Herzlichsten Dank an meinen Mann Horst,
der zum Gelingen des Werks beigetragen hat.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2020 Hannelore Deinert

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7519-8872-8

Inhalt:

Vorneweg

Damals in München.

Ich bin nicht in einem Palast geboren und war auch nie auf Rosen gebettet, aber, frage ich mich, wäre das gut für mich gewesen? Sicher musste ich, später mit Horst, meinem Mann, kämpfen, auch ums Überleben, aber sind wir dadurch nicht auch gereift? Wir haben drei gutgeratene Kinder, Himmelsgeschenke, denn wir konnten uns nie genug um sie kümmern, sie hätten leicht unter die Räder kommen können, und wir haben gesunde, muntere Enkel. Wahr ist auch, dass Horst durch seine Allergie ein Leben lang leiden musste, aber nun ist er gesund. Es geht ihm gut.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass es meiner Familie gut geht, dass nicht Kriegsberichte und Katastrophen die Nachrichten beherrschen und, last but not least, ich nicht alles aburteile, was nicht meiner Vorstellung von Recht und Ordnung entspricht. Dass ich gütiger und verständnisvoller werde und nicht nachtragend und vorwurfsvoll, was die Ursache allen Übels ist.

Einige Begebenheiten in meinem Leben sind sicher erwähnenswert, eine davon will ich gern erzählen, weil sie einen Einblick in die damalige Zeit erlaubt:

Horst und ich, blutjung und frisch verheiratet, waren wegen der Arbeit nach München gekommen, wohlwissend, dass München ein teures Pflaster ist und bittere Wohnungsknappheit herrscht.

Wir fanden in der Innenstadt eine winzige Einzimmerwohnung, die eigentlich für uns trotz der guten Jobs, die wir gefunden hatten, unerschwinglich war. Aber alles war gut, auch als wir ein Töchterchen bekamen. Als sich ein zweites Kind ansagte, bemühte sich Horst im Münchner Wohnungsamt um eine größere Wohnung. Man hatte ein Einsehen, es wurde uns in einem Münchner Vorort, in einem Neubaugebiet, im Erdgeschoss eines Wohnblocks eine erschwingliche Zweizimmerwohnung zugewiesen. Sie hatte eine Küche, ein Wannenbad, im Keller einen Waschsalon, sogar ein Gärtchen und gute Verkehrsanbindungen in die Innenstadt.

Der Winter 1962-63 war besonders hart und schneereich. Horst war oft in Oberbayern auf Montage unterwegs und ich allein mit unserer neun Monate alten Tochter.

In dieser Januarnacht war sie sehr unruhig, dementsprechend gerädert war ich am Morgen. Draußen war es noch stockdunkel, als ich mich mit ihr im Kinderwagen auf den Weg zur Kinderkrippe machte, zum Glück hatten wir eine in der Nähe gefunden. Das erwies sich allerdings an diesem Morgen als schier unmöglich, denn der Schnee lag meterhoch und die Räumfahrzeuge der Stadt waren noch nicht hier, im Außenbereich von München gewesen. Hausmeister und Anwohner schaufelten Gehwege und Zufahrten, wo immer sie welche vermuteten, und ihre Autos so gut es ging frei, jeder musste schauen, wo er blieb.

Ich versuchte mit dem Kinderwagen durchzukommen, schob ihn keuchend und schwitzend auf notdürftig geräumten Gehwegen und konnte endlich mein Kind in der Krippe abgeben.

Bei der Trambahnstation standen Trauben von verstörten, ratlosen Menschen, von einer Trambahn aber keine Spur, an einen regulären Fahrplan war natürlich nicht zu denken. Endlich erschien eine und hielt an, heftiges Gedränge, Schubsen, Schimpfen, Fluchen. Kurz darauf kam auch meine, ich konnte mich mit Mühe gerade noch mit hineinzwängen. Mit circa zwei Stunden Verspätung betätigte ich mit vielen anderen Firmenmitgliedern endlich eine der Stechuhren in der Eingangshalle des Herrenbekleidungsherstellers am Rosenheimplatz und konnte mich wie die anderen zu meinem Arbeitsplatz begeben, pünktlich war an diesem Tag niemand. Als bekannt wurde, dass die verlorene Zeit nicht von den Gehältern abgezogen werden würde, beruhigten sich die Gemüter.

Ja, und dann auch noch das Unglück mit der Schere.

Ich durfte wegen meiner Näherfahrung als Springerin arbeiten, worauf ich stolz war, denn nur die besten Näher und Näherinnen wurden als solche eingesetzt und verdienten entsprechend mehr, als die anderen. Überall dort, wo ein Näher oder eine Näherin wegen Krankheit oder Urlaub ausfiel, wurden Springer eingesetzt.

Ich kann nicht mehr sagen, wo ich an diesem Tag landete, nur dass die Schere an dem mir zugewiesenem Arbeitsplatz nichts taugte. Ich rief den Vorarbeiter, er hörte mich, brachte mir aber keine scharfe Schere. Ich kam in Verzug, wurde nervös, es war undenkbar im laufenden Prozess den Akkord nicht zu halten. Ich kam ins Schludern, riss die Fäden mehr aus, als dass ich sie abschnitt, meine Arbeit wurde unsauber, die Kollegen riefen den Vorarbeiter. Das Chaos war perfekt, der Arbeitsablauf gestört, ich wurde durch eine andere Näherin ersetzt und in das Büro des Abteilungsleiters beordert.

Mir war klar, wenn ich diesen Job verliere, können wir aufstecken, dann waren wir samt Kind und Ungeborenem erledigt. Mit steifen Knien und trockener Kehle ließ ich die Verwarnungen über mich ergehen. „Wenn Sie sich nicht mehr bemühen“, hieß es, „können wir Sie nicht weiterbeschäftigen, zumindest nicht als Springerin.“

Nun, ich durfte mich neu bewähren, was ein großes Glück war, denn Arbeitsplätze waren heiß umkämpft, damals in München.

Stolpersteine.

In der Zauberschneiderei.

„Das Kleid des Lebens“, steht an der Pforte.

Zögernd zieh ich an der Glocke.

Eine Frau, geheimnisvoll und fein,

bittet mich herein.

Im Schneiderraum, den wir betreten,

erwachen Kostüme nun zum Leben.

Ein Stier mit mächtigen Hörnern,

lässt ein drohendes Schnauben hören.

Ein Tiger bleckt fauchend die Zähne,

Meerfrauen heben tankbedeckte Hände,

Schachfiguren, überdimensional,

schieben sich heran.

Die Meisterin steht gelassen,

vor aufgetürmten Stoffballen.

Nimmt Maß an mir, wählt einen Stoff,

schneidet, heftet Nadeln da und dort,

holt Garne, Bänder, feine Spitzen,

lässt ein Eisen dampfend schwitzen,

bemerkt auf einmal meine Angst,

sie lächelt still und sagt:

„Nur Mut, hier haben sie keine Macht.

Doch losgelöst und unbewacht,

rauben sie Glück und Seligkeit,

bedrängen dich mit Gier und Neid.

Geh‘ nun frisch und fromm an‘s Werk,

ertrag‘ geduldig Schmach und Schmerz.

Gelingt dein Werk, bist du gereift

und für dein Glück bereit.“

Ich nähe, stech mir die Finger wund,

durchforsche meinen Herzensgrund

nach den erstrebenswertesten Dingen,

die ich schon immer wollt‘ erringen.

„Erfolg“, denk ich, „sich nicht plagen,

nie enttäuscht sein, alles haben,

Menschen tun, was ich befehle,

das ist das Glück, das ich anstrebe.“

Am dritten Tag ist es soweit,

ich zieh es an, mein neues Kleid.

Die Anfechtungen, einst voller Graus,

verweh‘n als übler Schwefelhauch.

„Das ist gut“, ruf ich befreit,

„nie mehr sollt ihr Ballast mir sein.

Ich will ein gutes, schönes Leben,

will Freude haben und Freude geben.“

Den Stoff für das spezielle Kleid,

kannst du nicht kaufen, tut mir leid.

Du webst ihn selbst, stets aufs Neu,

aus Fleiß, Mitgefühl und Treu,

veredelst ihn mit Toleranz und Mut.

Er kleidet jeden Menschen gut.

Eine Bluse, nett anzusehen,

mit einer Reihe Knöpfe versehen,

aus Perlmutt, alle gleich edel und groß,

ein schöner Blickfang, zweifellos.

Der oberste trägt mit Stolz und Würde,

die größte Verantwortung und Bürde.

Er darf nicht wanken und lockerlassen

und seinen Platz niemals verlassen.

Der zweite Knopf es besser fände,

wenn er an erster Stelle wäre.

Der dritte indessen pflichtbewusst,

verrichtet zuverlässig, was er muss.

Der vierte belächelt schadenfroh,

den letzten Knopf, irgendwo