworben zu haben glaubte.
Und die Erfahrung war diese: dass trotz all seines Eifers immerzu, sobald er nur ganz nahe an dem Ziel war, nach dem er lange Zeit mit allen Kräften seiner Seele umsichtig, geduldig und hartnäckig gestrebt hatte, immerzu das Schicksal, mit dem plötzlichen Losschnellen eines Purzelmännchens, sich ein Vergnügen daraus gemacht hatte, ihn rücklings umzuwerfen, genau wie jene Schildkröte.
Ein grausames Spiel. Ein Windstoß, ein Nasenstüber, eine leichte Erschütterung im schönsten Augenblick, und alles war dahin!
Und man hätte nicht sagen können, dass seine plötzlichen Rückschläge wegen der Bescheidenheit seiner Ambitionen nur geringes Mitleid verdienten. Zunächst – seine Ambitionen waren nicht immer so bescheiden gewesen wie in diesen letzten Zeiten. Und dann … – ja gewiss, je höher, desto schmerzlicher ist der Sturz. Aber ist der, den eine Ameise von einem zwei Handbreit hohen Strauch tut, nicht im Endeffekt dem eines Menschen vergleichbar, der von einem Kirchturm stürzt? Abgesehen davon, dass die Bescheidenheit der Ambitionen dieses kleine Spiel des Schicksals nur umso grausamer erscheinen lassen musste. Ein sonderbares Vergnügen, in der Tat – seine Wut an einer Ameise auszulassen, das heißt an einem armen Teufel, der sich seit Jahr und Tag müht, auf alle mögliche Weise einen kleinen Ausweg zu entdecken und mit allerlei Mitteln und Mittelchen auszubauen, um seine Lebensbedingungen ein wenig zu verbessern; ihn hinterrücks zu überraschen und in einem kurzen Augenblick alle Schlauheit und Spitzfindigkeit zunichtezumachen, die lange Pein einer Hoffnung, die er vorsichtig, gleichsam an einem immer dünneren und unwahrscheinlicheren Fädchen geführt hat.
Nicht mehr hoffen, sich keine Illusion mehr machen, nichts mehr begehren! In völliger Unterwerfung seinen Weg gehen, sich der Willkür des Schicksals überlassen – das war die einzige Möglichkeit: Fabio Feroni begriff es wohl. Aber auch die Hoffnungen, Wünsche und Illusionen lebten, gleichsam ihm zum Trotz, unweigerlich wieder auf: Es waren die Saatkörner, die das Leben selbst ausstreute und die auch auf sein Erdreich fielen, das, wie hart es vom Frost der Erfahrung geworden sein mochte, sie aufnehmen musste und nicht verhindern konnte, dass sie schwache Wurzeln schlugen, dass sie bleich, in trostloser Schüchternheit, in der düsteren und eisigen Luft seiner Verzagtheit emporwuchsen.
Er konnte höchstens so tun, als bemerke er es nicht; oder auch zu sich selbst sagen, es sei nicht wahr, dass er dieses hoffe und jenes begehre; oder dass er sich der kleinsten Täuschung hingebe, könnten sich diese Hoffnung oder jener Wunsch je verwirklichen. Er lebte dahin, als wenn er wirklich nicht mehr hoffe und begehre, als ob er sich wirklich nicht die kleinste Illusion mehr mache; aber er schielte doch immer verstohlen nach der Hoffnung, nach dem Wunsch und nach der versteckten Illusion und folgte ihnen, gleichsam hinter seinem eigenen Rücken, mit verschwiegenem Ernst.
Wenn ihm dann das Schicksal plötzlich ein Bein stellte, fuhr er wohl zusammen, aber er tat so, als habe er nur leicht mit den Achseln gezuckt, lachte grimmig und ertränkte den Schmerz in der bitteren Befriedigung, dass er gar nichts gehofft, gar nichts gewünscht, sich über absolut nichts Illusionen gemacht, dass ihn diesmal das teuflische Schicksal nicht hereingelegt hatte. «Aber das versteht sich von selbst! Aber das versteht sich von selbst!», sagte er in solchen Augenblicken zu seinen Freunden, seinen Bekannten, seinen Arbeitskollegen in der Bibliothek, wo er angestellt war.
Die Freunde sahen ihn an, ohne zu begreifen, was sich von selbst verstehen solle.
«Aber seht ihr es denn nicht? Das Kabinett ist gestürzt!», fügte Feroni hinzu. «Und das versteht sich von selbst!»
Es schien, als begreife er allein die absurdesten und unwahrscheinlichsten Dinge, seit er sozusagen nicht mehr direkt hoffte, sondern zum Zeitvertreib imaginäre Hoffnungen kultivierte, Hoffnungen, die er hätte haben können, aber nicht hatte, Illusionen, die er sich hätte machen können, aber sich nicht machte; und seit er auf solche Weise angefangen hatte, die seltsamsten Beziehungen von Ursache und Wirkung in jeder Kleinigkeit zu entdecken. Heute der Sturz des Kabinetts, morgen die Ankunft des Schahs von Persien in Rom, übermorgen den Ausfall des elektrischen Stroms, der die ganze Stadt für eine halbe Stunde im Dunkeln gelassen hatte.
Kurz, Fabio Feroni hatte sich nun einmal in das verrannt, was er das Losschnellen des Purzelmännchens nannte; und so war er natürlich den wunderlichsten Formen von Aberglauben zum Opfer gefallen, die ihn immer mehr von seinen früheren, beschaulichen philosophischen Meditationen abbrachten und ihn mehr als eine Verrücktheit und Unüberlegtheit hatten begehen lassen.
Eines schönen Tages verheiratete er sich kurzerhand, wie man ein Ei trinkt, um nicht dem Schicksal die Gelegenheit zu geben, ihm alles wieder zunichtezumachen.
In Wirklichkeit hatte er bereits seit Langem (verstohlen, wie gewöhnlich) ein Auge auf jene Signorina Molesi geworfen, die bei der Bibliothek beschäftigt war; und je schöner und anmutiger Dreetta Molesi ihm scheinen wollte, desto öfter erklärte er vor anderen, sie sei hässlich und affektiert.
Seiner Braut, die über seine allzu große Eile klagte, obwohl es auch ihr gar nicht rasch genug gehen konnte, sagte er, alles sei schon seit geraumer Zeit fertig: Die Wohnung sei so und so eingerichtet, sie dürfe sie aber nicht sehen, weil er diese schöne Überraschung für den Hochzeitstag aufhebe; und er wollte nicht einmal verraten, in welcher Straße sie liege, da er fürchtete, sie könnte heimlich mit ihrer Mutter oder ihrem Bruder hingehen, neugierig gemacht durch die bis in die kleinste Einzelheit gehenden Beschreibungen, die er von all ihrem Komfort gegeben hatte, von dem Blick, den man aus den Fenstern genoss, und von den Möbeln, die er gekauft und liebevoll in den verschiedenen Zimmern aufgestellt hatte.
Lange besprach er mit ihr die Hochzeitsreise: Nach Florenz? Nach Venedig? Aber als es so weit war, fuhr er nach Neapel, sicher, dass er so dem Schicksal eins ausgewischt, das heißt, es nach Florenz und Venedig geschickt hatte. Mochte es doch, von Hotel zu Hotel eilend, versuchen, ihm die Freuden der Flitterwochen zu vergällen: Er konnte sie inzwischen ruhig und unbeschwert in Neapel genießen.
Sowohl Dreetta wie die Verwandtschaft waren aufs Höchste erstaunt über den plötzlichen Entschluss, nach Neapel zu reisen, obwohl sie schon ein wenig an diese unvermuteten Umschläge seiner Stimmungen und Vorsätze gewöhnt waren. Sie konnten nicht ahnen, dass sie eine sehr viel größere Überraschung bei der Rückkehr von der Hochzeitsreise erwartete.
Wo war das Haus, die seit Langem bereitete und in allen Einzelheiten beschriebene Heimstatt? Wo denn? Nun, in dem Traum, den Fabio Feroni wie immer für das Schicksal bestimmte, damit dieses sich ein Vergnügen daraus mache, ihn nach Belieben mit einem seiner unvorhergesehenen Willkürakte zu zerstören. Dreetta sah sich bei der Ankunft in Rom in zwei möblierte Zimmerchen geführt, die Fabio im Zug unter den vielen Wohnungsannoncen einer Zeitung ohne großes Aufhebens ausgewählt hatte.
Der Zorn und die Empörung sprengten diesmal alle Fesseln, die ihnen bisher die gute Erziehung und die geringe Vertrautheit auferlegt hatten. Dreetta und die Verwandten schrien Verrat – schlimmer, Betrug. Warum diese Lügen? Warum eine vollständig eingerichtete Wohnung mit allem Komfort erdichten, warum?
Fabio Feroni, der mit diesem Ausbruch gerechnet hatte, wartete geduldig, bis die erste Wut verraucht war, indem er befriedigt über sein Martyrium lächelte und mit den Fingern ein Härchen in der Nase suchte, an dem er ziehen könnte.
Dreetta weinte? Die Verwandten beleidigten ihn? Es war gut so, es war gut so, um all der Freude willen, die er eben noch in Neapel gehabt hatte, um all der Liebe willen, von der sein Herz erfüllt war. Es war gut so.
Warum weinte Dreetta? Wegen einer Wohnung, die es nicht gab? Aber nicht doch, halb so schlimm! Eines Tages würde sie schon da sein!
Und er erklärte den Verwandten, warum er nicht schon vorher die Wohnung eingerichtet und warum er gelogen hatte; er erklärte, es sei im Übrigen ein wenig ihre Schuld, wenn seine Lüge als solche erscheine, sie hätten nämlich zu viele Fragen an ihn gerichtet, als er am Anfang behauptet habe, alles sei seit Langem fertig und er wolle seiner jungen Frau eine schöne Überraschung machen. Das Geld liege bereit, da sei es: zwanzigtausend Lire, die er in so vielen Jahren unter so großen Mühen gespart hatte; und die Überraschung, die er Dreetta bereitet habe, sei die, dass er ihr dieses Geld in die Hand gebe, damit sie, sie allein danach trachten möge, ihr Heim nach ihrem Geschmack einzurichten, als eine Erfordernis und nicht als einen Traum. Aber sie dürfe um Gottes willen auf gar keinen Fall und in nichts der fantasievollen Beschreibung folgen, die er ihr einst gegeben habe; alles müsse ganz anders werden; sie solle mit Hilfe ihrer Mutter und ihres Bruders auswählen; er wolle von nichts erfahren, denn wenn er auch nur im Geringsten diese oder jene Wahl gebilligt und sich daran erfreut habe, dann war alles vergebens! Und er müsse ihnen schließlich im Voraus sagen, dass sie es sich nur aus dem Kopf schlagen sollten, ihn mit ihren Einkäufen und der Einrichtung der Wohnung und allem zufriedenstellen zu wollen; schon jetzt erkläre er sich unter allen Umständen unzufrieden, zutiefst unzufrieden.
Sei es aus diesem Grund, sei es wegen der Herzlichkeit der Hausleute, guter Menschen alten Schlags, Mann und Frau mit einer unverheirateten Tochter – Dreetta hatte es nicht mehr eilig, ihr Heim einzurichten. Sie machten mit den Hausleuten aus, dass sie bei der Geburt des ersten Kindes ausziehen würden.
Indessen waren die ersten Monate der Ehe ein Strom heimlicher Tränen für Dreetta, die sich ihrem Mann anpassen wollte, aber noch nicht gemerkt hatte, dass er das genaue Gegenteil von allem sagte, was er wünschte.
Fabio Feroni wünschte im Grunde seines Herzens all das, was seine junge Frau hätte glücklich machen können; aber da er wusste, dass, hätte er diese Wünsche geäußert und verfolgt, das Schicksal sie ihm sofort zunichtegemacht haben würde, äußerte und verfolgte er die entgegengesetzten Wünsche, um ihm zuvorzukommen: Und die junge Frau hatte ein unglückliches Leben. Als sie endlich dahinterkam und begann, alles in seinem Sinne zu tun, das heißt das genaue Gegenteil von dem, was er sagte, erreichten die Dankbarkeit, die Liebe und die Bewunderung Feronis für sie den Höhepunkt. Aber der Ärmste hütete sich wohl, sie zu bekennen; auch er fühlte sich glücklich und begann davor zu zittern.
Wie sollte er es anstellen, die Freude zu verbergen, von der sein Herz voll war? Den Unzufriedenen zu spielen?
Und wenn er seine kleine Dreetta betrachtete, die schon guter Hoffnung war, dann füllten seine Augen sich mit Tränen; Tränen der Zärtlichkeit und der Dankbarkeit.
In den letzten Monaten machte sich die Frau mit Bruder und Mutter daran, das Haus einzurichten. Fabio Feroni war mehr als je angstvoll erregt. Der kalte Schweiß brach ihm bei allen Jubelrufen seiner kleinen Frau aus, die über den Kauf dieses oder jenes Möbels glücklich war.
«Komm und sieh … Komm und sieh …», sagte Dreetta zu ihm.
Mit beiden Händen hätte er ihr den Mund zuhalten mögen. Zu groß war die Freude; nein, das war ja das Glück, das wahre Glück war da! Unmöglich, dass nicht von einem Augenblick zum andern ein Unglück geschah. Und Fabio Feroni begann mit raschen, verstohlenen Blicken um sich, nach vorne und nach hinten zu sehen, um die Hinterlist des Schicksals aufzuspüren und ihr zuvorzukommen, die Hinterlist, die selbst hinter einem Staubkörnchen lauern konnte; und wie ein großer Kater warf er sich, die Hände voran, auf die Erde, um seiner Frau den Weg zu versperren, wenn er auf dem Boden eine Schale entdeckte, auf der ihr Füßchen hätte ausgleiten können. Vielleicht lag der Hinterhalt gerade da, in jener Schale? Oder vielleicht – aber ja, in jenem Vogelkäfig! Schon einmal war Dreetta auf einen Stuhl gestiegen und hatte sich der Gefahr ausgesetzt zu fallen, als sie den Hanfsamen im Näpfchen nachfüllen wollte. Fort mit diesem Kanarienvogel! Und auf den Protest, auf die Tränen Dreettas hatte er, ganz verstört und mit gesträubten Haaren wie eine geprügelte Katze, zu schreien begonnen: «Um Himmelswillen, ich bitte dich, lass mich machen, lass mich machen!»
Und die aufgerissenen Augen wanderten ruhelos hin und her, so beweglich und glänzend, dass einem angst und bang werden konnte.
Bis sie ihn eines Nachts überraschte, wie er im Hemd, eine Kerze in der Hand, die Hinterlist des Schicksals in den Kaffeetassen suchte, die auf dem Bord der Anrichte im Esszimmer aufgereiht waren.
«Fabio, was machst du denn da?»
«Pst! Still! Ich spüre ihn auf! Ich schwöre dir, diesmal spür’ ich ihn auf! Der spielt mir keinen Streich mehr!»
Plötzlich – war es eine Maus, oder ein Luftzug, oder eine Küchenschabe auf dem bloßen Fuß? – Tatsache ist, dass Fabio Feroni einen Schrei ausstieß, wie ein Bock in die Luft sprang und sich mit beiden Händen an den Bauch fasste, indem er kreischte, da habe er es, das Purzelmännchen, da drinnen, im Bauch drinnen! Und es begann ein tolles Hüpfen und Springen durchs ganze Haus, dann die Treppe hinab und hinaus auf die nächtlich einsame Straße, unter Lachen und Heulen, während Dreetta mit aufgelösten Haaren am Fenster stand und um Hilfe rief.