Allison Leigh, Laura Marie Altom, Trish Milburn

BIANCA EXKLUSIV BAND 328

IMPRESSUM

BIANCA EXKLUSIV erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
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Erste Neuauflage in der Reihe BIANCA EXKLUSIV
Band 328 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2010 by Allison Lee Johnson
Originaltitel: „Once Upon A Proposal“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Stephanie Thoma-Kellner
Deutsche Erstausgabe 2012 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe BIANCA, Band 1849

© 2008 by Laura Marie Altom
Originaltitel: „Three Boys And A Baby“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Patrick Hansen
Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe BIANCA, Band 1796

© 2009 by Trish Milburn
Originaltitel: „Her Very Own Family“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Renate Körting
Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe BIANCA, Band 1788

Abbildungen: Ivanko80 / shutterstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733748814

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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Wie ein Wirbelwind in meinem Herzen

PROLOG

„Corny, ich verspreche, dass ich mich nicht mehr in die Angelegenheiten der Jungs einmische.“ Harrison Hunt saß mit dem Telefon in der Hand am Schreibtisch im obersten Stockwerk des HuntCom-Gebäudes in Seattle. Inzwischen war er nicht mehr der Chef des Computerunternehmens, das er vor vielen Jahren mit seinem besten Freund George Fairchild gegründet hatte. Heute leitete sein ältester Sohn Grayson die Firma. Aber Harry hatte immer noch dieses Büro.

Denn natürlich mischte er nach wie vor mit – wenn auch nur, um Gray auf Trab zu halten.

„Lüg mich nicht an, Harry“, sagte Cornelia Fairchild. Sie war die Witwe seines besten Freundes. „Ich habe mich heute mit Amelia zum Lunch getroffen.“

Amelia war Grays Ehefrau. Harry nahm ein Foto in die Hand, das Amelia und Gray mit ihren Kindern zeigte. „Ich habe doch nur angedeutet, dass Gray nicht mehr der Jüngste ist. Wenn sie noch ein Baby wollen, sollten sie sich beeilen. Das stimmt ja wohl, oder?“ Er stellte das Bild wieder zu den anderen.

„Aber das ist nicht deine Angelegenheit“, sagte Cornelia. „Lass deine Söhne in Frieden, Harry. Sie haben sich nette Frauen ausgesucht und sind jetzt glücklich.“

„Ja, das sind sie“, stimmte Harry zu. Der Familienzuwachs stellte das unter Beweis. Er hatte sich immer Enkelkinder gewünscht. Und jetzt hatte er welche.

Nun konnte er endlich zufrieden sein. Oder nicht?

Er änderte die Taktik. „Wie geht’s den Mädchen?“

„Wunderbar“, sagte Cornelia sogleich. „Georgie hat viel Spaß an ihrer Zusammenarbeit mit Alex und den vielen Reisen. Frankie hat mehr an der Uni zu tun als je zuvor. Und Tommi arbeitet Tag und Nacht in ihrem Bistro.“

„Und Bobbie? Ich hoffe, sie trauert diesem Idioten nicht mehr nach, der mit ihr Schluss gemacht hat.“ Bobbie war die jüngste Tochter. Harry wusste genau, dass er sie wahrscheinlich öfter sah als Corny. Denn Bobbie arbeitete in einem Kaffeeladen und brachte ihm mindestens zweimal in der Woche einen richtig starken Kaffee vorbei.

„Gott sei Dank. Die Hunde halten sie auf Trab. Dabei kann sie kaum das Futter bezahlen.“

„Du brauchst nur ein Wort zu sagen, Corny. Dann muss keine deiner Töchter je wieder arbeiten.“ Dabei handelte es sich um einen alten Streit; inzwischen hoffte Harry nicht mehr, sich durchzusetzen.

Als bei Georges Tod all seine finanziellen Probleme ans Tageslicht gekommen waren, hatte Corny darauf bestanden, allein damit fertig zu werden. Trotz aller Schwierigkeiten hatte sie sich gut um ihre Töchter gekümmert. Harry war auf die Mädchen genauso stolz wie auf seine Söhne. Aber er durfte ihnen nur selten etwas schenken.

Allerdings schaffte er es hin und wieder, Corny auszutricksen. Zum Schulabschluss hatte er jedem Mädchen eine beträchtliche Summe Geld überwiesen. Und Sitze im Aufsichtsrat. Denn wenn ihr Vater nicht fast sein ganzes Vermögen verspielt hätte, hätten sie ein Recht darauf gehabt.

„Fang mit dem Thema gar nicht erst an, Harrison Hunt“, sagte Corny. „Außerdem geht es den Mädchen gut. Sie sind zwar noch Single, aber vermutlich sollte ich mich darüber nicht beschweren. Sie wollen das eben so.“

„Da folgen sie dem Beispiel ihrer Mutter“, erklärte Harry. Cornelia hatte nach Georges Tod nicht wieder geheiratet.

„Ich will, dass meine Töchter ein erfülltes Leben führen. Ein Leben, das sie sich selbst ausgesucht haben“, gab Cornelia zurück.

Harry war bei seinen Söhnen nicht so zurückhaltend. Er hatte ihnen mit Enterbung gedroht, wenn sie nicht innerhalb von zwölf Monaten heirateten und eine Familie gründeten. „Willst du mir wirklich weismachen, dass du keine Enkelkinder im Arm halten willst, bevor du stirbst?“

Corny unterdrückte ein Lachen. „Musst du mich wirklich daran erinnern, wie alt ich bin?“

Er lächelte und betrachtete das Foto von Grays und Amelias Hochzeit. Aber auf dem Bild war nicht sein Sohn mit seiner Braut zu sehen, sondern Cornelia. Schlank und blond hatte sie in ihrem blassgoldenen Kleid so wunderschön ausgesehen wie in ihrer Jugend. „Dafür sind Freunde doch da.“

Sie lachte wieder, und Harry lächelte immer noch, als er aufgelegt hatte. Ein paar Minuten später steckte eine junge Frau mit braunen Korkenzieherlocken den Kopf zur Tür herein. Bobbie brachte ihm mal wieder einen Riesenbecher Kaffee vorbei.

Wie oft hatte er sich gewünscht, dass Cornys Träume in Erfüllung gehen würden?

Er winkte die jüngste Tochter seiner besten Freundin herein. Auf einmal hatte er eine Idee. Er hatte es doch geschafft, seine Söhne unter die Haube zu bringen.

Warum sollte das nicht auch bei Cornys Töchtern klappen?

Er grinste breit, als Bobbie hereinkam.

Dafür sind Freunde doch da. Oder?

1. KAPITEL

„Küss mich.“

Auf der Türschwelle des Kutscherhauses stand eine zierliche Frau mit brauner Lockenmähne. Gabriel Gannon starrte sie an. „Wie bitte …?“

Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Die junge Frau zog ihn so heftig an sich, dass er sich vor Überraschung nicht wehrte.

Sie presste die Lippen an seinen Mund. „Küss mich“, murmelte sie. „Und um Himmels willen, zieh eine gute Show ab.“

Eine gute Show? Er legte er die Hände um ihre Taille. Natürlich hatte er die Frau schon mal gesehen. Sie war die neue Mieterin. Seine Großmutter – Fiona Gannon – hatte die alte Remise auf ihrem Anwesen in Seattle an sie vermietet.

Es kostete ihn seine ganze Willenskraft, der Frau nicht über die Hüften zu streicheln, die Hände auf ihren Po zu legen und sie noch enger an sich zu ziehen. Oder sie mit dem Rücken gegen die geöffnete Haustür zu drücken. Die Tür, die er eigentlich gerade reparieren sollte. Und dafür zu sorgen, dass die Show erst richtig gut wurde …

Sie stieß einen gedämpften Seufzer aus und öffnete den Mund. Gleichzeitig zerzauste sie ihm das Haar. Sogar durch die Kleidung hindurch konnte er ihre Brüste spüren – und wie ihr Herz raste.

Er konnte nur noch an eines denken: Wo war das nächste Bett? Oder ein Sofa. Oder der Fußboden.

Er machte einen Schritt. Dann noch einen. Über die Türschwelle.

„Bobbie?“, fragte jemand hinter ihm. „Was ist hier los?“

Mühsam riss Gabe sich von der Küsserin los. Aus grauen Augen mit überaus langen Wimpern warf sie ihm einen überraschten Blick zu. Dann blinzelte sie und drehte sich zu dem Mann um, der sie unterbrochen hatte.

„Tim.“ Ihre Begrüßung klang so atemlos, wie Gabe sich fühlte. „Was machst du denn hier?“

Gabe schaffte es nicht, sich von der Stelle zu rühren. Erstens hatte sie immer noch den Arm um ihn gelegt und presste sich mit ihren wunderbaren Rundungen so eng an ihn, dass er fast den Verstand verlor. Und zweitens war er nicht besonders scharf darauf, einem Fremden gegenüberzutreten, während ihm die Jeans im Schritt unangenehm eng war.

„Ich habe dir Blumen gebracht“, sagte der Typ – Tim – und quetschte einen Strauß zwischen Gabe und dem Türrahmen hindurch.

„Oh.“ Bobbie ließ Gabe los, um den Strauß zu nehmen. Er nutzte die Gelegenheit und machte einen Schritt rückwärts. Aber mit der freien Hand hielt sie ihn immer noch krampfhaft fest. „Das ist wirklich lieb von dir.“

So wie sie bei diesen Worten die Fingernägel in seine Handfläche bohrte, hatte er da gewisse Zweifel. Im Schutz der Blumen warf sie ihm einen panischen Blick zu. Gabe verspannte sich. Diesmal hatte das allerdings nichts mit den ersten Regungen von Lust und Leidenschaft seit Jahren zu tun.

Er wandte sich dem Eindringling zu und legte gleichzeitig wie selbstverständlich den Arm um Bobbies Schultern.

Tim wirkte nicht sehr bedrohlich. Braunes Haar. Braune Augen. Zerknitterte beigefarbene Hosen und ein marineblauer Pullover.

Aber Bobbie hatte wirklich Angst. Kein Zweifel. Deshalb zog Gabe sie besitzergreifend an sich. Das konnte dem anderen nicht entgehen. „Wer ist das, Süße?“

„Tim. Tim Boering.“ Der Mann streckte die Hand aus. Offensichtlich ließ er sich nicht so leicht abschrecken, wie Gabe gehofft hatte. „Und Sie?“

„Das … das ist Gabriel Gannon“, sagte Bobbie endlich. Sie versuchte fröhlich zu klingen, aber ihre melodische Stimme hörte sich schrill und fast erstickt an. „Gabriel, Tim ist … ein Freund von Onkel Harry.“

Gabe nickte. Als ob er wusste, wer in aller Welt ihr Onkel war.

„Nicht nur ein Freund von Mr. Hunt, hoffe ich.“ Tim sah Gabe mit zusammengekniffenen Augen an, bevor er Bobbie ein gewinnendes Lächeln schenkte. „Wir haben doch letztes Wochenende einen wunderbaren Tag zusammen verbracht.“

„Nur ein bisschen Sightseeing“, unterbrach Bobbie ihn. „Onkel Harry hat mich gebeten, Tim die Stadt zu zeigen, weil er gerade erst hergezogen ist aus …“ Sie verstummte und sah Tim fragend an.

„Aus Minneapolis“, sagte Tim. Sein Blick sagte eindeutig, dass er in Gabe einen Konkurrenten sah. „Sie sind wohl ein alter Freund von Bobbie?“

Gabe lächelte. Die Anspielung auf sein Alter, er war offensichtlich älter als Tim – und Bobbie! – amüsierte ihn. Wieder sah sie mit flehendem Augenaufschlag zu ihm auf. „So was in der Art“, murmelte Gabe mit leiser Stimme … und intimem Tonfall.

Ihre Augen weiteten sich. Das kühle, angsterfüllte Grau wurde warm und weich. Dann blinzelte sie plötzlich und schaute weg. Sie fuhr sich mit der Zunge über die verführerisch geschwungenen Lippen und errötete.

„Ach so“, sagte Tim langsam. „Vielleicht kann ich dich ja bei Gelegenheit mal anrufen.“

Unschlüssigkeit zählte nicht zu Tims Charaktereigenschaften.

Bobbie schien nicht mehr zu wissen, was sie sagen sollte. „Ich, also, ich …“

Tim schaute von Bobbie zu Gabe und wieder zurück. „Ich wollte wirklich nicht aufdringlich sein. Mr. Hunt hat nur den Eindruck erweckt, dass du zurzeit Single bist.“ Beim Lächeln zeigte er sämtliche Zähne. „Letztes Wochenende hat das auf mich auch so gewirkt.“

Gabe dachte an die Tür, die er reparieren musste, bevor er seine Kinder abholen konnte. Wenn Bobbie den Kerl nicht bald loswurde, würde das alles mehr Zeit kosten, als er hatte.

„Dafür dürfen Sie mir die Schuld geben“, sagte er gleichmütig. Mit einem Finger hob er Bobbies Kinn an. „Ein Missverständnis, fürchte ich.“

Er senkte den Kopf und küsste sie.

Als er wieder aufsah, glitzerten ihre grauen Augen silbrig. Er hatte noch nie eine Frau mit so ausdrucksvollen Augen gekannt. Faszinierend. Jedenfalls für einen Mann, der Zeit für so etwas hatte.

Und die hatte er nicht.

Er streichelte mit dem Daumen über die Lippen, die er gerade geküsst hatte. Einzig und allein, um für Tim eine gute Show abzuliefern. Nicht einmal sich selbst gegenüber würde er zugeben, dass er dabei so etwas wie Bedauern verspürte. „Aber jetzt ist alles wieder gut, oder?“

Sie nickte hastig. „Oh ja. Wir … also, in guten und in schlechten Zeiten und so weiter.“ Sie errötete noch mehr, als sie Tim anstrahlte.

„Ich verstehe.“ Tims Lächeln gefror. „Na dann, herzlichen Glückwunsch.“ Er nickte Gabe kurz zu, und dann drehte er sich auf dem Absatz um.

Gabe beugte sich über Bobbies braune Lockenmähne. „Du willst ihm wohl nicht nachlaufen und ihn aufhalten?“

Sie seufzte lautlos und schaute zu ihm auf. „Ich … nein.“ Sie presste die Lippen zusammen. Weich und rosig. Sanft gerundet.

Und jetzt wusste er, dass sie süßer schmeckten als Erdbeeren im Sommer.

Er musste sich beherrschen, um Bobbie nicht noch mal zu küssen. Stattdessen lehnte er sich an den Türrahmen und deutete mit einem Kopfnicken auf die Blumen. „Erinnere mich daran, dir nie Rosen zu schenken.“

Wieder wurde sie rot und starrte den Strauß an, als ob sie ihn ganz vergessen hätte. „Es liegt nicht an den Rosen“, versicherte sie ihm und streichelte behutsam die rosa Blüten. „Ich mag Blumen. Und das tut mir alles ja so leid.“

Das konnte Gabe von sich selbst nicht behaupten. „Von einer hübschen Frau geküsst zu werden, ist nicht das Schlimmste, was mir je passiert ist.“

Sie riss die Augen auf. Wieder fiel ihm auf, was für außergewöhnliche Augen sie hatte. Im Moment silbergrau wie ein Wintermorgen.

„Danke.“ Ein Grübchen zeigte sich in ihrer Wange und verschwand wieder.

„Nur damit ich Bescheid weiß – wenn es nicht an den Rosen liegt, was ist so schlimm an dem Typen?“

„Langweilig.“ Sie seufzte und schüttelte den Kopf, dass ihre braunen Locken nur so flogen. „Und ehrlich, ich habe ihn nicht ermutigt. Wir haben ein paar Stunden zusammen verbracht und einige Sehenswürdigkeiten abgeklappert. Seither bemühe ich mich, seinen Anrufen auszuweichen.“

„Hast du schon mal daran gedacht, ihm einfach zu sagen, dass du nicht interessiert bist?“

Sie runzelte die Stirn. „Das habe ich doch versucht!“ Sie schnaubte, als er ihr einen zweifelnden Blick zuwarf. „Wirklich. Aber das ist nicht so einfach, wie du denkst. Und ich wollte ihn nicht beleidigen. Schließlich ist er ein Freund von Onkel …“

„Harry“, beendete Gabe den Satz für sie.

„Genau.“

„Na, dann hoffe ich, dass dein Onkel Harry nicht zu viele Freunde hat, mit denen er dich verkuppeln will.“

„Nein, nein, nein.“ Ihre Locken wirbelten. „So etwas tut Onkel Harry nicht. Ich habe ihm nur einen Gefallen getan. Mehr nicht.“

„Na dann.“ Er klopfte mit dem Stiel seines Hammers an den Türrahmen. „Richte deinem Onkel Harry meinen Dank aus. Wer auch immer Onkel Harry ist.“

Diesmal lief sie hochrot an. „Alles in allem bist du wirklich äußerst galant.“

„Das würde meine Großmutter auch von mir erwarten“, versicherte er ihr trocken.

„Stimmt. Fiona hat mir von dir erzählt. Aber wir sind uns noch nicht offiziell vorgestellt worden.“ Sie nahm die Blumen unter den Arm und streckte die Hand aus. „Ich bin Bobbie Fairchild.“

Er nahm ihre Hand. „Gabe Gannon. Es war schön, Sie zu küssen, Bobbie Fairchild.“

Sie lachte. „Ich habe es wohl verdient, dass du mich jetzt aufziehst.“

Wenn er lange genug damit fortfuhr, konnte er vielleicht vergessen, wie köstlich ihre Lippen schmeckten. Was wahrscheinlich das Klügste wäre. Denn zum einen hatte er wirklich Wichtigeres zu tun, als sein erbärmliches Liebesleben zu reaktivieren. Und zum anderen hatte seine Großmutter Bobbie offensichtlich unter ihre Fittiche genommen. Warum hätte sie das Kutscherhaus sonst plötzlich so günstig vermietet?

Geld brauchte seine Großmutter jedenfalls nicht. Außerdem war das besagte Gebäude nicht gerade in gutem Zustand. Gabe wusste nicht, wann das letzte Mal jemand dort gewohnt hatte.

Was ihn wiederum an die Tür erinnerte. „Meine Großmutter hat mich gebeten, die Tür zu reparieren. Klemmt wohl?“

„Wenn sie nicht klemmt, lässt sie sich nicht abschließen.“ Bobbie war dankbar, nicht mehr daran denken zu müssen, dass sie praktisch über den armen Mann hergefallen war. Aber als Tim Boering mit Rosen in der Hand und einer entschlossenen Miene auf sie zugekommen war, da war sie einfach in Panik geraten.

Nicht mal ein Wink mit dem Zaunpfahl hatte den Mann davon überzeugt, dass sie kein Interesse an ihm hatte. Als dann dieser hochgewachsene, äußerst maskuline Typ vor ihrer Tür stand, hatte sie spontan beschlossen, Tim zu zeigen, dass sie nicht interessiert war.

Ihr Herz raste immer noch.

Dann wurde ihr mit einiger Verspätung klar, dass Gabriel Gannon darauf wartete, dass sie etwas sagte.

Die Tür. Ach ja.

Ihr Gesicht glühte. „Neulich konnte ich die Tür überhaupt nicht mehr bewegen. Ich musste aus dem Fenster klettern, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.“

Er war höflich genug, nicht zu lachen. Auch wenn er innerlich grinste. „Kann ich mir lebhaft vorstellen. Die Tür war schon verzogen, als ich noch ein kleiner Junge war.“ Er fuhr mit seinen langen Fingern die Türkante entlang. Sein Blick – aus diesen unglaublich blauen Augen – war jedoch auf sie gerichtet. „Du arbeitest für meine Großmutter, stimmt’s?“

„Du meinst für ‚Golden Ability‘?“ Das war eine Hundevermittlung für Behindertenhunde. Fiona hatte die kleine Wohltätigkeitsorganisation vor langer Zeit gegründet und leitete sie immer noch. „Da helfe ich nur ehrenamtlich aus. Ich arbeite bei ‚Between the Bean‘, einem Kaffeeladen in der Stadt.“ Das war allerdings nur der letzte Aushilfsjob in einer langen Reihe von Minijobs. Aber das musste sie ihm ja nicht auf die Nase binden.

„Inwiefern hilfst du da aus?“ Er wandte sich von der Tür ab und kam herein.

„Ich kümmere mich um die Aufzucht von Welpen.“ Sie ließ die Rosen auf den schmalen Tisch fallen, auf dem sie Post und Schlüssel und Hundespielzeug sammelte. Inzwischen hatte er einen großen Schraubenzieher aus der hinteren Hosentasche gezogen und klopfte die Türangeln ab. „Das mache ich jetzt schon zehn Jahre.“ So lange hatte sie sonst noch nichts in ihrem Leben durchgehalten.

„Irgendwie habe ich gedacht, dass du bei ihr im Büro arbeitest.“ Jetzt hatte Gabe die Angeln gelöst. Er steckte den Schraubenzieher wieder in die Hosentasche. Dann packte er die schwere Holztür und hob sie einfach so aus den Angeln.

„Na ja, ich helfe ihr hin und wieder im Büro, wenn Not am Mann ist.“ Ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie das Spiel seiner Muskeln unter dem engen weißen T-Shirt fasziniert beobachtete. Hastig wich sie aus, als er die Tür kippte. Dann trug er sie nach draußen und die Treppe hinunter. Schließlich lehnte er sie an das Verandageländer. „Was stellst du jetzt damit an?“

„Ich schleife die Kanten ab.“ Er warf einen Blick auf die robuste Armbanduhr an seinem Handgelenk. „Dauert nicht lange.“

„Lieber Himmel.“ Sie rannte die Treppe hinunter und nahm seine Hand, um auf die Uhr zu sehen. „Jetzt habe ich die Zeit völlig aus den Augen verloren. Ich muss doch zum Kurs!“

Sie eilte zurück ins Haus und in die Küche, wo sich die Boxen der Welpen befanden. Sogar wenn sie zu Hause war, schliefen die Hunde lieber dort. Aber sobald sie Bobbie hörten, waren die beiden vierzehn Monate alten Golden Retriever auf den Pfoten. Im Kreis rannten sie um Bobbie herum.

Sie nahm die Leinen vom Haken an der Wand und holte das Welpengeschirr hervor, das die Hunde trugen, wenn sie mit ihnen in der Öffentlichkeit unterwegs war. Schnell hatte sie die beiden angeleint.

Die ganze Prozedur dauerte nur ein paar Sekunden. Trotzdem zogen die beiden aufgeregten jungen Hunde sie beinahe hinter sich her, als sie über den Holzfußboden zur Tür schlitterten. Draußen hatte Bobbie die beiden jedoch wieder unter Kontrolle. Die Hunde warteten gehorsam, bis sie ihnen erlaubte, die Büsche zu beschnuppern.

„Schöne Tiere“, meinte Gabriel.

„Ja, das sind sie wirklich.“ Sie ging in die Hocke. Liebevoll kraulte sie die goldene Mähne von Zeus. Genießerisch verdrehte der Hund regelrecht die Augen. Archimedes hatte es nicht so eilig damit, ihre Aufmerksamkeit zu erheischen. Aber das überraschte Bobbie nicht. „Zeus ist ein kleines Schmusetier.“ Sie klopfte ihm auf den Rücken und deutete mit einer Kopfbewegung auf den anderen Hund. „Archimedes da drüben ist ein Entdecker.“

Der Entdecker hatte die Azaleen jetzt genug beschnüffelt und wandte sich nun der Tür zu, die sich definitiv nicht an ihrem gewohnten Platz befand.

Er winselte und lief dann zu Bobbie. Offensichtlich war er jetzt bereit für seinen Anteil Streicheleinheiten. Denn er stemmte die überdimensionalen Vorderpfoten gegen ihre Oberschenkel und warf sie so beinahe um. Sie lachte und gewann das Gleichgewicht genau in dem Augenblick wieder, als Gabriel die Hand ausstreckte, um sie festzuhalten.

„Alles okay?“

„Ja, klar.“ Abgesehen davon, dass ihr ganzer Arm von dieser kleinen Berührung kribbelte. „Ich kümmere mich jetzt schon seit Jahren um junge Hunde. Da bin ich an so etwas gewöhnt.“ Sie entfernte sich ein paar Schritte von ihm, um wieder normal atmen zu können.

Aber er überquerte bereits den Rasen auf dem Weg zu einem großen dunkelblauen Pick-up-Truck, der in der Auffahrt stand. Ein Schild auf der Tür verriet den Namen von Gabes Firma: „Gannon-Morris Ltd“.

„Auf geht’s, Jungs“, befahl sie den Hunden, als sie Gabe folgte. „Kommst du zurecht, wenn ich dich allein lasse?“

Er zerrte eine große rote Werkzeugkiste von der Ladefläche. „Ich glaube, das schaffe ich.“

„Klar.“

Seine Mundwinkel zuckten, während er sie dabei beobachtete, wie sie einfach nur dastand. „Ich habe gedacht, du musst zu einem Kurs?“

„Mist.“ Sie wurde schon wieder rot. „Muss ich auch. Gehorsamkeitstraining, um genau zu sein. Im Park am anderen Ende der Straße. Danke, dass du die Tür reparierst. Und danke für … du weißt schon …“

„Die gute Show?“ Sein Blick traf sie. Diesmal bekam sie nicht nur heiße Wangen. Die Hitze durchströmte ihren ganzen Körper.

Aber Zeus und Archimedes zerrten an der Leine. Sie wussten genau, dass ein Spaziergang bevorstand.

„Ja“, murmelte sie. Langsam folgte sie den Hunden in Richtung Straße. „Eine ganz tolle Show.“

Wenigstens konnte sie sich so einreden, dass sie nur deswegen Herzklopfen hatte, weil sie hinter den Hunden herrennen musste.

2. KAPITEL

„Hallo, Grandma!“ Einige Stunden später war Gabe fast fertig mit den Reparaturen. Er betrat das Haus seiner Großmutter durch die Waschküche. Dann winkte er seinen Sohn und seine Tochter voran, während er mit der schweren Werkzeugkiste folgte.

„Ich verstehe nicht, warum wir nicht zu Hause bleiben können“, sagte Lisette. „Mit zwölf bin ich alt genug, um auf Todd aufzupassen.“

„Ich brauche keinen Babysitter“, widersprach Todd bissig. Er war zwei Jahre jünger als seine Schwester. Wenn er im Haus war, hatte er nur ein Ziel: Fionas Kühlschrank. „Ich habe Hunger.“

„Du hast immer Hunger“, sagte Lisette.

Gabe legte ihr sanft die Hand an den Nacken. „Du solltest auch etwas essen“, sagte er und schaffte es, nicht hinzuzufügen: „Du bist zu dünn.“

„Ich bin nicht hungrig.“ Die Antwort hatte er erwartet. Bedauerlicherweise auch, wie sie sich ihm entzog und auf Abstand ging.

Er unterdrückte ein Seufzen und stellte die Werkzeugkiste ab. „Dann hilf deinem Bruder. Und wenn es dir nicht zu viel wird, machst du mir auch ein Sandwich. Ich sehe mich mal nach eurer Urgroßmutter um.“ Ohne auf Widerspruch zu warten, ging er ins Arbeitszimmer seiner Großmutter. Aber sie saß nicht an dem massiven Schreibtisch, der einmal seinem Großvater gehört hatte. Sie war auch nicht im Wintergarten bei ihren Orchideen.

Im oberen Stockwerk fand er seine fast fünfundachtzigjährige Großmutter endlich. Sie stand ganz oben auf einer zwei Meter hohen Leiter. Von dort aus versuchte sie mit einem Staubwedel den riesigen Kronleuchter abzustauben, der über der Eingangshalle hing.

„Grandma“, sagte er mit ruhiger Stimme, weil er sie auf keinen Fall erschrecken wollte. Allerdings musste er sich am Treppengeländer festkrallen, um langsam zu gehen und nicht nach oben zu rennen. „Du hast doch gesagt, dass du jemanden bestellt hast, um den Leuchter zu putzen.“

„Oh ja.“ Sie beugte sich gefährlich weit über die Brüstung. Die Lampe knirschte und schwankte. „Aber der arme Mann von Rosalie ist verhaftet worden. Unter den Umständen konnte sie natürlich nicht kommen.“

Gabe stieß einen lang gezogenen Seufzer aus. „Warum hast du dich dann nicht um Ersatz gekümmert? Oder wenigstens auf mich gewartet? Du hast doch gewusst, dass ich heute hier bin.“ Er hatte die Leiter erreicht, legte seiner Großmutter die Hände um die Taille und hob sie einfach herunter.

„Gabriel!“ Sie schlug mit dem Staubwedel nach ihm. „Lass mich sofort los!“

„Bin schon …“ Er nieste gewaltig. „… dabei.“ In sicherer Entfernung von der Leiter setzte er sie ab. Er nieste noch mal. „Wie viel Staub war denn da drauf?“

„Jede Menge“, sagte sie forsch. „Darum musste das ja auch gemacht werden.“ Gabe nahm ihr den Wedel aus der Hand. „Ich erledige den Rest.“

„Mach dich nicht lächerlich. Ich habe gedacht, dass Lisette und Todd heute Nachmittag bei dir sind.“

„Ja. Im Augenblick räumen die beiden deine Küche aus.“

Seine Großmutter strahlte. „Dann hast du sie mitgebracht? Wunderbar. Für wie lange?“

„Nicht lange genug.“ Er verzog das Gesicht. „Ich habe versucht, Stephanie zu überreden, sie über Nacht bei mir zu lassen. Aber …“ Er schüttelte den Kopf.

Fiona rümpfte die Nase. „Wie immer macht sie dir so viele Schwierigkeiten wie nur möglich.“

Gabe hätte das abstreiten können. Doch wozu? Seine Großmutter wusste so gut wie der Rest seiner Familie, wie schlecht er mit seiner Exfrau auskam. Sie war jedoch so ziemlich die Einzige, die nicht ihm die Schuld dafür gab.

Jetzt tätschelte sie ihm den Arm und deutete auf die Leiter. „Bis nächstes Wochenende muss das Ding sauber sein. Für diese grauenhafte Geburtstagsfeier, auf der deine Mutter besteht.“

„Grauenhaft, weil es dein Geburtstag ist? Oder grauenhaft, weil meine Mutter die Feier organisiert?“

Seine Großmutter warf ihm einen Blick zu. „Das kannst du dir aussuchen. Hast du die Tür für Bobbie wieder hingekriegt?“

Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging die Wand entlang, um die Porträts zu begradigen, die dort hingen. Drei Generationen der Familie Gannon. Und niemand, der wie Gabe ein einfacher Handwerker war.

„Ja.“ Er kletterte die Leiter hoch, um das Werk seiner Großmutter zu vollenden. „Ich tausche aber noch das Schloss aus. Sie hat gesagt, dass sie damit auch Schwierigkeiten gehabt hat.“

„Dann hast du sie also getroffen.“

„Ja, wir sind uns über den Weg gelaufen.“ Eine Untertreibung, wie sie im Buche steht, dachte er.

„Was hältst du von ihr?“ Seine Großmutter blieb vor dem Bild ihres Ehemanns stehen und legte den weißhaarigen Kopf schräg, als sie eine Ecke des Bilderrahmens antippte. „Sie ist ein wunderbares Mädchen.“

Das „Mädchen“ hatte sich in seinen Armen wie eine wunderbare Frau angefühlt. „Scheint ganz nett zu sein“, meinte er. Noch eine Untertreibung. „Sie war gerade auf dem Sprung. Musste mit den Hunden zu irgendeinem Kurs.“

„Sie leitet den Kurs, um genau zu sein. Wenn es um Hunde geht, kann sie wirklich alles.“ Offensichtlich war seine Großmutter jetzt mit den Bildern zufrieden. Sie ging zur Treppe. „Das reicht, mein Lieber. Wenn deine Mutter auf eine Leiter klettern will, um eine Feinstaubinspektion durchzuführen, kann sie das gern tun.“ Sie schüttelte den Kopf. „Als ob ich eine alberne Party brauche, um mich daran zu erinnern, wie alt ich bin.“

Sie eilte die Treppe so leichtfüßig nach unten, dass man ihr das Alter nicht ansah. „Dauert das mit dem Schloss lange genug, dass ich mir für ein Stündchen deine Kinder ausborgen kann?“

„Was hast du vor?“

Sie schwenkte unbestimmt die Hand. „Nichts weiter.“

Bei diesen Worten zog er eine Grimasse. „Das letzte Mal, als du so etwas gesagt hast, hatte ich hinterher zwei Hamster.“

„Nichts dergleichen“, versprach sie und verschwand. Dann hörte er, wie sie fröhlich seine Kinder begrüßte.

Gabe schüttelte den Kopf und kletterte von der Leiter. Weder Todd noch Lisette waren wild darauf, Zeit mit ihrem Vater zu verbringen. Aber bei ihrer Urgroßmutter waren sie gern. Dafür war Gabe dankbar. Er klappte die Leiter zusammen und trug sie und den Staubwedel nach unten, wo er beides in der vollgestopften Rumpelkammer verstaute. Seine Großmutter und die Kinder waren immer noch in der Küche.

Es überraschte ihn nicht, dass niemand ein Sandwich für ihn gemacht hatte. Wie das Gespräch verstummte, sobald er hereinkam, war nicht gerade beruhigend. „Keine Haustiere“, warnt er erneut, bevor er sich die Werkzeugkiste schnappte und zur Tür ging. „In einer Stunde bin ich fertig. Und vielleicht gehen wir dann ins Kino, in Ordnung?“

Gabe wusste, dass Stephanie und Ethan den Kindern selten erlaubten, ins Kino zu gehen. Vielleicht sollte er nicht stolz darauf sein, sie zu verwöhnen. Aber manchmal musste er eben tun, was er konnte. Seit sie sich vor acht Jahren getrennt hatten, gab es mit Stephanie nur Streit wegen der Kinder. Und jetzt ging es um alles oder nichts im Sorgerechtsstreit.

Manchmal wollte er auch einfach nur, dass die Kinder lächelten. Ihn anlächelten. „Schaut in die Zeitung wegen der Zeiten.“

Als er das Cottage erreichte, hörte er Gebell. Offensichtlich war der Kurs vorbei.

Er klopfte, und einen Augenblick später öffnete Bobbie die Tür. Sie hatte das Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt. Mit der freien Hand hielt sie Zeus am Halsband fest. Ihre dunkelbraunen Locken kringelten sich um ihre Schultern. „Hey“, sagte sie leise, vom Hörer abgewandt. „Die Tür geht jetzt wunderbar leicht.“ Sie machte die Tür auf und zu.

Er hielt das neue Schloss hoch. „Dauert nur ein paar Minuten.“

Am anderen Ende der Leitung sagte ihre Mutter etwas. Aber Bobbie hörte gar nicht zu. „Du tauschst auch noch das Schloss aus?“

Lachfältchen zeigten sich um Gabes dunkelblaue Augen. „In einer Gegend wie dieser sollte eine hübsche Frau die Haustür abschließen können.“

Sie musste lachen. Das Viertel, in dem Fiona Gannon wohnte, war nicht unbedingt berühmt für Kriminalität. Dafür war die Nachbarschaft viel zu solide.

„Bobbie?“, fragte ihre Mutter scharf. „Hörst du mir überhaupt zu?“

„Sorry, Mom. Kannst du eine Minute dranbleiben?“ Sie wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern klemmte das Telefon unter den Arm und konzentrierte sich wieder auf den gut aussehenden Enkel ihrer Vermieterin. „Das ist aber nicht nötig“, sagte sie. „Das braucht wahrscheinlich nur ein bisschen Öl oder so.“

„Das muss ersetzt werden“, versicherte er ihr. „Der Schließmechanismus ist total abgenutzt.“

„Na dann.“ Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ihr war klar, dass sie ihn anstarrte. „Das ist wirklich sehr nett von dir. Danke.“

„Wir von Gannon-Morris legen Wert auf besonderen Service.“

Ihr wurde heiß. „Da gehe ich jede Wette ein.“

„Bobbie? Roberta Nicole Fairchild!

Die Stimme kam aus dem Telefon, das sie immer noch unter dem Arm hatte. Wieder wurde ihr heiß. Diesmal, weil ihr das so peinlich war. „Entschuldige bitte“, sagte sie und wandte sich eilig ab. Sie nahm Zeus mit in die Küche. Auf ein Zeichen ging er in seine Box, drehte sich mehrmals im Kreis und ließ sich dann mit einem lauten Seufzer neben Archimedes fallen. „Sorry, Mom. Aber da war jemand an der Tür.“

Sie hörte, wie ihre Mutter seufzte. „Und du hast mir immer noch nicht geantwortet. Warum muss ich ausgerechnet von Harry erfahren, dass meine Tochter wieder verlobt ist?“ Die Stimme ihrer Mutter wurde lauter. Ein Zeichen dafür, dass sie wirklich aufgebracht war.

„Ich bin nicht …“ Sie brach ab. Dann flüsterte sie: „Ich bin nicht verlobt.“

„Warum ist sich Harry dann so sicher, dass du es doch bist?“

Dafür konnte es nur einen Grund geben. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, warum Tim Boering die Geschichte sofort brühwarm ihrem Nennonkel aufgetischt hatte. „Das ist ein Missverständnis“, versicherte sie. Sie nahm die Rosen und warf sie in den Müll. „Glaubst du wirklich, dass ich dir von einer ernsthaften Beziehung keinen Ton sagen würde?“

Das Schweigen ihrer Mutter sagte mehr als Worte. Bobbie drückte einen Finger gegen eine schmerzende Stelle über ihrer Nasenwurzel.

„Ich bin nicht verlobt“, sagte sie leise. Schon gar nicht mit dem Mann, der gerade an ihrer Haustür arbeitete und so gut küssen konnte. Und der wahrscheinlich jedes Wort hörte, obwohl sie beinahe flüsterte.

„Eine Verlobung würde mich nicht beunruhigen, Bobbie“, entgegnete ihre Mutter. „Aber ich habe gedacht, dass du mir nichts davon gesagt hast. Ich wäre begeistert, wenn eine meiner Töchter endlich eine Familie gründen würde.“

Der Kopfschmerz wurde stärker. „Du meinst, wenn ich meinen unsteten Lebenswandel aufgeben würde.“

„So habe ich das nicht gesagt, Liebes. Und auch nicht gemeint.“

Bobbie begann, in der kleinen Küche auf und ab zu gehen. Sogar im Alter von siebenundzwanzig Jahren musste sie sich immer wieder selbst daran erinnern, dass sie nicht mehr auf das Wohlwollen ihrer Mutter angewiesen war.

Aber Theorie und Praxis lagen in dieser Beziehung eben meilenweit auseinander.

„Ich habe nicht mal einen Freund, Mom. Nicht, seit …“ Sie verstummte. Es war nicht nötig, den Satz zu beenden. Ihre Mutter wusste, was sie meinte. Gabe musste wirklich nicht mitbekommen, dass ihr Liebesleben so viel Abwechslung bot wie eine Wüste. Und zwar schon seit Anfang des Jahres. Seit Lawrence sie verlassen hatte. Für eine Frau, die sich besser an seiner Seite machen würde, wenn es mit seiner politischen Karriere steil nach oben ging.

Ihre Mutter seufzte wieder. Diesmal etwas leiser. „Na schön. Dann rufe ich Harry an und kläre den Irrtum auf.“

„Das kann ich doch machen, wenn du willst“, bot Bobbie an. Ihr Nennonkel war etwas exzentrisch, aber sie hatte eine Schwäche für ihn. Bobbies Vater war gestorben, als sie noch klein gewesen war. Seitdem war Harrison Hunt einer der wenigen Männer in ihrem Familien- und Freundeskreis.

„Ich weiß, dass er sich immer freut, von dir zu hören“, meinte ihre Mutter. „Vor allem, weil du ihm immer Kaffee ins Büro schmuggelst. Versuch erst gar nicht, das zu leugnen, Liebes. Aber morgen treffe ich mich sowieso mit Harry zum Lunch. Dann kann ich das gleich klarstellen. Wie sieht es aus? Brauchst du Haushaltsgeld? Oder einen Zuschuss zum Benzin?“

Bobbie konnte nicht anders. Erst stöhnte sie auf, dann lachte sie. „Nein, Mom. Weder noch! Ich habe einen Job, falls du das vergessen haben solltest. Ich komme allein zurecht.“

„Ja, ich weiß, dass du einen Job hast. Und wie viel Geld du für deine Hunde ausgibst. Wenn ich dich jetzt in diesem Augenblick besuchen käme, würde ich in deiner Speisekammer neben riesigen Tüten mit Hundefutter auch Essen für dich finden?“

„Ja, natürlich.“ Kindisch kreuzte sie bei dieser Lüge hinter dem Rücken die Finger. Ihre Mutter schnaubte ungläubig. „Außerdem helfe ich Tommi diese Woche im Bistro“, fügte Bobbie hinzu. „Dir sollte wirklich klar sein, dass ich nicht verhungern werde.“ Nach Bobbies Meinung war Tommi die beste Köchin der ganzen Stadt.

„Wenigstens etwas“, gab ihre Mutter zu. „Na gut. Bist du dir sicher, dass es nichts gibt, von dem ich wissen sollte?“

Hammerschläge ertönten und erinnerten Bobbie an den Mann auf der anderen Seite der Wand. „Absolut sicher.“ Sie hatte nicht vor, ihrer Mutter auf die Nase zu binden, dass sie praktisch über Gabriel Gannon hergefallen war, um den jungen Freund ihres Onkels loszuwerden. „Viele Grüße an Onkel Harry.“

Sie wartete kaum, bis ihre Mutter sich verabschiedet hatte, bevor sie auflegte. Dann ging sie wieder ins Wohnzimmer.

Gabriel kniete neben der offenen Haustür und war mit dem Schloss beschäftigt. Trotz seiner abgetragenen Jeans konnte sie erkennen, wie muskulös seine Oberschenkel waren. Vorsichtig holte sie tief Luft und rang sich ein Lächeln ab, als sein Blick sie traf. „Das war deine Mutter, nehme ich an?“

Jetzt kam sie sich mehr wie ein Schulmädchen als wie eine erwachsene Frau vor. Sie nickte, entschlossen, diesmal nicht zu erröten.

„Offenbar sprechen sich manche Neuigkeiten schnell herum.“

Jetzt wurde sie doch rot. Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. „Ja. Das war wohl nicht zu überhören.“

„Ich habe mich bemüht, nicht zuzuhören.“ Er wirkte amüsiert. „Aber das Haus ist nicht besonders groß.“

Allmählich würde sie sich am liebsten in einem Mauseloch verkriechen. „Tut mir echt leid.“

„Warum denn?“

Sie zuckte die Schultern. „Weil ich dich da hineingezogen habe.“

„Du hast es doch schon erklärt. Das war ein Missverständnis. Kein Problem.“ Er zog eine Schraube fest, drückte mehrmals nacheinander die Klinke herunter und stand dann auf. „Und ich weiß genau, wie Mütter so sind.“ Er machte die Tür zu und drehte den Schlüssel. Mit einem leisen Klicken rastete das Schloss ein.

„Ich … sollte dich für das Schloss bezahlen.“

„Nicht nötig.“ Er schüttelte den Kopf. Dann schloss er wieder auf und öffnete die Tür. Ein Schwall kalte, feuchte Luft kam herein. „Meine Großmutter hat eine lange Liste mit Sachen, die repariert oder ersetzt werden müssen. Da macht ein Schloss mehr oder weniger keinen Unterschied.“ Er beugte sich vor, um sein Werkzeug wieder einzuräumen. Das Hemd spannte sich eng um seinen Oberkörper.

Als sie die Muskeln anstarrte, die sich unter dem weißen Baumwollstoff abzeichneten, war sie auf einmal dankbar für die frische Luft. „Ich habe Fiona gesagt, dass das nicht nötig ist. Abgesehen von der Tür ist hier alles wunderbar.“ Und die Miete war lächerlich niedrig.

„Sag das nicht“, meinte er. „Bei der Wirtschaftslage kann ich die Arbeit brauchen.“

Jetzt fühlte sie sich furchtbar und wusste nicht mehr, was sie sagen sollte.

Aber er lächelte schief. Ein Lächeln, das bei ihr ein Kribbeln im Bauch auslöste. „Das war nur ein Witz. Meiner Großmutter auszuhelfen, ist kein Problem. Und inzwischen verbringe ich so viel Zeit mit Büroarbeit, dass mir so etwas hilft, in Übung zu bleiben.“ Er hob die Werkzeugkiste hoch. „Wenn das Wetter hält, kümmere ich mich morgen um neue Dachziegel. Ansonsten ist der Fußboden von deinem Badezimmer dran.“

Auf dem Weg vor dem Haus waren Schritte zu hören. Einen Augenblick später kamen zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, auf die Veranda gestürmt.

„Wir haben einen Film ausgesucht“, sagte der Junge mit dem Wuschelhaar. „Aber der fängt in zwanzig Minuten an.“

„Und ich muss mich noch umziehen“, erklärte das Mädchen. Sie trug einen schwarzen Turnanzug mit Tutu über blassrosa Leggings. Das blonde Haar hatte sie im Nacken zu einem klassischen Knoten gebunden.

„Geht klar.“ Gabriel sah Bobbie wieder an. „Aber jetzt begrüßt ihr erst mal Miss Fairchild. Das ist meine Tochter Lisette. Und mein Sohn Todd.“

Natürlich. Er hatte ja Kinder. Fiona hatte von ihnen gesprochen. Und davon, dass Gabriel um das gemeinsame Sorgerecht für die beiden kämpfte. „Wie schön, euch kennenzulernen“, sagte sie. „Aber nennt mich bitte Bobbie.“

Die beiden Kinder hatten die gleichen strahlend blauen Augen wie ihr Vater. Gabes Haar war dunkelbraun, das der Kinder hellblond. Sogar ihre Gesichtszüge waren ganz anders, nicht so scharf geschnitten. Aber vermutlich lag das nur am Altersunterschied.

„Hi.“ Todd fand zuerst die Sprache wieder. „Solche Locken wie deine habe ich noch nie gesehen.“

„Todd!“ Lisette stöhnte.

Bobbie lachte. „Die sind schon sehr kringelig“, gab sie zu. „Ich habe mir immer Haar gewünscht wie das von deiner Schwester: glatt und blond.“

Lisette fasste unwillkürlich nach ihrem Knoten. Dann schaute sie schüchtern weg. „Meine Mom erlaubt mir nicht, es abzuschneiden.“

„Das reicht jetzt zum Thema Haar“, unterbrach Gabriel. „Steigt schon mal in den Truck, ich bin in einer Minute bei euch.“ Er lächelte Bobbie wieder an. „Wir müssen ins Kino.“

„Viel Spaß.“ Sie merkte, dass sie schon wieder seine Lippen anstarrte. „Noch mal vielen Dank.“ Sie fühlte sich merkwürdig unbehaglich. Als ob er ihre Gedanken lesen könnte.

Vielleicht konnte er das auch, denn er lächelte noch ein bisschen breiter. „Das Vergnügen lag ganz auf meiner Seite.“

Dann drehte er sich um und folgte seinen Kindern.

Zum zweiten Mal an diesem Tag ließ Gabriel Gannon Bobbie mit klopfendem Herzen zurück.

3. KAPITEL

„Einen Iced Mocha mit extra viel Sahne und einen großen Eistee.“

Bobbie sprang auf, als sie die Stimme erkannte. Sie hatte gerade im Büro das Inventar auf den neuesten Stand gebracht. Jetzt ließ sie den Papierkram liegen und warf einen Blick zur Tür hinaus.

Jawohl. Es war Gabriel. In dem weißen Hemd und der schwarzen Hose sah er viel schicker, aber kein bisschen weniger attraktiv aus als bei ihrer letzten Begegnung.

„Bobbie?“

„Gabriel.“ Sie kam aus dem Büro und stellte sich neben Doreen, die sich um seine Bestellung kümmerte. „Was für eine Überraschung.“ Sie lächelte den Jungen neben Gabriel an, der gierig die riesigen Schokoladencookies musterte. „Hallo, Todd.“

Der Junge murmelte etwas Undeutliches. „Kriege ich ein Cookie?“, fragte er.

„Deine Mutter flippt doch schon aus, wenn sie herausfindet, dass wir dir einen Mocha gekauft haben.“ Gabe gab seinem Sohn das Wechselgeld und deutete auf das altmodische Videospiel in der Ecke. „Aber du kannst eine Weile mit dem Ding da spielen.“

Das war anscheinend ein zufriedenstellender Ersatz. Todd nahm die Münzen und ging zu dem Spielautomaten. Gleich darauf untermalten elektronische Pieptöne und lautes Klingeln die hippe Musik aus dem Radio. Bobbie beobachtete, wie Doreen großzügig Sahne auf den Mocha spritzte. „Ist das für den Jungen?“, fragte Doreen. Als Gabe nickte, schob sie ihm das Teeglas hin und trug den Mocha zu Todd hinüber.

Bobbie konnte ihre Neugierde nicht mehr zügeln. „Was machst du denn hier?“

Er löffelte Zucker in seinen Tee. Dann warf er ihr einen Blick zu. Ihr fiel auf, wie unverschämt dicht seine Wimpern waren. „Einen Eistee trinken?“

„Offensichtlich.“ Sie spielte mit der Schleife ihrer dunkelbraunen Schürze. Seit er ihre Tür repariert hatte, hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Aber als sie am Vorabend nach Hause gekommen war, hatte sie festgestellt, dass er das gesprungene Linoleum in ihrem Bad durch Travertinfliesen ersetzt hatte. „Ich habe dich hier noch nie gesehen.“

„Ich musste Todd von der Schule abholen. Er geht auf die Brandlebury Academy.“

Das war eine angesehene Privatschule, an der Bobbie jeden Morgen auf dem Weg zum Kaffeeladen vorbeifuhr.

Gabe war also nicht gekommen, um sie zu sehen. Sie ärgerte sich, dass sie deswegen enttäuscht war. „Einige von Onkel Harrys Enkeln gehen da hin“, meinte sie. „Wie ich höre, ist das eine ausgezeichnete Schule.“

Gabe zog die dunkelbraunen Augenbrauen zusammen. „Bei dem Schulgeld hoffe ich das jedenfalls. Sind diese Enkel dann nicht deine Cousins?“

„Ja, ich denke schon. Aber Harry ist nicht wirklich mein Onkel. Er ist nur ein Freund der Familie.“

Doreen schnaubte leise. „Hätten wir nicht alle gern einen Freund wie Harrison Hunt?“

Gabe starrte Bobbie verblüfft an. „Harrison Hunt ist dein Onkel Harry?“

Bobbie warf Doreen einen bösen Blick zu. Doreen wusste nur über Harry Bescheid, weil Bobbie ihm immer Kaffee vorbeibrachte. Aber sie wusste auch, dass Bobbie diese Freundschaft nicht an die große Glocke hängen wollte.

Sobald jemand erfuhr, dass sie mit einem der reichsten Männer des Landes befreundet war, kamen Erwartungen auf. Sogar wenn sie geglaubt hatte, dem Betreffenden vertrauen zu können.

„Ja“, gab sie kurz angebunden zu. „Harrison Hunt ist mein Onkel Harry.“

„Das hat meine Großmutter nie erwähnt“, murmelte Gabe.

„Warum sollte sie? Es ist ja nicht so, als ob Onkel Harry – oder HuntCom – irgendetwas mit ihrer Hilfsorganisation zu tun hat.“

Gabe wirkte immer noch etwas verwundert. „So oft, wie sie über dich spricht, bin ich einfach nur überrascht, dass das noch nie zur Sprache gekommen ist.“

„Fiona redet über mich?“ Jetzt war Bobbie an der Reihe, erstaunt zu sein.

„Sie mag dich sehr“, meinte Gabe. Er trank seinen Eistee nicht mit Strohhalm, sondern direkt aus dem Glas.

„Ich mag Fiona auch sehr gern“, sagte sie ehrlich.

Er sah sie über sein Glas hinweg an. An seinen Augenwinkeln zeigten sich Lachfältchen. „Dann haben wir beide etwas gemeinsam.“

Plötzlich war sie ganz atemlos. Spontan begann sie, die Rührstäbchen und Becherdeckel auf der Theke neu anzuordnen. „Holst du deinen Sohn immer von der Schule ab?“

Die Lachfältchen waren so schnell verschwunden, dass Bobbie sich fragte, ob sie sich dieses Phänomen nur eingebildet hatte. „Nein.“

Das war alles. Einfach nur „nein“. Sie hatte das Gefühl, dass sie etwas Falsches gesagt hatte. Ohne überhaupt zu wissen, warum. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und nahm eine neue Packung Becherdeckel aus einer Schublade. „Danke, dass du das Bad hergerichtet hast. Die Fliesen sehen toll aus.“

„Die muss ich noch verfugen. Wenn es dir recht ist, komme ich Samstagvormittag vorbei.“

„Klar.“ Dabei wünschte sie sich, dass ihr Interesse an diesem Mann sich nicht bei jeder Begegnung steigerte. Sie hatte nämlich keine Lust, sich wieder mit einem Mann einzulassen. Jedenfalls nicht, solange sie nicht verwunden hatte, wie Lawrence sie betrogen und verlassen hatte.

Doreen war im Lagerraum verschwunden. Um diese Uhrzeit war der Laden noch leer. Gabe hatte seinen Tee. Sein Sohn hatte seinen Mocha. Warum waren sie immer noch hier? „Kann ich sonst etwas für dich tun?“

Gabe fiel es sonst nicht schwer, die richtigen Worte zu finden. Aber jetzt war das schon das zweite Mal. Das erste Mal hatte ihm sein Anwalt den verrückten Vorschlag gemacht, dass er sich eine Frau suchen sollte. Das zweite Mal – jetzt – fand er sich einer jungen Frau gegenüber, die ihm vielleicht helfen konnte.

Er warf einen Blick über die Schulter. Todd war vollauf mit dem Spiel beschäftigt. Dann sah er wieder Bobbie an, die ihn ihrerseits beobachtete. Mit diesen erstaunlichen grauen Augen, die so schnell die Schattierung wechselten. „Würdest du heute Abend mit mir ausgehen?“

„Ich … ich kann nicht. Tut mir leid.“ Sie blinzelte erstaunt. Mit diesen seidigen Wimpern. „Diese Woche helfe ich abends im Bistro meiner Schwester aus.“ Sie errötete leicht. „Vielleicht ein andermal?“