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© 2019 Dietmar Schumacher
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783749438198
Du möchtest sicher gerne wissen, wer Dir diese wahre Geschichte erzählt. Nichts davon ist geflunkert, alles ist so passiert.
Ich bin es, „Fly", seine „Fliebe Ly", wie Dietmar immer sagt, wenn er besonders höflich und nett zu mir sein will.
Ich weiß natürlich, dass es eigentlich „Liebe Fly" heißt, aber ich lasse ihm den Spaß, die Buchstaben zu verdrehen. Er kennt noch mehr von diesen seltsamen Worten, aber davon erzähle ich Dir später.
Ich bin ein „Australian Shepherd", auch „Aussie" genannt, also ein Hütehund.
Als ich noch klein war, haben alle Menschen immer gesagt: „Das wird aber eine schöne „Red–Tri" Dame." Was es genau bedeutet, weiß ich nicht, aber es hat was mit meinem Fell zu tun. Ich bin nämlich weiß, hellbraun und dunkelbraun, das gibt es nicht so oft bei Aussies.
Da, wo meine Vorfahren herkommen, mussten Aussies auf große Rinder- und Schafherden aufpassen. Man nennt das Hüten. Das war sehr schwere Arbeit, bei Regen und Schnee, Eis und Sturm, Trockenheit und Hitze. Immer mussten sie mit den Herden ziehen und achtgeben, dass sie zusammenblieben und dass keine wilden Tiere sie auseinander jagten. Die Heimat meiner Ur-ur-ur-ur-ur-Großeltern war Amerika. Und deren Vorfahren kamen einst mit dem Schiff von Australien. Im fernen Australien hüteten sie Schafe. Meine Mama hat mir mal erzählt, dass es in Australien mehr Schafe gibt als Menschen.
„Australian Shepherd" ins Deutsche übersetzt, heißt nämlich: Australischer Schäfer, also jemand, der in Australien Schafe hütet.
Ich kann auch hüten, obwohl es mir niemand beigebracht hat. Am liebsten hüte ich Menschen, denn das geht ganz einfach. Ich hüte aber auch die Hühner und Enten unseres Nachbarn. Das hat der nicht so gerne, weil sie dann erschrocken auf Bäume flattern und mühsam wieder eingesammelt werden müssen.
Manchmal hüte ich auch Rinder und Kühe, aber das will eigentlich keiner so recht, am wenigsten die Bauern.
Es gibt auch Tiere, die ich gerne hüten würde: Mäuse, Rehe, Igel, Hasen, Katzen und Vögel. Die wollen das aber meist nicht und laufen oder fliegen einfach weg. Aber das geht doch nicht, man muss sich doch hüten lassen!
Du lässt Dich doch auch hüten: von Mama oder Papa, oder beiden zusammen, von Oma oder Opa und auch mal von Deinen Geschwistern.
Zum Schlafen bin ich gerne im Haus, am liebsten im Bett. Aber ansonsten bleibe ich meist draußen an der frischen Luft. Wandern find ich toll, aber nicht in einer Stadt. Ich fahre für mein Leben gerne mit dem Auto, am liebsten vorne. Urlaub finde ich auch gut. Es gibt dann viele neue Dinge zu riechen, zu hören und zu sehen.
Verständigen können wir Hunde uns untereinander, weil wir alle die gleiche Sprache sprechen.
Du möchtest mit Sicherheit erfahren, wie ich an diese beiden Menschen gekommen bin, von denen ich Dir gleich mehr erzähle. Ihn nennt man in der Schule Dietmar, Herr Schumacher oder auch Chef. Seine Frau arbeitet in der gleichen Schule. Zu ihr sagt man dort Christel oder auch Kiki.
Eigentlich bin ich in der Nähe von Selters aufgewachsen, bei meinen zwei älteren Geschwistern und meiner Mama. Mein damaliges Frauchen wurde krank und musste oft ins Krankenhaus, und schließlich bekam ihre Tochter auch noch ein Baby.
Ich glaube, da beschlossen sie, mich wegzugeben, die Jüngste, obwohl ich schon 9 Monate alt war. Vier Hunde, besonders „Aussies", machen viel Arbeit.
Sie setzten dann eine Anzeige in die Zeitung, wie sie mir sagten, und warteten auf Leute, die mich kaufen wollten. Das ist eigentlich nichts Besonderes. Alle meine Geschwister sind auch von mehr oder minder netten Menschen mitgenommen worden. Immer wieder fiel jetzt mein Name und man sagte mir, ich solle ganz lieb sein und mich benehmen, wenn „Gäste" kämen.
Hat man das zu Dir auch schon mal gesagt?
Es kamen ganz viele, aber die gefielen mir, Mama und meinen älteren Geschwistern nicht. Wir versteckten uns dann im Garten und sind erst wieder rausgekommen, als sie weg waren. Ich glaube aber, die meisten mochte auch unser Frauchen nicht. Sie schimpfte leise, wenn sie wieder gefahren waren: „Denen kann man doch keinen so lieben Hund anvertrauen!"
Dann kamen zwei, ein Mann und eine Frau, die fanden wir gut. Als Hütehund kann man das riechen und spüren. Diesmal versteckten wir uns nicht, sondern begrüßten sie schon am Gartentor. Ich glaube aber, die hatten noch nie einen Hund gehabt und gingen ganz vorsichtig mit ins Haus.
Sie saßen lange bei uns und redeten über sich, ihr Haus, ihren Garten, die Schule, über Hunde und mich.
Ich legte Dietmar, so hatte er sich vorgestellt, zwischendurch mal meine weiche Schnauze auf sein rechtes Knie und schaute ihn mit meinen braunen Augen an. Er hat mich sofort gekrault, auch an den Ohren und am Rücken über dem Popo, was ich besonders gerne mag.
Dann sind sie aufgestanden und haben gesagt: „Komm Fly, dich nehmen wir heute schon mit."
Ich freute mich, zeigte meine Zähne, wedelte mit meinem dicken Schwanz, umkreiste sie und lachte sie an. Sie schauten sehr verdutzt. Mein Frauchen sagte ihnen dann: „Haben Sie keine Angst vor ihrem Zähnefletschen, Fly kann lachen, wie alle meine Hunde und freut sich nur unendlich." Kennst Du auch Hunde, die lachen können?
Ich folgte ihnen sofort, sprang auf die Rückbank ihres Autos und setzte mich so hin, dass ich nach vorne schauen konnte.
Ein bisschen traurig war es schon, meine Mama und meine Geschwister alleine zu lassen.
Dann sagte mein ehemaliges Frauchen noch, das auch ein wenig traurig schien: „Eines werden Sie bei Fly kaum erreichen; sie ist schneller in Ihrem Bett, als Sie selbst. Wir haben es wirklich nicht geschafft, ihr diese Unart abzugewöhnen."
Muss sie mich jetzt verraten? Vielleicht wollen sie mich jetzt nicht mehr. Aber Dietmar und Christel lachten nur und sagten: „Das machten unsere Katzen früher auch."
Die Heimfahrt war sehr aufregend, denn ich sah ganz neue Gegenden. Nicht gut fand ich, dass Dietmar plötzlich zu niesen anfing. Hatte er etwa eine Hundeallergie? Er nieste aber nicht nur ein- oder zweimal, wie normale Menschen, sondern mindestens 20-mal.
Als er nicht aufhören wollte, schaute ich mal nach, legte meine Pfoten auf seine Schultern und leckte seine Nase. Ich glaube, er fand das nicht so gut und bremste heftig, schimpfte mich aber nicht.
Aber das Niesen hörte auf.
Auch nicht gut fand ich, dass immer wieder fremde Hunde an unserem Auto vorbeigingen. Trotzdem war es eine gute Gelegenheit, den beiden einmal zu zeigen, welche anderen Hunde ich mochte und welche nicht. Das hatte ich Mama und meinen Geschwistern abgeschaut. Bei einigen Hunden bellte ich laut und böse, bei anderen fiepte oder winselte ich.
Du siehst hier unten einen Linoldruck. Dietmar hat ihn von mir angefertigt. Ich kenne keinen Hund, dem ein eigener Linoldruck geschenkt wurde.
Im neuen Haus angekommen, gingen Christel und Dietmar mit mir in den Garten. Ich an der Leine. Sie machten das wahrscheinlich, weil sie Angst hatten, dass ich mich nach Hause machte. Ich dachte aber gar nicht daran. Der Garten war toll, hier konnte man gut hüten.