Franz Kafka

Amerika

Oder: Der Verschollene

Franz Kafka

Amerika

Oder: Der Verschollene

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954188-05-5

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Inhaltsverzeichnis

Vor­wort

Der Hei­zer

Der On­kel

Ein Land­haus bei New York

Weg nach Ram­ses

Ho­tel Oc­ci­den­tal

Der Fall Ro­bin­son

Ein Asyl

Das Na­tur­thea­ter von Okla­ho­ma

Frag­ment I

Frag­ment II

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Die er­folg­reichs­te di­gi­ta­le Werk­samm­lung zu Franz Kaf­ka

Die Ver­wand­lung, Das Ur­teil, Ame­ri­ka, der Pro­zess, das Schloss u.v.m.

978-3-943466-59-1 (Kind­le) 978-3-943466-60-7 (Epub) 978-3-943466-71-3 (PDF)

0,99 €

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Vorwort

A­me­ri­ka oder Der Ver­schol­le­ne ist ne­ben Das Schloss und Der Pro­zess ei­ner der drei un­voll­en­de­ten Ro­ma­ne von Franz Kaf­ka, ent­stan­den zwi­schen 1911 und 1914.

1927 wur­de es von sei­nem Freund und Her­aus­ge­ber Max Brod po­stum ver­öf­fent­licht. In den frü­hen Aus­ga­ben wur­de der Ro­man un­ter dem von Brod be­stimm­ten Ti­tel A­me­ri­ka ver­öf­fent­licht.

Spä­te­re Auf­la­gen wur­den ge­mäß Ein­trä­gen in Kaf­kas Ta­ge­bü­chern und Brie­fen un­ter dem Ti­tel Der Ver­schol­le­ne ver­legt.

Für die Über­schrif­ten und Ein­tei­lun­gen der ers­ten sechs Ka­pi­tel gibt es ein au­then­ti­sches Ver­zeich­nis des Au­tors, die üb­ri­ge An­ord­nung der Text­frag­men­te nahm Brod selbst vor.

Der Heizer

Als der sech­zehn­jäh­ri­ge Karl Ross­mann, der von sei­nen ar­men El­tern nach Ame­ri­ka ge­schickt wor­den war, weil ihn ein Dienst­mäd­chen ver­führt und ein Kind von ihm be­kom­men hat­te, in dem schon lang­sam ge­wor­de­nen Schiff in den Ha­fen von New York ein­fuhr, er­blick­te er die schon längst be­ob­ach­te­te Sta­tue der Frei­heits­göt­tin wie in ei­nem plötz­lich stär­ker ge­wor­de­nen Son­nen­licht. Ihr Arm mit dem Schwert rag­te wie neu­er­dings em­por, und um ihre Ge­stalt weh­ten die frei­en Lüf­te.

›So hoch!‹ sag­te er sich und wur­de, wie er so gar nicht an das Weg­ge­hen dach­te, von der im­mer mehr an­schwel­len­den Men­ge der Ge­päck­trä­ger, die an ihm vor­über­zo­gen, all­mäh­lich bis an das Bord­ge­län­der ge­scho­ben.

Ein jun­ger Mann, mit dem er wäh­rend der Fahrt flüch­tig be­kannt ge­wor­den war, sag­te im Vor­über­ge­hen: »Ja, ha­ben Sie denn noch kei­ne Lust, aus­zu­stei­gen?«

»Ich bin doch fer­tig«, sag­te Karl, ihn an­la­chend, und hob aus Über­mut, und weil er ein star­ker Jun­ge war, sei­nen Kof­fer auf die Ach­sel. Aber wie er über sei­nen Be­kann­ten hin­sah, der ein we­nig sei­nen Stock schwen­kend sich schon mit den an­de­ren ent­fern­te, merk­te er be­stürzt, dass er sei­nen ei­ge­nen Re­gen­schirm un­ten im Schiff ver­ges­sen hat­te. Er bat schnell den Be­kann­ten, der nicht sehr be­glückt schi­en, um die Freund­lich­keit, bei sei­nem Kof­fer einen Au­gen­blick zu war­ten, über­blick­te noch die Si­tua­ti­on, um sich bei der Rück­kehr zu­recht­zu­fin­den, und eil­te da­von. Un­ten fand er zu sei­nem Be­dau­ern einen Gang, der sei­nen Weg sehr ver­kürzt hät­te, zum ers­ten Mal ver­sperrt, was wahr­schein­lich mit der Aus­schif­fung sämt­li­cher Pas­sa­gie­re zu­sam­men­hing, und muss­te Trep­pen, die ein­an­der im­mer wie­der folg­ten, durch fort­wäh­rend ab­bie­gen­de Kor­ri­do­re, durch ein lee­res Zim­mer mit ei­nem ver­las­se­nen Schreib­tisch müh­se­lig su­chen, bis er sich tat­säch­lich, da er die­sen Weg nur ein- oder zwei­mal und im­mer in grö­ße­rer Ge­sell­schaft ge­gan­gen war, ganz und gar ver­irrt hat­te. In sei­ner Rat­lo­sig­keit und da er kei­nen Men­schen traf und nur im­mer­fort über sich das Schar­ren der tau­send Men­schen­fü­ße hör­te und von der Fer­ne, wie einen Hauch, das letz­te Ar­bei­ten der schon ein­ge­stell­ten Ma­schi­nen merk­te, fing er, ohne zu über­le­gen, an eine be­lie­bi­ge klei­ne Tür zu schla­gen an, bei der er in sei­nem He­ru­mir­ren stock­te.

»Es ist ja of­fen«, rief es von in­nen, und Karl öff­ne­te mit ehr­li­chem Au­fat­men die Tür. »Wa­rum schla­gen Sie so ver­rückt auf die Tür?«, frag­te ein rie­si­ger Mann, kaum dass er nach Karl hin­sah. Durch ir­gend­ei­ne Ober­licht­lu­ke fiel ein trü­bes, oben im Schiff längst ab­ge­brauch­tes Licht in die kläg­li­che Ka­bi­ne, in wel­cher ein Bett, ein Schrank, ein Ses­sel und der Mann knapp ne­ben­ein­an­der, wie ein­ge­la­gert, stan­den. »Ich habe mich ver­irrt«, sag­te Karl, »ich habe es wäh­rend der Fahrt gar nicht so be­merkt, aber es ist ein schreck­lich großes Schiff.« »Ja, da ha­ben Sie recht«, sag­te der Mann mit ei­ni­gem Stolz und hör­te nicht auf, an dem Schloss ei­nes klei­nen Kof­fers zu han­tie­ren, den er mit bei­den Hän­den im­mer wie­der zu­drück­te, um das Ein­schnap­pen des Rie­gels zu be­hor­chen. »Aber kom­men Sie doch her­ein!«, sag­te der Mann wei­ter, »Sie wer­den doch nicht drau­ßen stehn!« »Stö­re ich nicht?«, frag­te Karl. »Ach, wie wer­den Sie denn stö­ren!« »Sind Sie ein Deut­scher?«, such­te sich Karl noch zu ver­si­chern, da er viel von den Ge­fah­ren ge­hört hat­te, wel­che be­son­ders von Ir­län­dern den Neu­an­kömm­lin­gen in Ame­ri­ka dro­hen. »Bin ich, bin ich«, sag­te der Mann. Karl zö­ger­te noch. Da fass­te un­ver­se­hens der Mann die Tür­klin­ke und schob mit der Türe, die er rasch schloss, Karl zu sich her­ein. »Ich kann es nicht lei­den, wenn man mir vom Gang her­ein­schaut«, sag­te der Mann, der wie­der an sei­nem Kof­fer ar­bei­te­te, »da läuft je­der vor­bei und schaut her­ein, das soll der Zehn­te aus­hal­ten!« »Aber der Gang ist doch ganz leer«, sag­te Karl, der un­be­hag­lich an den Bett­pfos­ten ge­quetscht da­stand. »Ja, jetzt«, sag­te der Mann. ›Es han­delt sich doch um jetz­t‹, dach­te Karl, ›mit dem Mann ist schwer zu re­den.‹ »Le­gen Sie sich doch aufs Bett, da ha­ben Sie mehr Platz«, sag­te der Mann. Karl kroch, so gut es ging, hin­ein und lach­te da­bei laut über den ers­ten ver­geb­li­chen Ver­such, sich hin­über­zu­sch­win­gen. Kaum war er aber im Bett, rief er: »Got­tes­wil­len, ich habe ja ganz mei­nen Kof­fer ver­ges­sen!« »Wo ist er denn?« »Oben auf dem Deck, ein Be­kann­ter gibt acht auf ihn. Wie heißt er nur?« Und er zog aus ei­ner Ge­heim­ta­sche, die ihm sei­ne Mut­ter für die Rei­se im Rock­fut­ter an­ge­legt hat­te, eine Vi­sit­kar­te. »But­ter­baum, Franz But­ter­baum.« »Ha­ben Sie den Kof­fer sehr nö­tig?« »Na­tür­lich.« »Ja, warum ha­ben Sie ihn dann ei­nem frem­den Men­schen ge­ge­ben?« »Ich hat­te mei­nen Re­gen­schirm un­ten ver­ges­sen und bin ge­lau­fen, um ihn zu ho­len, woll­te aber den Kof­fer nicht mit­schlep­pen. Dann habe ich mich auch hier noch ver­irrt.« »Sie sind al­lein? Ohne Beglei­tung?« »Ja, al­lein.« ›Ich soll­te mich viel­leicht an die­sen Mann hal­ten‹, ging es Karl durch den Kopf, ›wo fin­de ich gleich einen bes­se­ren Freund.‹ »Und jetzt ha­ben Sie auch noch den Kof­fer ver­lo­ren. Vom Re­gen­schirm rede ich gar nicht.« Und der Mann setz­te sich auf den Ses­sel, als habe Karls Sa­che jetzt ei­ni­ges In­ter­es­se für ihn ge­won­nen. »Ich glau­be aber, der Kof­fer ist noch nicht ver­lo­ren.« »Glau­ben macht se­lig«, sag­te der Mann und kratz­te sich kräf­tig in sei­nem dunklen, kur­z­en, dich­ten Haar, »auf dem Schiff wech­seln mit den Ha­fen­plät­zen auch die Sit­ten. In Ham­burg hät­te Ihr But­ter­baum den Kof­fer viel­leicht be­wacht, hier ist höchst­wahr­schein­lich von bei­den kei­ne Spur mehr.« »Da muss ich aber doch gleich hin­auf­schaun«, sag­te Karl und sah sich um, wie er hin­aus­kom­men könn­te. »Blei­ben Sie nur«, sag­te der Mann und stieß ihn mit ei­ner Hand ge­gen die Brust, ge­ra­de­zu rau, ins Bett zu­rück. »Wa­rum denn?«, frag­te Karl är­ger­lich. »Weil es kei­nen Sinn hat«, sag­te der Mann, »in ei­nem klei­nen Weil­chen gehe ich auch, dann ge­hen wir zu­sam­men. Ent­we­der ist der Kof­fer ge­stoh­len, dann ist kei­ne Hil­fe, oder der Mann hat ihn ste­hen­ge­las­sen, dann wer­den wir ihn, bis das Schiff ganz ent­leert ist, de­sto bes­ser fin­den. Eben­so auch Ihren Re­gen­schirm.« »Ken­nen Sie sich auf dem Schiff aus?«, frag­te Karl miss­trau­isch, und es schi­en ihm, als hät­te der sonst über­zeu­gen­de Ge­dan­ke, dass auf dem lee­ren Schiff sei­ne Sa­chen am bes­ten zu fin­den sein wür­den, einen ver­bor­ge­nen Ha­ken. »Ich bin doch Schiffs­hei­zer«, sag­te der Mann. »Sie sind Schiffs­hei­zer!«, rief Karl freu­dig, als über­stie­ge das alle Er­war­tun­gen, und sah, den Ell­bo­gen auf­ge­stützt, den Mann nä­her an. »Gera­de vor der Kam­mer, wo ich mit dem Slo­wa­ken ge­schla­fen habe, war eine Luke an­ge­bracht, durch die man in den Ma­schi­nen­raum se­hen konn­te.« »Ja, dort habe ich ge­ar­bei­tet«, sag­te der Hei­zer. »Ich habe mich im­mer so für Tech­nik in­ter­es­siert«, sag­te Karl, der in ei­nem be­stimm­ten Ge­dan­ken­gang blieb, »und ich wäre si­cher spä­ter In­ge­nieur ge­wor­den, wenn ich nicht nach Ame­ri­ka hät­te fah­ren müs­sen.« »Wa­rum ha­ben Sie denn fah­ren müs­sen?« »Ach was!«, sag­te Karl und warf die gan­ze Ge­schich­te mit der Hand weg. Da­bei sah er lä­chelnd den Hei­zer an, als bit­te er ihn selbst für das Nicht­ein­ge­stan­de­ne um sei­ne Nach­sicht. »Es wird schon einen Grund ha­ben«, sag­te der Hei­zer, und man wuss­te nicht recht, ob er da­mit die Er­zäh­lung die­ses Grun­des for­dern oder ab­weh­ren woll­te. »Jetzt könn­te ich auch Hei­zer wer­den«, sag­te Karl, »mei­nen El­tern ist es jetzt ganz gleich­gül­tig, was ich wer­de.« »Mei­ne Stel­le wird frei«, sag­te der Hei­zer, gab im Voll­be­wusst­sein des­sen die Hän­de in die Ho­sen­ta­schen und warf die Bei­ne, die in fal­ti­gen, le­der­ar­ti­gen, ei­sen­grau­en Ho­sen sta­ken, aufs Bett hin, um sie zu stre­cken. Karl muss­te mehr an die Wand rücken. »Sie ver­las­sen das Schiff?« »Ja­wohl, wir mar­schie­ren heu­te ab.« »Wa­rum denn? Ge­fällt es Ih­nen nicht?« »Ja, das sind die Ver­hält­nis­se, es ent­schei­det nicht im­mer, ob es ei­nem ge­fällt oder nicht. Üb­ri­gens ha­ben Sie recht, es ge­fällt mir auch nicht. Sie den­ken wahr­schein­lich nicht ernst­lich dar­an, Hei­zer zu wer­den, aber ge­ra­de dann kann man es am leich­tes­ten wer­den. Ich also rate Ih­nen ent­schie­den ab. Wenn Sie in Eu­ro­pa stu­die­ren woll­ten, warum wol­len Sie es denn hier nicht? Die ame­ri­ka­ni­schen Uni­ver­si­tä­ten sind ja un­ver­gleich­lich bes­ser als die eu­ro­päi­schen.« »Es ist ja mög­lich«, sag­te Karl, »aber ich habe ja fast kein Geld zum Stu­die­ren. Ich habe zwar von ir­gend­je­man­dem ge­le­sen, der bei Tag in ei­nem Ge­schäft ge­ar­bei­tet und in der Nacht stu­diert hat, bis er Dok­tor und ich glau­be Bür­ger­meis­ter wur­de, aber dazu ge­hört doch eine große Aus­dau­er, nicht? Ich fürch­te, die fehlt mir. Au­ßer­dem war ich kein be­son­ders gu­ter Schü­ler, der Ab­schied von der Schu­le ist mir wirk­lich nicht schwer ge­wor­den. Und die Schu­len hier sind viel­leicht noch stren­ger. Eng­lisch kann ich fast gar nicht. Über­haupt ist man hier ge­gen Frem­de so ein­ge­nom­men, glau­be ich.« »Ha­ben Sie das auch schon er­fah­ren? Na, dann ist’s gut. Dann sind Sie mein Mann. Se­hen Sie, wir sind doch auf ei­nem deut­schen Schiff, es ge­hört der Ham­burg-Ame­ri­ka-Li­nie, warum sind wir nicht lau­ter Deut­sche hier? Wa­rum ist der Ober­ma­schi­nist ein Ru­mä­ne? Er heißt Schu­bal. Das ist doch nicht zu glau­ben. Und die­ser Lum­pen­hund schin­det uns Deut­sche auf ei­nem deut­schen Schiff! Glau­ben Sie nicht« – ihm ging die Luft aus, er fa­ckel­te mit der Hand, »dass ich kla­ge, um zu kla­gen. Ich weiß, dass Sie kei­nen Ein­fluss ha­ben und selbst ein ar­mes Bür­sch­chen sind. Aber es ist zu arg!« Und er schlug auf den Tisch mehr­mals mit der Faust und ließ kein Auge von ihr, wäh­rend er schlug. »Ich habe doch schon auf so vie­len Schif­fen ge­dient« – und er nann­te zwan­zig Na­men hin­ter­ein­an­der, als sei es ein Wort, Karl wur­de ganz wirr – »und habe mich aus­ge­zeich­net, bin be­lobt wor­den, war ein Ar­bei­ter nach dem Ge­schmack mei­ner Ka­pi­tä­ne, so­gar auf dem glei­chen Han­dels­seg­ler war ich ei­ni­ge Jah­re« – er er­hob sich, als sei das der Höchst­punkt sei­nes Le­bens – »und hier auf die­sem Kas­ten, wo al­les nach der Schnur ein­ge­rich­tet ist, wo kein Witz ge­for­dert wird, hier taug ich nichts, hier ste­he ich dem Schu­bal im­mer im Wege, bin ein Faul­pelz, ver­die­ne hin­aus­ge­wor­fen zu wer­den und be­kom­me mei­nen Lohn aus Gna­de. Ver­ste­hen Sie das? Ich nicht.« »Das dür­fen Sie sich nicht ge­fal­len las­sen«, sag­te Karl auf­ge­regt. Er hat­te fast das Ge­fühl da­von ver­lo­ren, dass er auf dem un­si­che­ren Bo­den ei­nes Schif­fes, an der Küs­te ei­nes un­be­kann­ten Erd­teils war, so hei­misch war ihm hier auf dem Bett des Hei­zers zu­mu­te. »Wa­ren Sie schon beim Ka­pi­tän? Ha­ben Sie schon bei ihm Ihr Recht ge­sucht?« »Ach ge­hen Sie, ge­hen Sie lie­ber weg. Ich will Sie nicht hier ha­ben. Sie hö­ren nicht zu, was ich sage, und ge­ben mir Ratschlä­ge. Wie soll ich denn zum Ka­pi­tän ge­hen!« Und müde setz­te sich der Hei­zer wie­der und leg­te das Ge­sicht in bei­de Hän­de.

›Ei­nen bes­se­ren Rat kann ich ihm nicht ge­ben‹, sag­te sich Karl. Und er fand über­haupt, dass er lie­ber sei­nen Kof­fer hät­te ho­len sol­len, statt hier Ratschlä­ge zu ge­ben, die doch nur für dumm ge­hal­ten wur­den. Als ihm der Va­ter den Kof­fer für im­mer über­ge­ben hat­te, hat­te er im Scherz ge­fragt: »Wie lan­ge wirst du ihn ha­ben?«, und jetzt war die­ser treue Kof­fer viel­leicht schon im Ernst ver­lo­ren. Der ein­zi­ge Trost war noch, dass der Va­ter von sei­ner jet­zi­gen Lage kaum er­fah­ren konn­te, selbst wenn er nach­for­schen soll­te. Nur dass er bis New York mit­ge­kom­men war, konn­te die Schiffs­ge­sell­schaft ge­ra­de noch sa­gen. Leid tat es aber Karl, dass er die Sa­chen im Kof­fer noch kaum ver­wen­det hat­te, trotz­dem er es bei­spiels­wei­se längst nö­tig ge­habt hät­te, das Hemd zu wech­seln. Da hat­te er also am un­rich­ti­gen Ort ge­spart; jetzt, wo er es ge­ra­de am Be­ginn sei­ner Lauf­bahn nö­tig ha­ben wür­de, rein ge­klei­det auf­zu­tre­ten, wür­de er im schmut­zi­gen Hemd er­schei­nen müs­sen. Sonst wäre der Ver­lust des Kof­fers nicht gar so arg ge­we­sen, denn der An­zug, den er an­hat­te, war so­gar bes­ser als je­ner im Kof­fer, der ei­gent­lich nur ein No­t­an­zug war, den die Mut­ter noch knapp vor der Abrei­se hat­te fli­cken müs­sen. Jetzt er­in­ner­te er sich auch, dass im Kof­fer noch ein Stück Ve­ro­ne­ser Sala­mi war, die ihm die Mut­ter als Ex­tra­g­a­be ein­ge­packt hat­te, von der er je­doch nur den kleins­ten Teil hat­te auf­es­sen kön­nen, da er wäh­rend der Fahrt ganz ohne Ap­pe­tit ge­we­sen war und die Sup­pe, die im Zwi­schen­deck zur Ver­tei­lung kam, ihm reich­lich ge­nügt hat­te. Jetzt hät­te er aber die Wurst gern bei der Hand ge­habt, um sie dem Hei­zer zu ver­eh­ren. Denn sol­che Leu­te sind leicht ge­won­nen, wenn man ih­nen ir­gend­ei­ne Klei­nig­keit zu­steckt, das wuss­te Karl von sei­nem Va­ter her, wel­cher durch Zi­gar­ren­ver­tei­lung alle die nied­ri­ge­ren An­ge­stell­ten ge­wann, mit de­nen er ge­schäft­lich zu tun hat­te. Jetzt be­saß Karl an Ver­schenk­ba­rem nur noch sein Geld, und das woll­te er, wenn er schon viel­leicht den Kof­fer ver­lo­ren ha­ben soll­te, vor­läu­fig nicht an­rüh­ren. Wie­der kehr­ten sei­ne Ge­dan­ken zum Kof­fer zu­rück, und er konn­te jetzt wirk­lich nicht ein­se­hen, warum er den Kof­fer wäh­rend der Fahrt so auf­merk­sam be­wacht hat­te, dass ihm die Wa­che fast den Schlaf ge­kos­tet hat­te, wenn er jetzt die­sen glei­chen Kof­fer so leicht sich hat­te weg­neh­men las­sen. Er er­in­ner­te sich an die fünf Näch­te, wäh­rend de­rer er einen klei­nen Slo­wa­ken, der zwei Schlaf­stel­len links von ihm ge­le­gen war, un­aus­ge­setzt im Ver­dacht ge­habt hat­te, dass er es auf sei­nen Kof­fer ab­ge­se­hen habe. Die­ser Slo­wa­ke hat­te nur dar­auf ge­lau­ert, dass Karl end­lich, von Schwä­che be­fal­len, für einen Au­gen­blick ein­nick­te, da­mit er den Kof­fer mit ei­ner lan­gen Stan­ge, mit der er im­mer wäh­rend des Ta­ges spiel­te oder übte, zu sich hin­über­zie­hen kön­ne. Bei Tage sah die­ser Slo­wa­ke un­schul­dig ge­nug aus, aber kaum war die Nacht ge­kom­men, er­hob er sich von Zeit zu Zeit von sei­nem La­ger und sah trau­rig zu Karls Kof­fer hin­über. Karl konn­te dies ganz deut­lich er­ken­nen, denn im­mer hat­te hie und da je­mand mit der Un­ru­he des Aus­wan­de­rers ein Licht­chen an­ge­zün­det, trotz­dem dies nach der Schiffs­ord­nung ver­bo­ten war, und ver­such­te, un­ver­ständ­li­che Pro­spek­te der Aus­wan­de­rungs­agen­tu­ren zu ent­zif­fern. War ein sol­ches Licht in der Nähe, dann konn­te Karl ein we­nig ein­däm­mern, war es aber in der Fer­ne oder war dun­kel, dann muss­te er die Au­gen of­fen­hal­ten. Die­se An­stren­gung hat­te ihn recht er­schöpft, und nun war sie viel­leicht ganz nutz­los ge­we­sen. Die­ser But­ter­baum, wenn er ihn ein­mal ir­gend­wo tref­fen soll­te!

In die­sem Au­gen­blick er­tön­ten drau­ßen in wei­ter Fer­ne in die bis­he­ri­ge voll­kom­me­ne Ruhe hin­ein klei­ne kur­ze Schlä­ge, wie von Kin­der­fü­ßen, sie ka­men nä­her mit ver­stärk­tem Klang, und nun war es ein ru­hi­ger Marsch von Män­nern. Sie gin­gen of­fen­bar, wie es in dem schma­len Gang na­tür­lich war, in ei­ner Rei­he, man hör­te Klir­ren wie von Waf­fen. Karl, der schon nahe dar­an ge­we­sen war, sich im Bett zu ei­nem von al­len Sor­gen um Kof­fer und Slo­wa­ken be­frei­ten Schla­fe aus­zu­stre­cken, schreck­te auf und stieß den Hei­zer an, um ihn end­lich auf­merk­sam zu ma­chen, denn der Zug schi­en mit sei­ner Spit­ze die Tür ge­ra­de er­reicht zu ha­ben. »Das ist die Schiffs­ka­pel­le«, sag­te der Hei­zer, »die ha­ben oben ge­spielt und ge­hen jetzt ein­pa­cken. Jetzt ist al­les fer­tig und wir kön­nen ge­hen. Kom­men Sie!« Er fass­te Karl bei der Hand, nahm noch im letz­ten Au­gen­blick ein ein­ge­rahm­tes Mut­ter­got­tes­bild von der Wand über dem Bett, stopf­te es in sei­ne Brust­ta­sche, er­griff sei­nen Kof­fer und ver­ließ mit Karl ei­lig die Ka­bi­ne.

»Jetzt gehe ich ins Büro und wer­de den Her­ren mei­ne Mei­nung sa­gen. Es ist kein Pas­sa­gier mehr da, man muss kei­ne Rück­sicht neh­men.« Die­ses wie­der­hol­te der Hei­zer ver­schie­den­ar­tig und woll­te im Ge­hen mit Seit­wärts­s­to­ßen des Fu­ßes eine den Weg kreu­zen­de Rat­te nie­der­tre­ten, stieß sie aber bloß schnel­ler in das Loch hin­ein, das sie noch recht­zei­tig er­reicht hat­te. Er war über­haupt lang­sam in sei­nen Be­we­gun­gen, denn wenn er auch lan­ge Bei­ne hat­te, so wa­ren sie doch zu schwer.

Sie ka­men durch eine Ab­tei­lung der Kü­che, wo ei­ni­ge Mäd­chen in schmut­zi­gen Schür­zen – sie be­gos­sen sie ab­sicht­lich – Ge­schirr in großen Bot­ti­chen rei­nig­ten. Der Hei­zer rief eine ge­wis­se Line zu sich, leg­te den Arm um ihre Hüf­te und führ­te sie, die sich im­mer­zu ko­kett ge­gen sei­nen Arm drück­te, ein Stück­chen mit. »Es gibt jetzt Aus­zah­lung, willst du mit­kom­men?«, frag­te er. »Wa­rum soll ich mich be­mühn, bring mir das Geld lie­ber her«, ant­wor­te­te sie, schlüpf­te un­ter sei­nem Arm durch und lief da­von. »Wo hast du denn den schö­nen Kna­ben auf­ge­ga­belt?«, rief sie noch, woll­te aber kei­ne Ant­wort mehr. Man hör­te das La­chen al­ler Mäd­chen, die ihre Ar­beit un­ter­bro­chen hat­ten.

Sie aber gin­gen wei­ter und ka­men an eine Tür, die oben einen klei­nen Vor­gie­bel hat­te, der von klei­nen, ver­gol­de­ten Ka­rya­ti­den ge­tra­gen war. Für eine Schiff­sein­rich­tung sah das recht ver­schwen­de­risch aus. Karl war, wie er merk­te, nie­mals in die­se Ge­gend ge­kom­men, die wahr­schein­lich wäh­rend der Fahrt den Pas­sa­gie­ren der ers­ten und zwei­ten Klas­se vor­be­hal­ten ge­we­sen war, wäh­rend man jetzt vor der großen Schiffs­rei­ni­gung die Tren­nungs­tü­ren aus­ge­ho­ben hat­te. Sie wa­ren auch tat­säch­lich schon ei­ni­gen Män­nern be­geg­net, die Be­sen an der Schul­ter tru­gen und den Hei­zer ge­grüßt hat­ten. Karl staun­te über den großen Be­trieb, in sei­nem Zwi­schen­deck hat­te er da­von frei­lich we­nig er­fah­ren. Längs der Gän­ge zo­gen sich auch Dräh­te elek­tri­scher Lei­tun­gen, und eine klei­ne Glo­cke hör­te man im­mer­fort.

Der Hei­zer klopf­te re­spekt­voll an der Türe an und for­der­te, als man »He­rein!«, rief, Karl mit ei­ner Hand­be­we­gung auf, ohne Furcht ein­zu­tre­ten. Die­ser trat auch ein, aber blieb an der Tür ste­hen. Vor den drei Fens­tern des Zim­mers sah er die Wel­len des Mee­res, und bei Be­trach­tung ih­rer fröh­li­chen Be­we­gung schlug ihm das Herz, als hät­te er nicht fünf lan­ge Tage das Meer un­un­ter­bro­chen ge­se­hen. Gro­ße Schif­fe kreuz­ten ge­gen­sei­tig ihre Wege und ga­ben dem Wel­len­schlag nur so weit nach, als es ihre Schwe­re er­laub­te. Wenn man die Au­gen klein mach­te, schie­nen die­se Schif­fe vor lau­ter Schwe­re zu schwan­ken. Auf ih­ren Mas­ten tru­gen sie schma­le, aber lan­ge Flag­gen, die zwar durch die Fahrt ge­strafft wur­den, trotz­dem aber noch hin und her zap­pel­ten. Wahr­schein­lich von Kriegs­schif­fen her er­klan­gen Sa­lut­schüs­se, die Ka­no­nen­roh­re ei­nes sol­chen nicht all­zu­weit vor­über­fah­ren­den Schif­fes, strah­lend mit dem Re­flex ih­res Stahl­man­tels, wa­ren wie ge­hät­schelt von der si­che­ren, glat­ten und doch nicht waa­ge­rech­ten Fahrt. Die klei­nen Schiff­chen und Boo­te konn­te man, we­nigs­tens von der Tür aus, nur in der Fer­ne be­ob­ach­ten, wie sie in Men­gen in die Öff­nun­gen zwi­schen den großen Schif­fen ein­lie­fen. Hin­ter al­le­dem aber stand New York und sah Karl mit hun­dert­tau­send Fens­tern sei­ner Wol­ken­krat­zer an. Ja, in die­sem Zim­mer wuss­te man, wo man war.

An ei­nem run­den Tisch sa­ßen drei Her­ren, der eine ein Schiff­s­of­fi­zier in blau­er Schiff­s­uni­form, die zwei an­de­ren, Be­am­te der Ha­fen­be­hör­de, in schwar­zen ame­ri­ka­ni­schen Uni­for­men. Auf dem Tisch la­gen, hoch­auf­ge­schich­tet, ver­schie­de­ne Do­ku­men­te, wel­che der Of­fi­zier zu­erst mit der Fe­der in der Hand über­flog, um sie dann den bei­den an­de­ren zu rei­chen, die bald la­sen, bald ex­zer­pier­ten, bald in ihre Ak­ten­ta­schen ein­leg­ten, wenn nicht ge­ra­de der eine, der fast un­un­ter­bro­chen ein klei­nes Geräusch mit den Zäh­nen voll­führ­te, sei­nem Kol­le­gen et­was in ein Pro­to­koll dik­tier­te.

Am Fens­ter saß an ei­nem Schreib­tisch, den Rücken der Türe zu­ge­wen­det, ein klei­ne­rer Herr, der mit großen Fo­li­an­ten han­tier­te, die auf ei­nem star­ken Bü­cher­brett in Kopf­hö­he vor ihm an­ein­an­der­ge­reiht wa­ren. Ne­ben ihm stand eine of­fe­ne, we­nigs­tens auf den ers­ten Blick lee­re Kas­sa.

Das zwei­te Fens­ter war leer und gab den bes­ten Aus­blick. In der Nähe des drit­ten aber stan­den zwei Her­ren in halb­lau­tem Ge­spräch. Der eine lehn­te ne­ben dem Fens­ter, trug auch die Schiff­s­uni­form und spiel­te mit dem Griff des De­gens. Der­je­ni­ge, mit dem er sprach, war dem Fens­ter zu­ge­wen­det und ent­hüll­te hie und da durch eine Be­we­gung einen Teil der Or­dens­rei­he auf der Brust des an­de­ren. Er war in Zi­vil und hat­te ein dün­nes Bam­bus­stöck­chen, das, da er bei­de Hän­de an den Hüf­ten fest­hielt, auch wie ein De­gen ab­stand.

Karl hat­te nicht viel Zeit, al­les an­zu­se­hen, denn bald trat ein Die­ner auf sie zu und frag­te den Hei­zer mit ei­nem Blick, als ge­hö­re er nicht hier­her, was er denn wol­le. Der Hei­zer ant­wor­te­te, so lei­se als er ge­fragt wur­de, er wol­le mit dem Herrn Ober­kas­sier re­den. Der Die­ner lehn­te für sei­nen Teil mit ei­ner Hand­be­we­gung die­se Bit­te ab, ging aber den­noch auf den Fuß­spit­zen, dem run­den Tisch in großem Bo­gen aus­wei­chend, zu dem Herrn mit den Fo­li­an­ten. Die­ser Herr – das sah man deut­lich – er­starr­te ge­ra­de­zu un­ter den Wor­ten des Die­ners, kehr­te sich aber end­lich nach dem Man­ne um, der ihn zu spre­chen wünsch­te, und fuch­tel­te dann, streng ab­weh­rend, ge­gen den Hei­zer und der Si­cher­heit hal­ber auch ge­gen den Die­ner hin. Der Die­ner kehr­te dar­auf zum Hei­zer zu­rück und sag­te in ei­nem Tone, als ver­traue er ihm et­was an: »Sche­ren Sie sich so­fort aus dem Zim­mer!«

Der Hei­zer sah nach die­ser Ant­wort zu Karl hin­un­ter, als sei die­ser sein Herz, dem er stumm sei­nen Jam­mer kla­ge. Ohne wei­te­re Be­sin­nung mach­te sich Karl los, lief quer durchs Zim­mer, dass er so­gar leicht an den Ses­sel des Of­fi­ziers streif­te, der Die­ner lief ge­beugt mit zum Um­fan­gen be­rei­ten Ar­men, als jage er ein Un­ge­zie­fer, aber Karl war der ers­te beim Tisch des Ober­kas­siers, wo er sich fest­hielt, für den Fall, dass der Die­ner ver­su­chen soll­te, ihn fort­zu­zie­hen.

Na­tür­lich wur­de gleich das Zim­mer le­ben­dig. Der Schiff­s­of­fi­zier am Tisch war auf­ge­sprun­gen, die Her­ren von der Ha­fen­be­hör­de sa­hen ru­hig, aber auf­merk­sam zu, die bei­den Her­ren am Fens­ter wa­ren ne­ben­ein­an­der­ge­tre­ten, der Die­ner, wel­cher glaub­te, er sei dort, wo schon die ho­hen Her­ren In­ter­es­se zeig­ten, nicht mehr am Plat­ze, trat zu­rück. Der Hei­zer an der Türe war­te­te an­ge­spannt auf den Au­gen­blick, bis sei­ne Hil­fe nö­tig wür­de. Der Ober­kas­sier end­lich mach­te in sei­nem Lehn­ses­sel eine große Rechts­wen­dung.

Karl kram­te aus sei­ner Ge­heim­ta­sche, die er den Bli­cken die­ser Leu­te zu zei­gen kei­ne Be­den­ken hat­te, sei­nen Rei­se­pass her­vor, den er statt wei­te­rer Vor­stel­lung ge­öff­net auf den Tisch leg­te. Der Ober­kas­sier schi­en die­sen Pass für ne­ben­säch­lich zu hal­ten, denn er schnipp­te ihn mit zwei Fin­gern bei­sei­te, wor­auf Karl, als sei die­se For­ma­li­tät zur Zufrie­den­heit er­le­digt, den Pass wie­der ein­steck­te.

»Ich er­lau­be mir zu sa­gen«, be­gann er dann, »dass mei­ner Mei­nung nach dem Herrn Hei­zer Un­recht ge­sche­hen ist. Es ist hier ein ge­wis­ser Schu­bal, der ihm auf­sitzt. Er selbst hat schon auf vie­len Schif­fen, die er Ih­nen alle nen­nen kann, zur voll­stän­di­gen Zufrie­den­heit ge­dient, ist flei­ßig, meint es mit sei­ner Ar­beit gut, und es ist wirk­lich nicht ein­zu­se­hen, warum er ge­ra­de auf die­sem Schiff, wo doch der Dienst nicht so über­mä­ßig schwer ist, wie zum Bei­spiel auf Han­dels­seg­lern, schlecht ent­spre­chen soll­te. Es kann da­her nur Ver­leum­dung sein, die ihn in sei­nem Vor­wärts­kom­men hin­dert und ihn um die Aner­ken­nung bringt, die ihm sonst ganz be­stimmt nicht feh­len wür­de. Ich habe nur das All­ge­mei­ne über die­se Sa­che ge­sagt, sei­ne be­son­de­ren Be­schwer­den wird er Ih­nen selbst vor­brin­gen.« Karl hat­te sich mit die­ser Rede an alle Her­ren ge­wen­det, weil ja tat­säch­lich auch alle zu­hör­ten und es viel wahr­schein­li­cher schi­en, dass sich un­ter al­len zu­sam­men ein Ge­rech­ter vor­fand, als dass die­ser Ge­rech­te ge­ra­de der Ober­kas­sier sein soll­te. Aus Schlau­heit hat­te au­ßer­dem Karl ver­schwie­gen, dass er den Hei­zer erst so kur­ze Zeit kann­te. Im üb­ri­gen hät­te er noch viel bes­ser ge­spro­chen, wenn er nicht durch das rote Ge­sicht des Herrn mit dem Bam­bus­stöck­chen be­irrt wor­den wäre, das er von sei­nem jet­zi­gen Stand­ort zum ers­ten Mal sah.

»Es ist al­les Wort für Wort rich­tig«, sag­te der Hei­zer, ehe ihn noch je­mand ge­fragt, ja ehe man noch über­haupt auf ihn hin­ge­se­hen hat­te. Die­se Übe­reilt­heit des Hei­zers wäre ein großer Feh­ler ge­we­sen, wenn nicht der Herr mit den Or­den, der, wie es jetzt Karl auf­leuch­te­te, je­den­falls der Ka­pi­tän war, of­fen­bar mit sich be­reits über­ein­ge­kom­men wäre, den Hei­zer an­zu­hö­ren. Er streck­te näm­lich die Hand aus und rief dem Hei­zer zu: »Kom­men Sie her!«, mit ei­ner Stim­me, fest, um mit ei­nem Ham­mer dar­auf zu schla­gen. Jetzt hing al­les vom Be­neh­men des Hei­zers ab, denn was die Ge­rech­tig­keit sei­ner Sa­che an­lang­te, an der zwei­fel­te Karl nicht.

Glück­li­cher­wei­se zeig­te sich bei die­ser Ge­le­gen­heit, dass der Hei­zer schon viel in der Welt her­um­ge­kom­men war. Mus­ter­haft ru­hig nahm er aus sei­nem Köf­fer­chen mit dem ers­ten Griff ein Bün­del­chen Pa­pie­re so­wie ein No­tiz­buch, ging da­mit, als ver­stün­de sich das von selbst, un­ter voll­stän­di­ger Ver­nach­läs­si­gung des Ober­kas­siers, zum Ka­pi­tän und brei­te­te auf dem Fens­ter­brett sei­ne Be­weis­mit­tel aus. Dem Ober­kas­sier blieb nichts üb­rig, als sich selbst hin­zu­be­mühn. »Der Mann ist ein be­kann­ter Que­ru­lant«, sag­te er zur Er­klä­rung, »er ist mehr in der Kas­sa als im Ma­schi­nen­raum. Er hat Schu­bal, die­sen ru­hi­gen Men­schen, ganz zur Verzweif­lung ge­bracht. Hö­ren Sie ein­mal!«, wand­te er sich an den Hei­zer, »Sie trei­ben Ihre Zu­dring­lich­keit doch schon wirk­lich zu weit. Wie oft hat man Sie schon aus den Aus­zah­lungs­räu­men hin­aus­ge­wor­fen, wie Sie es mit Ihren ganz voll­stän­dig und aus­nahms­los un­be­rech­tig­ten For­de­run­gen ver­die­nen! Wie oft sind Sie von dort in die Haupt­kas­sa ge­lau­fen ge­kom­men! Wie oft hat man Ih­nen im gu­ten ge­sagt, dass Schu­bal Ihr un­mit­tel­ba­rer Vor­ge­setz­ter ist, mit dem al­lein Sie sich als ein Un­ter­ge­be­ner ab­zu­fin­den ha­ben! Und jetzt kom­men Sie gar noch her, wenn der Herr Ka­pi­tän da ist, schä­men sich nicht, so­gar ihn zu be­läs­ti­gen, son­dern ent­blö­den sich nicht ein­mal, als ein­ge­lern­ten Stimm­füh­rer Ih­rer ab­ge­schmack­ten Be­schul­di­gun­gen die­sen Klei­nen mit­zu­brin­gen, den ich über­haupt zum ers­ten Mal auf dem Schif­fe sehe!«

Karl hielt sich mit Ge­walt zu­rück, vor­zu­sprin­gen. Aber schon war auch der Ka­pi­tän da, wel­cher sag­te: »Hö­ren wir den Mann doch ein­mal an. Der Schu­bal wird mir so­wie­so mit der Zeit viel zu selbst­stän­dig, wo­mit ich aber nichts zu Ihren Guns­ten ge­sagt ha­ben will.« Das letz­te­re galt dem Hei­zer, es war nur na­tür­lich, dass er sich nicht so­fort für ihn ein­set­zen konn­te, aber al­les schi­en auf dem rich­ti­gen Wege. Der Hei­zer be­gann sei­ne Er­klä­run­gen und über­wand sich gleich am An­fang, in­dem er Schu­bal mit »Herr« ti­tu­lier­te. Wie freu­te sich Karl am ver­las­se­nen Schreib­tisch des Ober­kas­siers, wo er eine Brief­waa­ge im­mer wie­der nie­der­drück­te vor lau­ter Ver­gnü­gen. – Herr Schu­bal ist un­ge­recht! Herr Schu­bal be­vor­zugt die Aus­län­der! Herr Schu­bal ver­wies den Hei­zer aus dem Ma­schi­nen­raum und ließ ihn Klo­set­te rei­ni­gen, was doch ge­wiss nicht des Hei­zers Sa­che war! – Ein­mal wur­de so­gar die Tüch­tig­keit des Herrn Schu­bal an­ge­zwei­felt, die eher schein­bar als wirk­lich vor­han­den sein soll­te. Bei die­ser Stel­le starr­te Karl mit al­ler Kraft den Ka­pi­tän an, zu­tun­lich, als sei er sein Kol­le­ge, nur da­mit er sich durch die et­was un­ge­schick­te Aus­drucks­wei­se des Hei­zers nicht zu des­sen Un­guns­ten be­ein­flus­sen las­se. Im­mer­hin er­fuhr man aus den vie­len Re­den nichts Ei­gent­li­ches, und wenn auch der Ka­pi­tän noch im­mer vor sich hin­sah, in den Au­gen die Ent­schlos­sen­heit, den Hei­zer dies­mal bis zu Ende an­zu­hö­ren, so wur­den doch die an­de­ren Her­ren un­ge­dul­dig, und die Stim­me des Hei­zers re­gier­te bald nicht mehr un­um­schränkt in dem Rau­me, was man­ches be­fürch­ten ließ. Als ers­ter setz­te der Herr in Zi­vil sein Bam­bus­stöck­chen in Tä­tig­keit und klopf­te, wenn auch nur lei­se, auf das Par­kett. Die an­de­ren Her­ren sa­hen na­tür­lich hie und da hin, die Her­ren von der Ha­fen­be­hör­de, die of­fen­bar pres­siert wa­ren, grif­fen wie­der zu den Ak­ten und be­gan­nen, wenn auch noch et­was geis­tes­ab­we­send, sie durch­zu­se­hen, der Schiff­s­of­fi­zier rück­te sei­nen Tisch wie­der nä­her, und der Ober­kas­sier, der ge­won­ne­nes Spiel zu ha­ben glaub­te, seufz­te aus Iro­nie tief auf. Von der all­ge­mein ein­tre­ten­den Zer­streu­ung schi­en nur der Die­ner be­wahrt, der von den Lei­den des un­ter die Gro­ßen ge­stell­ten ar­men Man­nes einen Teil mit­fühl­te und Karl ernst zu­nick­te, als wol­le er da­mit et­was er­klä­ren.

In­zwi­schen ging vor den Fens­tern das Ha­fen­le­ben wei­ter, ein fla­ches Last­schiff mit ei­nem Berg von Fäs­sern, die wun­der­bar ver­staut sein muss­ten, dass sie nicht ins Rol­len ka­men, zog vor­über und er­zeug­te in dem Zim­mer fast Dun­kel­heit; klei­ne Mo­tor­boo­te, die Karl jetzt, wenn er Zeit ge­habt hät­te, ge­nau hät­te an­se­hen kön­nen, rausch­ten nach den Zu­ckun­gen der Hän­de ei­nes am Steu­er auf­recht ste­hen­den Man­nes schnur­ge­ra­de da­hin! Ei­gen­tüm­li­che Schwimm­kör­per tauch­ten hie und da selbst­stän­dig aus dem ru­he­lo­sen Was­ser, wur­den gleich wie­der über­schwemmt und ver­san­ken vor dem er­staun­ten Blick; Boo­te der Oze­an­damp­fer wur­den von heiß ar­bei­ten­den Ma­tro­sen vor­wärts­ge­ru­dert und wa­ren voll von Pas­sa­gie­ren, die dar­in, so wie man sie hin­ein­ge­zwängt hat­te, still und er­war­tungs­voll sa­ßen, wenn es auch man­che nicht un­ter­las­sen konn­ten, die Köp­fe nach den wech­seln­den Sze­ne­ri­en zu dre­hen. Eine Be­we­gung ohne Ende, eine Un­ru­he, über­tra­gen von dem un­ru­hi­gen Ele­ment auf die hilflo­sen Men­schen und ihre Wer­ke!

Aber al­les mahn­te zur Eile, zur Deut­lich­keit, zu ganz ge­nau­er Dar­stel­lung; aber was tat der Hei­zer? Er re­de­te sich al­ler­dings in Schweiß, die Pa­pie­re auf dem Fens­ter konn­te er längst mit sei­nen zit­tern­den Hän­den nicht mehr hal­ten; aus al­len Him­mels­rich­tun­gen ström­ten ihm Kla­gen über Schu­bal zu, von de­nen sei­ner Mei­nung nach jede ein­zel­ne ge­nügt, die­sen Schu­bal voll­stän­dig zu be­gra­ben, aber was er dem Ka­pi­tän vor­zei­gen konn­te, war nur ein trau­ri­ges Durchein­an­der­stru­deln al­ler ins­ge­samt. Längst schon pfiff der Herr mit dem Bam­bus­stöck­chen schwach zur De­cke hin­auf, die Her­ren von der Ha­fen­be­hör­de hiel­ten schon den Of­fi­zier an ih­rem Tisch und mach­ten kei­ne Mie­ne, ihn je wie­der los­zu­las­sen, der Ober­kas­sier wur­de sicht­lich nur durch die Ruhe des Ka­pi­täns vor dem Drein­fah­ren zu­rück­ge­hal­ten, der Die­ner er­war­te­te in Ha­bacht­stel­lung je­den Au­gen­blick einen auf den Hei­zer be­züg­li­chen Be­fehl sei­nes Ka­pi­täns.

Da konn­te Karl nicht mehr un­tä­tig blei­ben. Er ging also lang­sam zu der Grup­pe hin und über­leg­te im Ge­hen nur de­sto schnel­ler, wie er die Sa­che mög­lichst ge­schickt an­grei­fen könn­te. Es war wirk­lich höchs­te Zeit, noch ein klei­nes Weil­chen nur, und sie konn­ten ganz gut bei­de aus dem Büro flie­gen. Der Ka­pi­tän moch­te ja ein gu­ter Mann sein und über­dies ge­ra­de jetzt, wie es Karl schi­en, ir­gend­ei­nen be­son­de­ren Grund ha­ben, sich als ge­rech­ter Vor­ge­setz­ter zu zei­gen, aber schließ­lich war er kein In­stru­ment, das man in Grund und Bo­den spie­len konn­te – und ge­ra­de so be­han­del­te ihn der Hei­zer, al­ler­dings aus sei­nem gren­zen­los em­pör­ten In­nern her­aus.

Karl sag­te also zum Hei­zer: »Sie müs­sen das ein­fa­cher er­zäh­len, kla­rer, der Herr Ka­pi­tän kann es nicht wür­di­gen, so wie Sie es ihm er­zäh­len. Kennt er denn alle Ma­schi­nis­ten und Lauf­bur­schen beim Na­men oder gar beim Tauf­na­men, dass er, wenn Sie nur einen sol­chen Na­men aus­spre­chen, gleich wis­sen kann, um wen es sich han­delt? Ord­nen Sie doch Ihre Be­schwer­den, sa­gen Sie die wich­tigs­te zu­erst und ab­stei­gend die an­de­ren, viel­leicht wird es dann über­haupt nicht mehr nö­tig sein, die meis­ten auch nur zu er­wäh­nen. Mir ha­ben Sie es doch im­mer so klar dar­ge­stellt!« ›Wenn man in Ame­ri­ka Kof­fer steh­len kann, kann man auch hie und da lü­gen‹, dach­te er zur Ent­schul­di­gung.

Wenn es aber nur ge­hol­fen hät­te! Ob es nicht auch schon zu spät war? Der Hei­zer un­ter­brach sich zwar so­fort, als er die be­kann­te Stim­me hör­te, aber mit sei­nen Au­gen, die ganz von Trä­nen der be­lei­dig­ten Man­nes­eh­re, der schreck­li­chen Erin­ne­run­gen, der äu­ßers­ten ge­gen­wär­ti­gen Not ver­deckt wa­ren, konn­te er Karl schon nicht ein­mal mehr gut er­ken­nen. Wie soll­te er auch jetzt – Karl sah das schwei­gend vor dem jetzt Schwei­gen­den wohl ein –, wie soll­te er auch jetzt plötz­lich sei­ne Re­de­wei­se än­dern, da es ihm doch schi­en, als hät­te er al­les, was zu sa­gen war, ohne die ge­rings­te Aner­ken­nung schon vor­ge­bracht und als habe er an­de­rer­seits noch gar nichts ge­sagt und kön­ne doch den Her­ren jetzt nicht zu­mu­ten, noch al­les an­zu­hö­ren. Und in ei­nem sol­chen Zeit­punkt kommt noch Karl, sein ein­zi­ger An­hän­ger, da­her, will ihm gute Leh­ren ge­ben, zeigt ihm aber statt des­sen, dass al­les, al­les ver­lo­ren ist.

›Wä­re ich frü­her ge­kom­men, statt aus dem Fens­ter zu schau­en!‹, sag­te sich Karl, senk­te vor dem Hei­zer das Ge­sicht und schlug die Hän­de an die Ho­sen­naht, zum Zei­chen des En­des je­der Hoff­nung.

Aber der Hei­zer miss­ver­stand das, wit­ter­te wohl in Karl ir­gend­wel­che ge­hei­men Vor­wür­fe ge­gen sich, und in der gu­ten Ab­sicht, sie ihm aus­zu­re­den, fing er zur Krö­nung sei­ner Ta­ten mit Karl jetzt zu strei­ten an. Jetzt, wo doch die Her­ren am run­den Tisch längst em­pört über den nutz­lo­sen Lärm wa­ren, der ihre wich­ti­gen Ar­bei­ten stör­te, wo der Haupt­kas­sier all­mäh­lich die Ge­duld des Ka­pi­täns un­ver­ständ­lich fand und zum so­for­ti­gen Aus­bruch neig­te, wo der Die­ner, ganz wie­der in der Sphä­re sei­ner Her­ren, den Hei­zer mit wil­dem Bli­cke maß, und wo end­lich der Herr mit dem Bam­bus­stöck­chen, zu wel­chem so­gar der Ka­pi­tän hie und da freund­lich hin­über­sah, schon gänz­lich ab­ge­stumpft ge­gen den Hei­zer, ja von ihm an­ge­wi­dert, ein klei­nes No­tiz­buch her­vor­zog und, of­fen­bar mit ganz an­de­ren An­ge­le­gen­hei­ten be­schäf­tigt, die Au­gen zwi­schen dem No­tiz­buch und Karl hin und her wan­dern ließ.

»Ich weiß ja«, sag­te Karl, der Mühe hat­te, den jetzt ge­gen ihn ge­kehr­ten Schwall des Hei­zers ab­zu­weh­ren, trotz­dem aber quer durch al­len Streit noch ein Freun­des­lä­cheln für ihn üb­rig hat­te, »Sie ha­ben recht, recht, ich habe ja nie dar­an ge­zwei­felt.« Er hät­te ihm gern aus Furcht vor Schlä­gen die her­um­fah­ren­den Hän­de ge­hal­ten, noch lie­ber al­ler­dings ihn in einen Win­kel ge­drängt, um ihm ein paar lei­se, be­ru­hi­gen­de Wor­te zu­zu­flüs­tern, die nie­mand sonst hät­te hö­ren müs­sen. Aber der Hei­zer war au­ßer Rand und Band. Karl be­gann jetzt schon so­gar aus dem Ge­dan­ken eine Art Trost zu schöp­fen, dass der Hei­zer im Not­fall mit der Kraft sei­ner Verzweif­lung alle an­we­sen­den sie­ben Män­ner be­zwin­gen kön­ne. Al­ler­dings lag auf dem Schreib­tisch, wie ein Blick dort­hin lehr­te, ein Auf­satz mit viel zu vie­len Druck­knöp­fen der elek­tri­schen Lei­tung; und eine Hand, ein­fach auf sie nie­der­ge­drückt, konn­te das gan­ze Schiff mit al­len sei­nen von feind­li­chen Men­schen ge­füll­ten Gän­gen re­bel­lisch ma­chen.

Da trat der doch so un­in­ter­es­sier­te Herr mit dem Bam­bus­stöck­chen auf Karl zu und frag­te, nicht über­laut, aber deut­lich über al­lem Ge­schrei des Hei­zers: »Wie hei­ßen Sie denn ei­gent­lich?« In die­sem Au­gen­blick, als hät­te je­mand hin­ter der Tür auf die­se Äu­ße­rung des Herrn ge­war­tet, klopf­te es. Der Die­ner sah zum Ka­pi­tän hin­über, die­ser nick­te. Da­her ging der Die­ner zur Tür und öff­ne­te sie. Drau­ßen stand in ei­nem al­ten Kai­ser­rock ein Mann von mitt­le­ren Pro­por­tio­nen, sei­nem An­se­hen nach nicht ei­gent­lich zur Ar­beit an den Ma­schi­nen ge­eig­net, und war doch – Schu­bal. Wenn es Karl nicht an al­ler Au­gen er­kannt hät­te, die eine ge­wis­se Be­frie­di­gung aus­drück­ten, von der nicht ein­mal der Ka­pi­tän frei war, er hät­te es zu sei­nem Schre­cken am Hei­zer se­hen müs­sen, der die Fäus­te an den ge­straff­ten Ar­men so ball­te, als sei die­se Bal­lung das Wich­tigs­te an ihm, dem er al­les, was er an Le­ben habe, zu op­fern be­reit sei. Da steck­te jetzt alle sei­ne Kraft, auch die, wel­che ihn über­haupt auf­recht er­hielt.

Und da war also der Feind, frei und frisch im Fe­st­an­zug, un­ter dem Arm ein Ge­schäfts­buch, wahr­schein­lich die Lohn­lis­ten und Ar­beits­aus­wei­se des Hei­zers, und sah mit dem un­ge­scheu­ten Zu­ge­ständ­nis, dass er die Stim­mung je­des ein­zel­nen vor al­lem fest­stel­len wol­le, in al­ler Au­gen der Rei­he nach. Die sie­ben wa­ren auch schon alle sei­ne Freun­de, denn wenn auch der Ka­pi­tän frü­her ge­wis­se Ein­wän­de ge­gen ihn ge­habt oder viel­leicht nur vor­ge­schützt hat­te, nach dem Leid, das ihm der Hei­zer an­ge­tan hat­te, schi­en ihm wahr­schein­lich an Schu­bal auch das Ge­rings­te nicht mehr aus­zu­set­zen. Ge­gen einen Mann wie den Hei­zer konn­te man nicht streng ge­nug ver­fah­ren, und wenn dem Schu­bal et­was vor­zu­wer­fen war, so war es der Um­stand, dass er die Wi­der­spens­tig­keit des Hei­zers im Lau­fe der Zeit nicht so weit hat­te bre­chen kön­nen, dass es die­ser heu­te noch ge­wagt hat­te, vor dem Ka­pi­tän zu er­schei­nen.

Nun konn­te man ja viel­leicht noch an­neh­men, die Ge­gen­über­stel­lung des Hei­zers und Schu­bals wer­de die ihr vor ei­nem hö­he­ren Forum zu­kom­men­de Wir­kung auch vor den Men­schen nicht ver­feh­len, denn wenn sich auch Schu­bal gut ver­stel­len konn­te, er muss­te es doch durch­aus nicht bis zum Ende aus­hal­ten kön­nen. Ein kur­z­es Auf­blit­zen sei­ner Schlech­tig­keit soll­te ge­nü­gen, um sie den Her­ren sicht­bar zu ma­chen, da­für woll­te Karl schon sor­gen. Er kann­te doch schon bei­läu­fig den Scharf­sinn, die Schwä­chen, die Lau­nen der ein­zel­nen Her­ren, und un­ter die­sem Ge­sichts­punkt war die bis­her hier ver­brach­te Zeit nicht ver­lo­ren. Wenn nur der Hei­zer bes­ser auf dem Platz ge­we­sen wäre, aber der schi­en voll­stän­dig kampf­un­fä­hig. Wenn man ihm den Schu­bal hin­ge­hal­ten hät­te, hät­te er wohl des­sen ge­hass­ten Schä­del mit den Fäus­ten auf­klop­fen kön­nen. Aber schon die paar Schrit­te zu ihm hin­zu­ge­hen, war er wohl kaum im­stan­de. Wa­rum hat­te denn Karl das so leicht Vor­aus­zu­se­hen­de nicht vor­aus­ge­se­hen, dass Schu­bal end­lich kom­men müs­se, wenn nicht aus ei­ge­nem An­trieb, so vom Ka­pi­tän ge­ru­fen? Wa­rum hat­te er auf dem Her­weg mit dem Hei­zer nicht einen ge­nau­en Kriegs­plan be­spro­chen, statt, wie sie es in Wirk­lich­keit ge­tan hat­ten, heil­los un­vor­be­rei­tet ein­fach dort ein­zu­tre­ten, wo eine Tür war? Konn­te der Hei­zer über­haupt noch re­den, ja und nein sa­gen, wie es bei dem Kreuz­ver­hör, das al­ler­dings nur im güns­tigs­ten Fall be­vor­stand, nö­tig sein wür­de? Er stand da, die Bei­ne aus­ein­an­der­ge­stellt, die Knie un­si­cher, den Kopf et­was ge­ho­ben, und die Luft ver­kehr­te durch den of­fe­nen Mund, als gäbe es in­nen kei­ne Lun­gen mehr, die sie ver­ar­bei­te­ten. Karl al­ler­dings fühl­te sich so kräf­tig und bei Ver­stand, wie er es viel­leicht zu Hau­se nie­mals ge­we­sen war. Wenn ihn doch sei­ne El­tern se­hen könn­ten, wie er in frem­dem Land vor an­ge­se­he­nen Per­sön­lich­kei­ten das Gute ver­focht und, wenn er es auch noch nicht zum Sie­ge ge­bracht hat­te, so doch zur letz­ten Erobe­rung sich voll­kom­men be­reit­stell­te! Wür­den sie ihre Mei­nung über ihn re­vi­die­ren? Ihn zwi­schen sich nie­der­set­zen und lo­ben? Ihm ein­mal, ein­mal in die ih­nen so er­ge­be­nen Au­gen sehn? Un­si­che­re Fra­gen und un­ge­eig­nets­ter Au­gen­blick, sie zu stel­len!

»Ich kom­me, weil ich glau­be, dass mich der Hei­zer ir­gend­wel­cher Un­red­lich­kei­ten be­schul­digt. Ein Mäd­chen aus der Kü­che sag­te mir, sie hät­te ihn auf dem Wege hier­her ge­se­hen. Herr Ka­pi­tän und Sie alle mei­ne Her­ren, ich bin be­reit, jede Be­schul­di­gung an der Hand mei­ner Schrif­ten, nö­ti­gen­falls durch Aus­sa­gen un­vor­ein­ge­nom­me­ner und un­be­ein­flus­s­ter Zeu­gen, die vor der Türe ste­hen, zu wi­der­le­gen.« So sprach Schu­bal. Das war al­ler­dings die kla­re Rede ei­nes Man­nes, und nach der Ver­än­de­rung in den Mie­nen der Zu­hö­rer hät­te man glau­ben kön­nen, sie hör­ten zum ers­ten Mal nach lan­ger Zeit wie­der mensch­li­che Lau­te. Sie be­merk­ten frei­lich nicht, dass selbst die­se schö­ne Rede Lö­cher hat­te. Wa­rum war das ers­te sach­li­che Wort, das ihm ein­fiel, »Un­red­lich­kei­ten«? Hät­te viel­leicht die Be­schul­di­gung hier ein­set­zen müs­sen, statt bei sei­nen na­tio­na­len Vor­ein­ge­nom­men­hei­ten? Ein Mäd­chen aus der Kü­che hat­te den Hei­zer auf dem Weg ins Büro ge­se­hen, und Schu­bal hat­te so­fort be­grif­fen? War es nicht das Schuld­be­wusst­sein, das ihm den Ver­stand schärf­te? Und Zeu­gen hat­te er gleich mit­ge­bracht und nann­te sie noch au­ßer­dem un­vor­ein­ge­nom­men und un­be­ein­flusst? Gau­ne­rei, nichts als Gau­ne­rei! Und die Her­ren dul­de­ten das und an­er­kann­ten es noch als rich­ti­ges Be­neh­men? Wa­rum hat­te er zwei­fel­los sehr viel Zeit zwi­schen der Mel­dung des Kü­chen­mäd­chens und sei­ner An­kunft hier ver­strei­chen las­sen? Doch zu kei­nem an­de­ren Zwe­cke, als da­mit der Hei­zer die Her­ren so er­mü­de, dass sie all­mäh­lich ihre kla­re Ur­teils­kraft ver­lö­ren, wel­che Schu­bal vor al­lem zu fürch­ten hat­te. Hat­te er, der si­cher schon lan­ge hin­ter der Tür ge­stan­den, nicht erst im Au­gen­blick ge­klopft, als er in­fol­ge der ne­ben­säch­li­chen Fra­ge je­nes Herrn hof­fen durf­te, der Hei­zer sei er­le­digt?

Al­les war klar und wur­de ja auch von Schu­bal wi­der Wil­len so dar­ge­bo­ten, aber den Herrn muss­te man es an­ders, noch hand­greif­li­cher zei­gen. Sie brauch­ten Auf­rüt­te­lung. Also, Karl, rasch, nüt­ze we­nigs­tens die Zeit aus, ehe die Zeu­gen auf­tre­ten und al­les über­schwem­men!

Eben aber wink­te der Ka­pi­tän dem Schu­bal ab, der dar­auf­hin so­fort – denn sei­ne An­ge­le­gen­heit schi­en für ein Weil­chen auf­ge­scho­ben zu sein – bei­sei­te­trat und mit dem Die­ner, der sich ihm gleich an­ge­schlos­sen hat­te, eine lei­se Un­ter­hal­tung be­gann, bei der es an Sei­ten­bli­cken nach dem Hei­zer und Karl so­wie an den über­zeug­tes­ten Hand­be­we­gun­gen nicht fehl­te. Schu­bal schi­en so sei­ne nächs­te Rede ein­zuü­ben.

»Woll­ten Sie nicht den jun­gen Men­schen et­was fra­gen, Herr Ja­kob?«, sag­te der Ka­pi­tän un­ter all­ge­mei­ner Stil­le zu dem Herrn mit dem Bam­bus­stöck­chen.

»Al­ler­dings«, sag­te die­ser, mit ei­ner klei­nen Nei­gung für die Auf­merk­sam­keit dan­kend. Und frag­te dann Karl noch­mals: »Wie hei­ßen Sie ei­gent­lich?«

Karl, wel­cher glaub­te, es sei im In­ter­es­se der großen Haupt­sa­che ge­le­gen, wenn die­ser Zwi­schen­fall des hart­nä­cki­gen Fra­gers bald er­le­digt wür­de, ant­wor­te­te kurz, ohne, wie es sei­ne Ge­wohn­heit war, durch Vor­wei­sung des Pas­ses sich vor­zu­stel­len, den er erst hät­te su­chen müs­sen: »Karl Ross­mann.«

»Aber«, sag­te der mit Ja­kob An­ge­spro­che­ne und trat zu­erst fast un­gläu­big lä­chelnd zu­rück. Auch der Ka­pi­tän, der Ober­kas­sier, der Schiff­s­of­fi­zier, ja so­gar der Die­ner zeig­ten deut­lich ein über­mä­ßi­ges Er­stau­nen we­gen Karls Na­men. Nur die Her­ren von der Ha­fen­be­hör­de und Schu­bal ver­hiel­ten sich gleich­gül­tig.

»Aber«, wie­der­hol­te Herr Ja­kob und trat mit et­was stei­fen Schrit­ten auf Karl zu, »dann bin ich ja dein On­kel Ja­kob, und du bist mein lie­ber Nef­fe. Ahn­te ich es doch die gan­ze Zeit über!«, sag­te er zum Ka­pi­tän hin, ehe er Karl um­arm­te und küss­te, der al­les stumm ge­sche­hen ließ.

»Wie hei­ßen Sie?«, frag­te Karl, nach­dem er sich los­ge­las­sen fühl­te, zwar sehr höf­lich, aber gänz­lich un­ge­rührt, und streng­te sich an, die Fol­gen ab­zu­se­hen, wel­che die­ses neue Er­eig­nis für den Hei­zer ha­ben dürf­te. Vor­läu­fig deu­te­te nichts dar­auf hin, dass Schu­bal aus die­ser Sa­che Nut­zen zie­hen könn­te.

»Be­grei­fen Sie doch, jun­ger Mann, Ihr Glück«, sag­te der Ka­pi­tän, der durch Karls Fra­ge die Wür­de der Per­son des Herrn Ja­kob ver­letzt glaub­te, der sich zum Fens­ter ge­stellt hat­te, of­fen­bar, um sein auf­ge­reg­tes Ge­sicht, das er über­dies mit ei­nem Ta­schen­tuch be­tupf­te, den an­de­ren nicht zei­gen zu müs­sen. »Es ist der Se­na­tor Ed­ward Ja­kob, der sich Ih­nen als Ihr On­kel zu er­ken­nen ge­ge­ben hat. Es er­war­tet Sie nun­mehr, doch wohl ganz ge­gen Ihre bis­he­ri­gen Er­war­tun­gen, eine glän­zen­de Lauf­bahn. Ver­su­chen Sie das ein­zu­se­hen, so gut es im ers­ten Au­gen­blick geht, und fas­sen Sie sich!«

»Ich habe al­ler­dings einen On­kel Ja­kob in Ame­ri­ka«, sag­te Karl zum Ka­pi­tän ge­wen­det, »aber wenn ich recht ver­stan­den habe, ist Ja­kob bloß der Zu­na­me des Herrn Se­na­tors.«

»So ist es«, sag­te der Ka­pi­tän er­war­tungs­voll.

»Nun, mein On­kel Ja­kob, wel­cher der Bru­der mei­ner Mut­ter ist, heißt aber mit dem Tauf­na­men Ja­kob, wäh­rend sein Zu­na­me na­tür­lich gleich je­nem mei­ner Mut­ter lau­ten müss­te, wel­che eine ge­bo­re­ne Ben­del­mayer ist.«

»Mei­ne Her­ren!«, rief der Se­na­tor, der von sei­nem Er­ho­lungs­pos­ten vom Fens­ter mun­ter zu­rück­kehr­te, mit Be­zug auf Karls Er­klä­rung aus. Alle mit Aus­nah­me des Ha­fen­be­am­ten bra­chen in La­chen aus, man­che wie in Rüh­rung, man­che un­durch­dring­lich.

›So lä­cher­lich war das, was ich ge­sagt habe, doch kei­nes­wegs‹, dach­te Karl.

»Mei­ne Her­ren«, wie­der­hol­te der Se­na­tor, »Sie neh­men ge­gen mei­nen und ge­gen Ihren Wil­len an ei­ner klei­nen Fa­mi­li­en­sze­ne teil, und ich kann des­halb nicht um­hin, Ih­nen eine Er­läu­te­rung zu ge­ben, da, wie ich glau­be, nur der Herr Ka­pi­tän« – die­se Er­wäh­nung hat­te eine ge­gen­sei­ti­ge Ver­beu­gung zur Fol­ge – »voll­stän­dig un­ter­rich­tet ist.«

›Jetzt muss ich aber wirk­lich auf je­des Wort acht­ge­ben‹, sag­te sich Karl und freu­te sich, als er bei ei­nem Seit­wärts­schau­en be­merk­te, dass in die Fi­gur des Hei­zers das Le­ben zu­rück­zu­keh­ren be­gann.

»Ich lebe seit al­len den lan­gen Jah­ren mei­nes ame­ri­ka­ni­schen Auf­ent­hal­tes – das Wort Auf­ent­halt passt hier al­ler­dings schlecht für den ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger, der ich mit gan­zer See­le bin –, seit al­len den lan­gen Jah­ren lebe ich also von mei­nen eu­ro­päi­schen Ver­wand­ten voll­stän­dig ge­trennt, aus Grün­den, die ers­tens nicht hier­her­ge­hö­ren und die zwei­tens zu er­zäh­len mich wirk­lich zu sehr her­neh­men wür­de. Ich fürch­te mich so­gar vor dem Au­gen­blick, wo ich viel­leicht ge­zwun­gen sein wer­de, sie mei­nem lie­ben Nef­fen zu er­zäh­len, wo­bei sich lei­der ein of­fe­nes Wort über sei­ne El­tern und ih­ren An­hang nicht ver­mei­den las­sen wird.«

›Er ist mein On­kel, kein Zwei­fel‹, sag­te sich Karl und lausch­te, ›wahr­schein­lich hat er sei­nen Na­men än­dern las­sen.‹

»Mein lie­ber Nef­fe ist nun von sei­nen El­tern – sa­gen wir nur das Wort, das die Sa­che auch wirk­lich be­zeich­net – ein­fach bei­sei­te­ge­schafft wor­den, wie man eine Kat­ze vor die Tür wirft, wenn sie är­gert. Ich will durch­aus nicht be­schö­ni­gen, was mein Nef­fe ge­macht hat, dass er so ge­straft wur­de, aber sein Ver­schul­den ist ein sol­ches, dass sein ein­fa­ches Nen­nen schon ge­nug Ent­schul­di­gung ent­hält.«

›Das lässt sich hö­ren‹, dach­te Karl, ›a­ber ich will nicht, dass er al­les er­zählt. Üb­ri­gens kann er es ja auch nicht wis­sen. Wo­her denn?‹

»Er wur­de näm­lich«, fuhr der On­kel fort und stütz­te sich mit klei­nen Nei­gun­gen auf das vor ihm ein­ge­stemm­te Bam­bus­stöck­chen, wo­durch es ihm tat­säch­lich ge­lang, der Sa­che die un­nö­ti­ge Fei­er­lich­keit zu neh­men, die sie sonst un­be­dingt ge­habt hät­te, »er wur­de näm­lich von ei­nem Dienst­mäd­chen, Jo­han­na Brum­mer, ei­ner etwa fünf­und­drei­ßig­jäh­ri­gen Per­son, ver­führt. Ich will mit dem Wor­te ›ver­führ­t‹ mei­nen Nef­fen durch­aus nicht krän­ken, aber es ist doch schwer, ein an­de­res, gleich pas­sen­des Wort zu fin­den.«

Karl, der schon ziem­lich nahe zum On­kel ge­tre­ten war, dreh­te sich um, um den Ein­druck der Er­zäh­lung von den Ge­sich­tern der An­we­sen­den ab­zu­le­sen. Kei­ner lach­te, alle hör­ten ge­dul­dig und ernst­haft zu. Schließ­lich lacht man auch nicht über den Nef­fen ei­nes Se­na­tors bei der ers­ten Ge­le­gen­heit, die sich dar­bie­tet. Eher hät­te man schon sa­gen kön­nen, dass der Hei­zer, wenn auch nur ganz we­nig, Karl an­lä­chel­te, was aber ers­tens als neu­es Le­bens­zei­chen er­freu­lich und zwei­tens ent­schuld­bar war, da ja Karl in der Ka­bi­ne aus die­ser Sa­che, die jetzt so pu­blik wur­de, ein be­son­de­res Ge­heim­nis hat­te ma­chen wol­len.

»Nun hat die­se Brum­mer«, setz­te der On­kel fort, »von mei­nem Nef­fen ein Kind be­kom­men, einen ge­sun­den Jun­gen, wel­cher in der Tau­fe den Na­men Ja­kob er­hielt, zwei­fel­los in Ge­dan­ken an mei­ne We­nig­keit, wel­che, selbst in den si­cher nur ganz ne­ben­säch­li­chen Er­wäh­nun­gen mei­nes Nef­fen, auf das Mäd­chen einen großen Ein­druck ge­macht ha­ben muss. Glück­li­cher­wei­se, sage ich. Denn da die El­tern zur Ver­mei­dung der Ali­men­ten­zah­lung oder sons­ti­gen bis an sie selbst her­an­rei­chen­den Skan­dals – ich ken­ne, wie ich be­to­nen muss, we­der die dor­ti­gen Ge­set­ze noch die sons­ti­gen Ver­hält­nis­se der El­tern -, da sie also zur Ver­mei­dung der Ali­men­ten­zah­lung und des Skan­dals ih­ren Sohn, mei­nen lie­ben Nef­fen, nach Ame­ri­ka ha­ben trans­por­tie­ren las­sen, mit un­ver­ant­wort­lich un­ge­nü­gen­der Aus­rüs­tung, wie man sieht, so wäre der Jun­ge, ohne die ge­ra­de noch in Ame­ri­ka le­ben­di­gen Zei­chen und Wun­der, auf sich al­lein an­ge­wie­sen, wohl schon gleich in ei­nem Gäss­chen im Ha­fen von New York ver­kom­men, wenn nicht je­nes Dienst­mäd­chen in ei­nem an mich ge­rich­te­ten Brief, der nach lan­gen Irr­fahr­ten vor­ges­tern in mei­nen Be­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­