Die mittelalterlichen Umschlagtexte:
Vorderseite: | Aus einer Güterrolle des Klosters Mettlach um 1100 (im Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 54, Nr. 988) |
Rückseite: | Dokument zur Burg Alt-Montclair von 1259 (im Firmenarchiv der Villeroy & Boch AG Merzig, Sign. AVBM Nr. 9) |
© 2016 Arthur Fontaine, 3. Auflage
Hersteller und Verlag: BOD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
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ISBN 978-3-7481-3587-6
Das Buch will kein Geschichtswerk sein, auch wenn es ganz mit Geschichte gefüllt ist. Die lose Reihung der einzelnen Inhalte entspricht am ehesten dem Charakter eines Lesebuches.
In diesem Sinn erforderte das weite Spektrum der Themen auch keine Versuche ihrer Systematisierung oder Gliederung, was angesichts der sachlichen und zeitlichen Breite der Inhalte auch kaum sinnvoll möglich gewesen wäre.
Der Verzicht auf Quellennachweis im Einzelnen soll der Leichtlesbarkeit zugutekommen. Die Quellen sind aber am Ende der einzelnen Beiträge aufgeführt. An gleicher Stelle finden die Leserin und der Leser auch Hinweise auf weiterführendes Schrifttum zum Thema oder zu einzelnen seiner Aspekte.
Einige der Themen hat der Verfasser in der Vergangenheit bereits im eher flüchtigen Medium Zeitung angesprochen. Daher deutet der Titel „Über den Tag hinaus“ in zweifacher Hinsicht das Ziel des Buches an, regionalgeschichtliches Wissen zu verbreiten und zu bewahren. Wenn dies in der angestrebten lockeren bis unterhaltsamen Form geschehen kann, haben Buch und Verfasser ihr Ziel erreicht.
Ein besonderer Flussabschnitt
Die Saar zwischen Dreisbach und Mettlach – der Bereich ihrer berühmten großen Schleife – spielte und spielt aus mancherlei Gründen im Bewusstsein und in der Erinnerung vieler Menschen, vor allem aber im Leben der Anwohner dieses Flussabschnitts, eine besondere Rolle.
Touristen, Wanderer und Wassersportler lockt heute der Reiz der grandiosen Landschaft und vergnügt sie für einige Stunden. Für die Menschen, die seit der Römerzeit hier lebten, aber war der Fluss über Jahrhunderte ein Teil ihres Lebens, für die meisten die Lebensgrundlage.
Die schmalen Uferzonen ließen entweder gar keine oder nur stellenweise einige Besiedlung zu, geschweige eine nennenswerte Landwirtschaft oder größeres Gewerbe, von denen viele Menschen hätten leben können. In den Ansiedlungen mussten sich die Häuser meist ganz dicht ans Ufer drängen. So ergab sich hier natürlicherweise, geradezu zwangsläufig, eine enge Verbindung der Menschen zu ihrem Fluss. Die Anwohner waren damit auf die Möglichkeiten verwiesen, die der Fluss ihrer Lebensgestaltung bot und ließ. Sie waren aber auch den Mühen, Lasten und Gefahren ausgesetzt, die der Wasserlauf mit sich brachte.
Die wirtschaftliche Abhängigkeit verlor sich erst im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, als sich andere Erwerbsmöglichkeiten eröffneten. Mit dem Bau der Brücken in Mettlach (1886) und Besseringen (1903) gab es für die Überquerung der Saar mit größeren Lasten eine wesentliche Erleichterung.
Die Bedeutung des Flusses für seine Anwohner nahm auf diese Weise mehr und mehr ab. Was bis in unsere Zeit blieb, war das Hochwasser. Durch den Saarausbau und flankierende Schutzmaßnahmen scheint nun auch diese Gefahr weitgehend abgewendet zu sein.
So hat der „gezähmte“ Fluss entlang der Saarschleife für die Anwohner praktisch nur noch Bedeutung in seiner Nutzung für Freizeitgestaltung, Sport und Erholung, Funktionen, die bereits ab etwa der Wende zum 20. Jahrhundert eine stets wachsende Wichtigkeit für diesen Landstrich bekommen hatten. Der Saarausbau unterbrach diese Entwicklung für etliche Jahre, um dann aber aufgrund der begleitenden Infrastrukturmaßnahmen (z. B. dem Straßen- bzw. Wegebau auf beiden Uferseiten) ein verstärktes Interesse an dieser Freizeitlandschaft auszulösen.
Die Restaurierung der Burg Montclair hat den Zustrom von Besuchern in die Region weiter verstärkt und das Bedürfnis wieder wachgerufen, den Burgberg auch von der linken Saarseite im Saarschleifenbereich aus erreichen zu können. Dies war vor dem Saarausbau von Steinbach aus mit einer Personenfähre möglich gewesen.
1994 wurde an diese Tradition auf Initiative der Gemeinde Mettlach angeknüpft. Seit diesem Zeitpunkt verbindet die Motorfähre „Welles“ in Steinbach wieder beide Ufer der Saar miteinander.
Die Schifffahrt
Der heutige Motor-Schiffsverkehr auf dem kanalisierten Saarabschnitt ist mit der Saarschifffahrt von einst kaum noch zu vergleichen. Die Lastkähne des modernen Flussschifffahrtsverkehrs gleiten in rascher Fahrt aus eigener Kraft an den Uferorten vorbei. Sie haben für die Menschen dieser Orte keine wirkliche Bedeutung mehr, allenfalls noch als Kulisse und Staffage.
Ganz anders die Treidelschifffahrt früherer Jahrhunderte. Vielfältig waren die Beziehungen der Menschen am Fluss zu diesem Gewerbe. Es sicherte in Dreisbach und Steinbach traditionell mehreren Schiffer- und Schiffseignerfamilien ihren Lebensunterhalt.
Die Bewohner konnten den langsamen Treidelzug beobachten, erleben, wie das oft schwierige Zusammenwirken von Schiffern und Halfen mit ihren Zugpferden ablief. Gerade im Saarschleifenbereich stellte der „Welles“ das Können der Schiffer und Halfen auf eine äußerst harte Probe. Der „Welles“ war ein felsiger Abschnitt im Fluss hinter dem Scheitel der Saarschleife mit starker Strömung, Untiefen und Riffen im Fahrwasser. Nicht selten wurden Frachtschiffe an den Klippen beschädigt, sie verloren auch Ladung oder zerschellten gar. Von dramatischen Rettungsaktionen wird berichtet.
Werner Böcking teilt in seinem Buch „Schiffe auf der Saar“ mit, dass 1828 der Saarbrücker Abgeordnete Schmidtborn in der Ständeversammlung der Rheinprovinz einen Antrag auf Verbesserung der Saar-Schifffahrt gestellt habe. Die Klippen zwischen Trier und Saarlouis seien nicht nur hinderlich, sie hätten auch zu Schiffs-Havarien geführt, bei denen beladene Frachtschiffe gesunken seien, wobei natürlich auch Schiffer ertranken.
Als Beispiele zählt er die Schiffer Johann Fischer aus Saarbrücken und Birkenauer aus Merzig an, deren Schiffe 1824 im „Welles“ gesunken seien. Die gleiche gefährliche Stelle sei 1826 den Schiffern Marx und Görgen aus Trier zum Verhängnis geworden. Aus dem Jahr 1841 wird von drei, 1843 von zwei Schiffsuntergängen im „Welles“ berichtet. Mehrere Sagen ranken sich um den „Welles“. Karl Lohmeyer hat sie im Buch „Die Sagen der Saar“ festgehalten.
Der Anstau des Wasserspiegels in der Saarschleife durch den Bau des Stauwerks bei Mettlach 1925 um 2,70 m setzte die gefährliche Stelle zu diesem Zeitpunkt gänzlich unter Wasser. Der Saarausbau in den 1980er Jahren hat den Wasserspiegel weiter erhöht, sodass der „Welles“ für die moderne Schifffahrt keine Gefahr mehr darstellt.
Die Halfenhäuser
Andere Zeugnisse der lebendigen Beziehungen zur ehemaligen Schifffahrt in Dreisbach und Steinbach waren die Halfenhäuser, in denen die Halfen (Helfer der Schiffer) mit ihren Pferden Rast machten oder übernachteten. Es gab hier nicht weniger als vier, zwei in Dreisbach und zwei in Steinbach. Alle sind inzwischen verschwunden oder lassen ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr erkennen.
Das letzte Dreisbacher Halfenhaus ist im Frühjahr 1990 von seinem Eigentümer wegen Baufälligkeit beseitigt worden, ohne zu wissen, dass es seit 1984 unter Denkmalschutz stand. Das innen ansehnliche Haus war zu Beginn des 18. Jahrhunderts erbaut worden und reihte sich in die Häuserzeile am Saarufer ein. Es ist auf der vorstehenden Abbildung 1 ganz links und der Abbildung 3 in der Mitte rechts neben der Baulücke zu sehen.
Das zweite Dreisbacher Halfenhaus war das ehemalige Haus Hoffmann, das Eckhaus neben der vormaligen Gastwirtschaft Johannes. Nach einem Brand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es zu einem Wohnhaus umgebaut.
Zu den beiden Halfenhäusern in Steinbach können Sie im Folgenden Näheres unter den Titeln „Alte Mühle oberhalb Mettlach“ und „Im Zeichen von Ruder und Dau-Baam“ lesen.
Das St. Nikolaus-Patronat
Während die Dreisbacher Halfenhäuser verschwunden sind, ist eine andere Wirkung der Schifffahrtstradition des Ortes noch lebendig und in Erinnerungsstücken fassbar: das Patronat des hl. Nikolaus für den Schifferberuf.
So hatte die 1881 abgerissene erste Dreisbacher Kapelle den hl. Nikolaus zum Patron. Pfarrer Christoph Schauffler von der alten Pfarrei St. Gangolf am Südhang des Montclair-Berges schreibt 1885 hierzu in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen „Geschichtliche Notizen über Dreisbach“: „Eine Kapelle (Oratorium) bekam das Örtchen Dreisbach im Jahre 1701. Sie stand in der Mitte des Dorfes zur Saarseite in der Nähe der Fähre … Auf dem Altar war ein Aufsatz mit dem auf Holz roh aufgemalten Bild des hl. Nicolaus … Das Bild (eine Statue; eig. Anm.) des hl. Nicolaus war über die Tür eingesetzt und wurde von den vorüberfahrenden Schiffern mit Hutabnehmen begrüßt. Nach dem Abbruch der Kapelle fand das Bild an der Frontseite des ersten Hauses eine passende Stelle … Am Fest des hl. Nicolaus wurde auch eine hl. Messe für die Gemeinde gesungen. Wegen zu großer Feuchtigkeit wurde die Nicolaus-Messe nach St. Gangolf verlegt.“
Die oben erwähnte Nikolaus-Statue vom Kapelleneingang gibt es heute noch. Die erste Station ihres Schicksals nach dem Abriss der Kapelle ist im obigen Zitat bereits angedeutet worden: Sie erhielt an der Frontseite des Hauses Nr. 1 – Johann Palz-Kiefer – in einem Gehäuse aus Holz mit Blech beschlagenem Schutzdach über der Haustür ihren Platz. Als das Haus 1928 abbrannte, rettete die Feuerwehr die Statue. Etwas später wurde sie in einer Nische im Turm des neben dem Haus Palz neu erbauten Feuerwehrhauses aufgestellt.
In den 1970er Jahren wurde die Barock-Skulptur grundlegend restauriert und farblich neu gefasst. Danach erhielt sie ihren heutigen Standort in der neuen Dreisbacher Kapelle. Dieses, 1950 eingeweihte Gotteshaus führt das Nikolaus-Patrozinium der ersten Dreisbacher Kapelle fort. Die 1956 geweihte Glocke trägt die Inschrift: „Hl. Nikolaus schütze und segne unser Dorf Dreisbach“.
Eine weitere Nikolaus-Figur hatte seit alters her am Saarufer im Bereich des „Welles“ ihren Platz. Diese Stelle war der Anfangspunkt der berüchtigten Gefahrenstelle für die Schifffahrt. Es wird berichtet, dass an diesem Punkt so mancher Schiffer seine Bitte an den hl. Nikolaus gerichtet hat, Mensch, Schiff und Fracht vor den Gefahren des „Welles“ zu bewahren.
Nikolaus Ritzler überliefert uns in seinem Buch „Burg und Kreisstadt Saarburg“: „Als Patron verehrten unsere Schiffer immer den hl. Nikolaus und stehen von ihm Bilder an der Saar, eines an der Niederleuker Grub, das andere zu Steinbach. Scherzweise sagt man den Schifferleuten nach, in den Momenten der Gefahr hätten sie ihn angefleht: ‚Oh helliger Neklos, helf mir, dou kries (bekommst) och en Kirz (Kerze) esu gruß wie mein Maastbaam.’ – War aber die Gefahr vorüber, dann schlug man dem St. Nikolaus ein Schnippchen und schnellte mit den Fingern: ‚Nekläschen net dat derfür!’.“
Im Zweiten Weltkrieg kam die Nikolaus-Figur abhanden, die Nische in der Uferwand stand lange Jahre leer. Am 11. Juli 1954 konnte dann auf Initiative der Kanufreunde Mettlach eine neue Nikolaus-Figur in der Saarschleife aufgestellt werden. Die Terrakotta-Statue (Entwurf: Simonis, Merzig, Herstellung: Villeroy & Boch, Mettlach) wurde nach ihrer kirchlichen Segnung im Rahmen einer Einweihungsfeier vor dem Haus Becker in Steinbach per Schiff zur Grotte gebracht, da diese nur über das Wasser erreicht werden konnte.
Da der Saarausbau in den 1980er Jahren zu einem wesentlich höheren Wasserstand der Saar geführt hatte, musste eine neue, höher gelegene Nische an gleicher Stelle in der Uferwand geschaffen werden. Auch die heutige Nikolaus-Grotte ist nur vom Wasser oder vom Ufer gegenüber aus zu entdecken. Dagegen ist sie über eine schmale seitliche Zuwegung am Ufer erreichbar.
Rückgang der Saar-Schifffahrt
Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie im Saartal (Saarbrücken-Merzig 1858, Merzig-Trier 1860) begann der rasche Rückgang der Schifffahrt auf der Saar, bis sie um die Wende zum 20. Jahrhundert praktisch zum Erliegen kam.
Die Schiffer hatten inzwischen andere Arbeit gefunden, zum großen Teil in den aufblühenden Industrien (Mettlach, Dillingen, Völklingen usw.), in den Saargruben oder bei der Eisenbahn. Einige wanderten aber auch nach Amerika aus.
Die Treidelschifffahrt lebte im Bereich der Saarschleife noch einmal für kurze Zeit auf, als 1925 das Mettlacher Stauwerk gebaut wurde. Der benötigte Kies wurde aus den Kiesgruben in Ballern entnommen und mit einem Lastkahn zur Baustelle getreidelt. Peter Schnur aus Schwemlingen führte die Zugpferde. Dies dürfte der letzte Einsatz eines Halfen in unserem Raum gewesen sein.
Dreisbacher Fischerbruderschaft
Neben der Schifffahrt war in früheren Zeiten der Fischfang die zweite, noch wichtigere Erwerbsquelle für die Menschen, die an der großen Saarschleife ansässig waren.
Das Recht auf Fischfang in den Flüssen und Bächen war ursprünglich ein königliches Recht, das später in die Hand der Landes- oder Grundherren kam. Diese verpachtete meist ihr Recht auf bestimmten Gewässerabschnitten, „Lose“ genannt. Pächter dieser Lose waren in der Regel Fischerzünfte oder -bruderschaften, Zusammenschlüsse von Berufsfischern eines Ortes oder einer Region. Inhaber des Fischereirechts im Bereich der großen Saarschleife war im Mittelalter und bis zum Ende der Feudalzeit das ehemalige Benediktinerkloster Mettlach.
Pastor Schauffler von St. Gangolf berichtet 1888 von einer weit zurückreichenden Dreisbacher Fischerbruderschaft unter dem Patronat des hl. Andreas, des zweiten Schutzheiligen der Pfarrkirche St. Gangolf, zu der Dreisbach über Jahrhunderte gehörte. In dieser Zunft seien die Dreisbacher Berufsfischer zwangsweise zusammengeschlossen gewesen. Da von Abgaben der Bruderschaft an das Kloster Mettlach berichtet wird, kann als sicher gelten, dass die Dreisbacher Zunft die Fischereirechte vom Kloster Mettlach gepachtet hatte.
Gefischt wurde überwiegend vom Kahn aus mit Wurf- oder Stellnetz (letzteres „Fock“ genannt), seltener vom Land aus mit Hebenetz oder Angel. Am „Welles“ befand sich eines von mehreren Fischwehren des Klosters Mettlach und damit ein reicher Fischgrund, von den Fischern „Garten“ genannt. In diesem Bereich existierte ferner ein Laichplatz mit Fangverbot während des ganzen Jahres.
Ihre Netze fertigten die Fischer selber. Dabei setzten sie Filetnadeln und ein Rundholz („Kuddel“ genannt) ein. Das Rundholz war mit seinem Durchmesser für die Dichte des Netzes bestimmend.
Rückgang und Ende der Fischerei
Ab etwa der Wende zum 20. Jahrhundert wurde die Fischerei im Gebiet an der Saarschleife nur noch nebenberuflich betrieben, nachdem sich bereits ab der Mitte des 19. Jahrhunderts der ursprüngliche Fischreichtum der Saar aus mancherlei Gründen ständig vermindert hatte. Dieser Rückgang der Fischerei wurde dadurch beschleunigt, dass sich die Berufsfischer in der aufkommenden Industrie leichter und einträglicher ihren Lebensunterhalt zu sichern hofften.
Der letzte Pächter des Dreisbacher Fischreviers war ab etwa 1900 der Einheimische Johann Bohr, später in Schwemlingen wohnhaft und mit Katharina Kiefer verheiratet.
Bohr fischte mit Kahn und Wurfnetz im Nebenerwerb. Seine Frau verkaufte den Fang ihres Mannes: Mit einem Handwagen, die Fische in einem Korb, besuchte sie Privatkunden und die Gastwirte am Ort und in der Umgebung. Die Dreisbacher und Schwemlinger Gasthäuser waren für ihre guten Fischgerichte weithin bekannt. In Zeitungsanzeigen warben sie für ihr Spezialitätenangebot.
1925 löste Peter Bohr den Fischereipachtvertrag, in dem Jahr, in dem mit dem Bau des Mettlacher Stauwerks begonnen worden war. Offenbar stand der Schritt Bohrs mit diesem Projekt im Zusammenhang. So geriet das Welles-Fischwehr wegen der starken Anhebung des Saarspiegels im Zuge des Stauwerksbaus völlig unter Wasser. Dieser Verlust, zusammen mit den seit dem Ende des Ersten Weltkrieges immer wieder auftretenden größeren Fischsterben in der Saar, hatte Peter Bohr zur Aufgabe der Fischerei veranlasst.
Notwendigkeit der Saarüberquerung
Schifffahrt und Fischfang erfolgten naturgemäß entlang des Flusses. Für beide Tätigkeiten war er notwendige Voraussetzung und Quelle des Ertrages. Der Fluss stellte zu früheren Zeiten aber auch ein größeres Hindernis dar als in unseren Tagen, wenn es darum ging, ihn zu überqueren, das andere Ufer zu erreichen.
Wegen der geologischen Verhältnisse war die Furtbarkeit der Saar im Saarschleifenbereich nur bei sehr niedrigem Wasserstand und an wenigen Stellen gegeben. Daher konnte die Saarüberquerung auf diesem Flussabschnitt in der Regel nur mit Schiffen und Booten erfolgen. Die Notwendigkeit und das Bedürfnis zur Flussüberquerung im Gebiet der Saarschleife aber waren stets und aus vielen Gründen vorhanden.
So verwalteten und sicherten von der rechtsseitigen Burg Montclair aus bereits sehr früh die Lehnsherren ihre Besitzungen auf der linken Saarseite. Ein anderes starkes Band über die Saar hinweg war die pfarrliche Zugehörigkeit Dreisbachs auf der linken Saarseite zur uralten Pfarrei St. Gangolf am Südhang des Motclair-Berges auf der rechten Saarseite.
In diesen Zusammenhang gehören auch die noch älteren, engen und vielfältigen Verbindungen des rechtsseitigen ehemaligen Klosters Mettlach zur linken Saarseite.
So spielte das Mettlacher Kloster für die religiöse und kulturelle Entwicklung des Gebietes an der Saarschleife (und weit darüber hinaus) ab dem ausgehenden Frühmittelalter die maßgebliche und entscheidende Rolle.
Seit der Gründung der Pfarrei St. Gangolf spätestens im 11. Jahrhundert mussten die Dreisbacher, um ihren Pfarrsitz zu erreichen, die Saar überqueren. Hierzu hätten sie die Pontener Fähre benutzen können, was aber ein zeitraubender Umweg und angesichts der damals schlechten Wegverhältnisse ein oft mühsames Unternehmen gewesen wäre.
Ab 1908 war Dreisbach dann zwar kirchlich Schwemlingen zugeordnet, aber die Praxis des Kirchenbesuches der Dreisbacher in St. Gangolf blieb bestehen, zumal dieser Weg deutlich kürzer war als der nach Schwemlingen.
So setzte man mit dem privaten Kahn über oder benutzte die wahrscheinlich bereits sehr früh eingerichtete Personen-Nachenfähre, die in Höhe der ehemaligen Dreisbacher Kapelle zwischen beiden Flussufern nach Bedarf verkehrte. Die Kirchgänger hatten nach dem Übersetzen noch eine knappe halbe Stunde Wegstrecke an der Saar entlang durch die Staller Wiesen oder über das Berger Feld bis zum Gotteshaus vor sich. Mag sich diese Anstrengung bei günstigem Wetter auch auf die Wegstrecke reduziert haben, so machten Regen, Eis und Schnee den Weg nach St. Gangolf mühselig, bei Hochwasser der Saar unmöglich. So konnte umgekehrt der Pfarrer bei besonders ungünstigen Wetterbedingungen seine Pfarrangehörigen auf der anderen Saarseite nicht besuchen.
Auch die Toten aus Dreisbach nahmen auf die oben geschilderte Weise ihren letzten Weg. Maria Hoffmann aus Dreisbach hat mir dies sehr eindrucksvoll geschildert:
„Der schwierige Weg von Dreisbach nach St. Gangolf, mit dem Sarg und dem Beerdigungszug, mit der Fähre über die Saar, beschäftigte die Dreisbacher schon viele Jahre mit dem Gedanken, im Ort einen Friedhof zu schaffen. Für auswärtige Beerdigungsgäste, die kein Wasser gewöhnt waren, war das Übersetzen oft mit Angstzuständen verbunden. Auch den Sarg über das Wasser zu bringen, war für sie ein äußerst ungewöhnlicher und unvergesslicher Vorgang.
Der Sarg wurde nach der Überfahrt auf eine Bahre gestellt und von vier Männern den ganzen Weg getragen. Der Gangolfer Berg, steinig und schmutzig, war besonders bei Schnee und Eis eine Gefahr für die Träger. Ich erinnere mich, dass eine schwere Leiche mit dem Pferdefuhrwerk über Schwemlingen und Besseringen nach St. Gangolf gebracht wurde. Die Trauergäste hatten dagegen den traditionellen Weg mit der Fähre eingehalten. Anschließend an die Beerdigung auf dem Friedhof an der St. Gangolf-Kirche war der Trauergottesdienst.“ Aber nicht nur die Kirchgänger, auch die Dreisbacher Schulkinder mussten während eines halben Jahrhunderts über die Saar nach St. Gangolf zur so genannten „Pfarrschule“. Es war die Zeit zwischen etwa 1700, dem Zeitpunkt der Einführung der allgemeinen Schulpflicht für Kinder vom 7. bis zum 11. Lebensjahr und 1745, als das alte St. Gangolfer Schulhaus abgerissen und daraufhin in den Filialorten selbst, also auch in Dreisbach, Unterricht erteilt werden musste. Da die Schulpflicht zunächst nur im Winter bestand (Winterschule), kann man sich denken, dass die schwierigen äußeren Bedingungen keinen allzu regelmäßigen Schulbesuch von Dreisbach aus in St. Gangolf zuließen.
Heinrich Kell berichtet 1925 über die Dreisbacher Fähre: „Ein Erbstück aus alter Zeit ist die Fähre, die den Verkehr mit dem jenseitigen Ufer der Saar verbindet. Sie soll der Familie Hoffmann vom Herrn von Montclair geschenkt worden sein. Die Familie Hoffmann und später auch die anderen an der Saar wohnenden Familien, etwa 12, hatten das Übersetzen über die Saar zu besorgen, und zwar abwechselnd je eine Woche.
Als Vergütung bezog jede Familie die Einkünfte aus der Fähre während der Dienstwoche. Die häufig vorkommenden Streitigkeiten veranlassten die Gemeinde im Jahre 1864 die Fähre auf ein Jahr an den Meistbietenden zu verpachten. Späterhin zog die Regierung die Fähre an sich, versteigerte und überwachte sie, wie es auch heute von dem Wasserbauamt Saarbrücken aus geschieht.“
Die Pächter mussten das Fährboot und die gesamte Einrichtung zum Fährbetrieb stellen. Trotzdem war die Fähre ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts eine solide Existenz. Denn mit der zunehmenden Industrialisierung stieg die Zahl der Arbeiter aus Dreisbach, Nohn, Bethingen, Wehingen und Tünsdorf in den Fabriken auf der rechten Saarseite ständig. Sie ließen sich mit der Dreisbacher Fähre übersetzen, um die Fabrik oder den Bahnhof in Mettlach zu erreichen, ab dem 1. Februar 1885 dann auch den Bahnhof in Besseringen.
Außer den Kirchgängern und Arbeitern hatte die Dreisbacher Fähre noch andere Kunden. So z. B. viele Bewohner des Ortes, die auf der rechten Saarseite gepachtete Wiesen bewirtschafteten, um das Futter für ihre Nebenerwerbstierhaltung zu beschaffen. Um drei Uhr morgens begann zur Erntezeit der Tag des Mähers, denn um 6 Uhr war Arbeitsbeginn in Mettlach. Tagsüber bearbeiteten dann Frau und Kinder das Gras. Nach der Tagesarbeit war das Heu nach Hause zu schaffen. Es wurde zu diesem Zweck in große Tücher gebunden und entweder mit der Fähre oder dem eigenen Kahn auf die Dreisbacher Seite gebracht. Auf diese Weise wurde auch das Brennmaterial für Herd und Backofen vom Montclair-Berg aus nach Dreisbach geschafft, ebenso die Laub-Streu („Straaß“), die die mächtigen Eichenbäume in den Staller Wiesen entlang des Weges nach St. Gangolf als Strohersatz lieferten.
Anlässlich der jährlichen Lutwinusprozession in Mettlach hatte der Fährmann Hochbetrieb: Zahlreiche Pilgergruppen aus Lothringen benutzten auf ihrem Weg die Dreisbacher Fähre. Auch in der Karwoche hatte der Dreisbacher Fährmann viel zu tun: Die Bewohner der umliegenden Orte suchten in dieser Zeit die St. Gangolf-Kirche zur Osterbeichte auf.
Als nach der Jahrhundertwende der Tourismus im Gebiet der Saarschleife verstärkt aufkam, hatte die Dreisbacher Fähre eine weitere, neue Aufgabe. Eine feste Verbindung zwischen den beiden Saarufern in unserem Raum gab es auch schon, allerdings nur für kurze Zeit: 1940 hatte die deutsche Wehrmacht vor dem Haus Hoffmann eine Pontonbrücke für militärische Zwecke über die Saar gelegt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Fähre, nun betreut von Adam Busch, Prozessionen aus der umgekehrten Richtung: Scharen hungernder Menschen kamen auf der Suche nach Lebensmitteln aus den Industriegebieten des Saarraumes mit der Eisenbahn bis nach Besseringen, zur Dreisbacher Fähre und dann weiter in die landwirtschaftlichen Gebiete des Saar-Mosel-Gaues. Zurück ging es auf dem gleichen Weg.
Die Ende der 1950er Jahre einsetzende private Motorisierung und der Ausbau des Omnibus-Nahverkehrs waren neben gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen Gründe, weshalb die Dreisbacher Fähre immer unrentabler und schließlich 1976 eingestellt wurde. Ihr letzter Fährmann war Adam Palz.
Die Hochwassergefahr
Die Lage Dreisbachs und Steinbachs unmittelbar am Fluss und der geringe Höhenunterschied zwischen dem Wasserspiegel und der Bebauungslage am Ufer brachte in der Vergangenheit zwangsläufig eine akute Hochwassergefährdung für die genannten Siedlungsteile mit sich.
An der Front des Hauses Hoffmann in Dreisbach waren bis zu einer Renovierung 1927 die maximalen Pegelstände aller starken Hochwasser ab 1740 markiert. Das staatliche Wasser- und Schifffahrtsamt, das bis dahin die Markierungen betreut und besorgt hatte, erneuerte diese nach der Hausrenovierung nicht mehr und schrieb sie auch nicht mehr fort.
Erfreulich ist nun, dass Heinrich Kell die Hochwasserskala bis 1924 in seinem Buch „Geschichte des Kreises Merzig“ abgebildet hat. Danach war 1784 das stärkste Hochwasser des Aufzeichnungszeitraumes. Es stand im Haus Hoffmann fast an der Fensteroberkante des zweiten Stockwerks. Bei länger anhaltendem Hochwasser mussten die Bewohner der überfluteten Häuser mit dem Kahn versorgt werden.
Von der alten Dreisbacher Kapelle ist bekannt, dass bei diesem Hochwasser nur noch das Türmchen aus dem Wasser ragte. Wenn in Dreisbach und Steinbach Hochwasser früher auch nicht zu vermeiden war und fast alljährlich mehr oder weniger stark eintrat, so waren die Schäden dennoch nicht so groß, weil die Uferlage in Dreisbach keiner starken und damit zerstörerischen Wasserströmung ausgesetzt war.
In Steinbach war dies am heutigen Haus Becker anders. Hier, unmittebar vor der Schleife, wurde das Wasser durch die erzwungene Richtungsänderung auf das linke Ufer gelenkt und traf mit voller Strömungskraft auf die dicht am Fluss stehenden Gebäulichkeiten. Dieser Einwirkung nahm man die Spitze, indem man die auftreffende Giebelseite des Hauses den praktischen Erfahrungen gemäß verkürzt baute, und die Hälfte des Hauses vom Flusslauf wegdrehte. Dadurch erreichte man offenbar eine Form, die zu einer Minimierung der auftreffenden Wasserkraft führte.
Wenn sich die Schäden durch das Hochwasser, wie beschrieben, ursprünglich auch in Grenzen hielten, so haben sich seine Auswirkungen doch allmählich verändert. Während bis nach dem Ersten Weltkrieg die hinterlassenen Spuren aus roten Sandablagerungen bestanden, war es danach mehr und mehr schwarzer, teeriger Schlamm.
Nach dem Stauwerkbau in Mettlach 1925 gab es durch den nun wesentlich höheren Wasserspiegel an der Saarschleife eine eher schlechtere Situation bezüglich des Hochwassers. Nach 1924 waren es vor allem Hochwasserstände in den Jahren 1947, 1970 und 1981, die zu größeren Beeinträchtigungen geführt haben.
Das Hochwasser 1970 führte zum höchsten Stand in diesem Jahrhundert. Der Saarausbau der 1980er Jahre und die begleitenden Hochwasserschutzmaßnahmen lassen auf künftige Hochwasserfreiheit für Dreisbach und Steinbach hoffen.
Eingriffe - Folgen
Während die Wasserbaumaßnahmen, die zur Verbesserung der Saar-Schifffahrt bis etwa 1900 erfolgt sind (sie wurden übrigens von einer Wasserbaudienstelle mit Sitz in Schwemlingen ausgeführt), im Gebiet der Saarschleife noch zu keinen schwerwiegenden Veränderungen des Flusses und der Landschaft geführt haben, wurde dies mit dem Bau des Stauwerks Mettlach ab 1925 anders.
Es wird berichtet, dass dieser erste große Eingriff von den Anwohnern des Saarschleifengebietes als sehr bedrückend empfunden wurde: Wiesen- und Weideland, das sowieso hier sehr knapp war, gingen entlang des Saarufers trotz Kampf um jeden Meter Boden verloren, u. a. die alte Tuchbleiche; die artenreiche Ufervegetation wurde zerstört, ebenso der Bestand an Weiden entlang des Wassers, der für viele Korbmacher existenzwichtig war; Spiel- und Badeplätze für die Kinder waren plötzlich nicht mehr da und manch andere für Jung und Alt vertraute Dinge waren unwiderruflich dahin.
Das Anheben des Wasserspiegels machte eine Höherlegung der Straße entlang der Saar um 1,70 m erforderlich, ebenso des großen Gartengeländes am Endlauf des Dreisbachs (in Abbildung 20 als überflutete Fläche zu identifizieren). Es dauerte Jahre, bis dieses Gelände wieder kultiviert war und der Ersatz für die vielen gerodeten Obstbäume und Beerensträucher Ertrag brachten.
Maria Hoffmann aus Dreisbach beschrieb mir die Bedeutung dieses Fleckens Erde für die Bevölkerung so: „Für die kleine Gemeinde Dreisbach war dieser Obst-, Beeren- und Gemüsegarten ein Wohlfahrts- und Gesundheitsspender. Für fast alle Bürger, die ihr Brot in der Keramikindustrie verdient haben, mit viel Staubentwicklung, war die allabendliche Gartenarbeit eine Erholung. Von den ersten Sonnenstrahlen im Frühling an bis in den Spätherbst führte ein Morgengang in den Garten, die Entwicklung der Natur und das Wachsen zu erleben.
In der Arbeitslosenzeit der 1920er/ 1930er Jahre, während und nach den beiden Weltkriegen war dieser Garten der Spender eines menschenwürdigen Lebens. Manchem hungernden Menschen konnte in diesen Jahren Gemüse, Kartoffeln und Obst abgegeben werden. Mit dem Straßenbau und der Bachverlegung 1973 hat dieser Wohlstand ein Ende gefunden. Es war für die Hausfrau zu Ende, jeden Morgen vor der Wahl ihres frischen Gemüses im Garten zu stehen, das ganze Jahr ein Blümchen zum Schmücken ihres Heims zu haben. Zu Ende mit Mutters kleiner Hausapotheke in ihrem Gewürzgarten, mit dem Feinobst und den Erdbeeren bis in den November. Menschen, die diese Segnungen in ihrem Leben nicht gekannt haben, legen keinen Wert darauf, so ein Naturschutzgebiet schützen zu wollen.“
Kehren wir nach diesem wehmütigen bis bitteren Abgesang zum Jahr 1925 zurück, dem Jahr des Stauwerkbaus in Mettlach. Es bestand Einigkeit in Dreisbach und Steinbach darüber, dass die Einwohner den Preis für dieses Projekt mit erheblichem Verlust an Lebensqualität zu zahlen hatten. Der danach verstärkte Fremdenverkehr kam nur einzelnen zugute.