Dipl. Ing., Dipl. Wirtsch. Ing. (FH), MbA Lutz Schwalbach.
Jahrgang 1965, Erststudium des allgemeinen Maschinenbaus, Schwerpunkt Produktionstechnik an der Technischen Hochschule Karlsruhe und weiterbildendes Fernstudium der Wirtschaftsingenieurwissenschaften Marketing und Vertrieb an der University of Applied Science Kaiserslautern.
Er arbeitet als Leiter einer Category Unit in einem internationalen Handelsunternehmen und verfügt über mehr als 20 Jahre Praxis im Supply Chain Management, dem Produktmanagement, der Beschaffungs- und Produktionslogistik, sowie mehrjährige Praxis als Projektmanager in mittelständischen Unternehmen und Konzerngesellschaften.
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„Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden.“
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832) aus Dichtung und Wahrheit IX
Meine Arbeit und Ausführungen können niemals vollständig sein. Sie erfüllen aber den Anspruch, Hinweise und Voraussetzungen aufzuzeigen, um eine Vorratssteuerung und Bestandssenkung erfolgreich zu implementieren.
Die folgenden Ausführungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Der Autor schliesst jede Haftung und Gewähr aus.
1. Einführung
1.1. Zielkonflikte
1.2. Voraussetzungen
2. Potenzialermittlung
2.1. Externer Benchmark: Der branchenideale Bestand
2.2. Internes Benchmark: Bestimmung des idealen Sollvorrats
2.2.1. Methode 1: Losgrößenhalbe
2.2.2. Methode 2: Niederwertsprinzip
2.3. Potenzialermittlung
3. Strukturierte Analysen
3.1. Einflussfaktoren
3.2. Benötigte Basis- und Quelldaten
3.3. Hypothesen zur Vorratsverursachung
3.4. Strukturierte Analysen
3.4.1. Analyse: Fehlende Thematisierung der Vorräte durch die Geschäftsführung und nachrangige unternehmerische Vorratsziele verursachen Vorräte
3.4.2. Analyse: Übergang von der Eigenfertigung zu Fremdbezug verursacht Bestand
3.4.3. Analyse: Mangelnde Qualifizierung der Mitarbeiter verursacht Bestand
3.4.4. Analyse: Fehlerhafte Losgrößen verursachen Bestand
3.4.5. Analyse: Fehlerhafte Sicherheitsbestände verursachen Bestand
3.4.6. Analyse: Mangelnde Abstimmung der Lieferketten und der inner- und zwischenbetrieblichen Geschäftsprozesse verursachen Bestand
3.4.7. Analyse: Fehlende Integration der Datentechnik verursacht Vorräte
3.4.8. Analyse: Mangelnde Lieferfähigkeit der Lieferanten verursacht Vorräte
3.4.9. Analyse: Unterlassene Arbeiten an den Vorräten mangels Kenntnis der Vorratszahlen
3.4.10. Analyse: Mangelnde Qualität der Dispositionsverfahren erzeugt Vorräte
3.4.11. Analyse: Hohe Sortimentstiefe und –breite verursacht Vorräte
3.4.12. Analyse: Entkopplung der Planung und Steuerung fördert den Aufbau an Vorräten
3.4.13. Analyse: Unscharfe Absatzplanung, Unkenntnis von Absatzveränderungen und schlechte Prognose-qualität fördern die Bestandsbildung
3.4.14. Analyse: Organisationsmängel und viele Beteiligte verursachen Vorräte
3.5. Projektorientiertes Vorgehen
3.6. Neues Denken
4. Funktionale Lösungsbilder
4.1. Lösungsmatrix
4.2. Lösungsbild Produktmanagement
4.2.1. Produktneuentwicklungen
4.2.2. Reduktion der Anzahl der Artikel und Sortimentsgestaltung
4.3. Lösungsbilder Vertrieb
4.3.1. Absatzplanung
4.3.2. Absatzkontrolle
4.4. Lösungsbilder Produktion, Disposition & Arbeitsvorbereitung
4.4.1. Das Dispositionsverfahren
4.4.2. Die Bezugsart
4.4.3. Das Prognoseverfahren
4.4.4. Die Dispositionslosgröße
4.4.5. Sicherheitsparameter und Lagerservicegrad
4.4.6. Die Bestellabwicklung
4.4.7. Plausibilitätsprüfung des IT System
4.5. Lösungsbilder Einkauf
4.5.1. Partnerschaftlich Arbeiten mit Lieferanten
4.5.2. Verkürzung der Planlieferzeiten
4.5.3. Liefertreue der Lieferanten verbessern
4.6. Lösungsbilder Organisation
4.6.1. Organisationsaufbau
4.6.2. Zielvereinbarungen
4.6.3. Koordination Logistik und Verkauf
4.7. Lösungsbilder Controlling
4.7.1. EDV Logistikinformationssystem aktivieren
4.7.2. Kennzahlen & Charts
4.7.3. Simulation der Vorratsentwicklung
4.7.4. Veröffentlichung der Reports
4.7.4. Neuschaffung der Stelle: Datenpfleger /-master
5. Zusammenfassung und Ausblick
6. Verzeichnisse
6.1. Literaturverzeichnis
6.2. Abkürzungsverzeichnis
6.3. Tabellenverzeichnis
6.4. Abbildungsverzeichnis
Die ersten rezessiven Wirtschaftsphasen wurden mit Beginn des neuen Jahrtausend durch die Internetblase1 im Jahre 2000 eingeleitet. Fünf Jahre danach erfolgte in Deutschland durch die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder die zung der Agenda 2010. Es folgte Hartz IV, die Korrektur der Konjunkturerwartung durch die fünf Wirtschaftsweisen nach unten und die allgemeine Kaufzurückhaltung der Endverbraucher.
Im Jahre 2008 platzte die Blase in den Emerging Märkten2. Es folgten die Immobilienkrise und der nachfolgende Zusammenbruch von U.S. Hypothekenbanken, Staatsbankrott in Irland und eine allgemeine Kaufzurückhaltung (Sparverhalten) der Endverbraucher.
Alle diese Faktoren, ob politisch, arbeitsmarkttechnisch oder durch die Verteuerung der Stahl- und Ölpreise bedingt, schwächen die Inlandsnachfrage.
Der globale wirtschaftliche Abschwung setzte sich mit der Bankenkrise fort. Die ersten Banken (beispielsweise in Irland und USA) wurden geschlossen und der Geldkreislauf durch die Gestaltung von internationalen „Rettungsschirmen“ gesichert.
Die kurzen Zykluszeiten wiederholten sich, beginnend im Jahre 2011 mit der Euroschwäche, massgeblich in den Ländern Griechenland, Spanien und Portugal und wiederum wurde die nationale Geldpolitik in den überschuldeten Ländern durch „monetäre europäische Rettungsschirme“ aufrecht erhalten.
Eng verwoben waren die Sicherungsmaßnahmen mit massiven Sparauflagen an die Länder und langfristigen Umschuldungen. Auf dem Kapitalmarkt führten die globalen Veränderungen zur Verknappung der freien Geldmittel und erschwerten Anforderungen an Finanzierungen und Investitionen.
Alle diese Faktoren, ob wirtschaftlich, politisch, arbeitsmarkttechnisch oder durch die Verteuerung der Rohstoff-, Stahl- und Ölpreise bedingt, schwächen die Inlandsnachfrage. Die Unternehmen spürten die andauernde allgemeine Kaufzurückhaltung der Endverbraucher. Dem Kapital- und Weltmarkt folgend reagierten Unternehmen entsprechend mit Strukturveränderung. Erschwerend wirkte weiterhin, dass Preiserhöhungen zum Kunden von den Unternehmen kaum am Markt durchsetzbar waren. Somit befanden sich Unternehmen in einer Zwangslage, auf der einen Seite die Preise zum Kunden nicht anpassen zu können und andererseits die Absatzmengen stagnierten, aufgrund der Kaufzurückhaltung der Endverbraucher.
Um weiterhin als Unternehmen am Markt etabliert zu bleiben und Gewinne zu erzielen, wurde ein vorrangiges Ziel, Kosten zu senken. Die Zielerreichung ist gegeben über direkte Kosteneinsparungen in der Abwicklung der unternehmensinternen Prozesse oder andererseits in der Freisetzung von im Umlaufvermögen gebundenem Kapital.
Grochla3 hat nachgewiesen, dass ein Bestandsabbau das Unternehmensergebnis wie kaum eine andere Maßnahme steigert:
Kann ein Unternehmen, dessen Anteil der Vorräte am Umsatz 20% beträgt, den Bestand um 10% senken, so ist dies ebenso ergebniswirksam wie eine Steigerung des Umsatzes um 18%.
Ein Bestandsabbau von 10% ist in fast jedem Unternehmen denkbar -doch wo sind die Produkte, wo die Märkte, die Ihren Umsatz um 18% wachsen lassen?
Ein solch gewaltiger Umsatzsprung ist in der derzeitig umkämpften Wirtschaft illusorisch. Wegen dieser Aussicht war die Motivation für den Autor gegeben, an einem Buch „Vorratssenkung“ zu arbeiten.
Der Aufbau des Buches ist in fünf Kapitel unterteilt und leitet den Anwender und Praktiker strukturiert zum Ziel.
Abbildung 1: Aufbau des Buches
Nach einer obligatorischen theoretischen Einführung in das Thema Vorrat, beginnt das Werk mit der Bestimmung der Vorratspotenziale, weiterhin wird dem Leser das mögliche theoretische Potenzial zugänglich gemacht und ihm wirkungsvolle Argumente an die Hand gegeben, im Unternehmen an einer Vorratssenkung zu arbeiten.
An die wissenschaftliche Herleitung von Hypothesen zum Thema Vorratssenkung folgt im dritten Kapitel die strukturierte Analyse der Vorräte, Organisation und EDV. Die formulierten Hypothesen wurden aus der Sichtung der im Verzeichnis genannten Literatur erarbeitet und konkretisiert. Somit entstanden vierzehn zielführende Analyse- und Prüfkriterien, mit denen die Vorratssteuerung nachvollziehbar und wissenschaftlich haltbar analysiert und ganzheitlich ausgearbeitet werden konnte.
Schwerpunkt des Buches bildet die Durchführung der Analysen und Gewinnung von Erkenntnissen. Die saubere und qualifizierte Analyse der Ursachen und des Wirkungsverständnisses ist Voraussetzung eines erfolgreichen Arbeitens. Darauf aufbauend, konnten konsequente Veränderungen im Rahmen des betrieblich Machbaren abgeleitet werden.
Den zweiten Schwerpunkt bildet das vierte Kapitel mit funktionalen Lösungsbildern, welches als Sammlung von Maßnahmen der Vorratssenkung zu sehen ist, das sogenannte Umsetzungs- und Lösungskonzept.
Technische IT Maßnahmen, welche in der Einführung einer neuen Software zu sehen sind, wurden nicht diskutiert, da die geeignete organisatorische Lösung Voraussetzung für ein funktionierendes EDV System ist. Getreu dem Motto: „Ein Computer ersetzt keine Organisation“.
Schwerpunkte der funktionalen Lösungsbilder sind inhouse machbare Lösungen, in Form von Planungsverbesserungen, Kooperationen, Organisationsanpassungen, Datenpflege oder EDV Systemadaptionen.
Es ist nicht Ziel und Zweck des Buches, höhere mathematische Zusammenhänge zu bearbeiten. Die gewonnenen Arbeitsergebnisse müssen auf betrieblicher Ebene einem kaufmännischen Sachbearbeiter/- in vermittelbar sein, getreu dem Motto „Du bist nur so gut wie Dein Team“. Weiterhin war es nicht Anliegen des Autors, einmalig und schnell den Vorrat zu senken.
Durch die Veränderung der Marktlandschaft nach Hartmann4 zu immer kürzeren Lieferzeitanforderungen, höheren Anforderungen an die Lieferbereitschaft, höhere Flexibilisierung der Lieferanten, mehr Produktvielfalt, abnehmende Produktlebenszyklen und Folgen der Globalisierung und des Outsourcing, sind veränderte Anforderungsprofile an die Lieferanten im Rahmen einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung/-Steuerung zu leisten. Der Weg, alles über Lageraufbauten zu bewerkstelligen, führt zwangsläufig zu hoher Kapitalbindung der Unternehmen und sinkender Liquidität.
Die Spannungsfelder5 aus den Abteilungsinteressen lassen sich nachfolgend gegenüberstellen:
Beschaffungsziel: Versorgungssicherheit
Große Bestelllose
Sicherheitsbestände
Forderung: Vorratssenkung
Kleine Bestelllose
Kurze Beschaffungszeiten
Produktionsziel: Gleichmäßige Auslastung der Kapazitäten
Große Produktionslose
Pufferlager
Forderung: Vorratssenkung
Kapazitätsreserven
Losgröße 1, bedarfsgerechte Fertigung
Produktion und Versorgung laut Produktionsplan
Absatzziele: Erfüllung der Kundenwünsche
Umfangreiches Sortiment
Hoher Lieferbereitschaftsgrad
Forderung: Vorratssenkung
Kleine Sortimente
Weniger Produktvarianten
Weitere Nachteile zu hoher Vorräte ergeben sich aus dem Änderungsrisiko für Produkte, dem Verderb der Produkte (zum Beispiel Öle, Fette, Atemschutzfiltern, …) und der Summe an Kosten für die Lagerung und Verwaltung der Vorräte.
Häufig formulieren Unternehmen als oberstes Ziel, dem Kunden einen möglichst hohen Lieferservicegrad zu liefern und durch Bevorratung zuzusichern.
Grundsätzliche Voraussetzungen einer geordneten Vorratssteuerung sind EDV-technische Lagerbestandsführungen und geschlossene Lager, denn die Wirksamkeit kann sich nicht einstellen, wenn die Grundvoraussetzung, korrekte Bestandsführung, nicht gegeben ist.6
Ergänzt werden diese Voraussetzungen um
Eine weitere Voraussetzung ist der Betrieb eines integrierten EDV Systems, was aber heutzutage als ausreichend realisiert angenommen werden kann. Ein Irrglaube ist es jedoch, dass mit der Einführung eines PPS- oder ERP Systems der Vorteil reduzierter Vorräte erkauft wird. Die Potenziale liegen in der optimierten Nutzung und Verarbeitung der betrieblichen Informationen.
Mit dem Schaffen der Voraussetzungen formuliert Hartmann5 folgende weiterführende Entwicklungsschritte hin zu einer geordneten Vorratssteuerung:
Als Probleme und Grenzen des Bestandsmanagements finden sich in der Fachliteratur die folgenden Hinweise. Gekürzt und entnommen aus dem Praxisbeispiel von Manfred Pleuss, Rotring GmbH, in Hartmann7.
Erschwert wird ein erfolgreiches Bestandsmanagement durch die folgenden Faktoren:
1 Vgl. Marth, 2008, S. 1
2 Vgl. Narrat, 2011, S. 1
3 Vgl. dazu Grochla, E. et al.: Aktive Materialwirtschaft in mittelständischen Unternehmen. Köln: Deutscher Instituts-Verlag, 1984.
4 Vgl. dazu Hartmann, H.: Bestandsmanagement und –controlling, Gernsbach: Dt. Betriebswirte Verlag GmbH 1999, S. 30.
5 Vgl. dazu Hartmann, H.: Bestandsmanagement und –controlling, Gernsbach: Dt. Betriebswirte Verlag GmbH 1999, S. 32.
6 Vgl. dazu Weber, Rainer: Zeitgemässe Materialwirtschaft mit Lagerhaltung, 2. Auflage, Ehningen: Expert Verlag 1992, S. 20.
7 Vgl. dazu Hartmann, Horst: Bestandsmanagement und –controlling, Gernsbach: Dt. Betriebswirte Verlag GmbH 1999, S. 24, S. 32 und S. 87.
Um festzulegen und zu interpretieren, wo das Unternehmen mit seinem Vorrat positioniert wird, ist die Kenntnis des Branchenvergleichs sinnvoll. Die Tabelle aus Hartmann stellt eine Untersuchung aus dem Jahre 1995 vor, in welcher die Vorräte im Verhältnis zum Umsatz ausgewiesen werden, gegliedert nach Branchen.
Dabei wurden für die genannten Branchen folgende prozentualen Vorräte zum Umsatz genannt: 8
• Maschinenbau 24,70%
• Elektrotechnik 19,70%
• Verarbeitende Industrie gesamt 19,30%
• Textilgewerbe 18,90%
• Metallerzeugnisse 18,10%
• Chemische Industrie 12,20%
• Baugewerbe 10,40%
• Fahrzeugtechnik 8,60%
Aktuellere Daten wurden in der Veröffentlichung von Harting9 im Jahr 2005 präsentiert. Er stellt fest, dass sich der durchschnittliche Vorratsbestand auf 14 Prozent des Umsatzes bundesdeutscher Unternehmen beläuft.
Feinere Abstimmungen liefern direkte Vergleiche mit Mitbewerbern, deren Daten sie über Wirtschaftsdatenbanken beschaffen oder aus deren Geschäftsberichten entnehmen können. Allerdings stellt das Benchmark nur einen Vergleich zu einem anderen vergleichbaren Unternehmen dar. Das schützt sie nicht davor, dass morgen ein Unternehmen mit innovativen Beschaffungsstrukturen ein völlig neues Claim setzt.
Konzentrieren wir uns erst mal auf unsere eigenen Unternehmensstärken. Im Folgenden wird der interne ideale Vorrat des Unternehmens berechnet.
Abbildung 2: Vorratspotenzial
Der interne ideale Lagerwert, ermittelt aus der Summe aller Vorratswerte pro Artikel, kann mittels zweier unterschiedlicher und unabhängiger Methoden berechnet werden.
Die Berechnung des idealen Lagerbestandes wird nach dem Bottom-Up Ansatz gerechnet. „Sie fragen sich, wie weit Ihr Disponent Bestand abbauen kann, ohne die Lieferbereitschaft zu gefährden? Das Bestellpunkt-Modell gibt die Antwort: Bis zum theoretisch optimalen Bestand, der sich aus Sicherheitsbestand plus halbe Losgröße berechnet.
Der Bottom-Up Ansatz zeigt generelle Bestandsstrategien auf. 10
Idealer Sollvorrat = ((Losgröße/2) + Sicherheitsbestand) x Preis/Stück
Doch Vorsicht ist geboten. Die in der Berechnung eingesetzte Losgröße sollte auch der tatsächlich angewendeten Losgröße entsprechen. Gegebenenfalls sind manuelle Korrekturen notwendig, wie folgender Ansatz zeigt:
Der Sicherheitsbestand und der Preis/Stück finden Sie im Materialstamm des jeweilig verwendeten EDV Systems.
Die Berechnung des idealen Lagerbestandes kann auch nach dem Bottom-Down Ansatz gerechnet werden.
Idealer Sollvorrat = niederster Vorratswert innerhalb einer vergangenen Periode x Preis/Stück
Zur Ermittlung entnimmt man dem EDV System die vergangenen Bestandswerte einer zeitlichen Periode (zum Beispiel 12 Monate) und selektiert jeweils pro Artikel den niedrigsten Wert heraus. Anschliessend multiplizieren Sie den niedrigsten Wert, aus der zeitlichen Periode, mit dem Preis/Stück aus. Sie erhalten den niedrigsten Bestandswert, innerhalb der gewählten zeitlichen Periode pro Artikel. Anschliessend die Einzelergebnisse über alle Artikel addiert, ergeben den idealen Vorrat nach dem Niederwertsprinzip.
Die Berechnung des idealen Sollvorrates wird nie dem tatsächlichen Ist-Vorrat entsprechen. Begründet wird diese Aussage in der vergangenheitsorientierten Ermittlung der Zahlen und dem theoretisch Idealem. Trotzdem ist die Ermittlung eines idealen Vorrats ein geeigneter Indikator für die Formulierung numerischer Zielwerte, weil einerseits der gewesene Ist-Vorrat der Vergangenheit beurteilbar wird und andererseits der Ist- oder zukünftiger Vorrat um Korrekturfaktoren anpassungsfähig ist.
Der Ist- Vorrat gewichtet sich rechnerisch zum Umsatz. Er stellt in der Regel den grössten Wert in der Bilanz eines Unternehmens dar und muss gepflegt, finanziert und verwaltet werden.
Mit der Gegenüberstellung des errechneten „idealen Sollvorrates“ zu dem „Ist- Vorrat“ werden Potenziale aufgezeigt und folglich Ziele formulierbar. Die Abweichung „Idealer Vorrat minus Ist-Vorrat“ wird in der Regel zwischen 10-25% betragen.
Umgekehrt kann der Lagerbestand als Umschlagsgeschwindigkeit ausgedrückt werden. Bei einem Umsatz von 100 Mio. €/pa. und 10 Mio. € Vorrats errechnet sind die Umschlagsgeschwindigkeit des Vorrats mit 10 (100 Mio. €/p.a. / 10 Mio. € = 10). Verbesserungen des Vorrats um -10% auf 9 Mio. € erhöhen den Umschlag auf mehr als 11-mal pro Jahr.
Umsatz / Vorrat = Umschlagsgeschwindigkeit
8 Vgl. dazu Hartmann, Horst: Bestandsmanagement und –controlling, Gernsbach: Dt. Betriebswirte Verlag GmbH 1999, S. 17.
9 Vgl. dazu Harting, Detlef: Vorrats- und Bestandsmanagement schlank und modern. BA Beschaffung aktuell, Heft 6, 2005, S. 26 Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH, Leinfelden.
10 Distribution: Bestand abbauen verbessert das Unternehmensergebnis, Heft 5, Vereinigte Fachverlage GmbH Mainz, 1994, S. 8.
Bestandsprobleme können nicht isoliert gelöst werden, sondern vielmehr durch das Zusammenspiel aller am Prozess Beteiligten.
Abbildung 3: Teambildung
Somit ist eine Thematisierung der Vorräte notwendig, um die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit an Bestandsursachen anzustossen. Der Auftrag muss seitens der Unternehmensleitung erteilt werden, die auch die Teambildung unterstützen muss.
Arnolds, Hegge und Tussing führen den Anstieg der Kapitalbindung in Unternehmen auf den vollzogenen Übergang von der Eigenfertigung zur Fremdfertigung zurück.11 Entstanden ist diese Veränderung in Zeiten der Hochkonjunktur, in der Unternehmen mittels Fremdbeschaffung notwendige expansive Investitionen in Maschinen und Personal umgingen und somit das Absatzpotenzial erhöhen konnten. Die Materialbereitstellung der Unternehmungen verlagerte sich von Rohstoffen vermehrt zu Halbfabrikaten oder Fertigwaren. Zwangsläufig stieg die unternehmerische Abhängigkeit von einer reibungslose Lieferantenversorgung.
Störfallfreies Supply Chain Management
Mangels fehlender unternehmenseigener Ausweich- oder Alternativmöglichkeiten führen Versorgungsengpässe zu Stilllegung kompletter Fertigungslinien, unternehmerischem Lieferausfall und Kundenstörungen.
Unternehmen kompensieren das Versorgungsrisiko mittels
Interessant erscheint lt. Arnolds, Hegge und Tussing9, dass die deutsche Industrie den ersten Weg in die Sicherheitsbestände überwiegend beschritten hat. Folgen sind eine gestiegene Kapitalbindung und ein verschlechterter Kapitalumschlag.
Weber identifiziert in seiner Arbeit unternehmerische Organisationsmängel als Ursache zu hoher Vorräte. Denn „je niedriger die Vorräte, je höher die Anforderung an die Unternehmen.“ Wichtige Voraussetzung ist jedoch, dass bei Senkung der Vorräte die gesamte Organisation des Unternehmens entsprechend verbessert wird, denn hohe Vorräte überdecken Organisationsmängel12.
In der Arbeit von Hartmann13 wurden folgende Gründe für eine zu hohe Kapitalbindung in Vorräten gefunden:
Verknüpft man die ausgeführten Ursachen anhand einer organisatorischen Aufstellung des Unternehmens, wird ein weiteres Hauptproblem wie folgt offensichtlich:
Abbildung 4: Bewusstsein um Vorräte
Die Verantwortung und Mitverantwortung für den Vorratsbestand ist häufig nicht personifiziert vorhanden. Eine Zuordnung der Mitverantwortlichkeit für den Vorrat und die bestimmenden auslösenden Elemente fehlt.
Weiterhin wird das operative Ziel von angepassten Vorräten nachrangig behandelt. Sobald in der Prozesskette an einer Stelle ein Warenmangel entsteht, ist der Kundendruck meist so gross, dass das langfristige Ziel schnell einer kurzfristigen Liefer- und Auslieferquotensicherung weicht. Verschärfend wirken Vertragsklauseln mit den Kunden, dass im Falle von Nichtlieferungen oder Unterschreitungen bestimmter Auslieferquoten Ausgleichszahlungen fällig werden.
In den Abteilungen untereinander besteht häufig zusätzlich Unkenntnis über die Vorratszahlen