Dies ist eine authentische Geschichte. Sie beruht auf
konkreten Erfahrungen und hat sich so oder so ähnlich
irgendwo in Deutschland zugetragen, deshalb ist die
Geschichte, wie sie ist. – Leider!

Herausgeber:

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Copyright © edition zweihorn GmbH & Co. KG, Neureichenau

ISBN-13: 978-3-935265-35-5

Antje Szillat

PROST, MATHILDA!

Von Wolke sieben ab in den Vollrausch

Inhalt

Prolog

Neue Zeiten

Tom

Verzaubert

Absturz

Treffen im Park

Er liebt mich

Er liebt mich nicht

Abschied!

Wattegefühl im Kopf

Kein Bock aufs Leben

Reiß dich zusammen!

Prost, Mathilda!

Schlimme Wochen

Auf des Messers Schneide

Talfahrt

Hey, mach die Augen auf

Gespräch mit einer Unbekannten

Lara

Alles wird gut?

Anhang

Thema: Alkohol

Nachwort

Prolog

Mathilda hatte sich mit ihrem Dad gestritten. Es war mal wieder um seine neue Freundin gegangen.

„Wie kannst du es nur wagen, so über Julia zu sprechen? Was denkst du dir eigentlich dabei?“, hatte er sie angeschnauzt und sich geweigert, Mathilda gehen zu lassen.

Doch dann hatte seine tolle Julia angerufen und er war für einen Moment im Nebenraum verschwunden. Mathilda hatte blitzschnell gehandelt und sich einen Fünfzigeuroschein aus seiner Geldbörse genommen.

Was lässt er auch seine Kohle einfach so auf der Kommode herumliegen?, hatte sie gedacht und fand, er habe sogar noch Glück, dass sie nur einen Fünfziger genommen hatte. – Ein echter Dieb hätte die ganze Geldbörse mitgehen lassen.

Dann war sie zum Kiosk gerannt und hatte drei Flaschen Rotwein gekauft. Dem Kioskbesitzer konnte man das Blaue vom Himmel herunterlügen, wusste sie inzwischen. Der rückte selbst bei kleinen Kindern harte Sachen raus, wenn sie ihm nur erzählten, ihre Eltern hätten sie geschickt. Nur bei Zigaretten wurde er ungemütlich. Da musste man sich schon mehr einfallen lassen, damit er welche über den Tresen reichte.

Aber Mathilda mochte weder Zigaretten noch harte Sachen – sie stand auf Rotwein. Musste wohl in der Familie liegen, reimte sie sich zusammen. Schließlich spülte Conni ihren Frust auch immer mit Rotwein hinunter.

An Tom dachte sie kaum noch – wenn er ihr nicht gerade mit seiner blöden Tanja über den Weg lief. Aber genau das machte er. Ständig. Und dann war er wieder in Mathildas Kopf. Seine langen, dunklen Haare, die ihm immer ins Gesicht fielen und die er dann mit einer raschen Handbewegung wieder nach hinten strich. Diese unglaublich blauen Augen, in die man einfach nur versinken konnte – völlig hilflos und ohne die geringste Chance, da je wieder rauszukommen.

Tom. Ja, Tom war der tollste und schönste Junge, den Mathilda jemals gesehen hatte – und Tom war der größte Mistkerl weit und breit.

Vor einigen Wochen hatte Mathilda ihn geliebt, so, wie sie noch niemals geliebt hatte. Doch das war nun vorbei.

Sie war dann in den Park gelaufen und saß jetzt auf ihrer Bank vor dem Gebüsch. Dort war sie völlig ungestört, das wusste Mathilda. Mittags kamen hier kaum Leute vorbei und wenn doch, dann scherte es Mathilda sowieso schon lange nicht mehr. Sollten sie doch blöd glotzen – unternehmen würde sowieso keiner was. Auch das wusste Mathilda inzwischen.

Dann hatte sie endlich die erste Flasche geöffnet und fing an zu trinken. Mit jedem Schluck wurde das Bild schwächer. Nach der ersten Flasche hörte sie das dämliche Lachen von Tom und seiner Neuen schon fast gar nicht mehr. Als sie die zweite Flasche ins Gebüsch warf, musste sie sich übergeben. Wer Tom war, hatte sie zu diesem Zeitpunkt beinahe völlig vergessen. Dennoch öffnete sie auch noch die dritte Flasche – einfach nur, weil sie schließlich dastand und weil sie sowieso nicht aufhören konnte – und wollte.

Danach versuchte sie aufzustehen, aber das klappte nicht mehr so richtig. Immer wieder fiel sie auf die Bank zurück. Irgendwann stand sie schließlich.

Schwankend versuchte sie sich auf den Beinen zu halten. Ein Würgen und Keuchen und dann waren da wieder diese Stimmen. Tom, der ihr irgendetwas zurief – ihre Mutter, die laut lachte und schrie: „Prost Mathilda, alle Männer sind Schweine!“, das Zerspringen einer Flasche. Ihr Vater mit seiner neuen Freundin – Tom, immer wieder Tom, wie er sie wegschubste und den Arm um ein anderes Mädchen legte. Und wieder ihre Mutter, die ihr zuprostete.

Die Bilder verschwammen ineinander, wurden immer greller und wirrer. Mathildas Magen drehte sich um, in ihrem Kopf begann es zu schwirren – immer schneller und schneller. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, schmeckte den säuerlichen Geschmack von erbrochenem Rotwein auf ihrer Zunge, die schleimige Galle rann ihr durch die Finger, lief an ihren Armen herunter und tropfte auf ihre Hose. Der Boden unter ihren Füßen begann zu schwanken, sie torkelte einen Schritt zur Seite, versuchte zur Bank zurückzukommen, stolperte vorwärts und fiel der Länge nach vornüber.

Bevor sie auf dem harten Schotterweg aufschlug, hatte sie das Bewusstsein schon verloren.

Alkohol – Du wirst am Boden liegen

Alkohol – Hast keine Kraft mehr

Alkohol – Völlig am Ende

Alkohol – Alles zerstört

Selina, 14 Jahre

Neue Zeiten

Das gelbliche Licht des Morgens tanzte fröhlich auf Mathildas karierter Bettdecke. Wie jeden Morgen war sie sofort hellwach, strampelte mit den Füßen die Zudecke zur Seite und war mit einem Satz auf den Beinen. Für Menschen, denen das Aufstehen regelmäßig fast körperliche Qualen bereitete – die sich immer wieder die Bettdecke über den Kopf zogen, darunter schwitzten und fast erstickten, nur um noch ein paar Minuten herauszuschinden –, hatte Mathilda überhaupt kein Verständnis. Sie liebte den Morgen. Ganz egal was für ein Wetter hinter den geblümten Vorhängen auf sie wartete.

Heute kündigte sich ein sonniger Frühlingstag an. Mathilda zog die Vorhänge ganz zur Seite, öffnete das Fenster und lehnte sich mit dem Oberkörper weit über das Fensterbrett hinaus. Sie schloss die Augen und atmete die frische Luft tief ein. Ihr langes hellblondes Haar wehte wie ein dichter Schleier sanft im Morgenwind hin und her. Aus dem Garten ertönte das laute Konzert der Vögel in den Bäumen.

Mathilda öffnete die Augen, nahm einen letzten tiefen Atemzug und löste sich vom Fenster. Dann schnappte sie sich die helle Jeans und das gestreifte Shirt, das sie sich mit Kati und Franzi im Partnerlook im Einkaufszentrum gekauft hatte, und eilte damit ins Bad.

Wie immer war sie lange vor ihrer Mutter Conni und ihrer vier Jahre älteren Schwester Merle auf den Beinen. Aus Merles Zimmer war noch kein Lebenszeichen zu vernehmen. Auch Connis Schlafzimmertür war geschlossen. Sicher wälzte sie sich gerade wieder schnaufend auf der Matratze hin und her, vermutete Mathilda. Und garantiert hatte sie wieder schlechte Laune – das kam vom Rotwein, den sie fast jeden Abend trank, seitdem Mathildas Dad weg war. Meistens ging es ihr erst wieder besser, wenn sie mindestens zwei große Tassen Kaffee in sich hineingeschüttet hatte.

Mathilda ging ins Bad und begann sich zu entkleiden. Sie wollte gerade die Duschkabine öffnen, als sie es sich plötzlich anders überlegte. Schnell nahm sie ihren hellblauen Morgenmantel vom Haken und schlüpfte hinein. Dann ging sie in die Küche und bereitete eine große Kanne schwarzen Bohnenkaffee zu. Mathilda kam es kurz in den Sinn, frische Waffeln zu backen. Doch dann fiel ihr ein, dass Conni gerade mal wieder auf Diät war und der Anblick von frisch-gebackenen Waffeln ihre Laune eher noch verschlechtern würde.

Also beließ sie es bei dem Kaffee, presste stattdessen ein paar Orangen aus und verteilte den Saft zu gleichen Teilen in drei Gläser.

Bewaffnet mit einem großen Pott Kaffee in der einen und einem Glas Orangensaft in der anderen Hand, wagte Mathilda sich vor die Schlafzimmertür ihrer Mutter. Sie drückte mit dem Ellbogen die Klinke herunter und schob die Tür mit ihrem Oberkörper auf.

Conni befand sich bereits im Kampf, wie Mathilda schmunzelnd feststellte. Sie quengelte wie ein Kleinkind, rollte sich zur Seite, umklammerte den Rand der Bettdecke, als ob sie befürchtete, Mathilda könnte sie ihr mit einem Ruck entreißen, und presste die Augen fest zu.

„Conni, der Kaffee ist fertig ...“, begann Mathilda leise zu singen. „Klingt das nicht unheimlich zärtlich ...“

Conni zog sich die Decke über den Kopf.

„Von wegen zärtlich. Hinterhältig und gemein finde ich viel treffender“, schimpfte es unter der Bettdecke hervor.

„Na gut, dann nehme ich den Kaffee eben wieder mit.“ Mathilda spielte die Beleidigte.

„Bloß nicht!“ Mit Schwung flog die Decke zur Seite. Eine wirre Menge knallroter Locken, die im deutlichen Kontrast zu der blassen Gesichtsfarbe standen, kam zum Vorschein.

„Gib mir fünf Minuten. Dann bin ich ansprechbar“, murmelte Conni, während sie gierig nach der Kaffeetasse griff, die Mathilda zusammen mit dem Orangensaft auf das kleine Nachtschränkchen direkt neben dem Bett abgestellt hatte.

„Ich geh duschen.“

„Kannst du vorher bitte deine Schwester wecken?“

„Ich bin doch nicht lebensmüde“, antwortete Mathilda und übersah absichtlich Connis flehenden Blick.

Später einmal dachte sie: Was wäre geschehen, wenn ich an diesem Morgen das gemacht hätte, worum Conni mich gebeten hatte? Was hätte ich anders gemacht, wenn ich gewusst hätte, was an diesem „perfekten“ Tag beginnen würde?

Ich wäre im Bett liegen geblieben und hätte die Vorhänge noch fester zugezogen, war ihr sofort eingefallen. Oder ich hätte Merle geweckt, mich von ihr deswegen beschimpfen lassen und wäre gemeinsam mit ihr zur Schule gegangen. Aber sie hatte es nicht gewusst. Niemand hatte ihr gesagt, was geschehen würde. Niemand konnte es voraussehen.

Als Conni später in die Küche kam, noch immer mit zerzausten Haaren und dunklen Schatten unter den Augen, regte sie sich furchtbar auf.

„Warum hast du Merle nicht geweckt?“, fuhr sie Mathilda an.

„Ich habe doch gesagt, dass ich es nicht machen werde“, verteidigte sie sich.

„Das sagst du doch jeden Morgen und machst es dann trotzdem.“

Mathilda biss in ihren Toast und zog es vor, zu schweigen.

Conni gähnte und schien sich etwas beruhigt zu haben. „Na ja, wahrscheinlich hast du recht.“ Müde setzte sie sich an den Küchentisch und legte die Beine auf einen Stuhl. „Merle muss endlich begreifen, dass sich nicht die ganze Welt nur um sie dreht.“

Das sagt die Richtige, schoss es Mathilda durch den Kopf. Seit der Trennung ihrer Eltern kam es Mathilda manchmal so vor, als ob sich ihre Mutter in eine fremde Frau verwandelt hätte. Ständig war sie schlecht gelaunt und immer öfter versuchte sie, ihren Frust und ihre Enttäuschung mit unzähligen Gläsern Rotwein herunterzuspülen.

Ein leises Piepsen aus Connis Handy riss Mathilda aus ihren trüben Gedanken.

„Du hast eine SMS bekommen“, sagte Mathilda und wollte nach dem Handy greifen. Conni war schneller.

„Mistkerl!“, schimpfte sie, nachdem sie die Nachricht gelesen hatte.

Mit dem ausgestreckten Zeigefinger tippte Conni in rasender Geschwindigkeit auf der Tastatur ihres Handys.

„Dieser verdammte Mistkerl hat mal wieder einen Termin platzen lassen. Treibt sich lieber mit seiner Neuen herum ...“

Natürlich wusste Mathilda, wer gemeint war. Der Mistkerl war ihr Dad. Und er war immer schuld, wenn Conni sich so aufregte.

„Dieser Verräter ... dieser ...“

Mathilda reichte es.

Ohne ein Wort sprang sie auf, lief in den Flur, packte ihre Schultasche und riss die Wohnungstür auf.

„Ich kann es langsam nicht mehr hören!“, rief sie in die Küche zurück, bevor sie die Tür hinter sich zuknallen ließ.

Als sie vor dem Haus stand, fühlte Mathilda sich wie befreit. Sie lief den Gehweg hinunter und nahm sich vor, nicht einen Gedanken mehr an ihre ständig streitenden Eltern zu verschwenden. Doch sosehr sie sich auch anstrengte, ihre Gedanken verirrten sich immer wieder dorthin. Sie musste an den Tag denken, an dem ihre Eltern ihr gesagt hatten, dass sie sich trennen würden. Seitdem war alles ganz anders – seitdem fühlte sich nichts mehr richtig an.

Mathilda war so in ihren Gedanken versunken, dass sie den Typen, der neben ihr aufgetaucht war, erst gar nicht bemerkte. Als er sie von der Seite ansprach, zuckte sie deshalb erschrocken zusammen.

„Mann, bist du aber schreckhaft“, sagte er.

Mathilda spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.

„Hi!“, erwiderte sie leise und wischte sich verstohlen über das Gesicht.

Der Typ grinste unverschämt. „Du musst doch nicht gleich knallrot werden, nur weil ich mit dir rede.“

Was für ein eingebildeter Idiot, dachte Mathilda und beschleunigte ihren Gang. Doch so leicht ließ er sich nicht abwimmeln.

„Fräulein Goldlöckchen ist aber gleich empfindlich“, ätzte er weiter und wich nicht von ihrer Seite.

Mathilda starrte stur geradeaus. Der Typ begann sie langsam richtig zu nerven.

In der Ferne erkannte sie ein paar Jugendliche, die sie schon ein paarmal in der Schule gesehen hatte. Am liebsten hätte sie ihnen zugerufen, sie mögen auf sie warten. Doch Mathilda kannte keinen von ihnen näher. Und außerdem wäre eine solche Reaktion sicherlich auch völlig übertrieben, schoss es ihr durch den Kopf. Irgendwann musste der Typ ja wohl mal kapieren, dass sie kein Interesse an einem Gespräch mit ihm hatte.

„Warum bist du eigentlich so zickig?“, redete er weiter auf sie ein, während er versuchte, mit seiner Hand in ihre Haare zu greifen.

Mathilda blieb ruckartig stehen und funkelte ihn wütend an.

„Wag es bloß nicht, mich anzufassen“, keifte sie. „Was willst du eigentlich von mir?“

„Immer schön locker bleiben, Goldlöckchen, immer schön locker bleiben.“ Sein Grinsen war einfach nur widerlich.

Mathilda blickte sich unauffällig um. Aber außer ein paar Leuten, die sich in einiger Entfernung von ihnen auf der Straße befanden, und ein paar Autos, die zügig an ihnen vorbeifuhren, entdeckte sie niemanden. Die Jugendlichen aus ihrer Schule waren inzwischen ganz aus ihrem Sichtfeld verschwunden.

„Was ist? Überlegst du, wer von den Piepels dir zu Hilfe eilen könnte?“

Mathilda warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Dieser blöde Typ hatte doch tatsächlich ihre Gedanken erraten.

„So ’n Schwachsinn!“, behauptete sie und wollte einfach weitergehen.

Doch er versperrte ihr den Weg.

Mathilda versuchte an ihm vorbeizukommen. Aber egal in welche Richtung sie sich bewegte, der Typ war immer einen Schritt schneller. Von Weitem musste es wie ein lustiges kleines Spiel aussehen. Doch Mathilda war überhaupt nicht nach Lachen zumute.

„Was soll das?“ Sie versuchte ihre Stimme möglichst ruhig und beherrscht klingen zu lassen.

„Bleib doch einfach stehen. Dann erfährst du es.“ Das widerliche Grinsen war von seinem Gesicht verschwunden. Dafür entdeckte Mathilda etwas in seinen Augen, das ihr Angst machte.

„Wie alt bist du?“ Seine Stimme klang jetzt ganz rau.

„Ich weiß zwar nicht, was dich das angeht ... Aber bitte, wenn es dich glücklich macht und du mich dann endlich in Ruhe lässt – ich bin vierzehn.“

„Und, biste solo?“ Er leckte sich mit der Zungenspitze langsam über die Lippen, während sein Blick gierig an ihrem Körper entlangwanderte. Mathilda wurde übel. Am liebsten hätte sie ihn mitten ins Gesicht geschlagen.

„Bist du total bescheuert?“, schrie sie stattdessen. „Wenn du mich nicht augenblicklich vorbei lässt, dann rufe ich laut um Hilfe, du ... du ... widerliches Stück!“

Er lachte höhnisch und machte einen Schritt auf sie zu. „Wer würde dir kleinem Früchtchen schon glauben!“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Mathilda nahm ihren ganzen Mut zusammen, machte ebenfalls einen Schritt auf ihn zu, bis sie direkt vor ihm stand.

Er grinste siegessicher. „Warum nicht gleich so, Goldlöckchen?“

Mathilda stand jetzt so nahe vor ihm, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte. Sie schaute ihm direkt in die Augen, deutete ein Lächeln an und zog mit einem heftigen Ruck ihr linkes Knie hoch.

Sie traf ihn direkt zwischen den Beinen.

„Du Sau“, jaulte er laut auf und sackte in sich zusammen. Stöhnend hockte er auf dem Gehweg, während Mathilda wie gelähmt noch immer an derselben Stelle stand. Sie konnte selbst nicht fassen, dass sie sich so etwas getraut hatte.

„Dich mach ich fertig, du blödes Miststück ... dich mach ich fertig ...“

Seine jämmerliche Drohung riss Mathilda aus ihrer Erstarrung. Sie machte einen Satz zur Seite und wollte wegrennen, doch der Typ bekam sie am Unterarm zu fassen und hielt sie fest.

„Lass sie sofort los!“, hörte Mathilda plötzlich eine drohenden Stimme hinter sich rufen. Im nächsten Moment preschte ein dunkelhaariger junger Mann an ihr vorbei, packte den Arm des Typen und drehte ihn mit einem heftigen Ruck nach hinten. Der Typ jaulte vor Schmerzen laut auf und versuchte sich aus dem Griff zu lösen. Mathilda stand unbeweglich neben den beiden kämpfenden jungen Männern und starrte sie erschrocken an.

„Lauf weg!“, rief ihr der Dunkelhaarige zu und Mathilda begann zu rennen. Sie rannte und rannte und drehte sich nicht einmal mehr um.

Als Mathilda auf den Schulhof gerast kam, war sie völlig außer Atem. Mit hochrotem Kopf stürmte sie die Treppe rauf und rannte durch die Pausenhalle. Einige Schüler schauten ihr neugierig hinterher. Auf dem Gang stieß sie fast mit einer Lehrerin zusammen.

„Hoppla, junge Dame!“, sagte sie und schüttelte den Kopf.

„Tut mir leid!“, murmelte Mathilda – und stürmte weiter.

Noch drei Flure entlang, dann stand sie keuchend vor ihrer Klassentür. Sie ließ sich erschöpft gegen die Wand sinken und schnappte nach Luft. Es war kurz vor Unterrichtsbeginn. Zahlreiche Schüler eilten zu ihren Klassenräumen. Auch einige Schüler aus Mathildas Klasse gingen an ihr vorbei. Keiner beachtete sie. Warum auch? Es war ein ganz normaler Morgen – der Beginn eines ganz normalen Schultages.

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Thea, 15 Jahre