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Zum Gedenken an meine Bubbe Zelda
meine Töchter Zelda und Billie
L’dor v’dor … Chazak V’Amatz
Zu Ehren aller jüdischen Frauen in Polen,
die Widerstand gegen das Naziregime geleistet haben
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Maria Zettner
Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel The Light of Days. The Untold Story of Woman Resistance Fighters in Hitler’s Ghettos bei William Morrow, einem Imprint von HarperCollins, New York
© 2020 by Judy Batalion
Deutschsprachige Ausgabe:
© Piper Verlag GmbH, München 2021
Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München
Covermotiv: Privatbesitz von Merav Waldman und weitere Motive von picture alliance/akg-images; jessicahyde/Adobe Stock; Shawshots / Alamy Stock Photo
Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)
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Warschau mit dem weinenden Gesicht
mit Gräbern an Straßenecken
wird seine Feinde überdauern
wird das Tageslicht wieder sehen.
Aus »A Chapter of Prayer«, einem dem Aufstand im Warschauer Ghetto gewidmeten Lied, das in einem Liederwettbewerb im Ghetto den ersten Preis gewann. Geschrieben von einem jüdischen jungen Mädchen vor seinem Tod und veröffentlicht in Women in the Ghettos, 1946.
(In der Reihenfolge ihres Auftretens)
Renia Kukielka: geboren in Jędrzejów, Kurierin der Freiheit in Będzin
Sarah Kukielka: Renias ältere Schwester, eine Freiheit-Kameradin, die sich in Będzin um jüdische Waisenkinder kümmert
Zivia Lubetkin: geboren in Beuthen, Mitglied der Führungsriege der Freiheit innerhalb der Jüdischen Kampforganisation (ŻOB) und Mitwirkende beim Aufstand im Warschauer Ghetto
Frumka Płotnicka: geboren in Pinsk, eine Freiheit-Kameradin, die die Kampforganisation in Będzin leitet
Hantze Płotnicka: Frumkas jüngere Schwester, ebenfalls im Leitungsteam der Freiheit sowie Kurierin
Tosia Altman: Leiterin beim Jungen Wächter und eine seiner aktivsten Kurierinnen mit Schwerpunkt Warschau
Vladka Meed (geb. Feigele Peltel): Kurierin des Bunds in Warschau
Chajka Klinger: eine Leiterin beim Jungen Wächter und der Kampforganisation in Będzin
Gusta Davidson Draenger: eine Kurierin und Leiterin bei Akiba mit Schwerpunkt Krakau
Hela Schüpper: eine Kurierin für Akiba mit Schwerpunkt Krakau
Bela Hazan: eine Kurierin für Freiheit, aktiv in Grodno, Wilna und Białystok, die mit Lonka Kozibrodska und Tema Schneiderman zusammenarbeitet
Chasia Bielicka und Chaika Grossman: zwei Kurierinnen vom Jungen Wächter, die zu einem Ring antifaschistischer Agenten in Białystok gehören
Ruzka Korczak: eine Leiterin beim Jungen Wächter innerhalb von Wilnas Kampforganisation FPO und eine Partisanenführerin in den Wäldern
Vitka Kempner: eine Leiterin beim Jungen Wächter innerhalb von Wilnas Kampforganisation FPO und eine Partisanenführerin in den Wäldern
Zelda Treger: eine Kurierin vom Jungen Wächter mit Schwerpunkt Wilna und Wälder
Faye Schulman: eine Fotografin sowie später Partisanen-Krankenschwester und Kämpferin
Anna Heilman: eine assimilierte Angehörige vom Jungen Wächter in Warschau, die am Widerstand in Auschwitz beteiligt ist
Im Lesesaal der British Library roch es nach alten Büchern. Ich schaute auf den Stapel von historischen Werken über Frauen, den ich bestellt hatte – nicht zu viele, beruhigte ich mich, nicht zu erdrückend. Der Band zuunterst war der ungewöhnlichste: vergilbtes Büttenpapier, eingebunden in ein festes Cover aus einem verschlissenen blauen Gewebe. Ihn schlug ich zuerst auf und fand um die zweihundert Blätter in winziger Schreibschrift – auf Jiddisch. Ich beherrschte diese Sprache zwar, hatte sie aber mehr als fünfzehn Jahre nicht mehr benutzt.
Fast hätte ich das Ganze ungelesen wieder auf den Stapel gelegt. Doch irgendetwas drängte mich weiterzulesen, also warf ich einen flüchtigen Blick auf ein paar von den Seiten. Und dann noch welche. Ich hatte erwartet, auf langweilige hagiografische Klagen und schwammige talmudische Erörterungen weiblicher Stärke und Tapferkeit zu stoßen. Doch stattdessen: Frauen, Sabotage, Schusswaffen, Tarnung, Dynamit. Ich hatte einen Thriller aufgespürt.
Konnte das sein?
Ich war total perplex.
*
Gesucht hatte ich nach starken jüdischen Frauen.
In meinen Zwanzigern, zu Anfang des 21. Jahrhunderts, lebte ich in London, wo ich tagsüber als Kunsthistorikerin arbeitete und abends als Comedienne. In beiden Milieus wurde meine jüdische Identität zu einem Stein des Anstoßes. Vermeintlich spaßige Bemerkungen durch die Blume über mein angeblich »semitisches« Aussehen und Gehabe waren von Akademikern, Galeristen, Zuschauern, Künstlerkollegen und Produzenten gleichermaßen an der Tagesordnung. Nach und nach dämmerte mir: Es ging den Briten gegen den Strich, dass ich mein Jüdischsein so offen, so zwanglos zur Schau stellte. Ich bin in einer eingeschworenen jüdischen Gemeinde in Kanada aufgewachsen und dann im Nordosten der Vereinigten Staaten aufs College gegangen. Weder an dem einen noch an dem anderen Ort waren meine Wurzeln etwas Ungewöhnliches. Ich hatte eine Identität für den öffentlichen Bereich und eine andere für den privaten. In England jedoch mit meiner Andersartigkeit so »atypisch« zu sein, nun, das wirkte dreist und verursachte Unbehagen. Der Schock, nachdem ich dahintergekommen war, machte mich befangen. Ich war mir nicht sicher, wie ich damit umgehen sollte: Ignorieren? Zurückscherzen? Vorsicht walten lassen? Überreagieren? Unterreagieren? Undercover gehen und eine doppelte Identität annehmen? Fliehen?
Zur Lösung des Problems bediente ich mich der Kunst und der Recherche. Ich schrieb ein Stück über weibliche jüdische Identität und generationsübergreifendes Trauma. Mein Leitbild für jüdischen weiblichen Wagemut war Hannah Szenes, eine der wenigen Widerstandskämpferinnen im Zweiten Weltkrieg, die nicht in den Wirren der Geschichte verloren gegangen ist. Als Kind ging ich auf eine säkulare jüdische Schule – ihr Weltbild gründete auf polnischen jüdischen Strömungen –, auf der wir auch hebräische Lyrik und jiddische Romane durchnahmen. In meinem Jiddisch-Unterricht in der fünften Klasse erfuhren wir von Hannah und davon, dass sie als 22-Jährige in Palästina den britischen Fallschirmtruppen für den Kampf gegen die Nazis beitrat und nach Europa zurückkehrte, um dort den Widerstand zu unterstützen. Mit ihrer Mission war sie zwar nicht erfolgreich, doch wurde sie eine Inspiration in Sachen Mut. Bei ihrer Hinrichtung wollte sie sich partout nicht die Augen verbinden lassen, sondern die Kugel direkt auf sich zukommen sehen. Hannah sah der Wahrheit ins Auge, lebte und starb für ihre Überzeugungen und war stolz darauf, ungeniert sie selbst zu sein.
In jenem Frühjahr 2007 saß ich also in der British Library in London und suchte nach Informationen über Szenes, nach differenzierten Auseinandersetzungen mit ihrem Charakter. Wie sich herausstellte, gab es nicht viele Bücher über sie, deshalb ließ ich mir alle kommen, die sie wenigstens erwähnten. Eins davon war auf Jiddisch. Fast hätte ich es wieder zurückgeschickt.
Doch dann nahm ich Freuen in di Ghettos (Frauen in den Ghettos[1]) in die Hand und blätterte es durch. In dieser 185 Seiten umfassenden Anthologie kam Hannah erst im letzten Kapitel vor. Die 170 Seiten davor waren voll von Geschichten anderer Frauen – Dutzender unbekannter junger Jüdinnen, die, überwiegend aus polnischen Ghettos heraus, im Widerstand gegen die Nazis gekämpft hatten. Diese »Ghetto-Girls« bestachen Gestapo-Wachleute, versteckten Revolver in Brotlaiben und halfen beim Bau unterirdischer Bunkersysteme mit. Sie flirteten mit Nazis und machten sie mit Wein, Whiskey und Gebäck gefügig, bevor sie sie mit Tücke und List umbrachten. Sie führten Spionagemissionen für Moskau durch, verteilten gefälschte Papiere und Untergrundflugblätter und waren Übermittler der traurigen Wahrheit über das Schicksal der Juden. Sie halfen den Kranken und unterrichteten die Kinder. Sie verübten Anschläge auf deutsche Bahnlinien und sprengten das Stromnetz von Wilna in die Luft. Sie verkleideten sich als Nichtjüdinnen, arbeiteten als Hausmädchen auf den arischen Seiten der Städte und halfen Juden, durch Kanalschächte und Kamine aus den Ghettos zu entkommen, beziehungsweise indem sie Löcher in Mauern gruben und über Dächer krochen. Sie schmierten Scharfrichter, schrieben Funksprüche aus dem Untergrund, hielten den Kampfgeist aufrecht, verhandelten mit polnischen Grundbesitzern, brachten die Gestapo dazu, ihnen ihr Gepäck voller Waffen zu tragen, riefen eine Gruppe von AntinaziNazis ins Leben, und nicht zu vergessen: Sie erledigten den Hauptteil der Verwaltungsarbeit im Untergrund.
In all den Jahren jüdischen Unterrichts hatte ich noch nie so unglaubliche Berichte mit Details des tagtäglichen und außerordentlichen weiblichen Kampfeinsatzes gelesen. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie viele jüdische Frauen sich im Widerstand engagiert hatten und in welchem Ausmaß.
Diese Geschichten versetzten mich nicht nur in Erstaunen, sie berührten mich ganz persönlich und stellten mein Verständnis von meiner eigenen Geschichte auf den Kopf. Ich stamme aus einer Familie von polnisch-jüdischen Holocaust-Überlebenden. Meine Bubbe Zelda (Namensgeberin meiner ältesten Tochter) kämpfte nicht im Widerstand. Ihre erfolgreiche, wenn auch tragische Fluchtgeschichte prägte meine Vorstellung von Überleben. Sie – die mit ihren hohen Wangenknochen und ihrer Stupsnase nicht aussah, wie sich die Deutschen einen Juden dachten – floh aus dem besetzten Warschau, schwamm durch Flüsse, versteckte sich in einem Kloster, flirtete mit einem Nazi, der ein Auge zudrückte, und wurde in einem Lastwagen voller Orangen gen Osten mitgenommen, wo sie sich schließlich über die russische Grenze stahl und wo ihr Leben, ironischerweise, durch die Zwangsarbeit in einem sibirischen Arbeitslager gerettet wurde. Meine Bubbe war stark wie ein Ochse, doch sie hatte ihre Eltern und drei ihrer vier Schwestern verloren, die alle in Warschau geblieben waren. Sie erzählte mir diese furchtbare Geschichte jeden einzelnen Nachmittag, wenn sie nach der Schule bei mir Babysitter spielte, und hatte dabei vor Zorn Tränen in den Augen. Meine jüdische Gemeinde in Montreal bestand größtenteils aus Familien von Holocaust-Überlebenden. Sowohl meine eigene Familie als auch die der Nachbarn konnten ein ähnliches Lied von Schmerz und Leid singen. Meine Gene wurden entscheidend geprägt – ja sogar verändert, wie Neurowissenschaftler inzwischen für möglich halten – durch Traumata. Ich wuchs auf in einer Aura der Viktimisierung und der Angst.
Doch hier, in Freuen in di Ghettos, gab es eine andere Version des Kapitels »Frauen im Krieg«. Diese Geschichten der Tatkraft rüttelten mich auf. Da waren Frauen, die mit Verbissenheit und innerer Stärke – ja sogar mit Gewalt – ans Werk gingen, die schmuggelten, geheime Informationen zusammentrugen, Sabotage begingen und sich am Kampfgeschehen beteiligten. Sie waren stolz auf ihre Inbrunst. Die Autorinnen baten nicht um Mitleid, sie feierten gelebte Tapferkeit und Unerschrockenheit. Frauen zeigten sich, trotz des Hungers und der Folter, denen sie ausgesetzt waren, beherzt und unverfroren. Mehr als eine von ihnen hatte die Chance zu entkommen, nutzte sie aber nicht. Einige entschieden sich sogar dafür, zurückzukehren und zu kämpfen. Meine Bubbe war meine Heldin, doch was, wenn sie den Entschluss gefasst hätte, unter Einsatz ihres Lebens dazubleiben und zu kämpfen? Mich ließ die Frage nicht mehr los: Was würde ich in einer ähnlichen Situation machen? Kämpfen oder fliehen?
*
Anfangs dachte ich, bei den mehreren Dutzend in Freuen in die Ghettos genannten Widerstandsagentinnen handele es sich um alle. Doch als ich das Thema erst einmal angerissen hatte, begegneten mir an jeder Ecke unglaubliche Geschichten über weibliche Kämpfer: in Archiven, Verzeichnissen, in E-Mails von fremden Menschen, die mir von ihrer Familie erzählten. Ich fand Dutzende Lebenserinnerungen von Frauen, herausgegeben von kleinen Verlagshäusern, sowie Hunderte Zeitzeugenberichte in polnischer, russischer, hebräischer, jiddischer, deutscher, französischer, holländischer, dänischer, griechischer, italienischer und englischer Sprache, von den 1940er-Jahren bis heute.
Holocaust-Forscher diskutieren schon seit Langem, was als Akt jüdischen Widerstands »zählt«.[2] Viele legen die weitreichendste Definition zugrunde: jede Aktion, die das Menschsein eines Juden bekräftigte; jede Einzel- oder gemeinschaftliche Tat, die, selbst wenn unbeabsichtigt, der Nazipolitik oder -ideologie trotzte, wozu auch das bloße Überleben gehört. Andere finden, dass eine zu allgemeine Definition die Leistungen derjenigen schmälert, die unter Einsatz ihres Lebens aktiv einem Regime die Stirn boten, und dass ein Unterschied besteht zwischen Widerstand und Durchhaltevermögen.
Die rebellischen Akte, die ich unter den Jüdinnen in Polen, wo mein Fokus lag, ausfindig machte, deckten das gesamte Spektrum ab – von solchen Aktionen, die knifflige Vorausplanungen notwendig machten, wie die Zündung großer Mengen TNT, bis hin zu spontanen, unkomplizierten, fast schon slapstickartigen, bei denen es um Verkleidung, Beißen und Kratzen oder das Herauswinden aus den Armen von Nazis ging. Für viele war das Ziel, Juden zu retten, für andere, in Würde zu sterben und so in Erinnerung zu bleiben. Freuen in di Ghettos beleuchtet die Aktivitäten weiblicher »Ghettokämpfer«: Untergrundagentinnen, die aus der jüdischen Jugendbewegung hervorgingen und in den Ghettos tätig waren. Diese jungen Frauen waren Kämpferinnen, Herausgeberinnen von Untergrundverlautbarungen und Aktivistinnen. Vor allem stellten Frauen die überwiegende Zahl der »Kuriere«, eine ganz besondere Funktion im Herzen der Operationen. Sie verkleideten sich als Nichtjüdinnen und pendelten zwischen abgeriegelten Ghettos und Städten hin und her, während sie Menschen, Bargeld, Papiere, Informationen und Waffen heraus- beziehungsweise hineinschmuggelten, wobei sie vieles selbst beschafft hatten.
Doch jüdische Frauen waren nicht nur Ghettokämpferinnen. Sie flüchteten sich auch in die Wälder und traten Partisanengruppen bei, für die sie Sabotageakte und geheimdienstliche Missionen durchführten. Manche Widerstandsaktionen liefen als »ungeregelte« einmalige Angelegenheiten ab. Mehrere polnische Jüdinnen schlossen sich ausländischen Widerstandsverbänden an, während andere mit dem polnischen Untergrund zusammenarbeiteten. Frauen bauten Rettungsnetzwerke auf, die anderen Juden zu einem Versteck oder zur Flucht verhalfen.[3] Schließlich leisteten sie moralischen, spirituellen und auch kulturellen Widerstand, indem sie ihre Identität verschleierten, jüdische Bücher unter die Leute brachten, auf Transporten Witze erzählten, um die Angst zu lindern, Quartiergefährten umarmten, um sie warm zu halten[4], und Suppenküchen für Waisen einrichteten. Manchmal war die letztgenannte Aktivität organisiert, öffentlich und illegal, andere Male fand sie im privaten, kleinen Rahmen statt.
Nach Monaten der Recherche ging es mir wie so vielen Autoren: Ich stand vor einem wahren Schatz und gleichzeitig auch vor einer Herausforderung, denn ich hatte mehr ungeheuerliche Widerstandsgeschichten zusammengetragen, als ich je für möglich gehalten hätte. Wie sollte ich das alles nur eingrenzen und meine Hauptfiguren auswählen?
Am Ende entschied ich mich, meiner Inspirationsquelle, Freuen in die Ghettos, zu folgen mit ihrem Fokus auf Ghettokämpferinnen aus den Jugendbewegungen Freiheit (Dror) und Der Junge Wächter (Hashomer Hatzair). Das Kernstück des Buches und sein längster Beitrag war von einer Kurierin geschrieben, die mit »Renia K.« unterzeichnet hatte. Ich fühlte mich von Renia magisch angezogen – nicht weil sie die bekannteste, militanteste oder charismatischste Führungsgestalt gewesen wäre, sondern eher aus dem gegenteiligen Grund. Renia war weder eine Idealistin noch eine Revolutionärin, sondern ein Mädchen mit Köpfchen aus dem bürgerlichen Milieu, das sich unversehens in einen erbarmungslosen Albtraum versetzt sah. Sie zeigte sich der Situation gewachsen, befeuert von einem inneren Gerechtigkeitsgefühl und von Zorn. Ich war fasziniert von ihren ungeheuren Geschichten über verstohlene Grenzüberquerungen und Granatenschmuggel sowie von den detaillierten Schilderungen ihrer Undercovermissionen. Mit zwanzig Jahren dokumentierte Renia ihre Erlebnisse der vorangegangenen fünf Jahre in ausgewogener, reflektierender Prosa, anschaulich durch die lebendigen Charakterisierungen, unverblümten Eindrücke und sogar mit einer gehörigen Portion Witz.
Später fand ich heraus, dass Renias Beitrag in Freuen in die Ghettos ein Auszug aus einer langen Lebenserinnerung war, die sie auf Polnisch verfasst hatte und die 1945 in Palästina in hebräischer Sprache veröffentlicht wurde.[5] Ihr Buch war einer der ersten (manche sagen, der erste überhaupt[6]) ausführlichen Augenzeuginnenberichte über den Holocaust. 1947 gab ein jüdischer Verlag in Downtown New York eine englische Version heraus mit einer Einleitung von einem namhaften Übersetzer.[7] Doch nur wenig später gerieten das Buch und seine Welt in Vergessenheit. Ich bin auf Renia nur noch in flüchtigen Erwähnungen oder akademischen Kommentaren gestoßen. Hier hole ich ihre Geschichte aus den Fußnoten in den Haupttext und lüfte den Schleier dieser unbekannten jüdischen Frau, die unglaublich mutige Taten vollbracht hat. In Renias Chronik habe ich weitere Geschichten von polnischen jüdischen Widerstandskämpferinnen aus verschiedenen Untergrundbewegungen und mit vielfältigen Missionen verwoben, um ein Bild von der ganzen Bandbreite weiblichen Wagemuts zu geben.
*
Die jüdische Überlieferung ist voll von Geschichten über Triumphe von augenscheinlich Schwachen: David gegen Goliath, die israelitischen Sklaven, die den Pharao zur Weißglut trieben, die Makkabäer-Brüder, die das Seleukidenreich besiegten.
Das folgende ist keine derartige Geschichte.
Die polnische jüdische Widerstandsbewegung erzielte, was militärische Erfolge, Verluste aufseiten der Nazis und Anzahl der geretteten Juden angeht, eher minimale Triumphe.[8]
Doch die Anstrengungen, die sie unternahmen, waren größer und besser organisiert, als ich jemals für möglich gehalten hätte, und, gemessen an den Holocaust-Berichten, mit denen ich aufgewachsen war, geradezu gigantisch. Bewaffnete jüdische Untergrundgruppen waren in mehr als 90 osteuropäischen Ghettos im Einsatz.[9] Kleinere »Aktionen« und Aufstände fanden in Warschau statt sowie in Będzin, Wilna, Bialystok, Krakau, Lwów, Częstochowa, Sosnowiec und Tarnow.[10] Bewaffneten jüdischen Widerstand gab es in mindestens fünf größeren Konzentrations- beziehungsweise Vernichtungslagern – darunter Auschwitz, Treblinka und Sobibór – sowie in 18 Arbeitslagern.[11] 30 000 Juden schlossen sich Partisanentrupps in den Wäldern an.[12] Jüdische Netzwerke unterstützten 12 000 in Warschau untergetauchte Juden finanziell.[13] Und darüber hinaus ließen sich noch zahllose weitere Beispiele für tagtägliche Akte der Auflehnung anführen.
Warum, so fragte ich mich immerzu, hatte ich von alldem noch nie etwas gehört? Warum hatte ich nichts von den Hunderten, ja sogar Tausenden von jüdischen Frauen erfahren, die in alle Aspekte dieser Rebellion eingebunden waren, nicht selten an vorderster Front? Warum war Freuen in die Ghettos lediglich ein unbekannter Titel und nicht vielmehr ein Klassiker der Holocaust-Literatur?
Wie ich allmählich in Erfahrung brachte, haben viele Faktoren, sowohl persönliche als auch politische, die Entwicklung der Dokumentation des Holocaust beeinflusst. Unser kollektives Gedächtnis wurde geprägt von einem übergreifenden Widerstand gegen den Widerstand. Schweigen ist ein Mittel, mit dem sich Wahrnehmung steuern und Macht verlagern lässt. Es hat im Lauf der Jahrzehnte in Polen, Israel und Nordamerika unterschiedliche Wirkung entfaltet. Schweigen ist aber auch eine Strategie, um etwas bewältigen und weiterleben zu können.
Selbst wenn Chronisten gegen den Strom schwammen und von Widerstand erzählten, standen so gut wie nie Frauen im Fokus.[14] In den einzelnen Fällen, in denen Frauen eine Rolle spielen, werden sie meist in stereotype Muster eingebettet. In dem fesselnden Fernsehfilm Uprising – Der Aufstand von 2001 über das Warschauer Ghetto kommen zwar weibliche Kämpfer vor, doch sind sie auch hier in typischer Weise falsch dargestellt. Führungsgestalten sind zu Nebenfiguren herabgestuft, zu »Freundinnen von«. Die einzige weibliche Hauptrolle hat Tosia Altman, und obwohl man sie furchtlos Waffen schmuggeln sieht, wird sie als hübsches, schüchternes junges Mädchen gezeichnet, das sich um seinen kranken Vater kümmert und – völlig naiv und sanftmütig – eher passiv in den Widerstand hineingezogen wird. In Wirklichkeit hatte Tosia schon lange vor dem Krieg eine Führungsrolle beim Jungen Wächter inne. Ihre Biografin stellt ihren Ruf als »Glamourgirl« heraus. Indem der Film ihre Vorgeschichte regelrecht neu schreibt, verzerrt er nicht nur ihren Charakter, er löscht auch die ganze Welt von Bildung, militärischem Training und Wirken jüdischer Frauen aus, die Tosia zu dem gemacht hatte, was sie war.
Natürlich war der jüdische Widerstand gegen die Nazis in Polen keine radikal feministische Mission. Männer waren aktive Kämpfer, Anführer und Kommandanten. Doch aufgrund ihres Geschlechts und damit ihrer Fähigkeit, ihr Jüdischsein zu verschleiern, waren Frauen einzigartig dafür geeignet, einige wesentliche und lebensgefährliche Aufgaben zu übernehmen, insbesondere als Kurierinnen. Wie die Kämpferin Chaika Grossman es ausdrückte: »Die jüdischen Mädchen waren der Lebensnerv der Bewegung.«[15]
*
Bei der Veröffentlichung, 1946, war das einzige Ziel von Freuen, die amerikanischen Juden über die ungeheuren Anstrengungen jüdischer Frauen in den Ghettos zu informieren. Mehrere der Mitwirkenden gingen schlicht davon aus, dass diese Frauen bald allen ein Begriff sein würden, und vertrauten darauf, dass künftige Historiker dieses unbegreifliche Feld schon beackern würden. Die Kämpferin Ruzka Korczak schrieb, diese Geschichten von weiblichem Widerstand seien »der große Schatz unserer Nation« und würden zu einem wesentlichen Bestandteil der jüdischen Erzähltradition werden.[16]
Fünfundsiebzig Jahre später sind diese Heldinnen immer noch weitestgehend unbekannt und ihre Seiten im »Buch ewiger Erinnerung« ungeschrieben.[17] Bis jetzt.
Von oben könnte man leicht den Eindruck gewinnen, die kleine Stadt mit ihrer glitzernden Burg, den malerischen Häusern und dem bonbonfarbenen Stadtbild stamme aus dem Märchen. Bereits im neunten Jahrhundert gab es an der Stelle des heutigen Będzin eine Ansiedlung.[18] Die Festungsstadt wachte über die alte Handelsroute von Kiew in den Westen. Wie viele mittelalterliche polnische Städte, vor allem in dieser waldreichen Gegend im Süden des Landes, ist auch Będzin eingebettet in eine prachtvolle Landschaft. Die saftgrünen Panoramen lassen sich überhaupt nicht mit Teilung und Tod, endlosen Schlachten und Erlassen in Verbindung bringen. Aus der Ferne würde man nie auf den Gedanken kommen, dass diese majestätische turmgekrönte Stadt ein Sinnbild der Beinahe-Ausrottung des jüdischen Volkes sein könnte.
Das in der polnischen Region Zagłębie, dem Kohlebecken, gelegene Będzin war seit Hunderten von Jahren Juden eine Heimat gewesen. Seit dem 13. Jahrhundert florierte in dem Gebiet das jüdische Leben. Im späten 16. Jahrhundert gewährte der König den Będziner Juden das Recht, eigene Gebetshäuser zu besitzen, Grundbesitz zu erwerben, unbegrenzt Handel zu treiben, Tiere zu schlachten und Alkohol auszuschenken. Über zweihundert Jahre lang, solange sie Steuern zahlten, waren die Juden geschützt und knüpften feste Handelsbeziehungen. Im 19. Jahrhundert geriet die Stadt unter strenge preußische und danach unter russische Herrschaft, doch örtliche Gruppen wehrten sich gegen diese ausländischen Kolonisatoren und traten für eine polnisch-jüdische Verbrüderung ein. Im 20. Jahrhundert boomte die Wirtschaft, moderne Schulen wurden eingerichtet, und Będzin wurde ein Zentrum für neuartige Ideologien, insbesondere für den Sozialismus. Neue Gepflogenheiten führten zu leidenschaftlichen und produktiven internen Auseinandersetzungen – jüdische politische Parteien, Professuren und Zeitungen schossen wie Pilze aus dem Boden. Wie in vielen Städten überall im Land stellten die Juden einen wachsenden Anteil an der Bevölkerung, und sie waren auf komplexe Weise in das Gefüge des Alltagslebens eingewoben. Die Jiddisch sprechenden Bewohner waren aus der Region nicht mehr wegzudenken. Umgekehrt bildete Zagłębie einen wesentlichen Bestandteil der jüdischen Identität.
Im Jahr 1921, als man Będzin das »Jerusalem von Zagłębie« nannte, besaßen Juden 672 Fabriken und Werkstätten am Ort. Nahezu die Hälfte aller Będziner waren Juden[19], und eine ganze Zahl von ihnen konnte man als wohlhabend bezeichnen: Ärzte, Rechtsanwälte, Kaufleute sowie Besitzer von Produktionsstätten. Sie bildeten eine liberale, säkulare und moderat sozialistische gesellschaftliche Gruppe, die Kaffeehäuser besuchte, Sommerhäuser in den Bergen besaß, sich bei Tangoabenden, Jazz und Skifahren vergnügte und sich als Europäer fühlte. Auch der jüdischen Arbeiterschaft und den Orthodoxen ging es gut. Ihnen standen zahllose Gotteshäuser und eine große Auswahl an Parteien für den Rat der Juden zur Verfügung. Bei den Gemeinderatswahlen von 1928 stellten sich 22 Parteien zur Wahl, 17 davon waren jüdische Vereinigungen. Auch Będzins stellvertretender Bürgermeister war ein Jude. Diese Menschen konnten natürlich nicht ahnen, dass die dynamische Welt, die sie sich aufgebaut hatten, schon bald vollständig zerstört sein würde – ebenso wenig wäre ihnen in den Sinn gekommen, dass sie um ihr Erbe und ihr Leben würden kämpfen müssen.
*
Im September 1939 fiel die deutsche Invasionsarmee in Będzin ein. Die Nazis brannten die prachtvolle neoromanische Synagoge nieder, ein einst mit Stolz unterhalb der Burg errichtetes Prunkstück. Dabei ermordeten sie viele Juden, die sich im Gebäude befanden oder aus ihm zu fliehen versuchten.[20] Drei Monate später wurden die 20 000 örtlichen Juden zum Tragen von Armbinden mit dem Davidstern[21] gezwungen und schon bald – zusammen mit 10 000 Juden aus den umliegenden Gemeinden – in ein abgegrenztes Viertel am Rande der Stadt gepfercht, in dem sich mehrere Familien eine Baracke oder auch nur ein einzelnes Zimmer teilen mussten. Menschen, die jahrhundertelang Frieden, Wohlstand und gesellschaftliche Gleichstellung gewohnt waren, Jahrhunderte der Kultur, wurden nun in ein paar klapprigen Blocks zusammengequetscht. Die Gemeinde von Będzin hatte ein neues Viertel – offenbar noch längere Zeit zwar nicht durch Zäune und Mauern abgetrennt, gleichwohl als Ort der zwangsweisen Ansiedlung. Es war ein dunkler, dumpfiger Ort.
Die Ghettos in Zagłębie gehörten zu den letzten in Polen, die »liquidiert« wurden, da die Juden des Kohlebeckens lange als billige Arbeitskräfte im Rahmen der Organisation Schmelt Zwangsarbeit leisten mussten.[22] Viele der Ghettobewohner besaßen eine Arbeitserlaubnis und wurden zur Zwangsarbeit in deutschen Waffenfabriken und Werkstätten, in Industrieunternehmen und für den Autobahnbau verpflichtet, statt sofort in die Todeslager verfrachtet zu werden. Erst nach dem Aufstand im Warschauer Ghetto befahl Heinrich Himmler im Mai 1943 die Deportation und Vernichtung der Juden aus dieser Region.
Bis dahin konnte man sich in Będzin und anderen Orten noch per Post verständigen. Die Ghettos dort standen in Kontakt mit Russland, der Slowakei, der Türkei, der Schweiz und anderen Ländern. Dadurch konnten selbst in diesen düsteren Vierteln Zellen jüdischen Widerstands erstehen.
Unter den vollgestopften Häusern befand sich inmitten einer Atmosphäre von Panik, Rastlosigkeit und Terror ein ganz besonderes: ein Gebäude, das festen Bestand hatte, nicht nur aufgrund seines soliden Fundaments (tatsächlich sollte es schon bald auf unterirdischen Bunkern ruhen), sondern auch dank seiner Bewohner und deren Verstand, Herz und Muskelkraft. Hier hatte die örtliche jüdische Widerstandsbewegung ihr Hauptquartier. Eine Widerstandsbewegung, die aus der Philosophie der zionistischen Arbeiterbewegung geboren war, die jüdische Tatkraft, die Bestellung des Landes, Sozialismus und Gleichwertigkeit in sich vereinte. Die »Genossinnen« speisten sich aus einer einzigartigen Kost aus körperlicher Arbeit und Frauenpower. Dies war das Zentrum der Jugendorganisation Freiheit.
*
Im Februar 1943 erfasste eine Kältewelle das Ghetto, die Luft wog schwer wie Blei. Im sonst so wuseligen Gemeinschaftsgebäude war es ungewöhnlich still. Die übliche Geräuschkulisse des Kulturprogramms – Sprachkurse, musikalische Darbietungen, Seminare über die Verquickung von Herz und Land – war verklungen. Keine Stimmen, keine Lieder.
Renia Kukielka, eine 18-jährige Jüdin und angehende Kämpferin der Untergrundwiderstandsbewegung, kam aus der Waschküche herauf. Sie war auf dem Weg zu einer Besprechung an dem langen Tisch im Erdgeschoss des Hauptquartiers, an dem die wichtigsten Planungen stattfanden. Es war ein vertrauter Ort.
»Wir konnten einige Papiere besorgen«, verkündete Hershel.
Allen stockte der Atem. Das waren goldene Tickets – heraus aus Polen, die Chance zum Überleben.
Heute war der Tag der Entscheidung.[23]
Frumka Plotnicka mit den dunklen Augen stand mit gerunzelter Stirn am einen Ende des Tisches. Die aus einer armen, religiösen Familie aus Pinsk stammende Frumka war als introvertierter Teenager der Bewegung beigetreten und dank ihrer angeborenen Ernsthaftigkeit und ihres analytischen Denkvermögens zügig in der Hierarchie aufgestiegen. Mit Ausbruch des Krieges wurde sie rasch zu einer der Führungsfiguren des Untergrunds.
Hershel Springer, zusammen mit ihr Anführer des Będzin-»Trupps«, nahm das andere Ende des Tisches ein. Der von allen geliebte Hershel hatte »so viel jüdische Volkstümlichkeit«[24] an sich, dass er sich unverkrampft mit jedem, vom Fuhrmann bis zum Metzger, über die trivialsten Alltäglichkeiten unterhalten konnte. Wie immer war sein warmes, unbedarftes Lächeln ein wohltuender Gegenpol zur Verwüstung da draußen, dem verdreckten Ghetto, das jeden Tag leerer wurde und in dem nichts mehr widerhallte.
Renia nahm, zusammen mit den restlichen jungen Juden, ihren Platz zwischen den beiden am Tisch ein.
Sie ertappte sich oft dabei, wie sie ungläubig innehielt, wenn die Realität sie wachrüttelte. In nur wenigen Jahren hatte sie sich vom 15-jährigen Mädchen mit sechs Geschwistern und liebevollen Eltern in eine Waise verwandelt, die nicht einmal wusste, wie viele ihrer Brüder und Schwestern noch lebten und wo sie sein mochten. Mit ihrer Familie war Renia über Felder gelaufen, die von Leichen bedeckt gewesen waren. Später war sie dann ganz alleine durch die Felder geflohen. Erst vor ein paar Monaten war sie aus einem fahrenden Zug gesprungen und hatte, als polnisches Bauernmädchen verkleidet, die Stellung eines Hausmädchens bei einer polnisch-deutschen Familie angenommen. Zur Tarnung war sie stets gewissenhaft mit ihnen zur Kirche gegangen, doch beim ersten Mal hatte sie am ganzen Leib gezittert aus Angst, sie könnte zur falschen Zeit aufstehen oder sitzen bleiben oder sich nicht richtig bekreuzigen. Aus dem jungen Mädchen war eine Schauspielerin geworden, die fortwährend auf der Bühne stand. Die Frau des Hauses hatte sie gemocht und sie für ihre Sauberkeit, ihren Eifer und ihre Bildung gelobt. »Aber sicher«, hatte Renia nur halb gelogen, »ich stamme aus einer gebildeten Familie. Wir waren reich. Erst als meine Eltern starben, musste ich körperliche Arbeit annehmen.«
Sie wurde gut behandelt, doch sobald es ihr gelang, heimlich mit ihrer Schwester Sarah Kontakt aufzunehmen, wusste Renia, dass sie bei ihr sein musste, bei dem, was noch von ihrer Familie übrig war. Sarah hatte alles in die Wege geleitet, um Renia nach Będzin zu schmuggeln, in dieses Zentrum der Jugendgruppe Freiheit, zu der sie auch selber gehörte.
Renia war jetzt ein gebildetes Mädchen, das, versteckt im Hinterhaus, die Wäsche machte. Sie war illegal hier, ein Störenfried unter Störenfrieden. Die Nazis hatten das eroberte Polen in unterschiedliche Bereiche unterteilt. Renias Papiere galten nur für das östlich gelegene Generalgouvernement, das Gebiet, das mit seinem endlosen Nachschub an Sklavenarbeitern einmal als Reservoir für »Rassen-Müll«[25] dienen sollte – und am Ende dann als Schauplatz der Massenvernichtung des europäischen Judentums. Sie hatte keine Papiere für Zagłębie, eine Region, die dem Deutschen Reich einverleibt worden war.
Zu Renias Rechten saß Frumkas Schwester und ihr genaues Gegenteil, Hantze, deren quirliges Naturell und unermüdlicher Optimismus das dunkle Zimmer erleuchteten. Hantze erzählte den Kameraden immer wieder gern, wie sie die Nazis ausgetrickst hatte, indem sie als Katholikin verkleidet vor ihrer Nase herumstolziert war und sie ein ums andere Mal zum Narren gehalten hatte. Anwesend waren auch Sarah, deren Gesicht geprägt war von eckigen Wangenknochen und dunklen, durchdringenden Augen[26], sowie Hershels Freundin Aliza Zitenfeld, die sich gemeinsam mit Sarah um die Waisenkinder des Ghettos kümmerte. Die jugendlich frische Chajka Klinger, freimütige, resolute Leiterin einer Schwestergruppe, saß vermutlich ebenfalls mit am Tisch, bereit, für ihre Ideale zu kämpfen: Wahrheit, Aktion, Würde.
»Wir konnten einige Papiere besorgen«, wiederholte Hershel. Jeweils eine Person unterstand mit diesen nicht mehr den Vorschriften der Besatzer, sondern bekam als Bürger eines Drittstaats die Chance zu überleben. Die Inhaber dieser Dokumente würden von den Nazis in spezielle Internierungslager gesteckt werden und waren für einen Austausch mit gefangenen Deutschen in den entsprechenden Ländern vorgesehen – eines von zahlreichen Pass-Manövern[27], von denen sie in den zurückliegenden Jahren gehört hatten. Vielleicht, so hofften sie, war dieses hier ja seriös. Es dauerte Monate, solche Dokumente abzuwickeln und zu beschaffen, ein enorm teurer und gefährlicher Prozess, bei dem unter anderem verschlüsselte Briefe mit Fotos heimlich an fachkundige Fälscher geschickt werden mussten. Wer würde in den Genuss kommen?
Oder sollte keiner zugreifen?
Abwehr oder Rettung? Kampf oder Flucht?
Diese Diskussion führten sie schon seit den ersten Kriegstagen. Einige wenige Juden mit noch weniger Waffen würden die Nazis nicht zu Fall bringen. Was war also der Sinn und Zweck von Widerstand? Wollten sie kämpfen, damit sie in Würde sterben konnten, damit sie Rache nehmen konnten, damit sie künftigen Generationen ein ehrenvolles Erbe hinterlassen konnten? Oder wollten sie kämpfen, um Schaden anzurichten, zu retten – und wenn ja, wen? Einzelne Menschen oder die Bewegung? Kinder oder Erwachsene? Kulturschaffende oder Leitungspersonen? Sollten Juden in Ghettos kämpfen oder in Wäldern? Als Juden oder gemeinsam mit Polen?
Jetzt musste eine echte Entscheidung her.
»Frumka!«, rief Hershel von der anderen Seite des Tisches herüber und schaute ihr direkt in die dunklen Augen.
Sie erwiderte den Blick nicht weniger fest, blieb aber stumm.
Hershel erläuterte, dass eine Weisung von ihrer verehrten Leiterin in Warschau, Zivia Lubetkin, gekommen sei. Frumka sollte mithilfe eines Passes aus Polen nach Den Haag fahren, zum Sitz des Internationalen Gerichtshofs der Vereinten Nationen. Dort sollte sie das jüdische Volk vertreten und der Welt mitteilen, was vor sich ging. Anschließend würde sie nach Palästina reisen und als offizielle Zeugin für die Gräueltaten der Nazis dienen.
»Hier weg?«, entgegnete Frumka.
Renia klopfte das Herz bis zum Hals, als sie auf Frumka blickte. Sie konnte spüren, dass auch Frumka verunsichert war, konnte ihren scharfen Verstand hinter dem ruhigen Gesicht schon fast bei der Arbeit sehen. Frumka war ihre Anführerin, der Fels, der sie alle stützte, die Männer wie die Frauen. Wer würde gebeten werden, mit ihr zu gehen? Wie sollten sie ohne sie zurechtkommen?
»Nein«, erklärte Frumka auf ihre entschiedene, wenn auch sanfte Art. »Wenn wir schon sterben müssen, dann lasst uns alle zusammen sterben. Aber« – und hier hielt sie inne – »lasst uns nach einem heldenhaften Tod streben.«
Bei diesen Worten, dieser Zuversicht atmete der ganze Raum hörbar auf. Als wäre das gesamte Gebäude wiederbelebt worden, begannen die Mitglieder mit den Füßen zu stampfen, und einige lächelten sogar. Frumkas Faust ging auf den Tisch nieder, so unkompliziert und zügig wie ein Hammer. »Es wird Zeit. Es wird Zeit, aktiv zu werden.«
Da hatten sie also ihre einhellige Antwort: Abwehr.
Renia, allzeit bereit, sprang von ihrem Sitz.
Heldenmütige Mädchen … Mutig pendeln sie zwischen Polens Städten hin und her … Jeden Tag schweben sie in tödlicher Gefahr. Sie vertrauen voll und ganz auf ihre »arischen« Gesichter und auf die Kopftücher der Bauersfrauen. Ohne ein Murren, ohne das geringste Zögern übernehmen sie die gefährlichsten Einsätze und führen sie durch. Muss jemand nach Wilna, Białystok, Lemberg, Kowel, Lublin, Tschenstochau oder Radom fahren, um dort verbotene Dinge wie illegale Verlautbarungen, Waren oder Geld einzuschmuggeln? Die Mädchen melden sich freiwillig, als wäre es das Natürlichste von der Welt. Sind Kameraden aus Wilna, Lublin oder einer anderen Stadt zu retten? Sie sind zur Stelle. Nichts kann sie aufhalten. Nichts schreckt sie ab … Wie oft schon haben sie dem Tod ins Auge geblickt? Wie oft schon wurden sie verhaftet und durchsucht?… Die Geschichte der jüdischen Frau wird ein glorreiches Kapitel in der Chronik des Judentums während des gegenwärtigen Krieges sein. Und die Chajkas und Frumkas werden in dieser Geschichte die Hauptfiguren sein. Denn diese Mädchen sind unermüdlich.
Emanuel Ringelblum, Tagebucheintrag vom Mai 1942[28]
Am Freitag, dem 10. Oktober 1924[29], als sich die Juden von Jędrzejów für ihren Sabbatabend[30] rüsteten, ihre Läden schlossen, die Ladenkassen zuklappten, kochten, hackten und brieten, was das Zeug hielt, lief Moshe Kukielka hastig aus seinem Geschäft. Seine Familie bewohnte ein kleines Steinhaus in der Klasztorna-Straße Nummer 16, einer begrünten Hauptstraße gleich um die Ecke von einer prächtigen mittelalterlichen Abtei, die bekannt war für ihre türkisfarbene und vergoldete Innenausstattung. Am heutigen Abend ging es im Haus ganz besonders geschäftig zu. Während allmählich die Sonne unterging und mit ihrem orangefarbenen Herbstlicht die satten Täler und sanften Hügel der Kielce-Region überzog, heizte sich das Backrohr der Kukielkas auf, die Löffel klapperten, der Herd zischte, und die Kirchenglocken setzten zu ihrer gewohnten Hintergrundmusik für das jiddisch-polnische Geschnatter[31] der Familie an. Und dann ein neues Geräusch: der erste Schrei eines Babys.
Moshe und Leah waren beide sowohl modern als auch religiös, und das Gleiche galt für ihre drei älteren Kinder. Sie nahmen am polnischen Kulturleben teil und hielten die jüdischen Traditionen ein. Moshe war es gewohnt, zu Sabbatmahl und Gebet nach Hause oder in ein Schtiebel (Gebetshaus) zu eilen. Dazu lief er zügig über den Marktplatz der Stadt mit seinen pastellfarbenen Häuserreihen, vorbei an jüdischen Kaufleuten und christlichen Bauern, die Seite an Seite lebten und arbeiteten. Diese Woche hastete er besonders schnell durch die kühle Herbstluft. Traditionsgemäß wurden Kerzen angezündet, und der Sabbat wurde wie eine Braut im Haus willkommen geheißen, doch an diesem Tag konnte Moshe einen neuen Gast begrüßen. Einen noch viel besseren.
Schließlich kam er an, und da war sie: seine dritte Tochter, die auf der Stelle sein besonderer Augenstern wurde. Rivka auf Hebräisch, ein Name, der mehrere Bedeutungen hat, darunter Verbindung, Vereinigung und sogar fesselnd. In der Bibel war Rivka (Rebekka) eine der vier Stammmütter des jüdischen Volkes. Und natürlich hatte das Baby in dieser teilweise assimilierten Familie auch noch einen polnischen Namen: Renia. Der Nachname Kukielka ähnelte dem polnischen Kukielo, dem Namen einer Familie, die seit Generationen das Bestattungsunternehmen am Ort betrieb.[32] Juden bildeten ihre Nachnamen häufig, indem sie polnischen Namen gefällige Endungen wie -ka hinzufügten. Kukielka bedeutet »Marionette«, das ähnlich klingende Kukułka »Kuckuck«.
Es war noch nicht allzu lange her, seit das neue Polen endlich international anerkannt worden war und nach einer langen Zeit der Besetzung, der Teilung und ständig sich verändernder Grenzen feste Konturen bekommen hatte. (In einem alten jüdischen Witz fragt ein Mann, ob seine Stadt sich derzeit auf polnischem oder auf russischem Territorium befinde. Er bekommt zur Antwort: »Dieses Jahr gehören wir zu Polen.« – »Gott sei Dank!«, ruft der Mann aus. »Noch so einen russischen Winter hätte ich nicht ertragen.«) Die Wirtschaft florierte, und obwohl die meisten Juden in Jędrzejów unter der Armutsgrenze lebten, hatte Moshe als Kleinunternehmer Erfolg. Er führte einen Gallenteria-Laden, in dem man Knöpfe, Kleidung und Nähzubehör kaufen konnte. Seine Familie, der er Musik und Literatur nahebrachte, zählte zur Mittelschicht. Ihr Sabbat-Tisch, der in dieser Woche von den beiden älteren Kukielka-Töchtern sowie Verwandten[33] gedeckt wurde, da Leah anderweitig beschäftigt war, wartete mit den Gaumengenüssen der Zeit[34] auf, die Moshe sich leisten konnte: süßem Likör, Gewürzkuchen, gehackter Leber mit Zwiebeln, Tscholent (ein auf niedriger Hitze gekochter Bohnen-Fleisch-Eintopf), Kartoffel- und Nudelkugln (Aufläufe), Pflaumen-Apfel-Kompott und Tee. Leahs Gefillte Fisch, der an den meisten Freitagen auf den Tisch kam, sollte einmal Renias Lieblingsspeise werden. Kein Zweifel, das Essen war in dieser Woche besonders festlich.
Zuweilen zeigen sich Charaktereigenschaften unverkennbar schon in den ersten Lebensstunden – gleichsam als der Seele aufgestempelte Mentalität. Möglicherweise war Moshe, als er seine Tochter das erste Mal im Arm hielt und sie mit seiner Sanftheit, Intelligenz und Prägnanz erfüllte, ja bewusst, dass er sie im Geiste auf Reisen schickte, die sich im Jahr 1924 kaum jemand vorstellen konnte. Vielleicht wusste er ja damals schon, dass seine kleine Renia mit ihren großen grünen Augen, hellbraunen Haaren und den zarten Gesichtszügen – seine kleine, fesselnde Marionette – die geborene Schauspielerin war.
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Jędrzejów[35] war ein Schtetl, was auf Jiddisch »kleine Stadt« bedeutet und sich auf polnische Marktstädte mit einem beträchtlichen jüdischen Bevölkerungsanteil bezieht. Renias Geburt fügte einen weiteren zu den 4500 Juden in der Gemeinde hinzu, die nahezu 45 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten. (Mit ihren jüngeren Geschwistern Aaron, Esther und Yaacov beziehungsweise Yankel sollten bald noch drei hinzukommen.[36]) Die jüdische Gemeinde, gegründet in den 1860er-Jahren, als es Juden endlich gestattet wurde, sich in der Region niederzulassen, war mehrheitlich arm. Die meisten Juden arbeiteten als Handlungsreisende, Hausierer oder Kleinunternehmer mit Läden um den lebhaften Marktplatz herum. Die Übrigen waren größtenteils Handwerker: Schuster, Bäcker, Schreiner. Jędrzejów war nicht so modern wie Będzin, das an das Deutsche Reich und den Westen grenzte, doch selbst hier gab es eine kleine Elite aus Ärzten, anderem medizinischen Personal und Lehrern. Ein Jude war Richter. Etwa zehn Prozent der Juden in der Stadt waren wohlhabend und besaßen Sägewerke, Getreidemühlen oder mechanische Werkstätten beziehungsweise Immobilien am Marktplatz.
Als Renia in den 1930er-Jahren heranwuchs, erlebte die moderne jüdische Kultur hier, wie auch im restlichen Polen, eine Blütezeit. Damals gab es allein in Warschau sage und schreibe 180 jüdische Zeitungen – 130 in jiddischer, 25 in hebräischer und 25 in polnischer Sprache.[37] Entsprechend durchliefen Dutzende von Abonnements das Postamt von Jędrzejów. Die örtliche jüdische Bevölkerung wuchs. Verschiedene Gebetshäuser wurden errichtet, um den unterschiedlichen Ausrichtungen des Judentums gerecht zu werden. Selbst in dieser kleinen Stadt eröffneten drei jüdische Buchhandlungen, ein Verlagshaus sowie jüdische Bibliotheken. Theatergruppen und literarische Lesungen fanden regen Zuspruch, und auch politische Parteien florierten.
Renias Vater engagierte sich in jüdischen Bildungs- und Wohltätigkeitsaktivitäten wie der Armenspeisung oder dem Chevra Kadisha Bestattungsverein, und er wirkte auch als örtlicher Kantor. Bei Wahlen stimmte er für die Zionisten. Die religiösen Zionisten teilten die Ideale des Autors Theodor Herzl aus dem 19. Jahrhundert, nach denen echtes und offenes jüdisches Leben nur in einer Heimstätte in Palästina möglich wäre, in der Juden Bürger erster Klasse sein durften. Polen war zwar schon seit Jahrhunderten ihre Heimat, doch das war nur vorübergehend so. Moshe träumte davon, eines Tages mit seiner Familie ins »Gelobte Land« umzuziehen.
Die Parteien veranstalteten Vorträge und politische Versammlungen. Man kann sich ausmalen, wie Renia ihren geliebten Vater zu einer der großen und zunehmend beliebteren zionistischen Gemeindeversammlungen begleitete wie zum Beispiel dem Vortrag über den »Kampf um ein jüdisches Palästina« am 18. Mai 1937[38]. Gekleidet in ihre polnische weißblaue »Matrosen«-Schulmädchentracht mit Faltenrock und Kniestrümpfen[39] schritt Renia, die immer gerne flanierte[40], an der Hand ihres Vaters vorbei an den beiden neuen zionistischen Bibliotheken zu der lebhaften Zusammenkunft, bei der die Teilnehmer über Fragen nach der Zugehörigkeit stritten. Wie die Polen, so versuchten auch die Juden, in ihrem jüngst stabilisierten Heimatland ihre Identität zu bestimmen. Wie passten sie in dieses neuartige Land, einen Ort, an dem sie durchgehend seit über tausend Jahren lebten und doch nie wirklich als Polen anerkannt worden waren? Waren sie in erster Linie Polen oder Juden? Die neuzeitliche Frage der Diaspora-Identität wurde damals heiß diskutiert, nicht zuletzt aufgrund eines rasant zunehmenden Antisemitismus.
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Moshe und Leah Kukielka hielten viel auf Bildung. Das Land erlebte einen gewaltigen Anstieg von jüdischen Schulen: weltlichen Hebräisch-Schulen, jiddischen Vorbereitungsschulen, nach Geschlechtern getrennten religiösen Schulen. Von den vierhundert jüdischen Kindern in Jędrzejów besuchten hundert eine Wohlfahrts-Talmud-Tora-Schule, einen jüdischen Kindergarten oder den örtlichen Ableger der Beit-Yakov-Grundschule für Mädchen, wo die Schülerinnen lange Ärmel und Strümpfe[41] tragen mussten. Damit sie es nicht so weit hatte – und weil religiöse Erziehung kostspielig und häufig auch auf Söhne beschränkt war –, ging Renia, wie viele jüdische Mädchen, auf eine staatliche polnische Schule, was aber kein Problem darstellte.[42]
Sie gehörte zu den Besten ihrer Klasse von 35 Schülern. Renia hatte überwiegend katholische Freundinnen und sprach auf dem Schulhof fließend Polnisch. Sie konnte es damals natürlich nicht ahnen, aber diese kulturelle Assimilation, wozu auch ihre Fähigkeit gehörte, ohne jüdischen Akzent in der Landessprache zu scherzen, war ihr wichtigstes Training für den Untergrund. Doch obwohl Renia glänzte und sich anpasste, wurde sie nicht vollständig integriert. Als sie bei einer Feierstunde aufgerufen wurde, um eine Auszeichnung entgegenzunehmen, warf ihr eine Mitschülerin ein Federmäppchen an die Stirn und hinterließ dort – im wahrsten Sinne des Wortes – einen bleibenden Eindruck.[43] War sie nun also drinnen oder war sie draußen? Sie selbst bezog zu der jahrhundertealten Hürde, der Frage einer »polnisch-jüdischen Identität«, keine klare Stellung.
Seit seiner Gründung war »Polen« ein Gebilde im Fluss.[44] Durch die sich permanent verändernden Grenzen variierte seine ethnische Zusammensetzung. Im Mittelalter übersiedelten Juden nach Polen, weil es ein sicherer Zufluchtsort vor dem westlichen Europa war, wo sie verfolgt und vertrieben wurden. Die Juden atmeten auf, als sie in dieses tolerante Land mit seinen ökonomischen Möglichkeiten kamen. In dem Wort »Polin«, der hebräischen Bezeichnung für das Land, stecken »Po« und »Lin«, was so viel heißt wie »Hier ruhe aus«. Polen bot verhältnismäßige Freiheit und Sicherheit. Eine Zukunft.
Eine Münze aus dem frühen 13. Jahrhundert, die im Museum der Geschichte der polnischen Juden in Warschau