Von den Fünf Assen sind folgende Titel erhältlich:
#Abgetaucht #Ausreißer #Doppeltreffer
#Fehltritt #Freiwurf #Kälteschock
#Pistenjagd #Schmetterball #Schulterwurf
#Spielmacher #Stromschnelle #Vollbremsung
Impressum
Verlag Akademie-der-Abenteuer
Boris Pfeiffer, Pfalzburger Straße 10, 10719 Berlin
E-Mail: info@verlag-akademie-der-abenteuer.de
Alle Rechte vorbehalten.
Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet.
©Verlag Akademie-der-Abenteuer, Berlin 2021
1. Auflage
Umschlagillustration: Irene Margil
Satz: Kris Kersting
Herstellung: Verlag Akademie-der-Abenteuer
Druck und Bindung: BoD GmbH, Norderstedt
www.verlagakademie.de
ISBN (print): 978-3-98530-054-9
ISBN (ebook): 978-3-98530-055-6
Printed in Germany
Lennart dribbelte den Ball hoch und lief schnell. Noch hatte er freie Bahn. Erst als sich sein direkter Gegenspieler näherte, dribbelte er tiefer, konnte so den Ball mit dem Körper gut abschirmen und den Block des Gegners umlaufen. Um Michael als nächsten heranspringenden Verteidiger zu täuschen, spielte er sich den Ball hinter dem Rücken von der linken auf die rechte Hand, sprang mit einem Bein ab, schraubte sich in die Luft und legte den Ball in den Korb.
Michael, der auf Lennarts Täuschung reingefallen und ins Leere gesprungen war, ärgerte sich. „Schrittfehler!“, reklamierte er.
Frau Kick lachte, schüttelte den Kopf in Richtung Michael und spendete Beifall für Lennart.
Natürlich hatte Lennart den Ball nicht wirklich in den Korb gelegt, dazu war er viel zu klein, wie seine Mitschüler auch. Trotzdem sprach man von einem Korbleger, wenn die Spieler versuchten, den Abstand zwischen dem Ball und dem Korb so klein wie möglich zu halten.
Lennart war schon wieder Richtung Korb unterwegs, als Frau Kick das Training unterbrach, weil Schuldirektor Professor Stölzer die Halle betrat und einen Jungen in Lennarts Alter hereinführte. Er entschuldigte sich für die Verspätung.
Frau Kick hieß den Jungen herzlich willkommen, rief ihre Mannschaft zusammen und stellte den Neuen vor: „Das ist Jamie. Er geht ab heute hier zur Schule.“
Die anderen nickten Jamie zu.
„Kannst du Basketball spielen?“, fragte Michael.
Lennart schaute Michael verständnislos an und zog die Augenbrauen hoch. „Ich nehme mal an, sonst hätte Herr Professor Stölzer ihn nicht hergebracht. Oder?“
Michael schwieg. Dem Direktor traute er alles zu. Der würde auch ein Pferd in die Schwimmhalle führen.
Aber Frau Kick nickte mit einem Lächeln. „Ich denke schon, dass er das kann, oder?“ Sie zwinkerte Jamie zu. „Er spielt nämlich Streetball.“
„Echt?“, staunte Lennart „Hier!“ Er warf Jamie den Ball zu.
Jamie fing ihn auf.
„Zeig mal!“, forderte Lennart.
Jamie stellte sich in Position und warf den Ball auf den Korb, ohne sich auch nur einen Schritt von seinem Platz fortzubewegen. Einfach so aus dem Stand. Und der Ball schlug ein. Er fiel glatt durch die Maschen des Korbs, ohne den Ring überhaupt zu berühren.
„Wow!“, stieß Lennart anerkennend aus. „Ein satter Dreier!“
Auch die anderen applaudierten voller Bewunderung.
Und Michael rieb sich die Hände: „Mit dem haben wir den Sieg in der Tasche. Die Grünheimer können sich schon mal gehackt legen!“
Jamie warf Michael einen fragenden Blick zu. Frau Kick übernahm die Erklärung: Der Basketball-Auswahl der James-Connolly-Schule stand ein großes Ereignis bevor. Eine große amerikanische Fast-Food-Kette richtete ein internationales Basketball-Schul-Turnier in Berlin aus. In ganz Deutschland fanden dazu Qualifikationsturniere statt. Natürlich wollte die James-Connolly-Schule die Qualifikation gewinnen, um Deutschland vertreten zu dürfen. Aber die Vorzeichen standen schlecht. Die fünften und sechsten Klassen der James-Connolly-Schule waren relativ klein. Und so war es schwer, eine gute Auswahlmannschaft zusammenzubekommen.
„Wir müssen schon auf solche Dampfwalzen wie Michael zurückgreifen“, frotzelte Lennart und fing sich dafür einen Boxhieb von Michael auf den Oberarm ein. Aber Lennarts Spruch hatte einen wahren Kern: Michael war zwar nicht besonders schnell und hatte auch kein übermäßiges Ballgefühl, aber mit seiner athletischen Körperkraft räumte er nahezu jeden Rebound ab.
„Und Jabali spielt auch noch mit“, erklärte Michael und drehte sich suchend um, als ob er erst jetzt bemerkte, dass Jabali fehlte. „Wo steckt der eigentlich?“
Michael fragte, obwohl er es sich denken konnte. In letzter Zeit musste Jabali öfter als ihm lieb war auf seinen kleinen Bruder Rasul aufpassen. Zu Jabalis großem Ärger musste er deshalb so manche Trainingseinheit ausfallen lassen. So wie diese, die extra zur Vorbereitung auf die vorentscheidenden Regionalspiele angesetzt worden war.
Ohnehin hatten Lennart und seine Freunde Pech, denn die Altersgrenze war vom Veranstalter so blöd festgelegt worden, dass sowohl Lennart als auch Jabali und Michael nicht mehr in der U12 spielen durften, obwohl sie selbst erst 12 Jahre alt waren, sondern in der U14 spielen mussten. Das hieß, wenn es ganz dumm lief, mussten sie gegen zwei Jahre ältere Spieler antreten. Die Vorzeichen, die Finalrunde des Turniers zu erreichen, standen also denkbar schlecht.
Umso erfreuter nahmen Lennart und Michael, aber auch die anderen aus der Mannschaft -Thorsten, Cem, José, Kai, Philipp - den Neuzugang Jamie auf. Er war genau der zehnte fehlende Mann in der Mannschaft, sodass sich jeweils zwei komplette Teams abwechseln konnten. Wenn alle da waren. Heute fehlte neben Jabali auch Sergej.
„Dann lasst uns doch gleich mal ein Trainingsspielchen machen“, schlug Lennart vor. „Vier gegen vier.“
Frau Kick war einverstanden. Da Lennart der beste Spieler war und Jamie offenbar ebenfalls über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügte, teilte sie beide verschiedenen Mannschaften zu. Sie wollte sehen, was Jamie alles konnte, und hoffte insgeheim, neben Lennart einen zweiten Spielmacher gefunden zu haben.
Ihre Hoffnung schien sich schnell zu erfüllen. Jamie entwickelte sich bald zur zentralen Anspielfigur, verteilte die Bälle klug, gab Anweisungen, wann eine Eins-zu-eins-Situation entstehen sollte und wann nicht. Wenn gar nichts mehr ging, scheute Jamie sich auch nicht, einen Alleingang zu wagen. Michael, Cem und Philipp ließ er dabei stehen wie Trainingsstangen. Den Korbleger in unterschiedlichsten Variationen beherrschte Jamie sogar noch besser als Lennart.
Gerade als Jamie auf spektakuläre Art für die Führung zum 19:17 sorgte, betraten Linh und Ilka die Halle, um zu sehen, wie die Vorbereitungen der Jungs liefen.
Ilka hatte noch nasse Haare vom Schwimmtraining. Neuerdings föhnte sie ihr Haar nicht, aus Angst, es würde ihren schönen Naturlocken schaden. Linh konnte über so viel Eitelkeit nur schmunzeln, vermied es aber, sich deshalb über Ilka lustig zu machen. Linh selbst trug ihre Haare wie meistens streng nach hinten gekämmt und dort zusammengebunden. Ganz so, wie es im Kampfsport üblich war, obwohl sie an diesem Nachmittag trainingsfrei und sich bis zur Verabredung mit Ilka mit ihren Bonsai-Pflanzen beschäftigt hatte.
Der Neue fiel Ilka sofort ins Auge. „Hey!“, rief sie erstaunt. „Wer ist das denn?“
Frau Kick erklärte es ihr. Und Ilka strahlte. Linh vermutete, nicht nur wegen der großartigen Fähigkeiten, die Jamie als Basketballspieler zeigte. Offenbar gefiel Ilka der neue Junge auch so außerordentlich gut.
„Der Name ist englisch, nicht?“, fragte Ilka nach, wobei sie versuchte, möglichst gleichgültig zu klingen. „Kommt er auch aus den USA?“
Obwohl Michael zu ihren besten Freunden gehörte, eckte er mit seiner angeberischen Art oft bei ihr an. Ilka wusste nicht, ob alle Amerikaner solche Großmäuler waren, aber es schadete auch nichts, wenn dieser Jamie aus einem anderen Land kommen würde, dachte sie bei sich.
„Kanada!“, antwortete Frau Kick. Ilkas Miene hellte sich noch weiter auf.
Jamies Mannschaft gewann das Trainingsspiel mit 50:43.
Trotz der Niederlage freute Lennart sich. Dieser Jamie war eine enorme Verstärkung ihres Teams. Lennart sah den Vorentscheidungsspielen längst nicht mehr so düster entgegen wie vor Jamies Erscheinen.
Diese Meinung teilte Michael zwar, dennoch hatte er schlechte Laune. Zumindest für einen kurzen Moment. Er verlor einfach nicht gern, selbst wenn es nur im Training war.
Ilka hingegen empfing die Jungs am Spielfeldrand überaus gut gelaunt. „Glückwunsch!“, rief sie Jamie zu und reichte ihm die Hand.
Jamie schlug zögerlich ein, etwas verwundert darüber, für den Sieg in einem Trainingsspiel Glückwünsche zu erhalten.
„Ich bin Ilka“, stellte sie sich vor.
Jamie nickte schüchtern, was Ilka sehr gefiel. „Jamie.“
„Das ist meine Freundin Linh!“ Ilka zeigte auf Linh, die neben ihr stand und gerade Lennart und Michael begrüßte.
„Sie sind von den Fünf Assen!“, fügte Cem an, als er an Jamie vorbeiging und sich sein Handtuch von der Bank nahm.
„Hä?“, fragte Jamie.
„Na, unsere Sportasse“, erklärte Cem. „In allen möglichen Sportarten bringen sie absolute Topleistungen und sind auch noch so!“ Zur Veranschaulichung hakte Cem seine beiden Zeigefinger ineinander, was so viel heißen sollte wie: verschworene Gemeinschaft. Jamie begriff und nickte.
Ilka errötete. „Ach!“, winkte sie ab. „So toll sind wir gar nicht. Michael zum Beispiel ist in allen anderen Fächern eine echte Niete.“
„Schönen Dank!“, zischte Michael. „Und Ilka wachsen schon Schuppen auf der Haut, so oft ist sie im Wasser!“
Jamie lachte.
„Wie du siehst, sind wir sehr nett“, grinste Ilka. „Und deshalb wollte ich dich auf ein Eis einladen.“
Jamie staunte Ilka ebenso an wie die anderen auch. Ilka bemerkte es, errötete wiederum und fügte schnell an: „Euch auch, natürlich!“ Sie schloss mit einer Geste Linh, Michael und Lennart ein.
„Super!“, freute sich Michael. „In ein richtiges Eiscafé. Dann müssen wir endlich mal nicht Jabalis Experimente aufessen! Neulich hat er Erdbeereis mit Chili gemacht, der Wahnsinnige.“
„Das war erstens Schokoeis und zweitens bin ich nicht wahnsinnig!“
Michael drehte sich um. Jabali stand hinter ihm, mit seinem Bruder Rasul an der einen und einer Kühltasche in der anderen Hand.
„Zu Hause war es so langweilig mit ihm hier.“ Jabali deutete mit einer Kopfbewegung auf seinen Bruder.
„Da haben wir Eis gemacht. Softeis, weil es nicht lange genug in der Tiefkühltruhe lag.“
Ilka grinste übers ganze Gesicht, und Michael begriff, dass sie Jabali schon gesehen hatte, als sie ihre Einladung aussprach. Laut seufzend verabschiedete sich Michael vom Eiscafé. „Okay. Und wo?“
„Wir gehen zu mir!“, schlug Linh vor. Mit anderen Worten: wie immer. Die Fünf Asse trafen sich meistens bei Linh. In Jabalis Zimmer herrschte im Allgemeinen totales Chaos, Michaels Zimmer ähnelte einem Kraftraum im Fitnesscenter, und warum sie sich selten bei Lennart oder Ilka trafen, hätte eigentlich niemand sagen können. Alle aber waren sich einig: Bei Linh war es mit Abstand am gemütlichsten. Jeder der Fünf Asse hatte dort einen festen Platz auf einem Sitzkissen. Und für Jamie würde sich auch noch ein Plätzchen finden.
Die fünf verabschiedeten sich von den anderen Jungs der Basketballmannschaft und nahmen Jamie mit. Bis vor die Tür der Sporthalle. Auch noch bis zum Ausgang der Schule. Dort blieb Jamie plötzlich stehen. „Ach, tut mir leid. Ich kann doch nicht“, entschuldigte er sich.
„Okay“, antwortete Michael sofort.
Doch für Ilka war überhaupt nichts okay. „Wie?“, fragte sie verwundert.
„Ich ... m-m-muss ... weg“, stotterte Jamie.
Ilka erkannte sofort, dass Jamie verzweifelt nach einer Ausrede suchte. „Was ist los?“, hakte sie nach. „Eben wolltest du doch noch.“
„Tut ... tut mir leid“, druckste Jamie unbeholfen herum. „Aber ... Vielleicht beim nächsten Mal. Danke für die Einladung. Tschüss!“
Dann lief er los, hinüber auf die andere Straßenseite, wo ein paar Jungs an der Ecke standen.
„Was war das denn?“, fragte Ilka, während sie Jamie verblüfft und enttäuscht hinterhersah.
„Klarer Fall von Abfuhr!“, feixte Michael.
„Blödmann!“, fauchte Ilka ihn an. „Auf deine Kommentare kann ich jetzt wirklich gut verzichten!“
„Wer würde Ilka denn eine Abfuhr erteilen? Ich jedenfalls nicht“, meinte Jabali. „Da stimmt doch was nicht. Was waren denn das für Typen dort an der Ecke?“
Rasul wurde es langweilig. Er zerrte an Jabalis Hand.
„Eis!“, quengelte er. „Ich will ein Eis!“
„Ja! Gleich!“, fertigte Jabali ihn ab.
Auch Linh und Lennart hielten Jamies Verhalten für höchst merkwürdig.
„Wenn das seine Streetball-Freunde waren“, überlegte Linh, „weshalb wusste Jamie nicht, dass sie hier sind? Sonst hätte er doch nicht erst zugesagt, mit uns zu kommen. Und wieso macht er so ein Geheimnis daraus?“
Lennart nickte ihr eifrig zu. „Genau. Die hätten doch zugucken können. Ich meine, wenn es wirklich seine Freunde sind, muss es sie doch interessieren, wie er sich in der neuen Schule so einlebt und wie es ihm in der neuen Mannschaft ergeht?“
„Ihr spinnt euch wieder einen Krimi zurecht“, winkte Michael ab. „Jamie will eben lieber mit seinen Kumpels losziehen als mit Ilka. Fertig. Da macht ihr wieder so ein Trara darum.“
Ilka warf Michael einen bösen Blick zu. Dann zeigte sie auf die Straße. „Schnell!“, rief sie.
„Was?“, fragte Michael irritiert und sah sich um.
„Deine letzte Gehirnzelle rollt weg. Willst du hinterher und sie einfangen?“, giftete Ilka.
Michael verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Denkt, was ihr wollt“, verkündete Ilka. „Ich schau nach, was da los ist. So leicht lasse ich mich nicht versetzen.“ Sie wandte sich an Linh. „Kommst du mit?“
„Wie? Was?“, stammelte Michael. „Was habt ihr vor? Du willst Jamie doch wohl nicht heimlich folgen?“
„Ich will nur nach dem Rechten sehen“, verbesserte Ilka. Und stiefelte los. Linh begleitete sie.
Die Jungs blieben stehen und sahen ihr nach. Michael, weil er fand, Ilka übertrieb maßlos. Jabali, weil er auf seinen Bruder aufpassen musste. Und Lennart, weil auch er es etwas komisch fand, einem neuen Mitschüler gleich nachzuspionieren, nur weil er mal seine Meinung geändert hatte. Wenngleich ihm Jamies Verhalten auch sehr seltsam erschienen war.