Die Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
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Lektorat: Andrea Stangl, Paderborn
Einbandillustration: Manuela Maer
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
Copyright © 2012 Manuela Maer
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ISBN 978-3-8448-3006-4
In lange weiße Gewänder gehüllt liefen zwei Frauen geschäftig hin und her. Ihre nackten Füße auf dem Steinboden mussten ziemlich kalt sein. Die eine, ein weißes Kopftuch um das widerspenstige Haar geschlungen, stand an einer der großen Feuerstellen. Ein riesiger Kessel hing über den brennenden Scheiten. Die andere, die ein buntes Kopftuch umgebunden hatte, bewegte sich behände um eine auf einem altarähnlichen Steintisch liegende Frau, die sich offensichtlich in den Wehen befand. Die Frau an der Feuerstelle, eine Geburtshelferin wie die andere auch, rührte in dem Kessel, aus welchem sie ein Tuch nach dem anderen zog, um es über eine zwischen den Felsenwänden gespannte Schnur zu hängen. Die andere befühlte den Bauch der Schwangeren und nickte den am Eingang stehenden fünf Druiden zu. Sie waren ebenfalls in lange Gewänder gehüllt und murmelten schon seit einer halben Stunde Beschwörungsformeln, die sich in einem wohlklingenden Singsang zu wiederholen schienen.
Die am Kessel arbeitende Frau zischte in den Raum: »Ihr müsst euch beeilen, wenn sie heute Nacht alle das Licht des Feuers erblicken sollen. Ihr sagtet, am fünften Tag nach Neumond. Dann sputet euch jetzt …« Ihre Stimme versagte bei den letzten Worten, wusste sie doch um das Schicksal der Frauen, denen in dieser Nacht die Kinder aus dem Leibe befreit werden sollten.
Die Frau auf dem Altar fing an zu wimmern. Sie rief mit verzweifelter Stimme offenbar um Hilfe. Bei genauerem Hinsehen konnte man erkennen, dass ihre Arme an der Seite festgebunden waren. Sie wand sich hin und her, bewegte die Beine und den nach oben stehenden Bauch. Die Presswehen hatten noch nicht eingesetzt, ihr Wimmern und ihr jämmerlicher Versuch, sich zu befreien, hatten diesen Anschein erweckt.
Nun löste sich einer der Männer aus der Gruppe und ging weiter in die in einen Felsen geschlagene Höhle hinein, bis er vor dem Steintisch stand.
Langsam hob er seine Arme, um sie über der Schwangeren hin und her zu wiegen. »Dann werde ich der Erste sein, der sein Kind auf die Welt holt, den Erstgeborenen sozusagen.« In der Höhle huschten die Schatten umher, da das einzige Licht aus den Feuerstellen kam, die rings umher verteilt waren. Über jeder hing ein Kessel, in dem es brodelte. Es war schwül, nahezu unerträglich heiß.
Die Schwangere wimmerte dem Mann entgegen, der sich über sie beugte. Sie bat ihn weinerlich, ihr nicht weh zu tun. »Keine Schmerzen, keine Schmerzen«, wiederholte sie in einem fort. Die Geburtshelferin bei ihr schüttelte nur den Kopf – als wenn eine Geburt ohne Schmerzen vonstatten gehen könnte!
Die Frau mit dem weißen Kopftuch eilte nun zwischen den einzelnen Feuerstellen hin und her, legte Holz nach, rührte hie und da, schöpfte zuletzt aus dem kleinsten Kessel in eine kleine Holzschale etwas von der Flüssigkeit, die sich darin befand. Sie reichte dem Druiden die Schale. Der Schwangeren liefen Schweißperlen die Stirn entlang und versickerten im Haaransatz.
Die Schale in die Höhe haltend, schwenkte der Druide sie in kreisförmigen Bewegungen vorsichtig über der Gebärenden, ließ wieder die sonderbaren Beschwörungsformeln erklingen. Seine Stimme war rau und tief. Die Konzentration ließ sich von seinem Gesicht ablesen. Dann hielt er langsam in seinen Bewegungen inne. Mit der einen Hand fasste er unter den Kopf der Armen, die schon zu ahnen schien, dass dies nun der Beginn dessen war, wofür sie sich hergegeben hatte. Mit der anderen Hand führte er die Schale an ihren Mund und nötigte sie zu trinken, was sie ohne Protest tat. Der süßliche Sud schien ihr zu schmecken und sie trank, ohne zu wissen, was geschehen würde. Lächelnd sah sie den Druiden jetzt an.
Er strich ihr über das Haar, das in langen Strähnen wirr von dem Altar unter ihr hinabhing. Nun wurden die anderen Männer lauter, die fremdartigen Sprüche hallten in der Höhle wider und gingen über in einen wandernden Takt, in dem nun die Schwangere anfing, sich wieder zu wiegen. Plötzlich ertönte ein schallender Schrei aus ihrer schon heißeren Kehle und sie zog wieder wie zuvor an den Stricken, mit denen ihre Arme auf dem Steintisch festgebunden waren. Ihre Handgelenke bluteten schon an den Stellen, die mit dem groben Strick umwickelt waren.
Dann durchzuckte sie ein stechender Schmerz und wieder schrie sie aus Leibeskräften. Die Frau mit dem bunten Kopftuch kam nun von einem der Kessel, aus dem sie mit einer hölzernen Zange einen Dolch herausgeholt hatte und übergab ihn dem Druiden. Er nahm ihn feierlich in Empfang. Nicht ohne zuvor einen Teil seines Umhanges um den Schaft des Dolches zu legen, der in diesem Augenblick noch sehr heiß und selbst durch das Baumwolltuch seines Überwurfs zu spüren war. Dann nahm die Helferin ihm die Holzschale ab, stellte sie beiseite, kam wieder und tastete die Frau ab. Sie befühlte mit leichtem Druck den schwangeren Bauch von allen Seiten. Wieder durchzuckte es die Frau und wieder schrie sie aus vollem Hals.
»Das wird jetzt schnell gehen«, raunte die Hebamme mehr vor sich selber als zu dem Druiden hin.
Die andere Frau stand nun neben ihm und hielt ihm eine Schale vor, in der sich eine Tinktur aus Farbstoffen befand, die sie aus unterschiedlichen Kräutern gewonnen hatte. Da hinein tauchte er die Dolchspitze. Nun stimmte er im Chor mit den anderen Druiden den melodischen Singsang wieder an und zeichnete mit dem Messer alte Symbole auf den Bauch der Schwangeren.
Die Frau schrie in mehreren Intervallen, die schon fast im Minutentakt andeuteten, dass die Geburt kurz bevorstand. Der Gesang schwoll an. Jetzt standen beide Frauen bei ihr, die eine drückte von oben gegen den gewölbten Bauch. Eine Mischung aus Fruchtwasser und Blut wallte aus ihr heraus, und eine weitere Presswehe durchschüttelte sie heftig – ein Aufschrei der Schwangeren, dann sank ihr Kopf ermattet auf die harte Unterlage zurück.
Die Frau mit dem bunten Kopftuch stand jetzt am unteren Ende des Tisches. Eine Wehe später nahm sie das Baby in Empfang. Sie legte es der anderen Frau in die mit einem Tuch bedeckten Arme und band die Nabelschnur ab. Das Baby indes fing mit lauter Stimme an zu krähen. Der Druide durchschnitt die Nabelschnur mit dem Messer.
Das Kind, ein Knabe, schrie nun aus Leibeskräften. Es war ihm trotz des warmen Tuchs zu kalt.
Die Geburtshelferin legte dem Druiden das Kind in die Arme. Er hatte das Messer jetzt zur Seite gelegt. Zuvor hatte er der Frau am Arm einen kleinen Schnitt zugefügt, was sie im Angesicht der Geburt noch nicht einmal richtig wahrgenommen hatte.
Dann hielt er das Kind vor sich, hob seinen Finger der freien Hand, tauchte ihn in das Blut der Frau und steckte ihn dem Kind sachte in den Mund. Es fing wie durch einen Reflex sogleich an zu saugen und er wiederholte diesen Vorgang noch viermal.
Die erschöpfte Frau lächelte, war sie doch froh, ihr Kind zu sehen und zu hören, was darauf schließen ließ, dass es ihm gut ging.
Während nun die Frau mit dem weißen Kopftuch das Kind an sich nahm und es in saubere und trockene Tücher zu wickeln begann, kümmerte sich die andere um die Entbundene. Sie wusch sie in Windeseile ab und redete dann leise auf sie ein, um sie dazu zu bewegen, vom Tisch herunterzusteigen. Sie half ihr aufzustehen, stützte sie und führte sie in den angrenzenden Höhlenraum.
Die Geburtshelferin, die das Kind in Tücher gewickelt hatte, gab es dem Druiden nun fast schon feierlich in den Arm zurück. Er wandte sich um und ging an den anderen vorbei vor die Höhle, wo schon fünf Frauen bereitstanden und warteten. Eine kam sofort auf ihn zu, als sie ihn erblickte, und nahm ihm das Kind ab. Er schritt zurück in die Höhle und stellte sich wieder in die Runde.
Rito rief nun in die Dunkelheit: »Bringt mir Madele, so will ich mir meinen Sohn holen.«
Minuten später wurde eine weitere Schwangere von zwei jungen Männern herbeigebracht. Sie wimmerte etwas und krümmte sich wegen einer einsetzenden Wehe.
Wohl notdürftig hatte eine der beiden Frauen versucht den Tisch abzuspülen, indem sie heißes Wasser darüber geschüttet hatte. Ein rötlicher Film erinnerte daran, was kurz zuvor geschehen war.
Noch viermal sollte sich in dieser Nacht dieses Ritual wiederholen.
Gefolgsmannen wollten sie sich heranziehen, persönliche Begleiter und Beschützer, Knaben, die einmal ihr Erbe antreten sollten. Es sollten besondere Druiden werden, solche mit besonderen Fähigkeiten und außerordentlichen Kräften.
Jonateo hatte gesagt, dass es eine Macht gab, die ihnen behilflich sein könnte bei der Entscheidung über Leben und Tod. Und wenn die Mächte die Seelen der Frauen in Besitz nehmen dürften, so würden sie deren Knaben mit übernatürlichen Fähigkeiten ausstatten, wie sie die Welt noch nicht gesehen hätte.
Lange hatten sie beraten, was sie tun sollten. Würden sie damit irgendeine der druidischen Regeln brechen?
Nachlesen konnten sie nicht. Es war den Druiden untersagt, Schriften zu verfassen. Die hohe Kunst, die den Druiden vorbehalten blieb, wurde einzig und allein durch mündliche Überlieferung weitergegeben. Das war auch gut so, denn wenn ein Druide wirklich mal nicht ganz so koscher war in der Umsetzung der Bräuche, so starb mit ihm die Erinnerung an diese Verfehlung, der damit nicht nachgeeifert werden konnte.
Der Zufall hatte sie zusammengeführt, die fünf Druiden: Rito, Ladmo, Jonateo, Grisec und Danori, der soeben den Erstgeborenen entgegengenommen hatte. Er war mit damals 25 Jahren der Älteste unter den Fünfen gewesen und Ladmo mit 20 Jahren der Jüngste. Rito war 23 Jahre alt und Jonateo und Grisec waren beide 22 Jahre. Ladmo hatte, als er zu ihnen stieß, gerade seine Ausbildung abgeschlossen.
Sein Meister war kurz zuvor verstorben, mit circa 82 Jahren, ein für damalige Zeiten stattliches Alter. Doch wen wunderte es schon weiter, denn hinter einigen der Druiden versteckten sich Alchimisten, die sich Wissen über all die vielen Pflanzen angeeignet hatten, die ihnen Kräfte verliehen. Dieses Wissen verlieh ihnen natürlich auch Macht. Doch nicht nur der Pflanzenkunde waren sie mächtig, auch der Astrologie, der Physik und anderen Wissenschaften konnten diese überaus schlauen Köpfe viel abgewinnen und ihr Wissen für Dinge nutzen, die in diesen Jahrhunderten vonnöten waren.
Für Jonateo gab es allerdings noch mehr. Für ihn beschränkte sich die Welt nicht nur auf das Wissen der Druiden. Er wusste zwar meistens die Ausbildung bei seinem Meister zu schätzen, fühlte aber, dass es noch andere Dinge geben musste.
Der alte Meister, ebenfalls ein Druide, stellte seinem Schützling verschiedene Aufgaben, denen sich der junge Mann mal mit Eifer, mal gelangweilt hingab. So sollte er eines Tages ein Elixier brauen, mit dem heftige Bauchschmerzen behandelt werden konnten. Dazu musste er viele Kilometer laufen, um die Pflanze zu finden, die er dazu benötigte. Sie wuchs meist in den Höhenlagen. Eines Tages trieb es ihn wieder in die nahe gelegene Gebirgslandschaft. Da stieß er bei seinen Erkundungen auf eine Gruppe von Menschen, die sich der schwarzen Magie verschrieben hatten und dort in einer Höhle praktizierten. Es faszinierte Jonateo aufs Äußerste, wo doch sein Meister versuchte, ihn lediglich zu einem Berater auszubilden, was Jonateo allmählich langweilig wurde. Hier nun glaubte er endlich gefunden zu haben, was er schon immer vermutet hatte: eine Welt des Wissens, die weit über das der Druiden hinausging.
Nun befasste er sich mit den Sprüchen und Flüchen der fremdartig, meist dunkel gekleideten Schwarzmagier, oft bis spät in die Nacht hinein, wenn sein Meister dachte, dass sein Schüler schon längst schlief. So fand er heraus, dass durch einen Fluch und das Trinken eines Kräutersuds einer gebärfähigen Frau garantiert werden konnte, einen kräftigen Knaben zur Welt zu bringen. Sie musste nur in einer Neumondnacht ein gewisses Ritual durchleiden, dessen Bestandteil das Trinken des Suds sei. Fasziniert von all den Theorien fing Jonateo an zu experimentieren. Immer wieder fand der junge Mann dank seines Charmes Frauen, die sich darauf einließen, zumal sich ihre Männer einen kräftigen Stammhalter wünschten. Es schien zu funktionieren, nicht ein einziges Mal kam ein Mädchen zur Welt.
Jonateo forschte weiter und irgendwann, als er wieder einmal zu diesen Schwarzmagiern gehen wollte, um offene Fragen zu klären, waren sie verschwunden und kamen nicht mehr zurück.
So bezog nun Jonateo die Höhle; es war dieselbe Höhle, in der die Druiden nun die Kinder der arglosen Frauen in Empfang nahmen.
Lange Zeit hatten die Druiden Nachwuchsprobleme geplagt. Kluge Köpfe zu finden, die es wert waren, zu Druiden ausgebildet zu werden, war ein schwieriges Unterfangen. Die Zeiten waren hart, die Winter kalt. Viele Kinder starben schon früh, oftmals noch bevor sie das Laufen lernten. Knaben, die kräftig genug waren, die Winter zu überstehen, gab es kaum.
Da hatte sich Jonateo eines Abends nicht mehr zurückhalten können und den Druiden von seinen anderen Interessen erzählt. Von den Forschungen, die er trieb, und von den erfolgreichen Versuchen, die er hinter sich hatte. Er erzählte auch, dass er gedachte, dies niederzuschreiben, wurde aber zunächst von den anderen dafür angeprangert. Er konnte die Druiden aber schließlich davon überzeugen, zu versuchen, sich Jungen heranzuziehen und gleichsam selbst zu kreieren. Jonateo forschte weiter, und nach eindringlichen Befragungen einzelner Fatalisten und Seher kam er zu dem Schluss, dass diese Vorgehensweise die einzig richtige war.
So musste sich jeder Druide eine Frau suchen, die bereit wäre, ein Kind auszutragen, um es anschließend ihnen zu überlassen. Durch das Ritual wäre gewährleistet, dass es Knaben würden. Dann sollte jeder Druide das Kind als sein eigen annehmen.
Fünf Tage nach einer Neumondnacht sollten die Kinder zur Welt kommen. Somit war klar, dass der Termin der Empfängnis genau festgelegt sein musste. Eine Hebamme meinte auf Nachfragen hin, dass es durchaus möglich sei, durch eine Kräutermixtur eine Geburt zu beschleunigen. So käme es also auf einen Tag früher oder später nicht so an.
Die frisch geborenen Babys sollten als erste Nahrung das Blut der Mutter trinken, das Blut der Frau, die ihm Kraft gegeben hatte, zu wachsen und zu gedeihen.
Lange saßen sie zusammen und berieten über dieses Unterfangen. Nur Ladmo, der Jüngste, sprach allenthalben die übelsten Warnungen aus. Dass dies gegen die Regeln verstoße und sie alle verdammt wären. Doch die anderen verstanden sich geschickt darauf, ihn mit Gegenargumenten zu gewinnen, und letztlich war sogar er es, der aufgrund seiner Jugend die jungen Mädchen fand und für dieses Unterfangen umgarnte. Ihnen wurden Versprechen gemacht, man gab ihnen Kleider und zu essen, ließ sie gut wohnen und pflegte sie hernach die neun Monate lang.
Jonateo forschte indes weiter und bestand darauf, dass die Knaben alle in derselben Nacht zur Welt kommen sollten. Vor allem, dass man nicht darauf warten konnte, bis sie kamen, sie mussten geholt werden. Von den Druiden selbst. Es musste fünf Tage nach einer Neumondnacht sein. Kein Licht sollte zuerst auf die Neugeborenen fallen, nicht bevor es nicht sein Meister berührt hatte, nur das lodernde Licht der Feuerstellen durfte sich in den kleinen Augen spiegeln.
Die schicksalträchtige Nacht stand nun bevor und die Druiden machten sich daran, weitere fünf Frauen zu suchen: Ammen, die ihnen bei der Pflege und Versorgung der ersten paar Jahre helfen sollten. Sie bezahlten sie gut und verpflichteten sie damit zum Schweigen, denn niemand durfte von den Machenschaften erfahren.
Die Druiden hatten beschlossen, nicht die Mütter selbst als Ammen zu nehmen, zu groß war ihre Sorge, dass sie ihnen am Ende die Knaben doch wegnehmen könnten.
Dann, nachdem es soweit war, holten die Druiden einer nach dem anderen die Knaben ins Leben. Als das vollbracht war, ließ Jonateo die Höhle noch in derselben Nacht für immer verschließen. Nie sollte jemand sehen, was dort drinnen geschehen war. Und damit gewährleistet war, dass von dem unheimlichen Treiben nichts bekannt wurde, mussten sie die geringsten Fehler vermeiden. Die beiden Männer, die schon zuvor behilflich gewesen waren, wurden angewiesen, die frisch Entbundenen zu betäuben und in die angrenzende Höhle zu schaffen, mit ihnen auch die beiden Geburtshelferinnen, denen sie zu diesem Zweck ebenfalls ein schläfrig machendes Mittel verabreichten, bevor sie sie dort hineinschafften.
Ein Schutzwall nun, in den Eingang der Höhle gemauert, sollte neugierigen Blicken vollends Einhalt gebieten. Doch nicht eine, fünf dieser Mauern ließ Jonateo errichten, eine für jeden von ihnen.
Als es galt, die fünfte und letzte Mauer zu errichten, hieß Jonateo die beiden Männer an, erst einmal eine Pause zu machen. Er hatte ihnen eigens zu diesem Zweck etwas zu trinken und zu essen gebracht. Doch in den Wein, den er ihnen zusprach, hatte er Gift gemischt, sodass die beiden innerhalb weniger Minuten ihren letzten Atemzug taten. Dann schleifte Jonateo die beiden vor die vierte Mauer und begann den fünften und letzten Schutzwall im Schein der Öllampen selbst zu errichten. Die Morgenröte zog schon über den Berg heran, als er zufrieden sein Werk betrachtete. Nichts mehr wies auf die schreckliche Tat hin.
Gleichzeitig hatte Jonateo Banne um die Mauern herum gelegt, an jeder einen anderen Bann, der seinem Einreißer die übelsten Geschehnisse bescheren sollte. Er wähnte sich sicher.
Die Druiden vertrauten Jonateo. Während er dafür Sorge trug, dass keine Spuren zu ihnen führen würden, kümmerten sie sich um die Ammen und die Neugeborenen.
Derweil pflegten die fünf Frauen die Knaben, stillten sie und gaben ihnen zugleich auch die Tränke, die von den Druiden gemischt wurden.
Jonateo brachte einmal in der Woche einen besonderen Trank mit, ein Gemisch aus Schweine-, Rinder- und ein wenig Hühnerblut. Die Zugabe aus verschiedenen Kräutern sollte den Knaben auf Dauer ihre besonderen Kräfte verleihen.
Danoris Junge hieß Dorian, Ritos Junge sollte René heißen, Ladmos Knabe bekam den Namen Ludore, Jonateos Junge hieß Jade und Grisecs Knabe wurde Gregorian gerufen.
Etwas Seltsames aber schien zu geschehen. Die Amme, die Danoris Knaben behütete, kam eines Tages, als die Knaben etwas sechs Monate alt waren, zu Danori und berichtete, dass der Kleine, wohlgenährt und pausbäckig, wie er war, ihr beim Stillen ständig in die Brust biss und sie ihn unter keinen Umständen weiterstillen wolle. Sie habe auch schon versucht, ihm die Milch in eine Schale zu geben, aber er nehme sie nicht. Sie vermute, dass der Knabe einfach keine Milch mehr wolle. Von dem Sud hingegen, den Jonateo ihm brachte, könne er gar nicht genug bekommen.
Etwas verwirrt ging Danori zu Jonateo und wollte wissen, was er da eigentlich zusammenmische. Jonateo antwortete ausweichend, Danori solle sich keine Sorgen machen, man sehe doch, dass sich die Knaben prächtig entwickelten. Er werde der Amme nun mehr von diesem Sud geben, damit der Knabe genügend Nahrung bekomme.
Danori entschied, eine Weile abzuwarten. Doch kurz danach kamen die anderen Druiden zu ihm und berichteten, was die anderen Ammen schilderten.
Den Gedanken, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugehen könnte, schoben die Druiden schließlich beiseite. Sogar als Jonateo, von ihnen zur Rede gestellt, zugab, dass er eigentlich selbst nicht so recht wusste, was das zu bedeuten hätte, gingen sie der Sache nicht weiter nach.
Als die Jungen etwa ein Jahr alt waren, aßen sie natürlich auch andere Dinge – am liebsten Fisch und Hühnchen, das allerdings so roh wie möglich.
Jahr um Jahr verging, und sie gediehen, dass es eine Freude war.
Als die Knaben fünf Jahre alt waren, fingen die Druiden an, die Jungen zu unterrichten.
Die Druiden ahnten nicht, was sie sich da heranzogen. Keiner von ihnen konnte ermessen, in welcher Gefahr sie schwebten – und mit ihnen die ganze Menschheit.
Die Druiden hatten die Erde infiziert. Mit einer Krankheit, für die es, nach ihrem damaligen Wissen, keine Heilung geben würde.
Leise schleiche ich mich aus dem Haus. Es ist das erste Mal, seit ich mir meine Freiheit erkämpft habe. Außer mir sind zwar nur die Hausangestellten da, aber Milli muss nicht mitbekommen, dass ich das Grundstück verlasse.
Es ist ein trüber Tag, Schleierwolken bedecken den Himmel. Obwohl man jeden Tag mehr spürt, dass der Sommer vorbei ist, kommt es mir heute nicht so vor; der Wind bläst feuchte, warme Luft durch die Straßen. Ich hätte einen Schirm mitnehmen sollen, denn es sieht nach Regen aus.
Mir ist bewusst, dass man mich unter Umständen wiedererkennen kann. Aber bei dem diesigen Wetter wird man mich kaum wahrnehmen, zumal ich auch noch die Kapuze meiner Jacke übergezogen habe. Meine Figur ist eher sportlich, obwohl ich nicht allzu viel Sport mache. Manche sagen sogar, ich hätte das Aussehen einer Prinzessin. Dazu tragen wohl auch meine langen, dunkelblonden Haare bei, die in schier unbeherrschbaren Locken um meine Schultern fallen.
Bis zur U-Bahn Haltestelle ist es nicht weit, und ich muss nicht lange auf die nächste Bahn warten. Mein Ziel ist das Stadtzentrum, das ich bald erreiche. Dort führt mich mein Weg durch die Fußgängerzone. So banal das ist – für mich ist es etwas Besonderes, einfach so unter Leute zu kommen. Unter Menschen, die gar nicht wissen, was um sie herum geschieht.
Die Stühle vor dem behaglichen kleinen Café sind trotz des wenig ansprechenden Wetters gut besetzt. Wahrscheinlich sind es die milden Temperaturen, die die Menschen noch jede Minute draußen genießen lassen, bevor der Herbst anfangen wird, ungemütlich zu werden.
Mein Blick wandert über die Stuhlreihen. Gerade wird ein Tisch frei. Der Kellner räumt die leeren Gläser weg und ich beschleunige meinen Schritt, um den Tisch zu ergattern. Ich bestelle ein Kännchen Kaffee und sehe mich um, beobachte die Menschen, die unermüdlich an den Geschäften vorbeilaufen. Den Stuhl gegenüber muss ich erst mal zur Seite rücken, damit meine langen Beine bequem Platz finden. Ein paar Tische weiter sitzen vier junge Männer, denen ich aufgefallen bin. Zumindest glaube ich das, weil sie ständig zu mir hersehen.
Kurz beschleunigt sich mein Herzschlag, doch schnell nehme ich wahr, dass mir von ihnen keine Gefahr zu drohen scheint. Ihnen sind offensichtlich nur meine 1,75 und die störrischen Locken aufgefallen, die ich entblößt habe. Schnell nehme ich ein Haargummi aus meiner Tasche und binde mir das Haar im Nacken zusammen.
Meine Wangen haben sich gerötet, und da ich kein Make-up aufgelegt habe, befürchte ich, dass die Röte umso mehr auffällt.
Sorgsam vermeide ich es, in ihre Richtung zu sehen, was dazu führt, dass sie das Interesse an mir verlieren.
Dann packe ich den Schreibblock aus, den ich mitgenommen habe, und nestele nach meinem Füller. Im letzten Winkel der Tasche hat er sich versteckt. Nun liegt es vor mir, das jungfräulich-weiße Papier, das darauf wartet, dass ich meine Geschichte auf ihm niederschreibe. Hier draußen, so habe ich mir vorgenommen, will ich damit anfangen.
Mein Kaffee kommt und ich zahle gleich. So kann ich gehen, wenn mir danach zumute ist.
Als der Kellner sich zum nächsten Tisch aufmacht, öffne ich meinen Füller, bereit, loszulegen.
Aber wie schreibt man so etwas auf? Ich fange einfach mal an:
Ich wohnte mal in einem Mehrfamilienhaus.
Ich wusste nicht, ob ich noch Verwandte hatte.
Ich war bei einer Familie mit zwei Kindern als Pflegekind aufgewachsen. Ein Mädchen, Rosalie oder auch Rosa, und ihr älterer Brud…
Ich, ich, ich …
So wird das nichts! Ich lege den Füller beiseite, reiße das Blatt vom Block, zerknülle es und stopfe es in meine Umhängetasche, die an meinem Stuhl hängt. Erneut greife ich nach dem silbernen Füller und halte ihn über das Papier. Dann setze ich wieder an:
Ich wohnte damals alleine.
Verwandte hatte ich keine mehr.
Ich war bei einer Familie mit zwei Kindern als Pflegekind aufgewachsen. Ein Mädchen, Rosalie, und ihr älterer Bruder Toni. Meine Mutter …
Soll ich das an dieser Stelle schon erwähnen?
Ich stöhne.
Wieder reiße ich das Blatt vom Block ab, zerknülle es abermals und verschaffe dem ersten Papierknäuel Gesellschaft. Die eigenen Erlebnisse aufzuschreiben ist gar nicht so einfach. Noch einige Male versuche ich die richtigen Worte zu finden, aber das Einzige, was ich erreiche, ist, dass der Papierberg in meiner Tasche stetig wächst. Dazu gesellt sich die Erkenntnis, dass ich in diesem Tempo nie und nimmer rechtzeitig zum Ende meiner Geschichte komme. Entnervt lasse ich den Füller auf den Block fallen.
Einen Anfang zu finden ist schwerer, als ich gedacht habe. Was ist wichtig? Ob mir jemand glaubt? Oder ist alles zu fantastisch, als dass es jemand für bare Münze nehmen könnte?
Wenn mir das Schreiben nicht liegt, fällt es mir vielleicht leichter, mündlich zu erzählen? Ich entsinne mich, dass ich im Schreibtisch ein Aufnahmegerät gesehen habe. Vor allem würde das sehr viel schneller gehen als das Schreiben.
Ich trinke meinen Kaffee aus und stehe auf. In der Nähe ist eine U-Bahn-Haltestation, von der aus ich direkt, ohne umzusteigen, nach Hause fahren kann.
Nach Hause.
Das ist es für mich tatsächlich, und es erstaunt mich doch sehr. Heute ist mir der goldene Käfig, in dem ich gelebt habe, ein Ort, an den ich mich zurückziehen kann. Ich liebe das Haus und den Garten, in dem ich meine schrecklichsten, aber auch meine schönsten Stunden verbracht habe.
Es dauert eine Weile, bis die Bahn kommt. Ich muss anfangen, meine Geschichte aufzuzeichnen, schließlich habe ich nicht viel Zeit.
Bevor Antonio wieder zurückkehrt, muss ich fertig sein. Von diesem Moment an gerechnet habe ich also Zeit bis übermorgen. Spätestens am Abend, besser noch am Nachmittag, sollte ich fertig sein.
In der Bahn setze ich mich nicht, sondern bleibe an der Tür stehen. Ein gut aussehender junger Mann mit blondem, sehr kurzem Haar lächelt mich an. Seine blauen Augen strahlen. Langsam drehe ich den Kopf und sehe nach draußen, nicht mehr daran gewöhnt, in der Öffentlichkeit zu flirten. Es ist mir peinlich und sicherlich werde ich rot. Nach einer knappen halben Stunde und neun Haltestellen kann ich aussteigen.
Zurück in der Villa, gehe ich schnurstracks ins Büro. Tatsächlich liegt das Aufnahmegerät noch in derselben Schublade, in der ich es gesehen habe – ein kleines Gerät, nicht größer als ein Mobiltelefon. Ich setze mich damit in meinen Lieblingssessel im Kaminzimmer.
Von hier kann ich in den Garten sehen.
Sachte betätige ich den Aufnahmeknopf.
»Test … Test … Test«, sage ich leise, um auszuprobieren, wie laut ich sprechen muss. Dann höre ich mir die Aufnahme an. »Test … Test … Test«, sagt das Gerät. Es hört sich etwas blechern an, scheint aber zu funktionieren.
Ich freue mich, dass es mir nun gelingen wird, meine Vergangenheit festzuhalten – all das, was in den letzten dreieinhalb Jahren vorgefallen ist.
***
Ich wohnte damals in einem großen Mehrfamilienhaus. Dieses Domizil mit seinen sieben Wohneinheiten war für viele Jahre mein Zuhause gewesen. Man kam durch einen großen Eingang ins Treppenhaus. Auf jeder Etage befanden sich zwei Wohnungen und ich hatte die Dachwohnung. Der andere Bereich gegenüber diente als Speicher. Es gab noch einen großen Keller, der mit seinen Bretterverschlägen allen Mietparteien zur Verfügung stand. Ganz unten, direkt in der Wohnung neben der Eingangstür, wohnte Karl, unser Hausmeister.
Verwandte hatte ich keine mehr. Zumindest wusste ich damals nicht, ob es noch irgendwo welche gab. So war ich in dem Glauben aufgewachsen, eine Waise zu sein.
Meine Mutter hatte sich das Leben genommen. Warum, hatte ich nie erfahren. Meine Pflegeeltern, die Santes, waren Spanier und wollten bald zurück in ihr Heimatland. So mussten ihre Kinder sich entscheiden, ob sie in der Großstadt bleiben wollten, in der sie aufgewachsen waren, oder mit nach Spanien zogen. Für mich stellte sich diese Frage nicht.
Als Jüngste hatte ich zu diesem Zeitpunkt gerade mein Abitur gemacht und eine beträchtliche Summe von meiner mir unbekannten Großmutter geerbt. Das ermöglichte mir, eine Auszeit zu nehmen, in der ich überlegen konnte, welche berufliche Richtung ich einschlagen wollte. Noch hatte ich nämlich so gar keine Idee, welcher Beruf der richtige für mich sein könnte. Ich bezog also die kleine Dachwohnung in diesem Mehrfamilienhaus: zwei Zimmer, eine kleine Küche, ein noch kleineres Bad und ein schmaler Flur. Möbel hatte ich bereits, denn sie waren Bestandteil des Nachlasses meiner Großmutter. Ich liebte diese offensichtlich sehr alten Einrichtungsgegenstände, waren sie doch eine Erinnerung an die Familie, die ich einmal gehabt hatte.
Mit viel Liebe dekorierte ich mein neues Zuhause. In verschiedenen Second-Hand-Läden suchte ich nach passenden Bildern zu meinen zum Teil antiken Möbeln, Spiegeln und Dekoartikeln. Die Wände hielt ich in zarten Pastelltönen, die Dachfenster bestückte ich mit dazu passenden Stoffen. Außerdem liebte ich Blumen, besonders rote Nelken.
Ich besorgte auf dem Wochenmarkt regelmäßig Schnittblumen und achtete natürlich darauf, dass sie mit den Farben der Wohnung harmonierten.
Wer immer mich besuchen kam, lobte meine gestalterischen Fähigkeiten und ich begann zu überlegen, ob ich mich beruflich nicht in eine Richtung orientieren sollte, in der ich diese Neigung entfalten konnte.
Neben den Möbeln hatte ich auch kleinere Schmuckstücke und einen handbestickten Seidenschal geerbt. Vor allem dieser Schal hatte es mir angetan. Er war herrlich gearbeitet und farbenfroh, und obwohl er meiner Meinung nach schon sehr alt war, war er gut erhalten und passte auch zur heutigen Mode. Mit den feinen aufgestickten Zeichen aus goldfarbigen Seidenfäden konnte ich nichts anfangen. Aber der Gedanke, dass meine Großmutter ihn getragen hatte, und vielleicht auch noch meine Mutter, war mir sehr angenehm. Hin und wieder legte ich ihn an, wenn ich mich besonders schön machen wollte. Man konnte ihn um den Hals schlingen oder geöffnet über die Schultern legen – er war so fein, dass beides möglich war. Dem Schal beigelegt war ein Foto meiner Großmutter, das einzige, das ich von einem Familienmitglied besaß. Auf diesem Bild trug sie den Schal offen über die Schultern gelegt. Sie war eine schöne Frau gewesen. Auf diesem Bild sah sie hochherrschaftlich aus, fast schon aristokratisch, und ich war stolz darauf, ihr ein klein wenig ähnlich zu sehen.
Rosalie blieb auch in der Stadt. Auch sie nahm sich eine Wohnung, leider in einem anderen Stadtteil. Ich kann nicht sagen, warum wir damals nicht zusammengezogen sind.
Trotzdem waren wir die besten Freundinnen. Wir unternahmen sehr viel zusammen, trafen uns zum Beispiel jede Woche zweimal im Sportklub zum Aerobic, gingen oft schwimmen und natürlich auch in die Disco.
Toni entschied sich im letzten Moment, doch noch mit nach Spanien zu gehen. Das war schade; ich mochte ihn sehr.
Die anderen Bewohner des Hauses, in dem sich meine Wohnung befand, waren nett und umgänglich. Ich fühlte mich dort wohl und genoss die familiäre Atmosphäre im Haus.
Das sollte genügen für einen ersten Überblick darüber, wer ich bin und wie ich damals lebte, bevor ich in diese Welt hineingezogen wurde. Zwei Tage vor meinem einundzwanzigsten Geburtstag sollte eine Reise für mich beginnen, die nicht mit den schlimmsten Albträumen zu vergleichen war.
Rrrrrrrrrrr …
Oh nein, der Wecker! Schnell raus aus den Federn! Ich schwang meine Füße mit solchem Schwung über die Bettkante, dass ich beinahe hinterherfiel.
Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen. Es war neun Uhr.
Noch zwei Tage bis zu meinem einundzwanzigsten Geburtstag – ich wollte noch einkaufen. Als ich mich erheben wollte, fiel ich beinahe wieder zurück. Mein Kopf – um mich herum drehte sich alles, und dann diese Schmerzen … Irgendwie schaffte ich es, ins Bad zu kommen.
Ich ließ kaltes Wasser über meine Handgelenke laufen. Das Pochen hörte auf, der Schwindel in meinem Kopf ging zurück. Die Migräne, wenn es denn eine war, kam immer öfter und wurde immer schlimmer. Ich dachte, dass Rosalie wohl recht hatte und ich mal besser einen Arzt aufsuchte.
Langsam machte ich mich startklar.
Tock-tock.
Jemand klopfte an meine Wohnungstür. Wer war das, um diese Zeit? Und warum läutete er nicht unten an der Haustür? Ich trottete zum Spion, konnte aber niemanden ausmachen.
Obwohl es so lange her ist, bekomme ich bei den Gedanken wieder eine Gänsehaut Auch wenn mir bis heute nicht klar ist, wer damals an meine Tür geklopft hat, so ist es doch ein Teil meiner Geschichte.
Ich bekam etwas Herzklopfen. Sollte ich aufmachen? Man hörte ja so allerlei, was passieren konnte. Ich machte mir Mut und öffnete beherzt die Tür.
Doch da stand niemand. Ich ging einige Schritte vor und schaute aufmerksam durch das Treppenhaus. Ich vermochte niemanden zu sehen – das konnte unmöglich sein, da ich ganz oben wohnte; wenn jemand geklopft hatte, musste ich die Person noch sehen oder zumindest hören können, wie sie hinunterging. Aber das Treppenhaus war wie ausgestorben.
Als ich ratlos in die Wohnung zurückzugehen wollte, bemerkte ich ein kleines Päckchen auf meinem Fußabtreter. Ich nahm die Schachtel in die Hand, drehte sie neugierig nach allen Seiten, um zu sehen, von wem es war. Ich fand nichts, was auf den Absender schließen ließ. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, war ich schon dabei, das Päckchen zu öffnen. Der Überbringer hatte bestimmt nichts dagegen, wenn ich schon vor meinem Geburtstag hineinsah.
Eigentlich war es etwas ungewöhnlich verpackt, nicht in richtiges Geschenkpapier, eher in so etwas wie Pergamentpapier, nur etwas älter, vergilbt. Ich ging in die Küche, stellte mich an den Tisch und wickelte den Inhalt aus.
Es war ein altes, ziemlich zerfleddertes Buch mit einem braunen Ledereinband. Wohl schon sehr oft benutzt, da der Einband sehr abgegriffen aussah. Vorsichtig schlug ich es auf. Als ich die erste Seite las, traf mich fast der Schlag. In großen geschwungenen, mit Tinte geschriebenen Buchstaben stand da: Tagebuch der Anna Dolores von Delcarde.
Jetzt musste ich mich doch erst mal setzen.
Anna Dolores war meine Großmutter gewesen. Natürlich war auch ich eine »von Delcarde«, ich hatte das »von« aber weggelassen. Außer Rosalie und ihrer Familie wusste eigentlich niemand, dass ich einer Adelsfamilie entstammte. Für mich hatte das nie eine Rolle gespielt.
Aber woher kam Großmutters Tagebuch? Und wer hatte es gebracht? Ein Schaudern überlief mich.
Mein Blick wanderte zur Uhr. Etwas Zeit hatte ich noch. Ich setzte mich aufs Bett und schlug die erste Seite um. Ein Foto fiel heraus: meine Großmutter. Sie musste ungefähr im gleichen Alter sein wie auf dem Bild aus dem Nachlass, das sie mit dem Seidenschal zeigte. Auf diesem Bild trug sie ein wundervolles Collier, wie ich noch nie eins gesehen hatte.
Ich blätterte um. Am Anfang war der Text sehr unleserlich. Erst ein paar Seiten weiter konnte ich anfangen zu lesen.
… und damit war der Fluch auch über mich gekommen. Nun war ich eine Sangvuella. Einen größeren Beweis meiner Liebe zu ihm kann ich ihm nicht geben. Ich werde mit meinem Blut IHM gehören. Wenn die Zeit reif ist, bekomme ich ein Kind von IHM. Wird es ein Mädchen, wird der Fluch auf ihren Schultern weitergetragen. Wird es ein Junge, trägt er das Erbe seines Vaters mit sich und wird Leid und Verderben in viele Familien bringen, bis er ein Geschöpf findet, wie auch ich eines bin …
Plötzlich war mein Mund ganz trocken. War das etwa die Wahrheit, was ich da las? Wieso wusste ich nichts davon? Ach Unsinn! Meine Großmutter hatte sich bestimmt eine Geschichte ausgedacht. Wenn ich das hier ernst nehmen sollte – was würde das für mich heißen? Nein, nein, ich musste mich zusammennehmen. Zu empfänglich war ich für fantastische Geschichten, das war schon immer eine Schwäche von mir.
Aber wer war der große Unbekannte, von dem meine Großmutter hier schrieb? War es mein Großvater?
Hier konnte ich den Aufzeichnungen nicht mehr folgen, sie waren wieder nicht lesbar. Ein paar Seiten weiter konnte ich folgenden Text entziffern – und saß danach wie gelähmt. Denn hier ging es um mich, und es wurden sonderbare Dinge über mich gesagt …
Meine Tochter Annabelle hat sich das Leben genommen, weil sie sich nicht fügen wollte. Sie hatte Angst vor den Schmerzen, Angst vor IHM. Obwohl sie als Sangvuella aufgewachsen ist, mit dem Wissen, was ihre Aufgabe sein wird. Sie hat ihre Tochter, meine Enkelin Sarah, weggebracht. Sarah ist eine besondere Sangvuella. Sie wurde in einem Jahr der Erscheinung geboren. Dadurch war sie mächtiger und somit wichtiger für unsere Zukunft als alles was bisher da gewesen war. Doch so viel ich meine Tochter auch nach dem Versteck von Sarah befragte, sie verriet es mir nicht. Ich konnte sie wenigstens davon überzeugen, für ihr Leben zu sorgen und so durfte ich sicher sein, dass es meiner Enkelin finanziell an nichts fehlen würde. Sie wird nicht von diesem Fluch verschont bleiben. Die Tatsache, nicht unter uns auf zu wachsen, wird sie davor leider nicht beschützen. Auch Sarah wird einmal 21 Jahre alt werden und bis dahin hoffe ich, dass sie sie gefunden haben.
Unsere Körper erfahren mit Erreichen dieses Alters eine Veränderung, wie sie nur sehr Wenigen zuteil wird. Sie hat die Chance auf ein Leben, in dem sie alle 15 Jahre um nur ein Jahr altert. Sie könnte 800 Jahre oder länger das Leben genießen – was möchte man mehr?
Hier wurden die Aufzeichnungen einmal mehr völlig unleserlich.
Was sollte das? War meine Großmutter verrückt gewesen? Nein, das hätte man mir sicher erzählt. Vielleicht erzählte sie hier ja eine Geschichte? Aber irgendwie klang es nicht danach …
Was mit meiner Mutter geschehen war, konnte ich nicht sagen. Alles, was ich wusste, war, dass sie kurz nach meiner Geburt verschwand.
Ich bekam es plötzlich mit der Angst zu tun. Sollte das, was meine Großmutter da geschrieben hatte, der Wahrheit entsprechen? Ich eine Sangvu… was stand da? Ich blätterte herum und las noch mal nach. Sangvuella … Das konnte nur eine Geschichte sein. Ein Konzept zu einem Roman.
Ich lief in der kleinen Küche auf und ab, dann setzte ich mich wieder und blätterte ziellos in dem Buch herum.
Nein, nicht mehr darüber nachdenken! Ich klappte das Buch zu. Das waren doch alles Hirngespinste! Ich nahm mir vor, gar nicht mehr in diesem Tagebuch zu lesen, und ging durch den kleinen Flur ins Wohnzimmer zu meinem großen Eichenschrank. Auf dem Boden kniend zog ich die geräumige unterste Schublade auf.
Als ich das Buch hineinlegen wollte, rutschte es mir aus der Hand, fiel zu Boden und blieb aufgeschlagen liegen. Die Seite, die nun sichtbar war, zeigte ein gezeichnetes Portrait – mein Portrait! Das war ich! Wie konnte es sein, dass ich diese Seite übersehen hatte? Ich hatte das Buch doch mehrmals durchgeblättert!
Mein Herz klopfte bis zum Hals. So etwas gab es doch nicht!
Ich nahm das Buch langsam hoch und betrachtete das Bild genauer. War das vielleicht ein Bild meiner Großmutter? Konnte es sein, dass ich ihr so ähnlich sah?
Ich klappte das Buch wieder zu, legte es schnell in die schwere Schublade und schob sie mit beiden Händen in den Schrank zurück.
Es war inzwischen kurz vor zehn, und ich fragte mich, ob ich Rosalie anrufen sollte. Ich ließ es, denn sie würde sich bloß wieder über mich lustig machen. Sie nahm mich mit meinen unheilvollen Ahnungen nie ernst.
Auf dem Weg in die Küche fiel mir mein Einkaufszettel ins Auge, der auf dem Küchenboden lag. Ich hob ihn auf und gab mir einen Ruck. Erst mal einkaufen!
Kaum war ich zurück, klingelte auch schon das Telefon.
»Hallo, Sarah, hier ist Rosalie. Na, bist du schon wach?«
»Und wie wach ich bin. Du glaubst gar nicht, was heute Morgen schon los war …« Als ich anfangen wollte, ihr wider besseres Wissen von dem Tagebuch zu erzählen, fiel sie mir ins Wort. »Warte, Sarah, hast du schon in die Zeitung gesehen?«
»Wieso?«
»Los, hol sie dir mal ans Telefon«, drängte Rosalie.
»Na gut, einen Moment bitte.« Ich stand auf, ging in den Flur und holte die Zeitung von der Kommode. Ich nahm mir ein paar Gummibärchen aus der Schale, die auf dem Wohnzimmerbuffet stand, bevor ich das Telefon wieder zur Hand nahm.
»Hey, bin wieder da, bist du noch dran?«
»Schlag den letzten Teil auf, den mit der Kultur und so.«
Langsam blätterte ich die großen Seiten nacheinander um und überflog dabei die fett gedruckten Überschriften. Rosalie wurde ungeduldig. »Nun beeile dich doch mal!«
»Was ist denn bloß los mit dir? Du bist ja total hektisch.«
»Ich habe auch allen Grund dazu, Sarah, dein Bild ist in der Zeitung.«
In diesem Moment hatte ich die Seite gefunden, die Rosalie meinte. Unfassbar, wie konnte so etwas nur möglich sein? Ein Gemälde war abgebildet, es ging um eine Vernissage – und die Person auf dem Gemälde, eine Frau, sah aus wie ich. Mehr noch: Es war das gleiche Bild, das ich heute Morgen im Tagebuch meiner Großmutter entdeckt hatte. Ich starrte wie gebannt auf den Zeitungsartikel.
Rosalies Stimme holte mich zurück.
»Irre, was? Sieht dir verdammt ähnlich! Man könnte fast meinen, du hättest dafür Modell gestanden. Hey, bist du noch da?«
»Na-natürlich bin ich noch da, Rosalie, das ist unglaublich«, sagte ich, »was kann das nur zu bedeuten haben?«
»Sarah, das ist doch nur Zufall. Du glaubst doch nicht etwa tatsächlich an einen tieferen Sinn?« Rosalie klang nun etwas ärgerlich. Sie konnte mich ja nicht verstehen, schließlich hatte ich vom Tagebuch nichts erzählt.
Für sie gab es allerdings ohnehin keine mystischen Dinge im Leben. Alles musste klar und deutlich sein. Für alles gab es ihrer Meinung nach eine Erklärung.
»Mal was anderes«, versuchte ich nun abzulenken, »kommst du vorbei?«
»Sicher, Kleines«, erwiderte sie, »aber vorher sehe ich mir die Ausstellung an. Treffen wir uns da, gehst du mit?«, fragte sie mich, nun mit lieb säuselnder Stimme.
Ich wollte nicht. »Ich habe noch zu tun, geh du nur allein, kannst mir dann ja davon erzählen.«
»Also gut«, meckerte Rosalie künstlich beleidigt in den Hörer, »dann gehe ich halt alleine. Bis später dann!«
»Ja, bis später dann«, wiederholte ich, aber Rosalie hatte bereits aufgelegt.
Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Sollte ich doch mitgehen? Ich spürte einen Drang, Rosalie nicht alleine dorthin gehen lassen. Aber eine andere Stimme sagte mir, dass alles gut werden würde.
Ich halte kurz inne, um nachzudenken.
Rosalie hatte mir anschließend erzählt, was nach unserem Telefonat geschehen war. Tief muss ich in mich gehen, um diese Erinnerungen zu wecken.
Rosalie warf den Hörer regelrecht auf die Gabel und schlüpfte schnell in ihre Schuhe. Auf dem Weg zur Tür nahm sie ihre Jacke von der Garderobe und verließ mit der Zeitung unter dem Arm ihre Wohnung.
Bis sie durch den Hof auf die Straße gelaufen war, hatte sie ihre Jacke übergezogen. Zur Ausstellungshalle waren es zu Fuß nur ein paar Minuten.
Zügig lief Rosalie die Straße entlang, vorbei an den hohen Häuserreihen mit den altertümlichen, zum Teil renovierten Fassaden. Sie konnte die Halle schon sehen. Es war noch gar nicht so lange her, dass das Gebäude einer Sanierung unterzogen worden war. Der Etat der Stadt hatte es leider erst vor knapp einem Jahr zugelassen.
Das Dach war neu gestaltet, um den aktuellen Sicherheitsbestimmungen gerecht zu werden. Der letzte Winter hatte dazu geführt, dass das alte Flachdach an einigen Stellen einzubrechen gedroht hatte. Nun fügte sich ein neuer Dachstuhl mit den für das Viertel üblichen braunen Ziegeln in das Straßenbild. Die Außenfassade leuchtete fast in ihrem hellen Beige, vor allem wenn es von der Sonne angestrahlt wurde. Die wenigen Fenster im oberen Bereich waren modernisiert worden und gaben mit den nussbaumfarbenen Rahmen einen schönen Kontrast.
Auch der Eingansbereich wirkte nicht mehr kahl und farblos. Der Boden, mit geschlagenen Steinplatten belegt, zeigte fast denselben Farbton wie die Außenfassade. Die Wände waren mit Malereien verziert, die bekannte Motive der Stadt zeigten. Eine dunkelbraune geschwungene Theke diente als Kassenbereich und auf der anderen Seite befand sich die Garderobe.
Die Halle selbst war frisch verputzt und weiß gestrichen, der Boden mit neutralem grauen PVC ausgelegt.
Rosalie war am Eingang angelangt und kaufte sich eine Eintrittskarte. Warten musste sie nicht, um diese Zeit kam kaum jemand. Sie betrat das Foyer, das, da nur schwach beleuchtet, eine beklemmende Atmosphäre hatte. Alles wirkte auf Rosalie irgendwie unheimlich. Die hellen Wände mit den bunten Malereien waren rundherum durch schwere, samtene, schwarze und dunkelrote Vorhänge verdeckt. Selbst der Boden war mit dazu passendem dunklen Teppich ausgelegt.
Eine Aufsichtsperson wies ihr den Weg. Rosalie schauderte ein wenig beim Anblick dieses Mannes. Er war ganz in Schwarz gekleidet, was sein hageres Gesicht noch blasser erscheinen ließ, als es wahrscheinlich ohnehin schon war.
Sein Haar hatte einen sauberen, kurzen Schnitt. Er lächelte ihr zu und seine dünne Haut legte sich dabei straff um seine Gesichtsknochen. Rosalie hatte den Eindruck, jeden einzelnen Knochen erkennen zu können. Seine Augen spiegelten das Lächeln nicht wider – sie wirkten wie tot.
»Jetzt hat mich Sarah mit ihrer mystischen Ader schon angesteckt«, dachte Rosalie laut.
Die Art und Weise, wie man den Eingangsbereich und die Halle hergerichtet hatte, trugen beabsichtigt dazu bei, dem Grusel Nachdruck zu verleihen. Es war ziemlich finster in den Gängen. Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit.
Die Halle war künstlich in lange Flure aufgeteilt worden. Alle paar Meter hingen an den hohen Stellwänden die ausgestellten Bilder mit den Erklärungen daneben.
Die Oberlichter des Saals waren mit den gleichen schweren dunklen Vorhängen bestückt wie im Vorraum, um das Tageslicht auszusperren.
Es waren schreckliche Bilder. Die meisten Gemälde stellten das unsagbare Leid im 14. und 15. Jahrhundert dar. Mehrmals war eine alte Burg zu sehen. Es schien immer wieder dieselbe zu sein, nur jedes Mal aus einem anderen Blickwinkel. Ein weiteres Bild zeigte ein Dorf, sollte es eines sein: jammernde Bauern, tote Tiere, kranke Menschen in zerlumpten Kleidern, Pest und andere bösartige Seuchen … schrecklich!
Das spärliche Licht auf den Gängen kam von den Bilderbeleuchtungen. Sie waren so geschickt angebracht, dass es aussah, als würde Leben in den Gemälden sein.
Rosalie zweifelte daran, dass es hier und da nicht tatsächlich eine Bewegung in den Bildern gab. Sie betrachtete fast ehrfürchtig die Bilderreihen, bis sie auf eine Wand stieß, an der nur ein Bild hing.
Es war genau das Bild, das sie suchte.
Rosalie schlug die Zeitung auf.
Es war das Gemälde, das dort abgebildet war.
Je näher sie herantrat, desto unheimlicher wurde ihr. Als sie dann noch den Namen des Bildes las, der auf einem Schild darunter stand, glaubte auch Rosalie fast nicht mehr an einen Zufall: Sarah.
Sie starrte das Bild an. Die geschickte Beleuchtung vermittelte den Eindruck, dass da oben eine lebendige Frau saß – Sarah persönlich!
Wahnsinn, dachte Rosalie bei sich, »der Schinken ist doch fast vierhundert Jahre alt und die Person sieht genauso aus wie Sarah. Wow, wenn sie das doch nur sehen könnte.«
Sie konnte ihre Augen nicht abwenden und merkte gar nicht, dass sie nicht mehr allein auf dem Gang war. Rosalie war gefesselt, fast wie hypnotisiert.
Den jungen Mann, der jetzt hinter ihr stand, bemerkte sie erst, als er seine Hand sachte auf ihre Schulter legte. Sie drehte sich ruckartig herum, ein kleiner Schrei entwich ihrer Kehle.
Der Mann sprach mit ruhiger, tiefer Stimme: »Es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe, das lag nicht in meiner Absicht. Sie waren so vertieft in dieses Gemälde …«
»Wie meinen Sie …?«, stammelte Rosalie. Sie hatte seine Worte verstanden und doch nicht richtig in sich aufgenommen.
Der Mann betrachtete mit verliebten Augen die Frau auf dem Bild dort an der Wand. »Es ist mein Lieblingsbild. Alle sind meine Lieblingsbilder, aber mit diesem hier bin ich auf eine besondere Art und Weise verbunden. Ich denke«, sprach er versonnen weiter, »dass es die Person irgendwo gibt.«
»Ach so«, Rosalie hatte sich wieder gefangen, sah auf das Bild, auf den Mann.