Gamedesign und Spieleentwicklung für Dummies
Gamedesign und Spieleentwicklung für Dummies
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Print ISBN: 978-3-527-71774-3
ePub ISBN: 978-3-527-82906-4
Coverillustration: © grandfailure – stock.adobe.com
Korrektur: Claudia Lötschert, Neuss
Als Kind der 80er ist Thorsten Zimprich mit Computerspielen groß geworden. Unvergessen der C64 und der Konkurrenzkampf zwischen Sega und Nintendo. Spiele sind für ihn bis heute ein essenzielles Kulturgut, das er täglich pflegt. Als Gamedesigner arbeitete er einige Jahre bei Gameforge, unterrichtete Gamedesign und Medienproduktion und entwickelte E-Learning-Module an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mosbach. Thorsten Zimprichs Leidenschaften sind Storytelling, Medienproduktion, Gamification und Lehren und Lernen.
Ich möchte zu allererst Ihnen dafür danken, dass Sie dieses Buch lesen und dadurch ebenfalls die vielen Mühen meiner lieben helfenden Unterstützer würdigen. Ich bin dankbar für den großartigen Rückhalt, den ich von meiner Familie während aller arbeitsintensiven Phasen erhalten habe. Auch dafür, dass ich das Glück hatte, Frau Baulig als herausragende Lektorin an meiner Seite zu wissen, deren Sprachgefühl und Erfahrung mir immer herzlich willkommene Hilfen waren. Ich danke dem Wiley-Verlag für das Vertrauen in meine Arbeit und Marcel-André für seine anregende Fachkorrektur sowie Christian und Hans-Peter von der Spieleautorenzunft für ihre Unterstützung und Professor Uwe Schulz für sein Vorwort.
Ein besonderer Dank gilt Jennifer und Ramona für ihren unermüdlichen Einsatz nachts und an Wochenenden und natürlich Zacharias für seine Geduld und seine Begeisterung für Gamedesign. Ihre Anregungen und Ansichten zu jedem Kapitel des Buchs halfen mir sehr dabei, andere Leserblickwinkel einnehmen zu können. Auch Robin möchte ich herzlich für sein wunderbares Design des Gamedesignercharakterbogens danken.
Es freut mich, dass Sie sich über Gamedesign informieren möchten, weil Spiele Medien sind, mit deren Hilfe Sie tausend- oder sogar millionenfach Freude und Wissen transportieren können. Diese magische Fähigkeit der Medien liebe ich!
Theater, Fernsehen, Kinofilme, Hörspiele, Spiele und Bücher erschaffen Kunstwerke, die Türen in andere Welten eröffnen, um das Publikum zu unterhalten, indem sie Gefühle und Wissen transportieren.
Ich lade Sie in diesem Buch auf eine spannende Reise in die Tiefen des Gamedesignerhandwerks ein. Es würde mich sehr freuen, wenn Ihnen das Lesen kurzweilig erscheint, Sie stellenweise über die Beispiele und den Schreibstil schmunzeln oder gar lachen müssen und vor allem wenn Ihnen meine Ausführungen helfen, eigene Spiele zu erschaffen. Diese würde ich natürlich gerne spielen. (gd4d@solitune.de
)
Damit reiche ich Ihnen die Hand und wünsche viel Spaß bei der Reise ins Gamedesignerland.
Computerspiele ziehen immer mehr Menschen in ihren Bann, und oft entsteht dabei in uns der Wunsch, selbst ein Spiel zu entwickeln oder dabei mitzuwirken.
Die Entwicklung von Computerspielen gilt als die Königsdisziplin der Medienproduktion, bei der alle Fertigkeiten für die herkömmliche Bild- und Tonproduktion ebenso gefragt sind wie Design und Entwicklung von interaktiven Anwendungen.
Der Erfolg eines Spiels wird dabei maßgeblich davon bestimmt, wie gut das Gamedesign ist. Wie bei einem Buch, einem Film oder einem Hörspiel ist das Wichtigste die Geschichte, die sich in unserem Kopf entwickelt. Das Gamedesign beginnt schon in der frühen Phase der Entwicklung und dabei werden die wichtigsten Entscheidungen getroffen.
Dieses Buch führt in verständlicher und kompakter Form an das Thema Gamedesign heran, wobei besonderes Augenmerk auf die Praxis gelegt wird. In ungewöhnlicher Weise, aber sehr strukturiert und zielorientiert, werden alle Themenbereiche angesprochen. Das Buch unterscheidet nicht zwischen dem Design von analogen und digitalen Spielen, sondern konzentriert sich auf die Aufgaben, die man als Gamedesigner zu meistern hat. Interessant ist der Ansatz, den Leser selbst spielerisch in die Rolle eines Gamedesigners zu stecken, das führt dazu, dass man mit großem Freiraum und viel Motivation an das Buch und die darin gestellten Aufgaben herangehen kann. So wird das Buch selbst zum Spiel, und der Leser wächst über sich selbst hinaus.
Egal ob Sie als Neuling in das Thema einsteigen wollen, sich als Student mit dem Thema Gamedesign befassen oder zum Beispiel als Medienpädagoge Gamedesign als spielerisches Mittel einsetzen wollen – dieses Buch kann Ihnen dabei wertvolle Unterstützung und Inspiration bieten.
Der Autor Thorsten Zimprich hat an der Hochschule der Medien studiert, wo ich ihn kennengelernt habe und als Leiter des Instituts für Games unterrichten durfte. Sowohl im Laufe seines Studiums als auch im Berufsleben hat er an verschiedenen Medienproduktionen zum Beispiel im Bereich Film und Fernsehen mitgewirkt, bevor er sich den Computerspielen zugewandt hat. Die vielfältige Erfahrung mit unterschiedlichen Medien kommt auch diesem Buch zugute. Thorsten Zimprich hat nicht nur viel Erfahrung und ist vielfältig interessiert, sondern er besitzt die Gabe, andere zu motivieren, und das kommt in diesem Buch ganz besonders zum Ausdruck. Ich persönlich freue mich sehr darüber, ein Buch in den Händen zu halten, das von einem Medienexperten geschrieben wurde, der an der Hochschule der Medien ausgebildet wurde!
Jetzt wünsche ich Ihnen viel Spaß und Erfolg beim Durcharbeiten des Buchs und bei der Konzeption Ihres ersten Computerspiels!
Stuttgart, im Mai 2021
Prof. Uwe Schulz
Gamedesigner haben die geilste Berufung der Welt! Neben Regisseuren und anderen Medienschaffenden dürfen sie andere Menschen mit ihren Werken erfreuen, unterhalten, zum Lachen, Fürchten, Leben fühlen und Weinen bringen. Sie erschaffen Welten, Charaktere und Geschichten, die den Alltag von Millionen Menschen erhellen können.
Ich schreibe bewusst Berufung und nicht Beruf oder Job. Als Gamedesigner sind Sie ein Medienschaffender, und das bedeutet, Sie sind in einer Branche unterwegs, in der sehr viele Leute sich tummeln und mit Ihnen zusammen um die sehr wenigen freiberuflichen Aufträge und noch weniger Arbeitsplätze streiten. Daher ist es sehr hilfreich, wenn Ihr Herz Ihnen sagt, dass es unbedingt Gamedesigner werden möchte. Dadurch fallen Ihnen die nötigen »Extrameter«, um gegen diese zahlreiche Konkurrenz bestehen zu können, deutlich leichter.
Sollte Ihnen Ihr Herz dieses Gefühl noch nicht beschert haben, haben Sie aber zum Glück schon mal dieses Buch, mit dem Sie die handwerkliche Seite des Gamedesigns und wichtige Herangehensweisen lernen können.
Sie durchleben spielerisch alle wichtigen Gamedesignaufgaben mit dem Ziel, wie ein Gamedesigner sehen und denken zu lernen. Das hilft Ihnen dabei, deutlich schneller als Ihre Konkurrenten besser zu werden. Nutzen Sie diesen Geschwindigkeitsvorteil, um sich selbst zu motivieren, denn dieses Buch kann Ihnen das Üben nicht abnehmen, aber es kann Wege zeigen, die Sie leichter zum Ziel führen, selbst gute Spiele zu entwickeln.
Wenn Sie lesen, dass Sie mit diesem Buch »Gamedesign spielerisch lernen«, dann ist mit »spielerisch« keine Marketingfloskel gemeint, sondern wirklich spielerisch. Sie lesen gerade ein Buch, das gleichzeitig ein Spiel ist. In Kapitel 2 Das ist Ihre Buchqueste erhalten Sie alle wichtigen Informationen und Ihren Charakterbogen, der Sie durch dieses Abenteuerbuch und möglicherweise darüber hinaus begleitet.
Für wen ist dieses Buch gedacht?
Eine schöne Seite des Gamedesigns ist, dass Sie kreativ und frei sind. Sich auf diese Freiheit in einem Buch einzustellen, das ist eine Herausforderung. Trotzdem möchte dieses Buch sowohl interessierte Neulinge, Medienpädagogen, Gamedesignstudenten als auch Spieleautoren und Gamedesigner für analoge und digitale Spiele, die sich über ihr aktuelles Medium hinaus mit neuen Gedanken inspirieren lassen wollen, ansprechen.
Wenn Sie dem roten Faden folgen und Kapitel für Kapitel lesen, können Sie parallel zum Lesen das Gelernte gleich an Ihrem eigenen Spieleprojekt austesten. Der »Stoff« wird sich so viel besser einprägen und ins Langzeitgedächtnis übernommen werden.
Sollten Sie sich für ein Themengebiet nicht interessieren, dann können Sie das entsprechende Kapitel auch gerne auslassen – verzichten aber auf die Erfahrungspunkte und Fähigkeitswiederholungen, die Sie in den Questen und der Boss Challenge dieses Kapitels hätten gewinnen können.
In diesem Buch gehe ich davon aus, dass Sie gerne spielen und Spieleklassiker wie »Mensch ärgere dich nicht«, »Super Mario Bros.«, »Tetris« oder »Risiko« schon gespielt haben oder zumindest kennen. Vielleicht sind Sie wie ich der Meinung, dass es nichts Schöneres als Spielen gibt und dass es Spiele gibt, die es mit jedem Arthouse-Film aufnehmen können. Auf jeden Fall sind Sie an beruflicher Weiterbildung im Gamedesign interessiert oder wollen als Gamer besser verstehen, wie Spiele funktionieren.
Dieses Buch ist in fünf Teile gegliedert und enthält viele praktische Übungen.
Im ersten Teil dieses Buchs erhalten Sie eine kleine Orientierungshilfe für angehende Gamedesigner und Ihnen wird die Buchqueste erklärt, damit Sie ab dem zweiten Teil des Buchs Ihre Abenteuerreise beginnen können.
Spitzen Sie den Bleistift und legen Sie den Charakterbogen bereit, denn Ihr Abenteuer beginnt hier mit dem Herzstück der Gamedesignarbeit, nämlich mit den Spielregeln. Mit den Spielregeln steuern Sie das Spielgeschehen und führen die Spieler magisch zum Spielspaß. Sie erfahren in diesem Teil ebenfalls, was eine Zielgruppe ist und wie Sie für Ihre Zielgruppe sowohl Spielspaß herbeiführen als auch über eine passende Balance der Spielelemente Spielfrust verhindern können.
Zum Abschluss dieses Teils lernen Sie noch das Gamedesignergeheimnis der Spielanalyse kennen. Diese geheime Technik ist der Schlüssel zu einem unermesslich großen Erfahrungsschatz aller Gamedesigner weltweit. Gehen Sie verantwortungsvoll mit dieser Fähigkeit um und lernen Sie im Bruchteil der Zeit, die Sie für eigene Spieleprojekte (Erfahrungen) benötigt hätten, welche Lösungen für Ihr aktuelles Gamedesignproblem bereits erfunden wurden.
Ein Geschenk wird doppelt so wertvoll, wenn es eine schöne Verpackung erhält und nachhaltig ist, damit sich die Beschenkten immer wieder an dem Geschenk erfreuen können. Darum geht es in diesem Teil um das Storytelling für Spiele (Verpackung) und den Wiederspielwert beziehungsweise das Endgame (Abrundung).
Spiele sind ein interaktives und nichtlineares Medium. Geschichten können im Spiel deshalb anders erzählt werden, als es in linearen Medien wie Büchern oder Filmen möglich ist. Spielen Sie mit diesen erweiterten Storytellingmöglichkeiten.
Das Endgame und den Wiederspielwert lernen Sie in diesem Teil näher kennen, damit die Spieler Ihr Spiel gerne öfter spielen.
Im vierten Teil erfahren Sie, wer von Ihnen im Verlauf des Entstehungsprozesses und danach informiert werden muss und wie Sie das am einfachsten anstellen.
Der Top-Ten-Teil darf in einem »… für Dummies«-Buch natürlich nicht fehlen. In diesem Buch erhalten Sie zwei Top-Ten-Kapitel, eines mit zehn Hinweisen zur Mathematik im Gamedesign und das andere mit zehn häufig gestellten Fragen von Gamedesigneinsteigern.
Der Anhang enthält Analysebeispiele, die Ihnen helfen, die geheime Technik der Spielanalyse für sich weiterzuentwickeln. Zusätzlich erhalten Sie Lösungshinweise für ausgewählte Quests (Übungsaufgaben), damit Sie sehen, wie Sie an Gamedesignherausforderungen herangehen können.
Das Ziel ist keine umfassende Lösungssammlung, weil der Weg zu diesen Lösungsansätzen wichtig ist und nicht die Lösung selbst. Sie stoßen in Ihrem Gamedesignalltag auf die unterschiedlichsten Probleme. Diese sind häufig komplex und können nicht nach einem einzigen Schema gelöst werden, weil es meistens auch keine »richtige Lösung« gibt. Ihre Gamedesignentscheidungen werden im Normalfall eine Spielergruppe ärgern und eine andere Gruppe erfreuen. Versteifen Sie sich gar nicht erst darauf, die optimale Lösung zu finden: Das ist oft unmöglich, denn Sie werden nicht genügend Informationen haben und müssen raten.
Der Gedanke hinter dem Anhang ist darum anders formuliert:
In diesem Buch begegnen Ihnen Symbole, die besondere Inhalte markieren.
Das hängt davon ab, welche Ziele Sie verfolgen. Dieses Buch folgt einem roten Faden. Wenn Sie sich darauf einlassen, entwickeln Sie Stück für Stück Ihr (erstes) eigenes Spiel und sammeln dabei Erfahrungspunkte und Belohnungen. Hört sich das motivierend an?
Während dieses Entwicklungsprozesses müssen Sie wie in der Wissenschaft immer wieder Annahmen formulieren und das Ergebnis überprüfen lernen. Das ist der Weg des Gamedesigners.
Ich wünsche Ihnen viel Lese- und Spielspaß!
Teil I
Kapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Das englische Wort»»Gamedesigner« können Sie mit dem deutschen Begriff »Spieleautor« übersetzen. Designer und Autoren sind auf kein einzelnes Arbeits- und Werkmaterial festgelegt, beide arbeiten an Aussagen, Gefühlen und Spielerlebnissen, angetrieben von der Freude, die unterschiedlichen Grenzen des Spielmaterials oder der digitalen Technologie auszuloten.
Ein Gamedesigner ist die Seele jedes Spiels, da er die ursprüngliche Spieleidee, die Spielinhalte und die Regeln entwickelt und gegen Einflüsse von außen hütet. Er entwirft Spiele entweder alleine oder im Projektteam. Dabei können erfahrene Gamedesigner mit den unterschiedlichsten Spielearten zurechtkommen.
Aus Sicht eines erfahrenen Gamedesigners gibt es nämlich nur minimale Unterschiede zwischen Brett-, Karten-, Lern- oder anderen Spielearten, unabhängig davon, ob diese für den Computer oder für den Einsatz ohne technische Geräte produziert werden. Alle diese Spiele müssen den Spielern Spaß machen, damit sie sich immer wieder daran erfreuen können, und das ist die Hauptaufgabe des Gamedesigners. Wie er dieses Ziel erreicht, zeigen die folgenden Kapitel.
Erfahrene Gamedesigner können viele sehr verschiedene Arten von Spielen entwickeln, weil sie einschätzen können, welches Wissen sie sich für ein Projekt aneignen müssen. Das ist eine Fähigkeit, die sich mit dem Alter und jedem Spieleprojekt verbessert, sofern man nicht sein Leben lang nur eine einzige Spieleart entwickelt und spielt.
Wenn man noch keinen Weitblick bezüglich der benötigten Fähigkeiten für unterschiedliche Spielearten entwickelt hat, dann hilft das Diagramm in Abbildung 1.1 dabei, die am weitesten auseinanderliegenden Spielearten zu erkennen. Alle Spiele lassen sich auf den beiden Achsen Spielziel und Medium eintragen.
An den äußeren Enden der Achsen finden Sie diese Varianten:
Digitale Spiele
Alle Spiele, die ein technisches Gerät benötigen (PC, Konsole, Mobiltelefon). Je mehr Technik benötigt wird, umso »digitaler« ist eine Spieleart anzusehen, weil Sie deutlich mehr technisches Fachwissen benötigen. Beispielsweise stehen Videospiele und analoge Spiele mit einer Erweiterung durch technische Geräte zwischen den Polen digital und analog.
Analoge Spiele
Alles, was Sie in die Hand nehmen können, was mit Ihrem Körper gespielt wird und kein bis nur sehr wenig technisches Gerät nutzt. Tischrollenspiele (Pen&Paper), Billard, Tischkicker, »Schere, Stein, Papier«, Brettspiele und viele mehr.
Unterhaltungsspiele
Alle Spiele, die kein Wissen vermitteln wollen, sondern lediglich unterhalten möchten.
Serious Games
Spiele mit einem »ernsten« Ziel, also Spiele, die einem etwas beibringen wollen. Beispielsweise Lernspiele, Spiele für Patienten oder Planspiele für Unternehmen.
Versuchen Sie, die Spiele, die Sie gerne entwickeln möchten, in das Diagramm in Abbildung 1.1 einzuzeichnen. Je weiter Ihre Spiele voneinander entfernt sind, desto mehr müssen Sie lernen, um alle Spiele gleich gut zu designen. Ein Extrembeispiel wäre, wenn Sie sowohl Lernspiele, die nur online und in einem virtuellen Raum verfügbar sind – beispielsweise eine Mathematik-Virtual-Reality-App –, entwickeln wollten als auch ein rein analoges Unterhaltungskartenspiel, wie beispielsweise Skip-Bo.
Beide Spiele sollen Spaß machen und von Spielern freiwillig mehrfach gespielt werden. Die Mathematik-Virtual-Reality-App setzt beim Gamedesigner zusätzlich ein deutlich größeres Wissen über Didaktik, VR-Technik und das jeweilige mathematische Fachwissen voraus. Bei unterhaltenden analogen Titeln hat es der Gamedesigner diesbezüglich deutlich leichter.
Wenn alle Spiele, die Sie gerne entwickeln möchten, nahe beieinanderliegen, dann können Sie gleich loslegen und ähnliche bereits veröffentlichte Spiele recherchieren. Untersuchen Sie die erfolgreichsten intensiv. Was macht diese Spiele erfolgreich? Was möchten Sie in Ihrem Spiel auch einbauen? Bauen Sie Ihr Spiel mit einfachen Mitteln als Prototyp und spielen Sie es. Beim Austesten sind alle möglichen Materialien interessant und einsetzbar. Ich benutze gerne Schraubverschlüsse von Milchpackungen als Spielfiguren. Erlaubt ist alles, was Spaß macht und Ihnen zeigt, wie sich Ihr Spiel grundsätzlich anfühlt.
Fühlt sich ein Prototyp gut an, dann können Sie ihn ausbauen. Ändern Sie kleinere Regeln, fügen Sie neue hinzu oder erweitern Sie den Prototyp um eine Geschichte und Charaktere. Wenn das Spiel nun mehr Spaß macht, dann sind Sie auf einem guten Weg. Sollte das Spiel jedoch nach den Veränderungen weniger Spaß bereiten, dann vergessen Sie einfach die Änderungen oder im schlimmsten Fall den kompletten Prototyp. Ein neuer Prototyp ist schnell erstellt.
Für ein Unterhaltungsspiel muss der Gamedesigner deutlich weniger didaktische Fähigkeiten haben als für ein Lernspiel. Seine Idee und seine Umsetzung werden außerdem von den Spielern nicht auf fachliche Präzision geprüft. Wem wären bei Mario Kart die korrekten fahrphysikalischen Eigenschaften der Karts wichtig? Es geht bei Unterhaltungsspielen darum, dass man als Anfänger nicht permanent aus der Kurve fliegt oder massiv hinterher hängt. Aus diesem Grund ist es bei unterhaltenden Rennspielen vollkommen legitim, als Gamedesignentscheidung die Regel einzuführen, »der Letzte bekommt eine um 10 % höhere Geschwindigkeit«.
Ein Formel-1-Fahrer würde sich über eine derartige Entscheidung beklagen, da sein Simulationsspiel möglichst realistisch sein soll, damit er beim echten Rennen bessere Zeiten erzielen kann. Trotzdem möchte er im Rennstreckensimulator unterhalten werden.
Ein Gamedesigner im Serious-Games-Bereich muss sich gut mit dem behandelten Stoff, der didaktischen Umsetzung und zusätzlich mit den unterhaltenden Spielmechaniken auskennen. Eine Spielmechanik ist eine zusammenhängende Gruppe von Spielelementen beziehungsweise von zusammengehörigen Spielregeln. Ein Beispiel für eine bekannte Spielmechanik ist das Marktsystem, also der Bereich eines Spiels, in dem Spieler Güter oder Dienstleistungen miteinander oder mit dem Spiel handeln. Wie auf einem Markt in der realen Welt gilt es auch hier, viele unterschiedliche Regeln zu beachten. Jede dieser Einzelregeln wirft Detailfragen auf: »Dürfen Spieler untereinander handeln oder nur mit dem Spiel?«, »Gibt es Mindest- und Maximalpreise?« oder »Welche Waren dürfen gehandelt werden?«, um nur einige beispielhaft zu nennen.
Damit Sie als Gamedesigner den Überblick nicht verlieren, ergibt es Sinn, alle Einzelregeln eines Themengebiets – die bildlich gesprochen wie »Zahnrädchen einer Mechanik« direkt ineinandergreifen – unter einem Oberbegriff zu sammeln. Das Marktsystem ist so ein Oberbegriff.
Im Hinblick auf das Medium muss der Gamedesigner vor allem zwei Eigenschaften beachten, nämlich die Eingabemöglichkeiten und die Verfügbarkeit.
Bei digitalen Spielen haben tragbare Spielekonsolen wie der Gameboy den Weg bereitet, den Smartphones nun vollenden, nämlich dass Spiele immer und überall verfügbar sind. Die Spieler setzen sich nicht mehr zwingend vor den Fernseher oder an den Tisch und reservieren sich für das Spiel viel Zeit. Online sind Spiele attraktiv, deren Aktionen nicht zeitkritisch sind und nicht lange dauern. Jeder Spielzug muss in die Pausen zwischen Auf-den-Bus-Warten, Einsteigen, Haltestelle-Abwarten, Aussteigen, Sprachnachrichten-Abhören und -Senden sowie den Weg zwischen Haltestelle und Wohnung passen.
Ebenso verändert der Wegfall einer Maus oder Tastatur die Möglichkeiten, die ein Spieler hat. Mit den Händen wischen und tippen fühlt sich komplett anders an als das Tippen von Nachrichten auf der Tastatur.
Bei analogen Spielen sehen die Eingabemöglichkeiten und die Verfügbarkeit ähnlich aus. Die Verfügbarkeit wird bestimmt durch die Mobilität des Spiels. Schieferplatten mit einem Gewicht von 1,5 Tonnen nimmt man nicht so einfach zu seinen Freunden mit, das heißt, der gediegene Snookerabend ist nur an einem fixen Ort verfügbar. Dem gegenüber ist ein Hacky-Sack extrem mobil und konnte dadurch Ende der 1990er viele Schulhöfe erobern. Ein Hacky-Sack ist ein mit Reis gefüllter gehäkelter Ball, den man alleine oder in der Gruppe mit den Füßen in die Luft tritt und oben hält. Die Eingabe in das Spiel erfolgt also über die Füße und über den Mund, mit dem man die erfolgreichen Wiederholungen zählt.
Sie sehen, dass Sie sowohl bei digitalen als auch bei analogen Spielen auf unterschiedliche Eingabemöglichkeiten und Verfügbarkeiten treffen. Der Spielspaß steigt, und zwar unabhängig vom Medium, nämlich wenn Sie die Eingabemöglichkeiten sinnvoll nutzen und auf die Verfügbarkeiten achten.
Bevor ein Brettspiel auf dem Wohnzimmertisch ausgepackt oder ein digitales Spiel auf dem Computer installiert oder im Browser geöffnet werden kann, müssen bei der Produktion einige Personen ihre Liebe in die Erstellung des Produkts einfließen lassen. Die produktnahen Aufgaben kann man für jede Art von Spiel in drei Hauptaufgabengebiete unterteilen (siehe Abbildung 1.2), nämlich in die technische Produktion, die optische Umsetzung und den Inhalt (Idee, Texte, Regeln).
Bei einem Brettspiel ist diese Aufteilung leicht nachzuvollziehen. Die technische Produktion beinhaltet alles, was man anfassen kann, also die Verpackung und das Spielmaterial. Die optische Umsetzung übernimmt ein Grafiker oder ein Illustrator, der die Verpackung, die Anleitung und die Spielmaterialien mit Bildern und anderen optischen Gestaltungselementen aufwertet.
Und der Gamedesigner, in Deutschland im Brettspielbereich auch Spieleautor genannt, entwickelt die Spieleidee, schreibt die Texte und definiert die Spielregeln, die alle möglichen Aktionen der Spieler und die dazugehörigen Reaktionen des Spiels beschreiben.
Im Idealfall behält der Gamedesigner, wie ein Filmregisseur, alle Fäden in der Hand und koordiniert die anderen Fachbereiche, damit am Ende ein Spiel mit einer durchgängigen und stimmigen Form entsteht. Der Gamedesigner ist innerhalb dieses Prozesses der Hüter der Spieleidee, der alle spielbezogenen Probleme aus dem Weg räumen muss. Solche spielbezogenen Probleme können negatives Spielerfeedback zu Spielinhalten und Spielregeln sein oder die Rückmeldung aus dem Management, dass ein Budget gekürzt wird und das Spiel diesbezüglich verkleinert oder vereinfacht werden muss. Der Gamedesigner ist die Fachperson, die die Auswirkungen von Änderungen am Spiel am besten einschätzen kann, da er alle Zusammenhänge entwickelt und genau abgewogen hat.
Nur weil ein Bäcker neben Brot und Brötchen ebenfalls Pralinen anbietet, sich selbst um das Marketing, die Website, den Vertrieb und den Aufbau seiner Filialketten kümmert, bedeutet das nicht, dass dies alles zum Berufsbild des Bäckers gehört. So ist es auch beim Gamedesigner, der in kleineren und jungen Unternehmen noch selbst, je nach seinen Fähigkeiten, Grafiken erstellt oder Codezeilen programmiert. Es passiert hier und da aus unterschiedlichen Gründen, aber es gehört grundsätzlich nicht zu den Aufgaben eines Gamedesigners.
Zusammenfassend kann man sagen: Gamedesigner stellen sich unabhängig von Medium und Spielziel immer die Fragen, ob das Spiel Spaß macht, warum es Spaß macht, welche Aktionen ein Spieler durchführen kann, welche Siegbedingungen es gibt oder ob das Spiel fair ist. Aber auch Fragen nach der optimalen Marketingbotschaft oder der besten Verpackung sind bei einem Gamedesigner gut aufgehoben, da er die Zielgruppe am besten kennt. Gamedesigner sind also Experten im Analysieren und Lösen von Problemen, damit das Spiel als Ganzes der Zielgruppe Spaß bereitet und sich gut verkaufen kann.
Ein wirklich gut ausgebildeter Gamedesigner ist in der Lage, sowohl Computerspiele, Brett- und Kartenspiele als auch Serious Games zu entwickeln. Er kann sich flexibel ohne nennenswerte Probleme an den technischen Fortschritt anpassen.
Ein Gamedesigner …
Diese Erkenntnis gehört ebenso zum Handwerk des Gamedesigners, wie es die Standardanfängerfehler tun, nämlich dass das erste Spieleprojekt garantiert »daaaaas Megaspiel des Jahrhunderts« sein wird und dass jedes eigene Spiel einem selbst gefallen muss.
Wen es motiviert, der kann diese Phasen gerne durchwandern oder sich von Anfang an vor Augen führen, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist und dass man Spiele für seine Spieler designt und nicht für sich selbst.