Wladek und Pawel klappern mit ihrem alten Lieferwagen die Märkte und Basare Südosteuropas ab. Doch ihre Secondhand-Klamotten aus »Paris–London–New York« sind nicht mehr gefragt: Plötzlich tauchen überall billige Textilien aus China auf und verderben ihnen das Geschäft. Als Wladek sich in die Kartenverkäuferin eines Kirmeskarussells verliebt, werden die beiden unversehens in das kriminelle Treiben von Menschenschmugglern hineingezogen. Der Road Trip entwickelt sich zu einer rasanten Verfolgungsjagd, in der es nicht mehr um gefälschte chinesische Markenwaren, sondern um Leben und Tod geht.
»Eine rauschhafte Lektüre!«
Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung
Andrzej Stasiuk, 1960 geboren, lebt seit 1986 in den Beskiden und bereist seit Jahren den europäischen Südosten, neuerdings auch Russland und die Mongolei. Sein vielfach ausgezeichnetes Werk wird in 25 Sprachen übersetzt.
Hinter der Blechwand
Roman
Aus dem Polnischen von
Renate Schmidgall
Suhrkamp
Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel
Taksim
bei Czarne, Wołowiec.
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2012
Copyright © by Andrzej Stasiuk 2009. All rights reserved
© Suhrkamp Verlag Berlin 2011
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Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski
eISBN 978-3-518-76730-6
www.suhrkamp.de
Für M.
IM HERBST sieht man, daß die Stadt stirbt. Diejenigen, die fliehen wollten, sind schon lange geflohen. In der Abenddämmerung hängt der Gestank brennender Blätter. Der Rauch mischt sich mit Nebel und verhüllt die Außenbezirke. Die Lichter werden gelblich und fahl. Man muß auf die Fußgänger achten, sie sind schwarz wie der Asphalt. Manchmal fahre ich kreuz und quer durch die Stadt und sehe, daß es keine Stelle gibt, wo man aussteigen möchte – und keinen Grund. Vier Kreuzungen, ein Kreisel, die Ampeln blinken gelb, schon um zehn Uhr abends. Bei Nordwind riecht man die sterbende Fabrik. Alle sind schon weg. Nur die, die es nicht schaffen, sind noch hier. Sie wachen morgens auf, schauen aus dem Fenster und gehen nicht aus dem Haus. Es sei denn, sie haben einen Hund. Dann gehen sie auf den Marktplatz und gucken sich die Todesanzeigen an, um zu sehen, wer gestorben ist, und sich zu freuen, daß es noch nicht sie erwischt hat.
Um zehn ist alles tot. Nur die Tankstelle lebt. Niemand tankt. Alle kaufen Alkohol oder sitzen in der Kneipe. Die Autos, die sie haben, werden immer größer, immer billiger und immer älter. Sie kaufen sie bei den Schlitzohren, die mit ausländischem Schrott handeln. Ja, alle gehen weg oder importieren etwas. Hier gibt es nichts. Diese Autos werden jeden Moment auseinanderfliegen, die Böden werden abfallen und die Karosserien in den Wäldern hinter der Stadt landen. So etwas kauft kein Mensch mehr. Da werden Füchse oder Rebhühner einziehen. Füchse sind klug. Ich sehe sie immer näher an der Stadt. Die Leute werfen Lebensmittel weg. Sie kaufen sie und können sie nicht essen, weil sie billig und eklig sind. Genau das richtige für die Füchse. Manchmal überqueren sie die Straße wie Katzen oder Hunde. Sie fressen die Wurst der Menschen und wohnen in verrosteten Limousinen. Schließlich räumt das Gerümpel keiner weg. Alteisen, zu nichts mehr nütze. Aber die von der Tankstelle stört das nicht. Meistens haben sie Glatzen und abstehende Ohren. Als wären sie unterernährt. Manchmal tanke ich nachts und betrachte sie durch die Scheibe. Ihre Bewegungen sind insektenhaft, nervös. Sicher hat man sie als Kinder geschlagen. Vergeblich. Sie sind dumm und fluchen ohne Ende. Aber später, wenn sie auseinandergegangen, wenn sie allein sind, huschen sie verstohlen im Schatten der Mauern entlang, den Blick gesenkt.
Die Bullen versammeln sich ebenfalls an der Tankstelle. Auch sie haben meistens Glatzen. Vielleicht sind sie nur ein bißchen besser genährt, größer, dicker und selbstsicherer. Aber es ist eine Selbstsicherheit, die sie aus amerikanischen Filmen gelernt haben. Außer der Tankstelle sind nachts in der Stadt nur die Videotheken offen. Die Leute nehmen sich zwei, drei oder vier Filme mit und gehen nach Hause. Die Bullen unterscheiden sich kaum von den anderen Leuten. Sie kommen sich vielleicht nur besser vor. Aber sie sind es nicht. Sie sind genau wie die Glatzköpfe mit den abstehenden Ohren. Sie schauen sich die gleichen Filme an und essen das gleiche Zeug in der Tankstellenkneipe. Und warten ebenso auf eine Revolution, die alles verändert. Das ist es, was ich in dieser Stadt spüre – Warten. Alle beschäftigen sich nur provisorisch mit dem Leben. Sie warten ab, in der Hoffnung, daß alles auf den Kopf gestellt wird, daß alles ganz anders wird, als es ist, daß die Letzten endlich die Ersten sein werden.
Gestern abend setzte ich mich neben einen Tisch, an dem ein Vater und sein Sohn saßen. Sie waren auf der Durchreise. Solche Leute erkennt man leicht, denn sie fühlen sich unsicher, schauen sich ständig um. Selbst wenn alles ruhig ist, können sie sich nicht beherrschen und sehen sich um, als erwarteten sie einen Hieb oder irgendeine Belästigung. Der Vater war groß, dick und hatte einen Schnurrbart. Er saß lässig ausgestreckt da, aber er sah sich immer wieder um. Der Sohn ähnelte ihm, war schon auseinandergegangen von dem fetten, billigen Fraß. Ich wartete auf jemanden und hörte ihnen eine halbe Stunde zu. Eigentlich redete hauptsächlich der Alte. Von einem Auto, genauer gesagt, von den Türen des Autos: ob es sich lohne, sie zu lackieren und die Bespannung auszutauschen. Der Sohn war im Prinzip mit allem einverstanden und nickte. Das Wort »Bespannung« fiel wohl zehn-, fünfzehnmal und bestimmte den Rhythmus des farblosen Vortrags. Der Alte verlieh dem Gelaber ein Gewicht, wie es väterlichen Belehrungen über Sinn und Tücken des Lebens eigen ist. Sie aßen Bohnensuppe. In der Küche brutzelten Koteletts für sie. Plötzlich war der Monolog unmerklich auf ein Handy zum günstigen »Aktionspreis mit Servicepaket« übergegangen. Wieder nickte der Sohn und warf ein paar Silben ein. Dann stand er auf und ging zur Theke, um die Teller mit dem Hauptgericht abzuholen. Er trug einen dunkelblauen Trainingsanzug aus Polyester. Der Vater eine Lederjacke.
ICH KONNTE NICHT länger warten, ich mußte gehen. Durch die Fensterscheibe sah ich sie noch. Der Alte schluckte ganz langsam und redete zwischen einem Bissen und dem nächsten. Der Junge hatte den Blick auf den Teller geheftet und aß. Sie waren nicht von hier, aber sie kamen aus einem ganz ähnlichen Ort. Sagen wir, Żłobiska oder noch weiter, direkt an der Grenze. Dort gab es höchstens weniger Laternen und weniger Autos, aber der Rest sah genauso aus. Doch jetzt saßen sie auf Kunstleder an einem Tisch, der Holz imitierte, unter einer Plastikpflanze, in diesem vernickelten und aufgeräumten Raum, und hatten es nicht eilig, nach Hause zu kommen. So ist diese Stadt entstanden. Die Leute sind hierhergezogen, weil sie es bei sich nicht aushielten. Jetzt gehen sie weg von hier und machen Platz für solche wie die an dem Tisch. Ein Geschäft muß immer in Bewegung sein. Wenn die Bewegung erlahmt, zieht das Geschäft weiter. Übrig bleiben diejenigen, die keine Kraft mehr haben. Sie bleiben überall übrig und befassen sich mit den Resten. So wie ich.
Zehn Minuten reichen, um von einem Ende der Stadt ans andere zu fahren. In der Stadt gibt es insgesamt zweiundzwanzig Läden mit gebrauchter Kleidung. Manche sehen aus, als würden dort neue Sachen verkauft: Spiegel, Anprobe, viel Licht. Andere wirken wie Keller, wenn man sie betritt, haben weder Fenster noch Belüftung. Die Sachen kommen alle aus Europa. Heißt es jedenfalls. Einmal in der Woche rollt ein Güterwaggon auf das Nebengleis und lädt große Ballen von gepreßter Kleidung ab. Die Ladenbesitzerinnen – denn es sind ausschließlich Frauen – teilen die Ware unter sich auf, wiegen sie, bezahlen und laden sie in Lieferwagen. All das geschieht dienstags, die Läden sind dann erst ab Mittag offen. Die Leute sagen, alles komme aus Europa. Sie belügen sich, aber Paris klingt eben immer tröstlich. Vor allem für die Frauen, die die Sachen von allen Seiten betrachten, ans Licht halten, ausbreiten und dann sagen: »Legen Sie mir das bitte zurück. Morgen komme ich mit Geld.«
Der Dienstagszug fährt danach ins Gebirge, Richtung Grenze, und zieht die gleichen Waggons weiter nach Sabinov, nach Gönc und Bistrica. Auf den Rampen warten Frauen, Autos und Typen, die zum Verladen angeheuert werden, und in Bistrica warten außer den Autos auch Pferdefuhrwerke. Die Frauen zahlen nach Kilogramm, aber es ist nicht so einfach, das alles zu wiegen, und so streiten sie sich mit den Großhändlern in den Waggons, und die fluchen in fünf Sprachen durcheinander. Wasserstoffblondinen ziehen einzelne Stücke aus den Packen, heben sie hoch, halten sie den schlauen Dicken in Lederjacken unter die Nase und brüllen: »Das soll aus Paris sein, aus Frankreich?! Das ist aus der Scheißtürkei!«
Ich kenne das gut. Ich bin Lieferwagen für sie gefahren. Sie riefen mich an und sagten, ich solle um sieben, um sechs oder noch früher kommen. Ich erinnere mich an den Gestank von billigem Waschmittel. Im Sommer war er nicht auszuhalten. Eine halbe Stunde unter dem Blechdach, und man erstickte fast. Ich fuhr die Ware bis nach Żłobiska, nach Grobów oder weiter.
Dann lernte ich Władek kennen, und wir machten die Sache auf eigene Faust, ohne Zwischenhändler, ohne die Frauen, ich nahm die Kleider von den Waggons, wie sie kamen, zahlte und fuhr los. Władek konnte schnell rechnen und herausgeben. Er hatte alle Wechselkurse im Kopf, sieben, acht, zehn Währungen, er dividierte, multiplizierte, subtrahierte, berechnete Prozente, und gleichzeitig redete er, rauchte, machte Geschäfte, stritt sich mit den Kunden. Das alles beherrschte er noch aus früheren Jahren, als er mit Taschen voller Rubel, Lei, Forint und Kronen über Czernowitz nach Suceava fuhr und dann über Satu Mare, Tokaj und Košice zurück.
Jetzt hielten wir irgendwo in Ożenna an oder jenseits der Berge, in Havaj, Mikova, weit weg von der Bahnlinie, weit weg von den Hauptstraßen. Władek war inzwischen dicker und langsamer geworden, aber mit den Dorfweibern kam er immer noch zurecht. Die besseren Stücke hängten wir an die Ständer, man mußte sie nur aus dem Lieferwagen nehmen und auf dem Platz vor dem Geschäft oder der Kneipe aufstellen: Ständer mit Jacken, Mänteln, Jacketts. Den Rest hatten wir in Plastikkisten. Aus ein paar Brettern bauten wir eine Art Theke, und es konnte losgehen. Władek kannte in Torysa den Gemeindevorsteher, und als wir die Waren auslegten, kündigte dessen Sekretärin durch die Lautsprecher des Dorfradios die einmalige Gelegenheit an, zu unwahrscheinlich niedrigen Preisen in lokaler Währung europäische sowie internationale Kleidungsstücke zu erwerben. Und dann kamen Frauen in violetten Kopftüchern, hielten die Sachen gegens Licht, befühlten die künstliche Seide, die verwaschene Baumwolle und abgewetzte Wolle und fragten: »Kol’ko stojí?«
Da verdrehte Władek die Augen, als hätte ihn jemand schwer gekränkt, und antwortete: »Gute Frau und liebe Chefin, von wieviel kann hier gar keine Rede sein, denn das kostet so gut wie nichts, das ist umsonst, ieftin, lacno, und von hier bis Preßburg finden Sie nichts, was olcsóbb wäre.« Er nahm ein grünes, durchsichtiges Nylonteil mit Rüschen, hielt es an seinen runden Bauch, machte einen halben Schritt in die eine, einen halben in die andere Richtung, und die Frauen folgten ihm mit dem Blick wie einem Zauberer, wie einem Wundertäter, der hierhergekommen war, um ihr Leben zu verändern. »Paris – London – New York, so steht es hier« – und er hielt ihnen die hübschen, mit Goldfaden bestickten Preisschildchen unter die Nase, die sicher in Istanbul oder Peking hergestellt worden waren. »Oh, Paris«, antworteten sie, und der Wind wehte ihnen den vom Waschen ausgeleierten Ramsch aus den Händen, diesen nach dreimal Tragen ausrangierten Müll, diese Kreationen, die aus der Mode kamen, bevor jemand sie eines Blickes gewürdigt hätte.
Ja, ohne Władek hätten wir einpacken können. Ohne ihn hätten wir nicht einmal den Zigeunern etwas verkauft. Und wenn es wirklich in Torysa war, dann kamen die Zigeuner aus ihrem jämmerlichen Pueblo herunter, das sie auf den Hügeln über dem Dorf aus Holz gezimmert hatten. Ja, nicht einmal ihnen hätten wir etwas verkauft, obwohl sie aussahen wie Menschen, die alles brauchen können. Es waren vor allem Frauen, Frauen mit Kindern. Sie stellten sich im Halbkreis auf und warteten, bis die Weißen etwas Platz machen würden, bis sie sich satt gesehen und für einen blauen oder roten Geldschein etwas gekauft hätten. Die Weißen sahen noch halbwegs aus. Sie hatten gewöhnliche Klamotten an, Sachen, die sie sich ausgesucht hatten, irgendwas Sinnvolles, ein geblümtes Tuch, einen Rock, eine Schürze, Kleider, wie sie schon ihre Mütter trugen, etwas ganz Normales eben. Aber die anderen, die gehörten schon zum internationalen Konfektionskosmos – gelbe, rote, grüne, blaue und phosphoreszierend leuchtende, verführerische Flammen. Darunter schauten die schokofarbenen Körper hervor, durch die Löcher schimmerte die braune Haut, und durch die ausgeleierten Reißverschlüsse blitzte der Glanz von Tausendundeiner Nacht.
»Meine dunkelhäutigen Brüder und Schwestern«, begann er, und ich war überflüssig. Ich ließ ihn machen und betrachtete die ordentlich gemauerten Häuser, die mit den Giebeln zur Straße standen. Diese Dörfer sahen aus wie niedrig gebaute Städtchen. Was sind das für Dörfer, wo man keine Hühner und keine Pferdeäpfel sieht. Alles irgendwo versteckt, hinter Mauern und Toren. Auf die viereckigen Kirchtürme waren Uhren gemalt, die Zeiger waren Viertel vor zwölf stehengeblieben, als würde gleich etwas passieren, etwas geschehen, sich etwas ändern, als würden die Tataren oder die Türken kommen, die Deutschen oder die Russen oder die Amerikaner, oder als würde in dieser Viertelstunde ein Wunder geschehen und bis in alle Ewigkeit niemand mehr kommen.
»Also, meine dunkelhäutigen Brüder und Schwestern! Ich weiß, daß ihr knapp bei Kasse seid, daß ihr nicht viel Geld habt, obwohl ich dafür bin, daß ihr welches haben solltet, und zwar soviel wie möglich, am besten euer eigenes, euer Zigeunergeld, aus der Zigeunernationalbank, eine Währung, härter als Dollar und Euro zusammen, meine Brüder und Schwestern …«
Aber ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, daß es in Torysa war. Vielleicht waren wir gerade damals weiter nach Süden gefahren? Und es waren gar keine weißen Frauen, die um uns herumstanden, sondern gleich diese farbigen, weil wir uns irgendwo in Vlachy oder Bystrany befanden? Es war immer er, der die Strecke festlegte und die Straßen aussuchte, er hatte sich dieses Geschäft ausgedacht, er war eines Tages zu mir gekommen und hatte gesagt:
»Willst du ewig in diesem Kaff herumkurven und an diese zwanzig Weiber liefern, aus denen vielleicht mal dreißig werden? Laß uns doch dorthin fahren, wo man uns wirklich braucht, wo es noch keine solchen Weiber gibt. Laß uns dorthin fahren, wo sie noch ärmer sind.«
Ich fragte ihn damals, warum er nicht selbst fuhr.
»Ich fahre nicht gern. Dafür trinke ich gern ziemlich früh am Morgen. Das paßt nicht zusammen.«
Aber so früh fing er nun auch nicht an. Etwa gegen Mittag, mit einem Gläschen. Und wenn wir auf Tour waren, bei der Arbeit, hielt er bis zum Abend, bis Sonnenuntergang, einen regelmäßigen Stundentakt durch. Man konnte die Uhr danach stellen. Seine Verbrennung lief so präzise ab wie eine chemische Reaktion unter Laborbedingungen.
Ich war einverstanden, denn diese Perspektive war genauso trostlos wie alle anderen, aber immerhin konnte ich sicher sein, daß niemand vor uns auf diese Idee gekommen war.
»Und Geld hab ich auch keins«, fügte er zum Schluß hinzu.
Aber es dauerte einige Zeit, bis er mich überzeugt hatte. Vorher mußte er mir noch jede Menge erzählen. Er paßte mich immer auf dem Nebengleis ab oder an der Tankstelle, manchmal sprang er auch einfach ins Auto, wenn ich an der Ampel stand. Heute kommt es mir vor, als hätte ich ihn von jeher gekannt, aber ich kann mich um nichts in der Welt erinnern, wie und wo wir uns kennengelernt haben. In einer Stadt wie dieser trifft man ständig dieselben Leute, ein Fremder wird irgendwann zu einem, den man vom Sehen kennt, dann zu einem Bekannten, und eines Tages kann man sich gar nicht mehr vorstellen, daß die Welt jemals ohne ihn existiert hat.
»Alles hat sich verändert«, sagte er. »Früher bin ich mit neuen Sachen in die Städte gefahren. Dorthin, wo es die größten Märkte gab. Nach Suceava zum Beispiel oder anderswohin oder zu den ausgehungerten Russen oder zum Keleti, aber das war einmal. Sogar der Mexikoplatz ist Geschichte. Jetzt muß man mit alten Sachen aufs Land fahren, mit Zeug, das für die Stadt nichts mehr taugt, aber fürs Dorf noch gut genug ist und bunt wie im Fernsehen. Dorthin, wo vor uns noch keiner war. Jedenfalls nicht viele. Denk mal nach! Ausländische Waren aus dem Ausland! Das wird funktionieren. Von den eigenen Leuten nehmen sie nichts, aber von uns schon.«
Wir fuhren durch den toten Grenzübergang in den Bergen. Die großen verglasten Gebäude standen mitten in der Einöde, der Wind zerschellte daran. Von weitem sah das Ganze aus wie ein verlassenes Raumschiff oder ein vergammelter Supermarkt. Die weiß-roten Schlagbäume ragten in den Himmel und rosteten. Die Scheiben waren eingeschlagen. Von Kindern, von Zugvögeln, vom Wind – wer weiß. Wenn der Frühling im Anzug war, wenn es wärmer wurde, kamen Zigeuner von der Südseite der Berge her und schlugen hier eine Art Lager auf. Sie machten im Freien Feuer, kochten, schliefen und lebten einfach dort, wenn das Wetter gut war. Nach drinnen, in die Büros, in die Zollabfertigungsräume, in die Häuschen, in denen früher die Grenzbeamten residiert hatten mit ihren Computern, ihren Glock-Pistolen, ihren Knöpfen zum Öffnen der Schlagbäume, dorthin zogen sie um, wenn es goß. Im Grunde genommen wurden sie zu einer Art neuer Zollabfertigung. Wie früher wurden die Autos an dieser Stelle langsamer, fuhren mit anerzogenem Respekt in den Schatten des offenen, winderfüllten Hangars – und da kamen sie aus ihren Schlupflöchern, versperrten den Weg und verlangten die Maut: Kinder und Frauen mit Säuglingen; die Männer hielten sich etwas im Hintergrund, waren aber in der Nähe. Und die meisten Durchreisenden zahlten. Sie kurbelten die Fenster herunter und gaben ihnen Kleingeld. Zwanzig Cent, einen Złoty, fünfzehn Kronen, hundert Forint, fünfzig Kopeken, zwanzig Bani – sie gaben gern, denn das war wie ein Stempel im Paß. Die dunkelhäutigen Kinder schaukelten auf den Schlagbäumen, die Väter standen mit reglosem Blick da, die Arme auf der Brust verschränkt, und die Frauen hielten einfach die Hand auf, als sammelten sie Geld für Fahrscheine ein, für eine Vorstellung. An Schnüren hing Wäsche, in der Luft blauer Rauch.
Wir fuhren so oft dort vorbei, daß sie nichts mehr von uns wollten. Wir hielten an, und die Männer kamen zur Begrüßung. Manchmal fuhr ich ein Stück zur Seite, an die Stelle, wo die Zöllner früher das Gepäck durchsuchten, und Władek schob die Seitentür auf. Er holte eins dieser fluoreszierenden Wunder hervor, ein zweites und drittes und überreichte sie mit einer Verbeugung einer von den würdevoller aussehenden Frauen. Den Typen bot er Zigaretten an. Dann fuhren wir los, die Straße durch den Wald, schraubten uns bis zur Wasserscheide der Karpaten hoch, und nach fünfzehn Minuten waren wir auf der anderen Seite der Berge.
»Bald wird es von ihnen hier mehr geben als von uns«, sagte er beim Anblick der ersten ordentlichen Häuser an der Straße. »Sie gründen ihren Staat und fertig.«
AUF SOLCHE Ideen kam er, weil er immer in der Zukunft lebte. Wahrscheinlich stimmte ich deshalb schließlich zu. Um nicht daran denken zu müssen, was kommen würde, um es jemand anderem zu überlassen. Ja, und um die Stadt nicht riechen zu müssen. Ich fuhr ohne Ende in ihr herum. Genauso wie die armen, dummen Glatzköpfe, die sich doppelte Auspuffrohre montierten und dachten, so sehe ein abenteuerliches Leben aus. Genau wie sie. Mit dem Unterschied, daß ich einen alten Diesel hatte, diesen Maulesel, mit dem ich Geld zu verdienen versuchte.
»Sie haben immer von dem gelebt, was weggeworfen wird, was keiner mehr braucht. Und sind an die Orte gegangen, die von allen anderen verlassen wurden«, sagte er, als wir an Zborov vorbeifuhren, mit seiner toten Kirche mit den zwei Türmen. Jetzt nisteten dort Vögel, und wir sahen auf dem blauen Hintergrund Krähen kreisen, Saatkrähen, Dohlen, vielleicht sogar Raben, jedenfalls etwas Schwarzes. Ganze Scharen kamen aus den Löchern zwischen den Dachziegeln geflogen. Vielleicht sind wir damals zum ersten Mal mit Ware in den Süden aufgebrochen, und am meisten wunderte ich mich darüber, daß eine Kirche einfach verlassen sein konnte und darin Krähen wohnten. Dort war eine Kreuzung. Links ging es zu den Ruthenen, rechts zu den Zigeunern. So habe ich das in Erinnerung, und obwohl seither einige Zeit vergangen ist, sage ich mir in Zborov immer – links Ruthenien, rechts Indien. »Ja, und als die Grenzen aus der Mode kamen, du hast ja selbst gesehen, da sind sie sofort eingezogen.«
»Wir sollten in diesen Gewächshäusern einen Laden aufmachen, statt so durch die Gegend zu ziehen«, sagte ich.
»Vergiß es. Als sie die Grenzer abzogen, haben dort verschiedene Leute alles mögliche versucht. Kneipe, Kneipe mit Disko, Puff, Puff mit Kneipe, Puff mit Disko, aber es war immer so: Sie kamen von drüben oder von unserer Seite, guckten sich ein bißchen um, setzten sich ein bißchen, tranken ein Bier und gingen wieder heim. Manchmal kamen sie ein zweites oder drittes Mal, aber sie gingen immer wieder nach Hause, und dann hat man sie nie mehr hier gesehen. Sie fühlten sich nicht sicher. Ein Puff auf einem Paß mitten im Wald, das ist etwas für einen romantischen Schmöker. Das war zu exponiert, trotz der Einöde.«
»Die Straße ist zu schmal«, sagte ich.
»Was?«
»Die Laster können nicht fahren. Im Winter schon gar nicht.«
»Ja«, erwiderte er. »Da hast du recht. Die Lastwagenfahrer sind wie hungrige Wölfe. Ja, die türkischen Lastwagenfahrer sind wie hungrige Wölfe.« Und er begann zu lachen.
UND DANN hinter Bardejov ließ er mich nach links abbiegen, in eine Seitenstraße, eine Abkürzung, mit der wir zwanzig oder dreißig Kilometer sparen würden.
»Früher bin ich hier gefahren«, sagte er. »Ich hatte einen Bekannten hier, dem habe ich Schafsfelle gebracht. Jedesmal etwa zehn. Wir fuhren zu dritt oder zu viert, und die lagen als Decken auf den Sitzen. Man mußte darauf sitzen, damit die Zöllner sie nicht sahen. Es dauerte etwa ein halbes Jahr, bis wir den Durchbruch geschafft hatten. Ich weiß nicht mehr, was wir auf dem Rückweg dabeihatten, wahrscheinlich Spiritus. Einmal brachten wir fünfzehn Liter im Ersatzreifen, aber der stank nach Gummi, und wir mußten ihn selber saufen.«
Die Straße wurde schmal und holprig. Alte Holzhäuser standen eng aneinander, und gleich dahinter ragten die steilen Wände der Schlucht empor. Auf dem flachen Boden zwischen den Höfen lagen Fichten- und Buchenstämme. Sie waren aus dem Wald hergeschleppt worden und warteten jetzt auf den Abtransport. Im ganzen Dorf war kein einziges Auto zu sehen. Auch keine Menschen. Auf dem Steilhang stand ein Traktor. Kalt und verrostet. Wir hielten beim letzten Haus an, und er sagte, ich solle hupen. Ich sah, wie sich die Gardine am Fenster bewegte. Nach einer Weile kam ein alter Mann in einer Weste aus Schafsfell um die Ecke. Er blieb stehen und schaute in unsere Richtung.
»Das ist er. Warte lieber. Er mag keine Fremden«, sagte Władek und stieg aus. Er blieb am Gartentor stehen, als wollte er warten, bis der Alte ihn erkennen würde, und erst als dieser nickte, ging er hinein.
Es war das letzte Haus, ein Stück weiter ging der Asphalt in Schotter über.
ICH KONNTE mich wirklich nicht erinnern, wann ich ihn zum ersten Mal getroffen hatte. Er war wie der Geist dieser Stadt. Er verkörperte sie: grau, unscheinbar, fast durchsichtig, der erstgeborene Sohn der Alltäglichkeit, von Geburt an im Scheitern bewandert. Aber man mußte ihn nur anschauen, den Blick auf ihn heften, um nicht durch ihn hindurchzusehen, und schon war er ein anderer. Wenn jemand ihn wahrnahm, wurde er sichtbar. Er sammelte sich, geriet in Spannung, seine Gegenwart verdichtete sich. Er war überall, sah und wußte alles, den Rest ahnte er.
Vielleicht war es im »Fäßchen«? Dort ging ich gerne hin. Ich stellte das Auto ab und ging eine Viertelstunde zu Fuß, von der Peripherie bis fast ins Zentrum. Es war eine Spelunke, aber ich mochte sie. Ich nahm meinen Krug und setzte mich mit dem Rücken so zur Wand, daß ich den Fernseher sehen konnte, der unter der Decke hing. Wenn man auf einen Bildschirm starrt, wird man nicht so schnell angequatscht. Es gab noch einige andere Kneipen in der Stadt, aber nur im »Fäßchen« wollten die Kunden nicht mehr sein, als sie waren. Sie gaben sich nicht der Illusion hin, Geschäftsleute zu sein, Gangster, arme Schwarze aus den Slums jenseits des Ozeans, Silikonpuppen aus einem Porno, Politiker, coole Typen, die mit den globalen Trends der Zeit gingen, und was da noch so an TV-Klischees verbreitet wurde. Nein, ins »Fäßchen« kamen diejenigen, die sich einfach vollaufen lassen wollten. Ich denke, das war der ehrlichste Ort in dieser krepierenden Stadt. Die Gäste machten in der Tat den Eindruck, als würden sie gar nicht fernsehen. Zumindest nicht seit zwanzig, dreißig Jahren. Sie trugen Jacken und Pullover, wie ich sie auf dem Nebengleis abholte und für die Händlerinnen durch die Gegend fuhr. Ihre Frauen hatten sie ihnen gekauft, und die Kleidungsstücke sahen aus, als würden sie rund um die Uhr getragen. Ich trank ein Bier, ein zweites und sah auf den Bildschirm. Zu essen gab es nichts. Salzstangen und Chips. Ich habe nie bemerkt, daß jemand etwas davon gekauft hätte. Im Fernsehen lief immer wieder die Konsumverherrlichung, aber der Mannschaft hier ging das am Arsch vorbei. Sie wollten sich vollaufen lassen, um nicht zu denken, und sie hatten recht. Vielleicht hatte er sich damals einfach dazugesetzt und gesagt: »Sie sind aber nicht von hier, oder?« Sicher versuchte ich weiter auf den Bildschirm zu schauen, wo Wrestling, Jelly Fight oder irgendwelche Ansprachen liefen, aber er gab sich nicht geschlagen: »Wissen Sie, von hier gehen die Leute eher weg oder versuchen es zumindest, wenn also jemand auftaucht, der nicht von hier ist, dann ist das immer interessant. Und eine alte Nummer haben Sie auch.« Bestimmt fragte ich: »Was für eine Nummer?« Er meinte die am Lieferwagen.
Er muß mich also beobachtet haben, muß mich im Auge gehabt haben. Vielleicht hat er in gewisser Weise einfach auf mich gewartet, wie man auf einen Zufall wartet, der sich als Schicksal entpuppt.
ICH SAH IHN um die Ecke kommen. Als er schon an der Gartentür war, bewegte sich am Fenster des Hauses wieder die Gardine. Der Alte folgte ihm mit dem Blick. Władek stieg ein und zeigte mir ein Literglas mit etwas Weißgrauem darin.
»Schmalz«, sagte er.
»Bravo«, erwiderte ich.
»Vom Dachs, Mensch … Magische Eigenschaften. Heilt alle Krankheiten, nur Tote macht es nicht lebendig. Das ist die gängige Meinung.«
»Wieviel?«
»Wieviel was?«
»Wieviel hast du ihm gegeben?«
»Dreißig Stück Munition für die Doppelbüchse.«
Ich ließ den Motor an, und er gab das Zeichen – geradeaus. Das Dorf war zu Ende, zu beiden Seiten der Straße erstreckte sich Wald. Wir kamen zu einem verlassenen Schlagbaum. Er griff unter den Sitz und holte aus der Werkzeugkiste den Dreikantschlüssel.
»Der Vierzehner«, sagte er.
»Bist du sicher?« fragte ich.
»Hör mal, das ist eine Abkürzung, und wir sparen etwa vierzig Kilometer, und der Alte hat gesagt, er hat heute keinen von der Forstwacht gesehen. Im Falle eines Falles sagen wir, es war offen.«
»Aber da ist doch ein Verbotsschild.«
»Dann sagen wir ihnen, bei uns gibt’s andere Schilder, verdammt, und wir haben das nicht gewußt.«
Er nahm den Schlüssel und stieg aus. Ich hatte keine Lust zu diskutieren. Ich fuhr durch, und er ließ die Schranke wieder herunter, als wäre nichts geschehen. Er stieg ein, und wir fuhren bergauf. Der Wald begann, und nach fünf Minuten hatte ich zur Rechten einen Abhang und zur Linken eine Schieferwand. Es war eng und steil. Unten sah ich Tannenspitzen. Wenn etwas entgegengekommen wäre, wäre man kaum aneinander vorbeigekommen, aber der Weg war mit Gras bewachsen, offensichtlich nahmen nicht viele die Abkürzung.
»Etwa sieben, acht Kilometer bergauf und genausoviel wieder runter, dann kommt Majdan, aber da gibt’s nur ein paar Hütten. Wir fahren nach Lipany oder nach Sabinov. Heute ist ein guter Tag, weil sie Arbeitslosengeld und Stütze kriegen. Am besten wäre es, gleich bei der Verwaltung vorzufahren. In Lipany kenne ich sogar die Bullen, glaube ich. Weißt du, die Typen gehen sofort auf ein Bier und Borovička, das heißt Bororo, wie Pankovčín aus Marrakesch sagte, Gott hab ihn selig, der fuhr auch mit Ware, aber mit einem alten Bus, der zu einem Lebensmittelladen umgebaut war. Das Ding fuhr, schepperte, klingelte, in den Kurven rieselte es von den Regalen, es roch nach Räucherei, Drogerie und Desinfektion, aber wenn du was bestellt hast, hat er’s gebracht, Waschmaschine, Kühlschrank oder vier Reifen für einen Favorit. Im Winter legte er Ketten an, um nach Kalinov oder Habura zu fahren und den Leuten Bororo und Videokassetten zum Wechseln zu bringen. So war das, bis er gestorben ist. Eines Morgens haben sie ihn gefunden. Er hatte es noch geschafft, an die Seite zu fahren, den Leerlauf einzulegen und die Handbremse zu ziehen, aber den Motor stellte er nicht ab; sie fanden den klappernden alten Diesel mitten im Wald auf dem Mikovsky-Paß, und er sah aus, als würde er schlafen, als wäre er vor Müdigkeit eingedöst. Es war Sommer, also hatte er die Fenster offen, und angeblich stöberten die Vögel im Gries, Reis und was da noch so war, eine ganze Schar Waldvögel, Eichelhäher … Sagten die Leute. Aha, also die Jungs mit der frischen Knete auf ein Bier, und die Ladies zu uns, zu den Billigklamotten. So sieht der Plan für heute aus.«
ICH FUHR wie ein Traktor auf dem Feld, fünf Kilometer die Stunde, und er redete. Vielleicht aus Angst und um nicht in den Abgrund schauen zu müssen. Ich dachte darüber nach, wann er das alles erlebt haben könnte und warum er sich so gut erinnerte. Nicht ausgeschlossen, daß er es sich ausgedacht hatte, aber was bedeutete das schon, wo wir diese Phantasien bald darauf in die Tat umsetzen sollten.
An diesem Tag kamen wir nirgends an. Mitten auf der Straße stand ein weißer Lada Niva. Ein Typ in Försteruniform pißte ans Rad. Ich fuhr so langsam, daß er uns nicht hörte. Erst als wir hielten, sah er auf. Ohne Eile beendete er seine Tätigkeit, ließ das Ding abtropfen und steckte es weg. Dann kam er auf uns zu. Er war um die fünfzig, hatte graues Haar und ein rotes Gesicht. Ich ließ die Scheibe runter und wartete. Er wollte etwas sagen, aber ich schüttelte den Kopf und zeigte auf Władek. Er wurde noch röter und ging um die Schnauze des Autos herum. Sie begannen zu reden. Ich verstand jedes dritte Wort, mehr brauchte ich auch nicht. Ich wollte gar nichts verstehen. Sie stritten sich. Der andere errötete immer mehr. Er sah aus, als würde er gleich platzen. Vermutlich sagte er, wir sollten uns dahin verpissen, wo wir hergekommen waren. Jedenfalls streckte er den Arm in die Richtung. Ich mußte sieben- oder achtmal zurücksetzen. Er sah zu und wartete darauf, daß wir in den Abgrund rauschten.
»Ja. Er hat gesagt, wir sollen uns verpissen«, sagte Władek, als wir unten waren.
»Konntest du ihm nichts geben?«
»Er hätte es nicht genommen.«
»Woher weißt du das?«
»Ich kenne sie. Dem hättest du schon fünftausend Dollar geben müssen. Da geht’s ums Prinzip.«
»Welches Prinzip?«
»Daß sie das Sagen haben.«
»Im Wald? Es gab doch keine Zeugen. Weder daß er das Sagen hat noch daß er es nicht hat, weder daß er etwas genommen noch daß er nichts genommen hat.«
»Du verstehst das nicht, Mensch … Kaum haben sie ein paar Jahre einen eigenen Staat, und schon gibt’s darin bald mehr Zigeuner als Einwohner erster Klasse. Und dann noch die Ungarn an der südlichen Grenze, Hunderttausende ehemaliger Peiniger und Unterdrücker, Mensch … Sei froh, daß wir keine Ungarn sind … Er hätte uns die Reifen durchschossen, beim Fluchtversuch, ich kenne sie.«
Er hörte nicht auf zu reden. Er mußte quatschen. Es war inzwischen klar, daß wir an diesem Tag nichts verdienen würden. Unten erstreckte sich ein Dorf. Der blaue Rauch aus den Schornsteinen stieg direkt in den Himmel. Auf der Bank vor einer Hütte saß ein Alter in einer Weste aus Schafsfell. Seine Finger bewegten sich, aber den Sinn dieser Tätigkeit konnte ich nicht ergründen. Er bewegte einfach die Finger. Verstohlen warf er uns einen Blick zu.
»Er flicht aus Roßhaar Schlingen für Vögel«, sagte mir Władek, als ich fragte. »Die sind so dünn, daß man sie kaum sieht.«
Das Dorf hatte vielleicht fünfzig Häuser, aber Menschen sahen wir keine. Wie bei dem Alten zuvor gingen nur die Gardinen ein Stück zurück, alle verfolgten uns mit den Blicken und warteten, daß wir verschwinden und sie in Ruhe lassen würden.
Wir kehrten zur Hauptstraße zurück. Halbherzig fuhren wir nach Westen. In Ruská Vol’a, in den Gebäuden des ehemaligen Grenzübergangs, gab es irgendwelche Magazine, Lager, weiß der Geier. Lastwagen mit slowakischen und polnischen Kennzeichen fuhren vor, irgend etwas wurde geladen, umgeladen, umgepackt, Gabelstapler mit Paletten tuckerten herum, überhaupt war ein fieberhaftes, nervöses Treiben im Gang, als wäre plötzlich die Konjunktur für Gott-weiß-was angesprungen.
»Siehst du, sie haben es bis hierher ausgebaut«, sagte er, mehr zu sich selbst.
»Was haben sie ausgebaut?« fragte ich.
»Das Gleis, fünfhundert Meter Gleis von der Hauptlinie aus.«
Er sagte, ich solle von der Straße abfahren. Er mußte ein bißchen schnuppern. Ich hielt auf dem Parkplatz an, er sprang hinaus und lief zwischen die Lastwagen und Lieferwagen. Aus der Ferne war das Krachen zusammenstoßender Waggons zu hören. Hier haben früher Baracken mit Wodka und Bier gestanden. Auch in den Häusern an der Hauptstraße gab es Handel. Über den Eingängen hingen – wie Wappen alter Gasthöfe – Kisten der Marken Złoty Bażant, Mnich, Staropramen und Kelt. In den Baracken drängten sich die Leute. Früher bin ich auch hierhergekommen. Hinter den Theken standen mollige Frauen, die außer der russischen und ukrainischen jede Währung nahmen. In den Schubladen lag alles durcheinander, aber sie gaben exakt wie Automaten den Rest heraus, jedem, wie er es wollte. Ich kaufte damals billigen Whisky, fuhr nach Hause und trank, allein, während ich den Geräuschen der Stadt lauschte. Ich wohnte am Fluß, unweit der Brücke, und konnte das Dröhnen der großen Lastwagen hören, die hier nie hielten, und das Brummen der aufgemotzten Golfs, die immer im Kreis fuhren, weil sie nicht wußten wohin. Drei Flaschen reichten mir für fünf Tage, weil ich auch Bier trank. Zweimal im Monat machte ich diese Einkäufe. Ich kannte fast niemanden und wollte auch niemanden kennenlernen. Später wurde alles anders. Es gab keine Kunden mehr, die Baracken wurden abgebaut, und die Bierkisten verschwanden.
Zwischen den Lastwagen kamen zwei Männer hervor. Sie trugen sieben oder acht Autoreifen an einer langen Stange. Aus der zurückgeschobenen Tür eines weißen Transit tauchte eine Hand auf, nahm dem ersten der Träger die Last von der Schulter und zog die Ladung ins Innere des Wagens. Binnen kurzem war die Stange leer, die Männer trugen sie zurück. Sie hatten speckige Zolluniformen an. Nur die Abzeichen fehlten.
Nach zehn Minuten kam er wieder. Er ließ sich in den Sitz fallen, griff ins Handschuhfach und nahm ein dickwandiges Gläschen und eine Flasche Palinka, Marillenschnaps, heraus.
»Reifen«, sagte er. »Ganze Waggons voll Reifen.« Er schenkte sich ein und trank. »Ganze Waggons voll gebrauchter Reifen. Neben dem Gleis haben sie schon Lager hingestellt. Die Reifen kommen mit Zügen aus Österreich, sie sind aus ganz Europa, aus Italien, Frankreich, von hier werden sie weitertransportiert. Sie haben alles, was du brauchst, sogar für Traktoren, für Fahrräder, und alles schön geordnet wie bei Großhändlern, hier Fulda, hier Goodyear, nach Größen, Winterreifen extra, vier mal vier extra, ich hab noch nie im Leben so viele Reifen gesehen, Mensch. Und dann noch nach Preisen sortiert, von den ältesten bis zu den fast neuen, und alles im Computer, du brauchst nur zu sagen, was du willst, und der Kollege tippt es ein und sagt dir, ob er was für dich hat. Ich habe Autos aus Rumänien, aus Bosnien, aus Bulgarien gesehen, ja, das ist ein Lager für Gebrauchtreifen, mit dem du den halben Kontinent versorgen kannst …«
»Wem gehört das?« unterbrach ich ihn.
»Ich hab gefragt. Keiner weiß was.«
»Die wissen nicht, bei wem sie arbeiten?«
»Sie sagen, irgendeine GmbH. Wenn man nichts weiß, sagt man immer GmbH. Das heißt: gewiefte Diebe. Es nennt sich CentrumVisegrád.«
»Hübsch.«
»Was heißt das denn?«
»Nichts. Eine Stadt in Ungarn. Eigentlich ein Dorf mit einem Schloß. Da wurde Dracula festgehalten.«
»Dieser Vampir?« fragte er und sah mich neugierig an.
»Nein, der echte.«
»Ich wußte gar nicht, daß es einen echten gab«, sagte er ein wenig enttäuscht.
»Sie haben ihn dort im Keller festgehalten. Er war eine Art rumänischer König. Aus Langeweile fing er Mäuse und spießte sie auf spitze Stecken. Als er frei war, tat er das gleiche mit Menschen. War damals so Mode.«
Aber er hatte das Interesse schon verloren. Er dachte an die mit Reifen beladenen Züge, an all den Plunder, den man noch jemandem verkaufen konnte, an den Ramsch, der immer irgendwelche Interessenten fand, an die Reste, die irgend jemand aufbrauchen würde. Er hörte auf seinen Instinkt.
An diesem Tag fuhren wir nicht weiter. Wir verkauften gar nichts. Wir fuhren zurück, und er träumte im Wachen. Er sah Züge voller abgewetzter Jeans und chemisch gereinigter Sakkos aus englischer Wolle, und er sah Hallen, in denen all das hing oder lag, in himmelhohen Stapeln, Tausende Kleider, Zehntausende Blusen, Hemden, Unterhemden, Mäntel, Jacken, Pullover, sortiert nach Farbe, Größe und Preis, vielleicht sogar nach dem Herkunftsland, hier Holland, da Portugal und ganz in der Ecke, sagen wir, die Schweiz.
»Ja«, sagte er, »das wär was. Aber nicht hier, nicht bei uns. Zum Beispiel in der Gegend von Budapest, irgendwo mittendrin, wo es überallhin nicht weit ist und man ein bißchen von der Welt sieht. Denk nur, wir würden Moldawien und Makedonien in Klamotten aus London kleiden. Einen eigenen Transport aufziehen oder einen mieten, oder sie würden selbst kommen. Bei der Ausfallstraße nach Miskolc ist ein riesiges Bahnterrain, hektarweise Gleise, und das ist die Strecke nach Wien, also ein guter Punkt, denn gleich daneben verläuft die M 3, die Straße in die Slowakei, in die Ukraine und ins nördliche Rumänien, Mensch … Und auf der anderen Seite? Ein Stück Róbert Károly körút und dann gleich die Donau, die Arpadbrücke und das Ufer. Auf dem Wasser geht’s am besten und am billigsten, und flußabwärts läuft’s ja sowieso von ganz allein: Belgrad, ein Stück Bulgarien, Rustschuk, Rumänien, Galatz …«
»Kennst du Budapest gut?« fragte ich, um ihn zu unterbrechen.
»Ein bißchen.«
IN DER STADT waren wir bei Einbruch der Dunkelheit. Ich fuhr ihn zu seinem Haus. Er wohnte in einem vierstöckigen Block. Die Siedlung lag auf einem Hügel, es war immer windig dort. Er nahm den Palinka und stieg aus. Ich beobachtete, wie er in seine Träume vertieft den Bürgersteig entlangging. Er sah nichts um sich herum, schaute gar nicht, eilte mit gesenktem Kopf, als wollte er seine Gedanken so schnell wie möglich in die leere Wohnung retten und mit ihnen allein sein. Es war ein warmer Abend, zwischen den Blocks wimmelte es von Kindern. In Scharen rauchten sie Zigaretten und spuckten auf die Erde. Aus den offenen Fenstern hörte man die Fernseher – Dutzende in der Luft vermischte Programme. Die Menschen lebten auf diesem Hügel wie auf einer Insel. Die Welt sandte ihnen Signale, aber ihre Antworten konnten ihr gestohlen bleiben. Sie begriffen das genau und gingen nirgendwohin. Sie versuchten, die TV-Sendungen zu imitieren. Auf Skateboards fuhren sie die schartigen Betonstufen herunter oder ein Stück abschüssigen Asphalt. Einmal, zweimal, dann steckten sie sich wieder eine an.
Ich legte den ersten Gang ein und fuhr langsam ums Karree. Es erinnerte an ein erlöschendes Lagerfeuer: Staub, aschgrauer Zement und das kalte Glühen der Fernseher. Ich rollte bergab, am Zentrum vorbei, und spürte durchs halboffene Fenster die Feuchtigkeit vom Fluß. Ich hatte ein einstöckiges Haus aus rotem Backstein gemietet. Ein Zimmer, Küche, das war alles. Der Rest war mit Gerümpel vollgestellt und abgeschlossen. Aber ich hatte ein Stück Hof, einen Zaun und ein abschließbares Tor, also mußte ich mir keine Sorgen um den Lieferwagen machen. Auf dem Hof stand eine Bretterbude, darin hatte ich mir eine Art Werkstatt, Lager und Garage eingerichtet. Früher war um das Haus herum ein Garten, aber er war verwildert und hatte sich in Wald verwandelt. Von der Straße her verdeckten Fliederbüsche die Sicht. Ich hörte die Stadt, aber ich sah sie nicht. Einmal im Monat kam eine ältere Frau, der ich Miete zahlte. Sie lächelte und fragte, ob ich mich in der Wohnung wohl fühle. Hereinkommen wollte sie nie. Im Zimmer standen alte, abgenutzte Möbel aus den sechziger und siebziger Jahren. Solche Möbel kannte ich aus meiner Kindheit. Mehr brauchte ich nicht. Im Winter heizte ich den Herd und den Kachelofen. Der Geruch des Kohlenrauchs in der kalten Luft erinnerte mich an längst vergangene Zeiten. Bevor ich hierherkam, habe ich auch Klamotten verkauft, aber neue. Ich hatte sogar einen Laden. Aber das war dann vorbei, und ich bin weggegangen. Man kann sogar sagen, ich bin geflüchtet, denn mein Leben war in Stücke geflogen, und ich war nicht in der Lage, es wieder zusammenzusetzen.
An warmen Abenden setze ich mich manchmal an den Fluß. Der verwilderte Garten endet an der Uferböschung. Hier ist kein Zaun, nur Schlehenbüsche und Weißdorn. Links sehe ich die Brücke und ein paar zweistöckige Häuser. Rechts brennen die Lichter der Tankstelle. Manchmal hole ich die Luftmatratze und den Schlafsack und sitze da, bis der Schlaf mich überwältigt. Ich schaue, wie die Stadt abstirbt, und stelle mir vor, daß ich mich selbst beobachte, daß ich nur mein eigener Schatten bin.
MANCHMAL kam er morgens, und wir brachten unsere Ware in Ordnung. Wir mußten die ganzen Lumpen wegwerfen, die wir monatelang in der Gegend herumgefahren hatten und die niemand mehr eines Blickes würdigte. Ausgebleichte Hemden, Jacken, die sich nicht mehr bügeln ließen, Röcke, in denen Löcher waren, Pullover, bei denen die Maschen aufgingen, und all den anderen Krempel. Auf dem Boden der Plastikkisten fanden wir Knöpfe, abgegangenes Flitterzeug und Mäusedreck. Die Mäuse mußten wochenlang mit uns gefahren sein. Sie hatten sich Nester aus Stoffetzen gebaut und dort ihre Mäusekinder zur Welt gebracht. Sie überquerten mit uns die Grenze, und nachts, wenn wir im Laderaum oder bei Władeks Bekannten schliefen, huschten sie auf der Suche nach etwas zu fressen in die slowakische Finsternis und wurden zu Bürgern dieses schönen Landes.
»Guck mal, was die gemacht haben«, sagte er und hob die durchlöcherten Fetzen hoch. »Hätten die keinen anderen Platz finden können, verdammt?« Er sah genauer hin, rieb den Stoff zwischen den Fingern und schüttelte resigniert den Kopf. »Und das ist auch noch Plastik, Polyester, Nylon oder anderer Scheiß. In dem Zeug kann doch kein Mensch schlafen, da erstickt man, und so einer Maus macht das nichts aus.«
Wir packten alles in Säcke und stellten sie an die Garagenwand. Dort wehte es im Winter wenigstens nicht. Im Frühjahr und im Herbst warfen wir den größten Teil der Waren weg. Kollektionswechsel. Übrig blieben einige Sakkos, die besten Jeans, Lederjacken und ein paar Mäntel, darunter ein schwarzer Ledermantel – der war von Anfang an mit uns gefahren. Ich kam damals von der Grenze und hatte ein bißchen Wodka rausgeschmuggelt. Auf dem Marktplatz in Żłobiska stand ein graugrüner alter Mercedes 123. Auf dem Anhänger lagen Kleider aus. Über den Stapeln mit Klamotten erhob sich eine Konstruktion aus Aluminiumrohren, an der Kleiderbügel mit besserer Ware schaukelten. Es war Südwind und ging auf den Abend zu, und in den schrägen Sonnenstrahlen sahen diese wehenden Kreationen wie Kirchenfahnen aus. Daneben stand ein leicht ergrauter Typ und rauchte eine Zigarette. In der halbgeschlossenen Hand schützte er sie vor dem Wind. Er starrte irgendwo in die Landschaft, als würde der Laden gar nicht ihm gehören, als würde er nur aufpassen und ungeduldig auf den Besitzer warten. Ich hielt in der Nähe an und ging zu ihm. Zwischen den Sachen, die ich mir anschaute, entdeckte ich diesen Mantel. Er war schwarz, schwer, alt, aber gut erhalten. Solche Mäntel haben die Kommunisten getragen, um sich Mut zu machen und anderen Angst einzuflößen. Die Nazis übrigens auch. Ich befühlte die Haut der Bestie, der Typ schaute immer noch in die Ferne, als wäre ich gar nicht da.
»Achthundert«, sagte er und schnippte die Kippe weg.
»Was heißt achthundert?« fragte ich.
»Alte«, erwiderte er. »Na, neue wohl nicht. Wollen Sie anprobieren?«
Ich wollte nicht. Ich wollte auch nicht kaufen. Mich interessierte mehr er selbst, wie er so im Wind stand, mitten auf dem leeren Platz, mit diesem unbewegten Gesicht und einer Sturheit, die allem Hoffnungslosen eigen ist. Er war gefahren, soweit es ging, und konnte nur zurück. Vor ihm war nur noch die Grenze – damals eine ganz echte und gut bewacht. Er stand einfach da und wartete, daß Żłobiska Mitleid bekäme und jemanden schickte, der etwas kaufen würde. Aber an diesem Tag gab es kein Erbarmen. So ist es manchmal in diesen Käffern: Alle glotzen hinter den Gardinen hervor, aber keiner kommt heraus. Ja, er stand da wie ein Denkmal des Frühkapitalismus und Unternehmertums. Unbewegt, einsam, dem Gespött preisgegeben. Und dann noch der Wind, der den ganzen Kram zum Flattern brachte.
»Das Geschäft läuft nicht«, sagte ich.
»Ja«, nickte er, »ein Scheiß ist das, kein Geschäft. Es ist nie so toll, aber heute ist es besonders schlecht.«
»Vielleicht, weil es so zieht.«
»Vielleicht«, brummte er und bot mir eine Zigarette an.
Ich sagte, wir gingen besser zu meinem Auto, denn bei diesem Wind sei das hier nichts mit dem Rauchen; das taten wir. Er erzählte mir, er fahre manchmal über hundert Kilometer am Tag und verdiene keinen Groschen. Ich erzählte ihm, wie ich vor einem Monat im Behälter für die Scheibenwaschanlage fünf Liter Spiritus transportierte und der Zöllner mich aufforderte, den Hebel am Lenkrad zu drücken. Der zerstäubte Spiritus verwandelte sich in der Augusthitze in eine Wolke, und es war ein Wunder, daß niemand in der Schlange ein Feuerzeug anmachte, denn da rauchen ja alle vor lauter Streß. Dann mußte ich an die Seite fahren, und er brachte ein Plastikröhrchen und sagte, ich solle alles herauslassen. Ich verschluckte mich, und der Spiritus kam mir durch die Nase. Das alles erzählte ich dem Händler, und am Ende lächelte er ein bißchen. Wir hatten aufgehört zu rauchen, aber aussteigen wollten wir nicht. Wir schauten zu, wie der Wind an den Kleidern zerrte. Niemand hatte die Absicht, etwas zu kaufen oder sich etwas anzusehen. Sie beobachteten uns hinter den Gardinen hervor. Wir waren Dahergelaufene. Ich fragte ihn, ob er nicht einen Wodka trinken wolle. Er sagte, eigentlich schon, aber er wolle kein Risiko eingehen, denn wenn sie ihm den Führerschein abnehmen würden, hätte er gar nichts mehr.
»Aber ich kenne hier einen. Da können wir hinfahren und die ganze Nacht trinken«, schlug er vor und sah mich von der Seite an.
»Gut«, antwortete ich.
»Ich fahre voraus. Ich heiße Heniek«, sagte er und stieg aus.